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Diplomacy & Defense Think Tank News

Wie die Beteiligung von Geflüchteten Politik und Wissenschaft verbessern kann

Bonn, 5. Februar 2024 - Die weltweite Vertreibung nimmt aufgrund mehrerer Krisen zu. Dafür müssen Lösungen entwickelt werden. Politische Entscheidungsträger*innen und Wissenschaftler*innen müssen mehr tun, um Geflüchtete aktiv in Politik und Forschung einzubeziehen. Trotz zunehmender Anerkennung der zentralen Rolle von Geflüchteten, muss ihre Beteiligung weiter ausgebaut werden. Wenn die Stimmen und Perspektiven Geflüchteter nicht umfassender in die Entwicklung nachhaltiger Lösungen für Flucht einbezogen werden, bleiben die Legitimität der Maßnahmen und ihre erfolgreiche Umsetzung fraglich. Dies erfordert den politischen Willen der Entscheidungsträger*innen und sorgfältige ethische Überlegungen in der Forschung.

Die Forderungen von Geflüchteten nach Beteiligung an politischen Prozessen und Forschung steigen. In den letzten Jahren ist die Zahl der Refugee-led organisations (RLOs) weltweit stark gewachsen, wobei das Global Refugee-led Network und Refugees Seeking Equal Access at the Table prominente internationale Beispiele sind. In der Fluchtforschung haben die wissenschaftliche Aufmerksamkeit und gleichberechtigte Beteiligung von Geflüchteten zu einer wachsenden Zahl kritischer Analysen und Publikationen geführt. Viele Wissenschaftler*innen und Geflüchtete fordern mehr partizipative Ansätze und eine aktive Rolle für Geflüchtete in Politik und Forschung.

Geflüchtete in globalen Entscheidungsgremien

Beim zweiten Globalen Flüchtlingsforum (GRF) in Genf/Schweiz im Dezember 2023 waren mehr als 300 der über 4.200 Teilnehmenden Geflüchtetendelegierte. Dies ist ein deutlicher Anstieg im Vergleich zum GRF 2019, an dem nur rund 70 Geflüchtete teilnahmen. Sprecher*innen der Konferenz kritisierten jedoch zu Recht, dass 23 von 25 eingeladenen Geflüchtetendelegierten des Africa Refugee-led Network die Visa verweigert wurden. Gemessen an der Gesamtzahl der Teilnehmenden blieb 2023 die Repräsentanz von Geflüchteten mit nur 7% gering. Das ist vor allem auf die rechtlichen Rahmenbedingungen zurückzuführen, die eine stärkere Beteiligung von Geflüchteten an politischen Entscheidungsprozessen behindern.

Daher organisierten RLOs und Geflüchtete zeitgleich mit dem Forum den Refugee Leadership Multipurpose Space, in dem sie über 40 öffentliche Veranstaltungen zu Fragen von Partizipation und Repräsentation durchführten. Hier stellte Reem Alabali-Radovan, Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Kava Spartak als Delegationsmitglied vor. Mit ihm war erstmals ein Geflüchteter offizieller Teil einer deutschen Delegation.

Da RLOs oft die ersten Ansprechpartner*innen bei Krisen in ihren Gemeinden sind, wie z.B. während COVID-19, ist ihre Expertise essenziell für eine gute Politik und muss deshalb systematischer einbezogen werden. Ein Schritt in diese Richtung ist die Einrichtung eines Refugee Advisory Boards in Deutschland. Damit folgt Deutschland Australien, Kanada, Neuseeland und den Vereinigten Staaten, die bereits über solche Gremien verfügen- ein positiver Beitrag um den moralischen, politischen und rechtlichen Auftrag zur Beteiligung von Geflüchteten in der Politikgestaltung zu fördern.

Geflüchtete in der Forschung

Der aktivere Einbezug von Geflüchteten in der Forschung ist von entscheidender Bedeutung, insbesondere wenn es um ihre Erfahrungen geht. Dies fördert nicht nur einen inklusiveren und ethischeren Ansatz in der Forschung selbst, sondern stellt auch sicher, dass die Erfahrungen und Perspektiven der direkt Betroffenen besser dargestellt werden. Geflüchtete verfügen zweifellos über das beste Wissen über ihre Herausforderungen, Bewältigungsmechanismen und Hoffnungen für die Zukunft. Durch ihren aktiven Einbezug in die Forschung tragen sie zur Wissensgenerierung bei und fördern so ein authentischeres und umfassenderes Verständnis der komplexen Herausforderungen und Chancen, mit denen sie konfrontiert sind.

Partizipative Ansätze erhöhen nicht nur die Glaubwürdigkeit und Relevanz der Forschung, sondern stärken auch das Gefühl der Handlungsfähigkeit und Würde von Geflüchteten, indem sie als aktive Akteur*innen bei der Gestaltung von Politiken und Maßnahmen, die ihr Leben direkt betreffen, anerkannt werden. Wissenschaftler*innen müssen aber sicherstellen, dass Machtungleichgewichte angemessen berücksichtigt und Geflüchtete nicht gefährdet werden. Dies ist besonders wichtig in einem zunehmend politisierten, komplexen und unsicheren Umfeld weltweit, in dem öffentliche Räume für die Beteiligung von Geflüchteten und Forschung schrumpfen.

Ein IDOS-Forschungsprojekt, das u.a. von den Autoren dieser Kolumne durchgeführt wurde, ist ein gutes Beispiel: Dank einer vertrauensvollen Partnerschaft konnte die Forschung während der COVID-19-Pandemie in Zusammenarbeit mit Geflüchteten fortgesetzt werden, was den entscheidenden Wert ihrer Insiderperspektive und einer partnerschaftlichen Forschung unterstreicht, aber auch zum Nachdenken darüber anregt, wie Forschung stärker lokalisiert werden kann.

Lokal verankerte und partizipativ durchgeführte Forschung ist für humanitäre und entwicklungspolitische Vorhaben von entscheidender Bedeutung. Sie stärkt lokale Forschungskapazitäten und generiert durch lokale Beteiligung während des gesamten Forschungsprozesses kontextspezifische Lösungen, die eine passgenauere Politikberatung ermöglichen. Eine stärkere Beteiligung von Geflüchteten sowohl in der Politik als auch in der Forschung ist unerlässlich, um die Herausforderungen von Fluchtsituationen weltweit zu bewältigen.

Merlin Flaig ist Sozialwissenschaftler und Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsprogramm „Transformation politischer (Un-)Ordnung“.

Abis Getachew ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Esurv Consults in Äthiopien.

Wie die Beteiligung von Geflüchteten Politik und Wissenschaft verbessern kann

Bonn, 5. Februar 2024 - Die weltweite Vertreibung nimmt aufgrund mehrerer Krisen zu. Dafür müssen Lösungen entwickelt werden. Politische Entscheidungsträger*innen und Wissenschaftler*innen müssen mehr tun, um Geflüchtete aktiv in Politik und Forschung einzubeziehen. Trotz zunehmender Anerkennung der zentralen Rolle von Geflüchteten, muss ihre Beteiligung weiter ausgebaut werden. Wenn die Stimmen und Perspektiven Geflüchteter nicht umfassender in die Entwicklung nachhaltiger Lösungen für Flucht einbezogen werden, bleiben die Legitimität der Maßnahmen und ihre erfolgreiche Umsetzung fraglich. Dies erfordert den politischen Willen der Entscheidungsträger*innen und sorgfältige ethische Überlegungen in der Forschung.

Die Forderungen von Geflüchteten nach Beteiligung an politischen Prozessen und Forschung steigen. In den letzten Jahren ist die Zahl der Refugee-led organisations (RLOs) weltweit stark gewachsen, wobei das Global Refugee-led Network und Refugees Seeking Equal Access at the Table prominente internationale Beispiele sind. In der Fluchtforschung haben die wissenschaftliche Aufmerksamkeit und gleichberechtigte Beteiligung von Geflüchteten zu einer wachsenden Zahl kritischer Analysen und Publikationen geführt. Viele Wissenschaftler*innen und Geflüchtete fordern mehr partizipative Ansätze und eine aktive Rolle für Geflüchtete in Politik und Forschung.

Geflüchtete in globalen Entscheidungsgremien

Beim zweiten Globalen Flüchtlingsforum (GRF) in Genf/Schweiz im Dezember 2023 waren mehr als 300 der über 4.200 Teilnehmenden Geflüchtetendelegierte. Dies ist ein deutlicher Anstieg im Vergleich zum GRF 2019, an dem nur rund 70 Geflüchtete teilnahmen. Sprecher*innen der Konferenz kritisierten jedoch zu Recht, dass 23 von 25 eingeladenen Geflüchtetendelegierten des Africa Refugee-led Network die Visa verweigert wurden. Gemessen an der Gesamtzahl der Teilnehmenden blieb 2023 die Repräsentanz von Geflüchteten mit nur 7% gering. Das ist vor allem auf die rechtlichen Rahmenbedingungen zurückzuführen, die eine stärkere Beteiligung von Geflüchteten an politischen Entscheidungsprozessen behindern.

Daher organisierten RLOs und Geflüchtete zeitgleich mit dem Forum den Refugee Leadership Multipurpose Space, in dem sie über 40 öffentliche Veranstaltungen zu Fragen von Partizipation und Repräsentation durchführten. Hier stellte Reem Alabali-Radovan, Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Kava Spartak als Delegationsmitglied vor. Mit ihm war erstmals ein Geflüchteter offizieller Teil einer deutschen Delegation.

Da RLOs oft die ersten Ansprechpartner*innen bei Krisen in ihren Gemeinden sind, wie z.B. während COVID-19, ist ihre Expertise essenziell für eine gute Politik und muss deshalb systematischer einbezogen werden. Ein Schritt in diese Richtung ist die Einrichtung eines Refugee Advisory Boards in Deutschland. Damit folgt Deutschland Australien, Kanada, Neuseeland und den Vereinigten Staaten, die bereits über solche Gremien verfügen- ein positiver Beitrag um den moralischen, politischen und rechtlichen Auftrag zur Beteiligung von Geflüchteten in der Politikgestaltung zu fördern.

Geflüchtete in der Forschung

Der aktivere Einbezug von Geflüchteten in der Forschung ist von entscheidender Bedeutung, insbesondere wenn es um ihre Erfahrungen geht. Dies fördert nicht nur einen inklusiveren und ethischeren Ansatz in der Forschung selbst, sondern stellt auch sicher, dass die Erfahrungen und Perspektiven der direkt Betroffenen besser dargestellt werden. Geflüchtete verfügen zweifellos über das beste Wissen über ihre Herausforderungen, Bewältigungsmechanismen und Hoffnungen für die Zukunft. Durch ihren aktiven Einbezug in die Forschung tragen sie zur Wissensgenerierung bei und fördern so ein authentischeres und umfassenderes Verständnis der komplexen Herausforderungen und Chancen, mit denen sie konfrontiert sind.

Partizipative Ansätze erhöhen nicht nur die Glaubwürdigkeit und Relevanz der Forschung, sondern stärken auch das Gefühl der Handlungsfähigkeit und Würde von Geflüchteten, indem sie als aktive Akteur*innen bei der Gestaltung von Politiken und Maßnahmen, die ihr Leben direkt betreffen, anerkannt werden. Wissenschaftler*innen müssen aber sicherstellen, dass Machtungleichgewichte angemessen berücksichtigt und Geflüchtete nicht gefährdet werden. Dies ist besonders wichtig in einem zunehmend politisierten, komplexen und unsicheren Umfeld weltweit, in dem öffentliche Räume für die Beteiligung von Geflüchteten und Forschung schrumpfen.

Ein IDOS-Forschungsprojekt, das u.a. von den Autoren dieser Kolumne durchgeführt wurde, ist ein gutes Beispiel: Dank einer vertrauensvollen Partnerschaft konnte die Forschung während der COVID-19-Pandemie in Zusammenarbeit mit Geflüchteten fortgesetzt werden, was den entscheidenden Wert ihrer Insiderperspektive und einer partnerschaftlichen Forschung unterstreicht, aber auch zum Nachdenken darüber anregt, wie Forschung stärker lokalisiert werden kann.

Lokal verankerte und partizipativ durchgeführte Forschung ist für humanitäre und entwicklungspolitische Vorhaben von entscheidender Bedeutung. Sie stärkt lokale Forschungskapazitäten und generiert durch lokale Beteiligung während des gesamten Forschungsprozesses kontextspezifische Lösungen, die eine passgenauere Politikberatung ermöglichen. Eine stärkere Beteiligung von Geflüchteten sowohl in der Politik als auch in der Forschung ist unerlässlich, um die Herausforderungen von Fluchtsituationen weltweit zu bewältigen.

Merlin Flaig ist Sozialwissenschaftler und Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsprogramm „Transformation politischer (Un-)Ordnung“.

Abis Getachew ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Esurv Consults in Äthiopien.

Aid unchained: examining development project management practices at aid chain interfaces

By analysing a comparative case study investigating a development project implemented

in Uganda and Vietnam, the article aims to understand how donor directives travel and translate

into actual practices in aid chains. Making use of Norman Long’s concept of the interface, we focus

on the interfaces between organizations to examine the negotiation of everyday project practices.

Based on practice theory, our analysis unpacks how directives are filtered through the power relation-

ships that shape practices at the various interfaces. We find that organizational relations between

southern organizations are just as power-laden as north–south relations. Our analysis also shows

that neither the management directives nor the freedoms that were granted to the participating

organizations resulted in uniform practices and that practices did not have the same implications for

organizations. Hence, the aid chain concept tends to simplify the complexities inherent in project

systems comprising a multiplicity of vertical and horizontal organizational relations.

Aid unchained: examining development project management practices at aid chain interfaces

By analysing a comparative case study investigating a development project implemented

in Uganda and Vietnam, the article aims to understand how donor directives travel and translate

into actual practices in aid chains. Making use of Norman Long’s concept of the interface, we focus

on the interfaces between organizations to examine the negotiation of everyday project practices.

Based on practice theory, our analysis unpacks how directives are filtered through the power relation-

ships that shape practices at the various interfaces. We find that organizational relations between

southern organizations are just as power-laden as north–south relations. Our analysis also shows

that neither the management directives nor the freedoms that were granted to the participating

organizations resulted in uniform practices and that practices did not have the same implications for

organizations. Hence, the aid chain concept tends to simplify the complexities inherent in project

systems comprising a multiplicity of vertical and horizontal organizational relations.

Aid unchained: examining development project management practices at aid chain interfaces

By analysing a comparative case study investigating a development project implemented

in Uganda and Vietnam, the article aims to understand how donor directives travel and translate

into actual practices in aid chains. Making use of Norman Long’s concept of the interface, we focus

on the interfaces between organizations to examine the negotiation of everyday project practices.

Based on practice theory, our analysis unpacks how directives are filtered through the power relation-

ships that shape practices at the various interfaces. We find that organizational relations between

southern organizations are just as power-laden as north–south relations. Our analysis also shows

that neither the management directives nor the freedoms that were granted to the participating

organizations resulted in uniform practices and that practices did not have the same implications for

organizations. Hence, the aid chain concept tends to simplify the complexities inherent in project

systems comprising a multiplicity of vertical and horizontal organizational relations.

COVID-19 as a critical juncture for EU development policy? Assessing the introduction and evolution of “Team Europe”

This contribution analyses to what extent the EU’s external response to the COVID-19 pandemic, communicated under the label ‘Team Europe’, represents a critical juncture for the EU’s development policy in terms of creating conditions for institutional change. As an area of shared competence, EU development policy processes predominantly seek to strengthen cooperation between the EU and its member states whilst respecting their respective competencies. Such initiatives have lacked success due to member states’ resistance towards strengthened coordination, let alone integration. By contrast, the Team Europe approach promoted the pooling of choices and resources of EU institutions and member states and strengthened the frequency and political importance of enhanced cooperation. The article identifies the European Commission’s policy entrepreneurship, the alignment with member states’ interests, low levels of politicisation and broader contextual geopolitical changes as key explanatory factors influencing more favourable attitudes aimed at and prospects for closer cooperation as promoted by Team Europe.

COVID-19 as a critical juncture for EU development policy? Assessing the introduction and evolution of “Team Europe”

This contribution analyses to what extent the EU’s external response to the COVID-19 pandemic, communicated under the label ‘Team Europe’, represents a critical juncture for the EU’s development policy in terms of creating conditions for institutional change. As an area of shared competence, EU development policy processes predominantly seek to strengthen cooperation between the EU and its member states whilst respecting their respective competencies. Such initiatives have lacked success due to member states’ resistance towards strengthened coordination, let alone integration. By contrast, the Team Europe approach promoted the pooling of choices and resources of EU institutions and member states and strengthened the frequency and political importance of enhanced cooperation. The article identifies the European Commission’s policy entrepreneurship, the alignment with member states’ interests, low levels of politicisation and broader contextual geopolitical changes as key explanatory factors influencing more favourable attitudes aimed at and prospects for closer cooperation as promoted by Team Europe.

COVID-19 as a critical juncture for EU development policy? Assessing the introduction and evolution of “Team Europe”

This contribution analyses to what extent the EU’s external response to the COVID-19 pandemic, communicated under the label ‘Team Europe’, represents a critical juncture for the EU’s development policy in terms of creating conditions for institutional change. As an area of shared competence, EU development policy processes predominantly seek to strengthen cooperation between the EU and its member states whilst respecting their respective competencies. Such initiatives have lacked success due to member states’ resistance towards strengthened coordination, let alone integration. By contrast, the Team Europe approach promoted the pooling of choices and resources of EU institutions and member states and strengthened the frequency and political importance of enhanced cooperation. The article identifies the European Commission’s policy entrepreneurship, the alignment with member states’ interests, low levels of politicisation and broader contextual geopolitical changes as key explanatory factors influencing more favourable attitudes aimed at and prospects for closer cooperation as promoted by Team Europe.

Entwicklungspolitik bei den anstehenden Europawahlen (wieder) ins Blickfeld rücken

Bonn, 29. Januar 2024. Für die Europäische Union wird 2024 ein entscheidendes Jahr. Im Juni wählen die Bürger*innen das nächste Europäische Parlament. Das EU-Parlament spielt eine Schlüsselrolle bei der Gesetzgebung. Auch bei Entscheidungen über die strategische Ausrichtung der nächsten Europäischen Kommission, die im Herbst ihr Amt antreten wird, wirkt das Parlament entscheidend mit.

Aktuellen Umfragen zufolge könnte die Europäische Volkspartei (EVP, der Zusammenschluss konservativer Parteien in Europa) ihre Position als größte Fraktion im Europäischen Parlament behalten. Ungewiss bleibt, ob die anderen Fraktionen groß genug sein werden, um eine pro-europäische Mehrheit zu bilden, oder ob die EVP stattdessen mit euroskeptischen oder sogar rechtsradikalen Bündnissen zusammenarbeiten wird. Die nächste EU-Kommission wird angesichts der Wahlen im Juni und des jüngsten Rechtsrucks in den Mitgliedstaaten voraussichtlich eine konservativere Zusammensetzung und politische Agenda haben als die aktuelle Kommission.

Um die Auswirkungen der Wahlen auf die EU-Entwicklungspolitik zu beurteilen, lohnt sich ein Rückblick. Bei ihrem Amtsantritt 2019 kündigte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine geopolitische EU-Kommission an. Die Entwicklungspolitik sollte dieser geopolitischen Ausrichtung folgen. Dies führte zu grundlegenden Verschiebungen der entwicklungspolitischen Ziele der EU. Große Krisen wie die Covid-19 Pandemie und die russische Invasion in der Ukraine haben diesen Trend weiter verschärft. Konkret heißt das: Im Vergleich zu 2019 soll die Entwicklungspolitik heute noch stärker zu den Zielen anderer Politikbereiche wie der Sicherheits-, Energie- oder Migrationspolitik beitragen. Sie soll zudem die Sichtbarkeit, die strategische Autonomie und die Widerstandsfähigkeit der EU zugunsten einer größeren Eigenständigkeit in Sicherheits- und Verteidigungsfragen und einer Diversifizierung der Außenwirtschaft fördern.

Global Gateway und Team Europe sind in dieser Hinsicht wegweisend. Team Europe war zunächst Teil der Corona-Krisenreaktion der EU. Ziel war, die finanziellen Ressourcen aller EU-Institutionen und ‑Mitgliedstaaten zu bündeln, um die Sichtbarkeit Europas bei der Bewältigung der Pandemiefolgen in den Partnerländern zu erhöhen. Global Gateway sollte das Gegengewicht zu Chinas „Belt and Road“-Initiative sowie ganz allgemein zum wachsenden chinesischen Einfluss in Entwicklungsländern bilden. Global Gateway sieht die Förderung groß angelegter Infrastrukturinvestitionen in den Bereichen Energie, Verkehr, Digitalisierung, Bildung und Gesundheit vor. Dabei betont die EU, als Verbund demokratischer Staaten verfolge sie einen anderen Ansatz als China. Ein weiteres Ziel von Global Gateway ist der Aufbau strategischer Korridore mit Partnerländern, um Europas Versorgung mit Energie und wichtigen Rohstoffen zu sichern.

Welche entwicklungspolitischen Veränderungen können wir nun vom neuen Europäischen Parlament und der neuen Kommission erwarten?

Erstens könnte ein Rechtsruck zu grundsätzlicheren und noch stärker polarisierten Debatten über Sinn und Zweck der EU-Entwicklungspolitik führen. Dies würde den Druck weiter erhöhen, das Entwicklungsbudget zur Eindämmung der Migration einzusetzen. Zweitens werden sowohl Team Europe als auch Global Gateway unabhängig von den neuen politischen Machtverhältnissen innerhalb und zwischen den EU-Institutionen vermutlich weitergeführt.

Bislang haben Team Europe und Global Gateway zu einer größeren Sichtbarkeit und einer stärkeren Zusammenarbeit zwischen den EU-Institutionen und den Mitgliedstaaten beigetragen. Beides sind grundsätzlich wichtige Schritte.

Für die Zeit nach den Wahlen im Juni ist jedoch auch klar, dass Team Europe und Global Gateway in ihrer jetzigen Ausgestaltung der EU mittel- und langfristig eher schaden als helfen. Setzt die EU den derzeitigen Kurs fort, ihre geostrategischen Interessen offensiv zu verfolgen, läuft sie Gefahr, Interessenkonflikte mit dem selbstbewusster auftretenden Globalen Süden zu schüren und den geopolitischen Wettbewerb eher zu verschärfen als einzuhegen.

Nach den Wahlen im Juni sind die demokratischen Parteien der Mitte gefordert, Team Europe und Global Gateway so auszurichten, dass sie die Interessen Europas mit den Bedürfnissen der Partner*innen in Einklang bringen und Multilateralismus, Frieden und Nachhaltigkeit auf globaler Ebene fördern.

Derzeit verfolgen die EU und der Globale Süden bei einer Reihe wichtiger globaler Themen einen unterschiedlichen Kurs. Sei es bei der Migration, der Gewinnung kritischer Rohstoffe, der Energiepolitik oder Fragen von Krieg und Demokratie in der Ukraine und im Nahen Osten.

Um diesen Spannungen entgegenzuwirken, sollte die EU sich offener für einen echten Dialog mit ihren Partner*innen zeigen, was auch heißt, auf deren Prioritäten – wie z.B. unhaltbare Schuldenniveaus – einzugehen und deutlich mehr Unterstützung für eine sozial verantwortliche, klimaneutrale Umgestaltung ihrer Volkswirtschaften zu leisten. Die nächste Führung des Europäischen Parlaments und der Kommission sollte sicherstellen, dass die EU zwar ihre eigenen Prioritäten verfolgt und eindeutig kommuniziert, gleichzeitig aber auch ihren Partner*innen zuhört und von ihnen lernt.

Entwicklungspolitik bei den anstehenden Europawahlen (wieder) ins Blickfeld rücken

Bonn, 29. Januar 2024. Für die Europäische Union wird 2024 ein entscheidendes Jahr. Im Juni wählen die Bürger*innen das nächste Europäische Parlament. Das EU-Parlament spielt eine Schlüsselrolle bei der Gesetzgebung. Auch bei Entscheidungen über die strategische Ausrichtung der nächsten Europäischen Kommission, die im Herbst ihr Amt antreten wird, wirkt das Parlament entscheidend mit.

Aktuellen Umfragen zufolge könnte die Europäische Volkspartei (EVP, der Zusammenschluss konservativer Parteien in Europa) ihre Position als größte Fraktion im Europäischen Parlament behalten. Ungewiss bleibt, ob die anderen Fraktionen groß genug sein werden, um eine pro-europäische Mehrheit zu bilden, oder ob die EVP stattdessen mit euroskeptischen oder sogar rechtsradikalen Bündnissen zusammenarbeiten wird. Die nächste EU-Kommission wird angesichts der Wahlen im Juni und des jüngsten Rechtsrucks in den Mitgliedstaaten voraussichtlich eine konservativere Zusammensetzung und politische Agenda haben als die aktuelle Kommission.

Um die Auswirkungen der Wahlen auf die EU-Entwicklungspolitik zu beurteilen, lohnt sich ein Rückblick. Bei ihrem Amtsantritt 2019 kündigte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine geopolitische EU-Kommission an. Die Entwicklungspolitik sollte dieser geopolitischen Ausrichtung folgen. Dies führte zu grundlegenden Verschiebungen der entwicklungspolitischen Ziele der EU. Große Krisen wie die Covid-19 Pandemie und die russische Invasion in der Ukraine haben diesen Trend weiter verschärft. Konkret heißt das: Im Vergleich zu 2019 soll die Entwicklungspolitik heute noch stärker zu den Zielen anderer Politikbereiche wie der Sicherheits-, Energie- oder Migrationspolitik beitragen. Sie soll zudem die Sichtbarkeit, die strategische Autonomie und die Widerstandsfähigkeit der EU zugunsten einer größeren Eigenständigkeit in Sicherheits- und Verteidigungsfragen und einer Diversifizierung der Außenwirtschaft fördern.

Global Gateway und Team Europe sind in dieser Hinsicht wegweisend. Team Europe war zunächst Teil der Corona-Krisenreaktion der EU. Ziel war, die finanziellen Ressourcen aller EU-Institutionen und ‑Mitgliedstaaten zu bündeln, um die Sichtbarkeit Europas bei der Bewältigung der Pandemiefolgen in den Partnerländern zu erhöhen. Global Gateway sollte das Gegengewicht zu Chinas „Belt and Road“-Initiative sowie ganz allgemein zum wachsenden chinesischen Einfluss in Entwicklungsländern bilden. Global Gateway sieht die Förderung groß angelegter Infrastrukturinvestitionen in den Bereichen Energie, Verkehr, Digitalisierung, Bildung und Gesundheit vor. Dabei betont die EU, als Verbund demokratischer Staaten verfolge sie einen anderen Ansatz als China. Ein weiteres Ziel von Global Gateway ist der Aufbau strategischer Korridore mit Partnerländern, um Europas Versorgung mit Energie und wichtigen Rohstoffen zu sichern.

Welche entwicklungspolitischen Veränderungen können wir nun vom neuen Europäischen Parlament und der neuen Kommission erwarten?

Erstens könnte ein Rechtsruck zu grundsätzlicheren und noch stärker polarisierten Debatten über Sinn und Zweck der EU-Entwicklungspolitik führen. Dies würde den Druck weiter erhöhen, das Entwicklungsbudget zur Eindämmung der Migration einzusetzen. Zweitens werden sowohl Team Europe als auch Global Gateway unabhängig von den neuen politischen Machtverhältnissen innerhalb und zwischen den EU-Institutionen vermutlich weitergeführt.

Bislang haben Team Europe und Global Gateway zu einer größeren Sichtbarkeit und einer stärkeren Zusammenarbeit zwischen den EU-Institutionen und den Mitgliedstaaten beigetragen. Beides sind grundsätzlich wichtige Schritte.

Für die Zeit nach den Wahlen im Juni ist jedoch auch klar, dass Team Europe und Global Gateway in ihrer jetzigen Ausgestaltung der EU mittel- und langfristig eher schaden als helfen. Setzt die EU den derzeitigen Kurs fort, ihre geostrategischen Interessen offensiv zu verfolgen, läuft sie Gefahr, Interessenkonflikte mit dem selbstbewusster auftretenden Globalen Süden zu schüren und den geopolitischen Wettbewerb eher zu verschärfen als einzuhegen.

Nach den Wahlen im Juni sind die demokratischen Parteien der Mitte gefordert, Team Europe und Global Gateway so auszurichten, dass sie die Interessen Europas mit den Bedürfnissen der Partner*innen in Einklang bringen und Multilateralismus, Frieden und Nachhaltigkeit auf globaler Ebene fördern.

Derzeit verfolgen die EU und der Globale Süden bei einer Reihe wichtiger globaler Themen einen unterschiedlichen Kurs. Sei es bei der Migration, der Gewinnung kritischer Rohstoffe, der Energiepolitik oder Fragen von Krieg und Demokratie in der Ukraine und im Nahen Osten.

Um diesen Spannungen entgegenzuwirken, sollte die EU sich offener für einen echten Dialog mit ihren Partner*innen zeigen, was auch heißt, auf deren Prioritäten – wie z.B. unhaltbare Schuldenniveaus – einzugehen und deutlich mehr Unterstützung für eine sozial verantwortliche, klimaneutrale Umgestaltung ihrer Volkswirtschaften zu leisten. Die nächste Führung des Europäischen Parlaments und der Kommission sollte sicherstellen, dass die EU zwar ihre eigenen Prioritäten verfolgt und eindeutig kommuniziert, gleichzeitig aber auch ihren Partner*innen zuhört und von ihnen lernt.

Entwicklungspolitik bei den anstehenden Europawahlen (wieder) ins Blickfeld rücken

Bonn, 29. Januar 2024. Für die Europäische Union wird 2024 ein entscheidendes Jahr. Im Juni wählen die Bürger*innen das nächste Europäische Parlament. Das EU-Parlament spielt eine Schlüsselrolle bei der Gesetzgebung. Auch bei Entscheidungen über die strategische Ausrichtung der nächsten Europäischen Kommission, die im Herbst ihr Amt antreten wird, wirkt das Parlament entscheidend mit.

Aktuellen Umfragen zufolge könnte die Europäische Volkspartei (EVP, der Zusammenschluss konservativer Parteien in Europa) ihre Position als größte Fraktion im Europäischen Parlament behalten. Ungewiss bleibt, ob die anderen Fraktionen groß genug sein werden, um eine pro-europäische Mehrheit zu bilden, oder ob die EVP stattdessen mit euroskeptischen oder sogar rechtsradikalen Bündnissen zusammenarbeiten wird. Die nächste EU-Kommission wird angesichts der Wahlen im Juni und des jüngsten Rechtsrucks in den Mitgliedstaaten voraussichtlich eine konservativere Zusammensetzung und politische Agenda haben als die aktuelle Kommission.

Um die Auswirkungen der Wahlen auf die EU-Entwicklungspolitik zu beurteilen, lohnt sich ein Rückblick. Bei ihrem Amtsantritt 2019 kündigte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine geopolitische EU-Kommission an. Die Entwicklungspolitik sollte dieser geopolitischen Ausrichtung folgen. Dies führte zu grundlegenden Verschiebungen der entwicklungspolitischen Ziele der EU. Große Krisen wie die Covid-19 Pandemie und die russische Invasion in der Ukraine haben diesen Trend weiter verschärft. Konkret heißt das: Im Vergleich zu 2019 soll die Entwicklungspolitik heute noch stärker zu den Zielen anderer Politikbereiche wie der Sicherheits-, Energie- oder Migrationspolitik beitragen. Sie soll zudem die Sichtbarkeit, die strategische Autonomie und die Widerstandsfähigkeit der EU zugunsten einer größeren Eigenständigkeit in Sicherheits- und Verteidigungsfragen und einer Diversifizierung der Außenwirtschaft fördern.

Global Gateway und Team Europe sind in dieser Hinsicht wegweisend. Team Europe war zunächst Teil der Corona-Krisenreaktion der EU. Ziel war, die finanziellen Ressourcen aller EU-Institutionen und ‑Mitgliedstaaten zu bündeln, um die Sichtbarkeit Europas bei der Bewältigung der Pandemiefolgen in den Partnerländern zu erhöhen. Global Gateway sollte das Gegengewicht zu Chinas „Belt and Road“-Initiative sowie ganz allgemein zum wachsenden chinesischen Einfluss in Entwicklungsländern bilden. Global Gateway sieht die Förderung groß angelegter Infrastrukturinvestitionen in den Bereichen Energie, Verkehr, Digitalisierung, Bildung und Gesundheit vor. Dabei betont die EU, als Verbund demokratischer Staaten verfolge sie einen anderen Ansatz als China. Ein weiteres Ziel von Global Gateway ist der Aufbau strategischer Korridore mit Partnerländern, um Europas Versorgung mit Energie und wichtigen Rohstoffen zu sichern.

Welche entwicklungspolitischen Veränderungen können wir nun vom neuen Europäischen Parlament und der neuen Kommission erwarten?

Erstens könnte ein Rechtsruck zu grundsätzlicheren und noch stärker polarisierten Debatten über Sinn und Zweck der EU-Entwicklungspolitik führen. Dies würde den Druck weiter erhöhen, das Entwicklungsbudget zur Eindämmung der Migration einzusetzen. Zweitens werden sowohl Team Europe als auch Global Gateway unabhängig von den neuen politischen Machtverhältnissen innerhalb und zwischen den EU-Institutionen vermutlich weitergeführt.

Bislang haben Team Europe und Global Gateway zu einer größeren Sichtbarkeit und einer stärkeren Zusammenarbeit zwischen den EU-Institutionen und den Mitgliedstaaten beigetragen. Beides sind grundsätzlich wichtige Schritte.

Für die Zeit nach den Wahlen im Juni ist jedoch auch klar, dass Team Europe und Global Gateway in ihrer jetzigen Ausgestaltung der EU mittel- und langfristig eher schaden als helfen. Setzt die EU den derzeitigen Kurs fort, ihre geostrategischen Interessen offensiv zu verfolgen, läuft sie Gefahr, Interessenkonflikte mit dem selbstbewusster auftretenden Globalen Süden zu schüren und den geopolitischen Wettbewerb eher zu verschärfen als einzuhegen.

Nach den Wahlen im Juni sind die demokratischen Parteien der Mitte gefordert, Team Europe und Global Gateway so auszurichten, dass sie die Interessen Europas mit den Bedürfnissen der Partner*innen in Einklang bringen und Multilateralismus, Frieden und Nachhaltigkeit auf globaler Ebene fördern.

Derzeit verfolgen die EU und der Globale Süden bei einer Reihe wichtiger globaler Themen einen unterschiedlichen Kurs. Sei es bei der Migration, der Gewinnung kritischer Rohstoffe, der Energiepolitik oder Fragen von Krieg und Demokratie in der Ukraine und im Nahen Osten.

Um diesen Spannungen entgegenzuwirken, sollte die EU sich offener für einen echten Dialog mit ihren Partner*innen zeigen, was auch heißt, auf deren Prioritäten – wie z.B. unhaltbare Schuldenniveaus – einzugehen und deutlich mehr Unterstützung für eine sozial verantwortliche, klimaneutrale Umgestaltung ihrer Volkswirtschaften zu leisten. Die nächste Führung des Europäischen Parlaments und der Kommission sollte sicherstellen, dass die EU zwar ihre eigenen Prioritäten verfolgt und eindeutig kommuniziert, gleichzeitig aber auch ihren Partner*innen zuhört und von ihnen lernt.

Predicting social assistance beneficiaries: On the social welfare damage of data biases

Cash transfer programs are the most common anti-poverty tool in low- and middle-income countries, reaching more than one billion people globally. Benefits are typically targeted using prediction models. In this paper, we develop an extended targeting assessment framework for proxy means testing that accounts for societal sensitivity to targeting errors. Using a social welfare framework, we weight targeting errors based on their position in the welfare  distribution and adjust for different levels of societal inequality aversion. While this approach provides a more comprehensive assessment of targeting performance, our two case studies show that bias in the data, particularly in the form of label bias and unstable proxy means testing weights, leads to a substantial underestimation of welfare losses, disadvantaging some groups more than others.

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