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Diplomacy & Defense Think Tank News

Auf dem Weg zur zweiten UN-Konferenz über Süd-Süd-Zusammenarbeit

Bonn, 12.09.2018. Oft lässt sich in Diskussionen eine allgemeine Übereinstimmung erzielen zu den Folgen des Klimawandels, zu den Auswirkungen gewaltsamer Konflikte, zu wachsender Ungleichheit oder über die generelle Vereinbarung der Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs). Diese hochgesteckten Ziele sehen sich jedoch mit nationalistischen Bewegungen gegen multilaterale Institutionen konfrontiert. Diese werden von der entstehenden „Multiplex-Weltordnung“ (Amitav Acharya) begünstigt, in der eine Reihe von Schlüsselakteuren auf unterschiedliche Weise interagieren. Die Entwicklungszusammenarbeit ist einer der Politikbereiche, der davon besonders betroffen ist. Bislang gibt es noch keinen globalen Ansatz für die Entwicklungszusammenarbeit. Im Grunde lassen sich zwei große Teilsysteme identifizieren: erstens, das seit langem vorherrschende System der Entwicklungszusammenarbeit der OECD-Länder: öffentliche Entwicklungshilfe (ODA). Zweitens eine heterogene Reihe von Praktiken, die von aufstrebenden (Super-)Mächten unter dem Stichwort der Süd-Süd-Kooperation (SSC) angeführt werden. Beide Gruppen und Entwicklungsansätze sind nicht vollständig festgelegt und stabil. Im Gegenteil, Entwicklungszusammenarbeit ist ein dezentraler Politikbereich, in dem verschiedene Prinzipien und Praktiken zunehmend miteinander verflochten sind. Zum Entwicklungshilfeausschuss (DAC) der OECD gehört beispielsweise die Republik Korea – ein ehemaliges Land des Globalen Südens. Unterschiedliche Auffassungen von Entwicklungszusammenarbeit sind ein zentrales Thema in den internationalen Entwicklungsdebatten. Die Globale Partnerschaft für wirksame Entwicklungszusammenarbeit (GPEDC) (sie ist als Hauptplattform für Themen der EZ-Wirksamkeit gedacht) ist beispielsweise nicht global, da Brasilien, China und Indien der Plattform nicht beigetreten sind. SSC ist nur begrenzt organisiert und definiert. IBSA, ein Club-Governance-Format von Indien, Brasilien und Südafrika hat kürzlich eine Definition für SSC vorgelegt. Die IBSA-Partner betonen die Grundsätze „Achtung der nationalen Souveränität, nationale Eigenverantwortung und Unabhängigkeit, Gleichheit, Nicht-Konditionalität, Nichteinmischung in innere Angelegenheiten und gegenseitigen Nutzen“ und behaupten, dass „SSC völlig anders ist als die Nord-Süd-/Geber-Nehmer-Kooperation und dass ODA-Vorlagen keine gute Grundlage für SSC sind“. Eine klar definierte Gruppe von SSC-Anbietern und ein gemeinsamer Ansatz sind jedoch noch nicht erkennbar. So liegt zum Beispiel die Unterstützung Ruandas für das Präsidentenamt von Benin deutlich außerhalb des aktuellen SSC-Mainstream-Diskurses von SCC-Anbietern. Gestaltung der Agenda für BAPA+40 Auf der Grundlage des 1978 verabschiedeten „Aktionsplans von Buenos Aires zur Förderung und Umsetzung der technischen Zusammenarbeit der Entwicklungsländer“ wird die zweite Hochrangige Konferenz der Vereinten Nationen über Süd-Süd-Zusammenarbeit (BAPA (Buenos Aires Aktionsplan)+40-Konferenz) im März 2019 in Buenos Aires stattfinden. BAPA+40 wird die wichtigste Veranstaltung zum Thema SSC und triangulärer Kooperation sein. Sowohl die Veranstaltung als auch der Vorbereitungsprozess können die Debatten auf verschiedene Weise voranbringen. Erstens wird BAPA+40 eine multilaterale Konferenz im Rahmen der Vereinten Nationen sein und hat daher eine hohe Legitimität für den Umgang mit SSC. Gemeinsam vereinbarte Normen und Standards wären eine wesentliche Verbesserung vor dem Hintergrund der oft verwirrenden Debatten über SSC in den vergangenen Jahren. Die Konferenz wäre der richtige Ort, um einen breiteren Konsens über eine Definition von SSC unter SSC-Anbietern, aber auch zwischen SSC-Kooperationsanbietern und -nehmern zu finden. Daher könnte und sollte BAPA + 40 der richtige Ort für eine klare Definition von SSC sein. Zweitens ist BAPA+40 als UN-Konferenz der am besten geeignete Ort, um sich erneut mit der Frage der internationalen Verantwortung zu befassen. Mit dem Aufweichen der Grenzen zwischen Nord und Süd ist die internationale Verteilung von Verantwortung unklar geworden. Während die BAPA+40 weiter die besondere Verantwortung der entwickelten Länder hervorheben sollte (wie die Verpflichtung, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für ODA bereitzustellen), sollte sie auch die Frage der Differenzierung angehen. Die Konferenz wäre eine Gelegenheit, das Prinzip der CBDR (gemeinsame, aber differenzierte Verantwortung) 2.0, voranzubringen. Drittens ist der BAPA+40-Prozess eine gute Gelegenheit, die vorhandenen Verfahren der Wirkungsmessung unter den Süd-Süd-Kooperationspartnern (SSCP) zu systematisieren und eine breitere Übereinkunft über gemeinsame Kriterien für die Bewertung von SSC zu erreichen. Viertens, da die BAPA+40-Konferenz DAC-Geber und SSCP versammelt, sollte sie über die bestehenden Modelle der triangulären Kooperation hinaus zu einer horizontalen Partnerschaft übergehen, die von Entwicklungszielen bestimmt und auf Wissensaustausch ausgerichtet ist. Trianguläre Kooperation hat das Potenzial, Multi-Stakeholder-Ansätze jenseits des Modells eines SSC-Anbieters, eines SSCP- oder OECD-Gebers zu nutzen. In der Summe gibt es keine global gültige Norm für die Entwicklungszusammenarbeit. BAPA+40 könnte ein wichtiger Schritt sein, um eine gemeinsame Grundlage für einen entstehenden Konsens zu Süd-Süd-Kooperation zu finden.

Paulo Esteves ist Associate Professor am International Relations Institute der Pontifical Catholic University of Rio de Janeiro, Direktor des BRICS Policy Center, Senior Research Fellow am Institute of Advanced Sustainability Studies and Fellow von Brazil’s Public Administration School (ENAP). Stephan Klingebiel is Co-Chair des Programms „Inter- und transnationale Zusammenarbeit“ am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE). Er ist zudem Senior Lecturer an der Universität Marburg und Visiting Professor an der Stanford University.

Niedrige Löhne empfindet die große Mehrheit als ungerecht

Zusammenfassung:

DIW-Studie untersucht auf Umfragebasis, als wie gerecht Erwerbseinkommen in Deutschland wahrgenommen werden – Dass Einkommen ungleich verteilt ist, wird grundsätzlich akzeptiert – Überwältigende Mehrheit der Befragten nimmt aber untere Arbeitseinkommen als zu niedrig wahr – Um Gefühl der Gerechtigkeit in der Bevölkerung zu erhöhen, muss Politik bei niedrigen Löhnen ansetzen

Die allermeisten befragten Erwerbstätigen empfinden vor allem niedrige, aber auch mittlere Arbeitseinkommen als zu gering und ungerecht. Das ist ein zentrales Ergebnis einer neuen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) von Jule Adriaans und Stefan Liebig, Direktor der Langzeitstudie Sozio-oekonomisches Panel (SOEP). Befragt wurden hierfür in einer repräsentativen Umfrage (LINOS-2) Beschäftigte zu ihrer Gerechtigkeitswahrnehmung bestimmter Einkommensklassen (hohe, mittlere und niedrige Erwerbseinkommen). Hohe Einkommen (6.100 Euro brutto im Monat im Durchschnitt) werden von etwa der Hälfte der Befragten als gerecht bewertet, 38 Prozent finden sie zu hoch. Mittlere Einkommen (durchschnittlich 2.700 Euro im Monat) empfinden 81 Prozent als zu niedrig, geringe Einkommen von etwa 1.200 Euro im Monat nehmen gar 96 Prozent der Befragten als zu niedrig wahr.  


„Die Konsequenz von empfundener Ungerechtigkeit kann ein Rückzug sein“: Interview mit Stefan Liebig

Herr Liebig, es wird öffentlich viel über eine ungerechte Einkommensverteilung diskutiert. Ist das nur eine subjektive Wahrnehmung oder auch statistisch, wissenschaftlich belegbar?

Die Einkommensungleichheit können wir sehr gut messen. Aber wir können wissenschaftlich nicht bestimmen, ab wann eine Einkommensungleichheit ungerecht ist. Dafür gibt es keine klaren wissenschaftlichen Kriterien, weil Gerechtigkeit ein Wertmaßstab ist. Wir können aber die Menschen fragen, welche Einkommensungleichheit sie als gerecht oder ungerecht empfinden, und das kann man dann mit statistischen Verfahren wissenschaftlich bearbeiten. [...]


Zehn Jahre Lehman-Crash - Erinnern ist der beste Schutz: Kommentar von Dorothea Schäfer

„Ach, die Finanzkrise, die haben doch schon alle vergessen“, ist derzeit manches Mal zu hören, wenn die Rede auf den anstehenden Zehnjahrestag des Lehman-Crashs am 15. September 2008 kommt. Doch ist das so? In der Tat sind die Forderungen nach weniger statt mehr Regulierung jüngst wieder lauter geworden. Bankenchampions werden öffentlich herbeigesehnt; Vielfalt im Bankensektor wird dagegen als Zersplitterung abqualifiziert. Und einige verlangen, den Banken zu erlauben, Eigenkapital einzusparen, wenn sie bestimmte Aktiva halten. Machen wir uns nichts vor: Das „Fenster der Möglichkeiten“ in der Finanzmarktregulierung, aufgestoßen von der Lehman-Insolvenz, ist längst wieder zu. [...]


Rentennahe Jahrgänge haben große Lücke bei der Sicherung ihres Lebensstandards im Ruhestand

Zusammenfassung:

Mehr als der Hälfte der 55- bis 64-jährigen Erwerbstätigen reichen derzeitige Rentenanwartschaften nicht, um aktuellen Konsum vollständig zu decken – Private Versicherungen reduzieren diesen Anteil nur geringfügig – Potentielle Versorgungslücke beträgt durchschnittlich rund 700 Euro im Monat

58 Prozent der Erwerbstätigen aus rentennahen Jahrgängen könnten ihren Konsum nicht aus Anwartschaften aus der gesetzlichen und betrieblichen Altersvorsorge oder Beamtenpensionen decken, wenn sie jetzt in den Ruhestand gingen. Sie hätten im Schnitt eine potentielle Versorgungslücke von monatlich rund 700 Euro. Private Versicherungen wie die Riester- und Rürup-Rente würden den Anteil der 55- bis 64-Jährigen mit einer potentiellen Versorgungslücke lediglich um zwei Prozentpunkte senken. Auch wenn sie zusätzlich ihr privates Vermögen einsetzten, könnten gut 40 Prozent ihren aktuellen Konsum nicht decken. Das sind die wichtigsten Ergebnisse einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), die von der Hans-Böckler-Stiftung finanziert wurde.


Meeting Africa’s employment challenge in a changing world

Around 2031, Africa’s working-age population will pass the 1-billion threshold. This growing workforce will require decent productive employment. So far, Africa’s economies have largely failed to create stable and well-paid jobs. For any one person working in the formal private sector, 10 work in the informal economy. Failure to generate sufficient formal-sector jobs for young people will increase migration and global security challenges.
Creating decent jobs at the scale required is inconceivable without a structural transformation that enables workers to move from low-productivity agriculture and informal trades to modern manufacturing or service sectors. Such a transformation took place in some East Asian countries, but no comparable dynamic has so far been observed anywhere in Africa. What’s more, the region has already started to deindustrialise at a stage when industry has not yet really taken off.
What, then, are the prospects for Africa’s economic future? Where should the millions of decent jobs the region urgently needs come from? We suggest exploring this not by extrapolating past trends, but by analysing how certain – potentially disruptive – global trends impact on African economies:
  • Natural resources are being depleted globally while the world population increases, becomes more affluent and demands higher-value food. Also, the global bioeconomy is likely to boost demand for fuel substitutes. This creates opportunities for countries with underutilised land resources.
  • Urbanisation and the expansion of African middle classes will boost and diversify demand, creating opportunities for local consumer industries. Trends towards sustainable smart cities also hold promises for African entrepreneurs in transport, electronics, the construction industry and other sectors.
  • New digital technologies improve connectivity. Some digital innovations enable African producers to tap into hitherto inaccessible markets, whereas others may lead to automation and global market concentration at the expense of African producers.
  • China’s rapidly increasing wages may lead to the relocation of labour-intensive industries to African countries with low unit labour costs – unless China uses auto¬mation to keep them at home.
  • The imperative of reducing the world economy’s material footprint may create new opportunities, such as in low-input agriculture or electrification based on low-cost renewable energy. At the same time, it creates the risk of enormous capital losses in high-carbon and other unsustainable technologies.
We do not know exactly how these trends will play out for individual African countries. Yet some trends will be game-changing. Hence, we recommend systematic efforts to explore them, with the aim of identifying competitive opportunities and taking strategic action early on. We identify some opportunities in manu¬facturing and services that we expect to become important (while recognising big differences across the region). We also suggest complementary investments in productivity and employment for the large proportion of the workforce not easily and immediately employable in competitive industries.


Nachsitzen oder sitzen bleiben?

Bonn, 10.09.2018. Die internationale Klimapolitik sucht weiter nach einem Regelwerk, mit dem sich das Pariser Abkommen von 2015 wirksam umsetzen lässt. Bereits beim letzten regulären Arbeitstreffen der internationalen Klimapolitik im Mai 2018 in Bonn sollten konkrete Spielregeln für die Bewältigung der gemeinsamen Aufgabe vereinbart werden. Dies war nicht gelungen. Die Delegierten mussten daher nachsitzen. Bis gestern wurde in Bangkok in einer zusätzlichen Verhandlungsrunde um Kompromisse und Lösungen gerungen. 2000 Delegierte aus über 190 Ländern verhandelten über das „Regelbuch“ zur Umsetzung des Pariser Abkommens ab 2020. Es soll die klimapolitischen Zusagen der Staaten überprüfbar und vergleichbar machen. Es soll sicherstellen, dass alle Vertragsstaaten ihrer Verantwortung gerecht werden und niemand schummeln kann. Anders als bei den hehren Absichtserklärungen, die im Pariser Abkommen verankert und weltweit als Durchbruch zur Rettung des Weltklimas gefeiert wurden, geht es nun also um das Eingemachte. Dies ist hochpolitisch und lässt unterschiedlichste Interessen aufeinanderprallen. Wie weit sind die Delegierten nun gekommen? Einige tragfähige Kompromisse scheinen erreicht worden zu sein, um das Regelbuch wie vorgesehen auf dem diesjährigen Klimagipfel im Dezember im polnischen Katowice beschließen zu können. Zumindest liegen nun Bausteine für eine „entscheidungsfähige Basis“ vor. Das ist die gute Nachricht. Aber das Regelbuch ist kein Selbstzweck. Es ist nur sinnvoll, wenn seine Regeln eine effiziente, konsequente und zunehmend ambitionierte Umsetzung der klimapolitischen Maßnahmen gewährleisten können. Dies wiederum erfordert, dass ihre Einhaltung nachvollziehbar überprüft und verbindlich eingefordert werden kann. In Abwesenheit einer sanktionsbewehrten, den Vertragsstaaten übergeordnete Instanz, ist dies nur mittels verbindlicher Institutionen, vergleichbarer Anstrengungen und kreativer Kompromisse zu erreichen. Hier stecken viele Teufel im Detail. Worauf ist also zu achten, wenn die in Bonn und Bangkok erarbeiteten Kompromisstexte in Katowice in ein umfassendes Regelbuch überführt werden? Umstritten bleiben nicht nur die Standards, gemäß derer die Staaten ihren CO2-Ausstoß nachvollziehbar messen und berichten. Dies ist schon deshalb ein neuralgischer Punkt der Verhandlungen, weil der in Paris überwunden geglaubte Streit um die Ausdifferenzierung unterschiedlicher Verantwortlichkeiten armer und reicher Länder in Bangkok wieder in den Vordergrund drängte. Ein weiterer zentraler Streitpunkt bleibt das Geld. Die Industriestaaten haben für die am stärksten von den Klimafolgen betroffenen Entwicklungsländer von 2020 an jährlich 100 Milliarden US-Dollar versprochen, um Klimamaßnahmen zu finanzieren und die Folgen des Klimawandels zu bewältigen. Zugleich mauern sie in den Verhandlungen und setzen offensiv auf eine stärkere Beteiligung der Privatwirtschaft zur Mobilisierung der benötigten Mittel. Die Entwicklungsländer sehen dies mit Skepsis und erwarten konkrete Zusagen. Das mangelnde Tempo der Verhandlungsfortschritte ist daher besorgniserregend. Deutschland ist hier in seinem zähen Ringen um den Kohleausstieg oder die Modernisierung des Verkehrssektors exemplarisch. Um seine einstige Klimavorreiterrolle wiederzubeleben, wie es die Bundesumweltministerin Svenja Schulze in ihrer Antrittsrede vor dem Deutschen Bundestag forderte, muss Deutschland seine Klimazusagen umsetzen und seine Anstrengungen verstärken, das Ambitionsniveau der deutschen und europäischen Klimapolitik deutlich zu erhöhen. Dies ist auch und vor allem eine Frage der Gerechtigkeit im Klimaschutz, nicht nur global betrachtet, sondern auch bei uns vor Ort. Klimaschutz muss auch in Deutschland und Europa sozialverträglich gestaltet werden und zukunftsfähige Wirtschaftsstrukturen aufbauen, um dauerhaft wirksam werden zu können. Die Europäische Union sollte ihre Strukturförderung deshalb genau darauf ausrichten. Auf internationaler Ebene müssten die Verursacher des Klimawandels, beispielsweise große Energieunternehmen, von den Betroffenen belangt werden können. Nur so lässt sich der Klimaschutz insgesamt gerechter gestalten und ein zentraler Bremsblock der internationalen Klimapolitik – die Frage nach Verantwortlichkeiten – glaubhaft entschärfen. Von derartigen Fortschritten scheint die internationale Klimapolitik freilich auch nach der Sonderschicht von Bangkok noch weit entfernt. Es bleibt zu hoffen, dass weltweite Proteste und Demonstrationen – wie vergangenen Samstag unter dem Motto „Aufstehen für das Klima“ – den Druck auf die Verhandler weiter erhöhen. Auch der diese Woche startende Global Climate Action Summit in San Francisco macht Hoffnung. Er legt den Fokus auf die Beiträge, die Städte und nichtstaatliche Akteure zum Klimaschutz leisten können. Der internationale Klimaprozess hinkt dieser Dynamik hinterher. Ohne weiteres Nachsitzen bleibt die Versetzung der gefeierten „Klasse von Paris“ beim Klimagipfel in Katowice akut gefährdet.

Broader Perspectives on the UN of Today and Tomorrow ​

European Peace Institute / News - Thu, 09/06/2018 - 16:47

On Monday, September 10th, IPI together with the Office of the President of the 72nd Session of the UN General Assembly are cohosting an interactive discussion with members from the Team of External Advisors to the President of the General Assembly.

Remarks will begin at 9:30am EST*

The Team of External Advisors to the President of the General Assembly is a pro bono group of sixteen globally respected individuals dedicated to multilateralism who have been remarkable in their service—both to their country and in the international arena. The team was formed with the aim of discussing and sharing views on strategic questions, including the scope and depth of the work and engagement of the UN, as well as the role of the General Assembly.

As the theme for the 72nd Session of the United Nations General Assembly was “Focusing on People: Striving for Peace and a Decent Life for All on a Sustainable Planet,” the Team focused on peace, conflict prevention, and mediation. At the event at IPI on September 10th, members of the Team will highlight ideas and recommendations that emerged from their discussions with the President of the General Assembly throughout his term. These discussions were summarized in the Final Report of the Team of External Advisors, which will be available at the event. The meetings covered a wide range of topics, including global political issues, multilateralism, sustaining peace, the implementation of the Sustainable Development Goals, the Paris Agreement on climate change, human rights and human dignity, and the future and reform of the United Nations.

Welcoming Remarks:
Mr. Terje Rød-Larsen, President of the International Peace Institute

Opening Remarks:
H.E. Mr. Miroslav Lajčák, President of the 72nd Session of the General Assembly and Minister of Foreign Affairs of Slovakia

Session 1: The Future of a Rule-Based System: Multilateralism Under Threat

Speakers:
H.E. Mr. Francisco José Pereira Pinto de Balsemão, former Prime Minister of Portugal and Chairman of the Board of the group IMPRESA
Dr. Jeffrey Sachs, Director of the Earth Institute at Columbia University and Special Adviser to the UN Secretary-General on the Sustainable Development Goals
Mr. Jean-Marie Guéhenno, former President and CEO of the International Crisis Group and former Under-Secretary-General for Peacekeeping Operations
Mr. Nik Gowing, British Television Journalist and Co-author of Thinking the Unthinkable

Moderator:
Ms. Femi Oke, International Journalist and Co-founder of Moderate the Panel

Session 2: A Stronger General Assembly for a Stronger United Nations

Speakers:
H.E. Ms. Amina Mohamed, Cabinet Secretary for Foreign Affairs and International Trade of Kenya
H.E. Mr. Antonio Patriota, Ambassador of Brazil to Italy, former Foreign Minister of Brazil, and former Permanent Representative of Brazil to the UN
Professor Carlos Lopes, Professor at the University of Cape Town and former Executive Secretary of the UN Economic Commission for Africa

Moderator:
Mr. Nik Gowing, British Television Journalist and Co-author of Thinking the Unthinkable

*If you are not logged into Facebook, times are shown in PST.

Die Türkei braucht eine unabhängige Notenbank und internationale Kredite

Zusammenfassung:

DIW-Berechnungen: Verschärft sich die Krise in der Türkei, wird das dortige Wirtschaftswachstum um mindestens fünf Prozentpunkte zurückgehen – Regierung und Notenbank müssen Gegenmaßnahmen ergreifen: Konsolidierung des Staatshaushalts, Erhöhung des Leitzinses und Senkung des Inflationsziels könnten Lira stabilisieren

Die derzeitige Krise in der Türkei ist vor allem hausgemacht: Eine expansive Konjunkturpolitik, eine hohe Verschuldung und vor allem eine sukzessive Beschneidung der Unabhängigkeit der Zentralbank haben dazu geführt, dass die türkische Lira vor allem seit Jahresbeginn extrem an Wert verloren hat und die Inflation in die Höhe geschnellt ist. Dringend sind Gegenmaßnahmen von Seiten der Regierung und der türkischen Zentralbank erforderlich, damit sich die Währung erholt und das Wirtschaftswachstum nicht zu stark einbricht. Wie diese Maßnahmen aussehen könnten und welche Wirkung sie hätten, untersucht eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). Die DIW-Ökonomen Alexander Kriwoluzky und Malte Rieth haben anhand eines Modells durchgerechnet, wie sich die Wirtschaft in der Türkei ohne Gegenmaßnahmen weiterentwickelt und was passieren würde, wenn Maßnahmen zur Stabilisierung ergriffen würden. Zudem haben sie auch simuliert, welchen Effekt günstige Kredite internationaler Partner hätten.


Deutsche Wirtschaft wächst weiter moderat, Risiken sind nicht vom Tisch

Zusammenfassung:

DIW Berlin bestätigt weitgehend Einschätzung aus dem Sommer – Arbeitsmarkt und privater Konsum stützen das Wachstum – Gefahr eines Handelskriegs und eines „harten“ Brexits belasten deutsche Exportwirtschaft – Öffentliche Haushalte mit hohen Überschüssen, die in mehr Investitionen fließen sollten

Die deutsche Wirtschaft drückt ein wenig auf das Bremspedal, wird aber auch in diesem und in den kommenden beiden Jahren deutlich wachsen. Die KonjunkturforscherInnen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) prognostizieren in ihren Herbstgrundlinien für dieses Jahr einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts um 1,8 Prozent. Für die Jahre 2019 und 2020 rechnen sie mit einer Wachstumsrate von 1,7 beziehungsweise 1,8 Prozent. Damit bestätigt sich weitgehend die Einschätzung aus dem Frühsommer, wonach die deutsche Wirtschaft etwas an Fahrt verliert, der Wachstumskurs aber grundsätzlich beibehalten wird.


„Bauwirtschaft und privater Konsum haben nach wie vor kräftig Dampf“: Interview mit Claus Michelsen

Herr Michelsen, der Aufschwung der deutschen Wirtschaft war zuletzt etwas abgeflacht. Hat die Konjunktur wieder Schwung aufnehmen können?

Tatsächlich hat sich die deutsche Wirtschaft etwas weniger kräftig entwickelt als noch im vergangenen Jahr. Das erste Halbjahr war aber alles andere als schwach, sondern sehr solide. Wir sehen jetzt ein wenig die Sommerflaute, doch Stimmungsindikatoren zeigen, dass viele Unternehmen ihre Perspektiven und damit die der deutschen Wirtschaft für die kommenden Quartale wieder positiver einschätzen.[...]

Das FAZ-Ökonomen-Ranking – Blind Spot Ökonominnen. Kommentar von Elke Holst

Auch 2018 ist es wieder da: Das „Ökonomenranking“ der FAZ – gerade erschienen. Die Medien berichten über die „wichtigsten“, „einflussreichsten“, “an der Spitze“ stehenden „Ökonomen“, die die Debatte prägen. Das ist ja eigentlich sehr interessant. Denn wir wollen natürlich wissen, „wer hat Gewicht in Medien, Forschung und Politik?“ – wie es die FAZ benennt. Ein Blick auf die ersten Positionen zeigt dann: Hier tummeln sich im Wesentlichen Ökonomen aus den DACH-Ländern, die schon aus den 100-Rankings der Vorjahre altbekannt sind. Gut, denken wir, die haben sich im Wettbewerb durchgesetzt, immer weiter verbessert. Ihre Meinung hat Gewicht. [...]


Deutschland ist nicht allein: Kohleausstieg beschäftigt viele Länder auf der Welt

Zusammenfassung:

Studie untersucht Szenarien des Kohleausstiegs in sechs Ländern – In allen Ländern kann zu vertretbaren Kosten auf Kohle verzichtet werden – Sorgfältige Planung und Einbindung aller Stakeholder sind essentiell für den Erfolg des Ausstiegs


IPI Salzburg Forum: Beyond Oil & Water

European Peace Institute / News - Tue, 09/04/2018 - 20:31
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A new geopolitics of energy is transforming the Middle East and North Africa. Energy importing countries are turning into exporters, and exporter countries are relying more on energy-related imports. Liquefied natural gas has changed the nature of the game, and investment in renewable energy is at an all-time high.

Meanwhile, the flipside of energy abundance is water scarcity. No region in the world suffers from a greater dearth of water than the Middle East and North Africa.

Energy and water are essential to the functioning of modern societies. Competition for energy resources, the politicization of energy delivery, and threats to energy infrastructure can create international tensions and lead to instability. In times of conflict, scarce water resources and fragile water infrastructure can become weapons of war and targets of attack. On the other hand, water diplomacy and energy cooperation can lead to greater economic integration, sustainable development, and long-term peace and stability.

The challenges for the region are all well known. What is less known is what comes next. How can the region find a new mix of cooperation?

This was the main question addressed at the fifth annual IPI Salzburg Forum: “Beyond Oil and Water: A New Mix of Cooperation in the Middle East,” held from September 2-4, 2018 at the Schloss Leopoldskron in Salzburg, Austria.

Improved regional cooperation will be essential to the development of any concrete response to the transnational problems affecting the Middle East and North Africa. The key will be to build upon what works. Can cooperation over water help to point the way forward? Could the changing context of energy security lead to opportunities for improved regional cooperation? Or will geopolitical divisions continue to limit the region’s ability to fulfill its natural comparative advantages?  

The two-day gathering, conducted under the Chatham House rule of non-attribution, brought together former prime ministers and foreign ministers, diplomats, journalists, academics, experts on the Middle East and Europe, and representatives of civil society. The meeting included an introductory working dinner, which featured a keynote address by Danilo Turk, former president of Slovenia. Participants also observed one minute of silence for the late UN Secretary-General Kofi Annan, a close colleague of many in attendance, who passed away on August 18th.

The following day included three discussion sessions and an interactive visual presentation.

The first session, titled “The New Geopolitics of Energy and Water,” painted the big picture of geopolitics related to energy and water today. Alternative energy and new modes of extraction; liquified natural gas; desalination; and access to energy supplies were all discussed.

Session two, “Energy and Security: Cooperation or Conflict?”, addressed whether competition for resources will continue to threaten global political stability, or if the global transition to a new energy economy could provide the basis for new forms of cooperation, especially in the MENA region. Energy demand is growing, as is the means of production. Renewable energy is the fastest growing source, but still relatively small. Demand for oil and other liquid fuels is expected to continue expanding, driven by population growth and increased wealth in Asia and Africa. Competition is fierce as countries seek to access natural resources and tap new markets, in part to power expanding electrical grids.

In the third session, “Water Politics and the Pathways to Peace,” participants discussed the potential role of water in preventing conflict in the Middle East and North Africa (MENA) region. Recently, rapid population growth, increased rural-to-urban migration, and the physical effects of climate change have further exacerbated the region’s historic water scarcity. A large portion of the region‘s water resources are shared by more than one country through transboundary aquifers or surface water. Water, therefore, plays a critical role in relations between and within states in the region.

Access to water requires cooperation. Yet, across all sessions, many speakers expressed concern in the lagging interest in multilateralism, as countries prefer to go it alone or work bilaterally.

Europe’s cooperation on the Rhine river was offered as an example to demonstrate the importance of multilateral institutions for water. Participants cited the Central Commission for Navigation on the Rhine, Europe’s oldest international organization, which emerged from common values and has regulated navigation, fisheries, pollution, and construction on the river since the late 1800s. All of these factors presented the potential for conflict, but diplomacy, a sound legal basis, monitoring & assessment, and public participation overcame it. The positive example of the Senegal River basin was also discussed.

While the conference title embraced both oil and water, it was water which dominated the discussions, perhaps because, as one speaker said, there is “already an emerging system of cooperation” on gas and oil. No war regarding water has resulted in a situation that is better,” one speaker stressed. “It furthers problems for all concerned.”

Several speakers noted that investment in water is not high enough up in the list of national priorities. “Infrastructure, energy, and education are all invested in before water,” one speaker said. This is especially problematic given water issues cut across all of the Sustainable Development Goals (SDGs). None of the education or development SDGs will be met by 2030 without water, several participants stressed. “We speak often about alternatives to energy,” one speaker said, “but there is no alternative to water.”

Trying to pinpoint what has made this issue so difficult to address, one speaker explained, “Water takes political will.” One reason it is essential to start this conversation now is because scarcity is being exacerbated by climate change, particularly in the Middle East and North Africa (MENA). Illustratively, the Jordan River basin provided the Dead Sea more than 1 trillion cubic liters of water in the 1960s. Today the amount is less than 10% of that. There is a “dire need for improvement,” one speaker said, noting many environmental consequences.

To that end, there are some really impressive scientific and technological advances being made. Participants discussed Singapore’s recycled sewage water, which was supported by a campaign for public acceptance that even saw its Prime Minister drink from a water bottle of purified urine to end the societal stigma. Saudi Arabia, the largest desalinator of water in the world, meets its populations’ water needs with cutting edge technology. This is essential given the lack of rivers and minimal rainfall on the Arabian Peninsula. Even more high tech proposals, such as tapping air to produce H2O, are in their infancy stages.

But sometimes, a more low-tech solution is just as functional. For years, Guatemalans and other Latin Americans have harvested fog for water using relatively simple mesh structures. Zarith Pineda, an Architectural and Urban Designer based at Columbia University, shared her interactive presentation, “No Man’s Land: A Water Commons.” She proposed the use of such fog-harvesting structures to meet the daily water needs of refugees in the northeastern border zone between the Syrian and Jordanian berms. She estimated that just a $110,000 investment could build what is needed to provide water to the area’s refugee population of 77,000.

As for oil, the shale revolution boosted US natural gas production from 1% to 50%. What then, are the geopolitical consequences of the US as a major producer of oil and “new energy superpower?” It certainly has implications for Russia, now facing competition for the European market. It was also noted that Iran is a “wildcard” in the natural gas market, as it has the potential to be a major exporter of oil, though it is currently limited by sanctions.

Another speaker urged participants to develop contingency plans for “what if” scenarios related to the resources discussed, including how terrorist groups could target oil fields or poison water resources.

The discussion broadly centered on solutions for the MENA region, as it was the focus of the conference. But as one speaker remarked, participants should remember that the “water crisis is a humanity crisis, and it could happen anywhere.”

Among the speakers and panelists were Danilo Türk, former President of Slovenia; Mahmoud Gebril, Former Prime Minister of Libya; Fuad Siniora Former Prime Minister of Lebanon; Amre Moussa, Former Secretary-General of the Arab League; Abdelelah AlKhatib, Former Foreign Minister of Jordan; Mustafa Ismail Elamin, Former Foreign Minister of Sudan; Prince Turki Al Faisal, Chairman of the King Faisal Center for Research and Islamic Studies; Snežana Samardžić-Marković, Director-General for Democracy, The Council of Europe; Vuk Žugić, Co-ordinator for Economic and Environmental Affairs, OSCE; Agnia Grigas, Senior Fellow, Atlantic Council; Christian Strohal, Special Ambassador, Permanent Mission of Austria to the OSCE; Léna Salamé, Trustee, Water Witness International & Geneva Water Hub; Bai-Mass Taal, Former Chair, African Ministers’ Council on Water.

Speaking for IPI were its President, Terje Rød–Larsen; Vice President, Adam Lupel; Director of the IPI MENA Office, Nejib Friji; and Senior Adviser, Nasra Hassan.

Environmental Regulations: Lessons from the Command-and-Control Approach

Zusammenfassung:

Policy makers have long favored command-and-control (CAC) methods to tackle environmental damage. The number of CAC policies devoted to environmental protection has increased steadily since the 1950s and have been a large part of the overall portfolio of environmental laws and regulation in the industrialized world. Schmitt and Schulze (2011) document that between 1970 and 2011 the two most prevalent EU air-pollution control instruments were CAC in nature. Over 50% of the policy instruments were of the CAC type (regulatory, interventionist, and top-down), with emission limits and technical requirements playing the role of the top two. In China and India, most of the environmental legislation also take the form of explicit directives that levy restrictions on both mobile (vehicular) and stationary sources (factories and combustion plants) of pollution (see Tanaka 2014, Greenstone and Hanna 2014).

In the last two decades, there has been a notable increase in research evaluating policy and programs for environmental protection. The design of empirical studies emphasizes causal inference by comparing group of regulated (treated) firms with a comparable control group of firms that were not subject to the treatment. As a result, we now have an improved perspective on the causal effects of environmental policy instruments that address industrial pollution. This review discusses some of the implementation details of prominent CAC type regulations and highlights the lessons learned from the empirical evaluation of these initiatives.


So lässt sich die Rente retten

Die Politik versagt bei der Altersvorsorge. Um sie zu sichern, sind jetzt fünf Maßnahmen notwendig.

Die große Koalition hat vor wenigen Tagen ein Rentenpaket vorgelegt. Das Selbstlob nach der Einigung über das Paket steht in keinem Verhältnis zu seinem Inhalt. Auf den hatte man sich sowieso schon im Koalitionsvertrag im März geeinigt. Trotzdem hat man sich noch einmal selbst applaudiert und behauptet, die soziale Sicherung im Alter auf neue Füße gestellt zu haben. Das ist sicher nicht der Fall. Solange sich aber die Politik unbequemen Wahrheiten nicht öffnen will und grundlegende Reformen scheut, werden Hoffnungen auf eine nachhaltige Rentenstrategie unerfüllt bleiben. Der nächste Streit ist vorprogrammiert. Es braucht in Sachen Rente einen viel größeren Wurf.

Das aktuelle Rentenniveau von 48 Prozent ist weder großzügig noch auskömmlich. Über die Hälfte der Menschen, die kurz vor der Rente stehen, werden ihren Lebensstandard zum Teil deutlich einschränken müssen. Viele haben nicht oder nicht ausreichend privat vorgesorgt, um ihre Rente aus der Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) zu ergänzen. Zudem wird das Rentenniveau ab Mitte der 2020er-Jahre zurückgehen und in den 2040er- Jahren sogar unter 43 Prozent fallen. Es wird zudem immer mehr Menschen mit unterbrochenen Erwerbsbiografien, mit "Niedriglohnkarrieren" oder in Teilzeit und daher mit geringeren Rentenansprüchen, geben. Es ist also geboten, die gesetzliche Rente zu stärken - über 2025 hinaus.

Wie ist das zu finanzieren? Die große Koalition hat versprochen, den Beitragssatz erst einmal nicht steigen zu lassen. Das ist sicher sinnvoll, denn die Sozialversicherungsbeiträge gehören zu den höchsten aller Industrieländer und auch in der Kranken und Pflegeversicherung wird mit steigenden Beitragssätzen gerechnet. Eine noch stärkere Belastung gefährdet letztlich den Wirtschaftsstandort Deutschland.

Sollen also Steuermittel für die Stabilisierung des Rentenniveaus aufkommen? Die von manchen geforderte Erhöhung der Mehrwertsteuer oder anderer indirekter Steuern wäre eine Mogelpackung, bei der den Menschen Geld aus der linken Tasche genommen und in die rechte Tasche zugesteckt würde. Ein solcher Schritt würde einkommensschwache Menschen benachteiligen, auch Rentnerinnen und Rentner, die einen vergleichsweise hohen Anteil ihrer Ausgaben als indirekte Steuern entrichten. Ob dies die Akzeptanz der Rentenversicherung erhöhen würde, ist sehr fraglich.

Das Rentenniveau kann nur dann glaubhaft stabilisiert werden, wenn die Politik den Mut aufbringt, unbequeme und schwierige Reformen umzusetzen - weit über das hinaus, was sie jetzt auf den Tisch gelegt hat. Hierzu gehören im Kern fünf Maßnahmen. Zum einen muss die Absicherungsfunktion der staatlichen Rente speziell für Menschen mit geringen Einkünften gestärkt werden. Dafür sollte das sogenannte Äquivalenzprinzip der gesetzlichen Rentenversicherung aufgeweicht werden. Dieses Prinzip besagt, dass jeder Euro, der in die GRV eingezahlt wird, die gleiche monatliche Rentenleistung erzielen soll, unabhängig vom Einkommen der Beitragszahlenden. 

Menschen mit sehr geringem Einkommen haben jedoch eine um sieben Jahre geringere Lebenserwartung als Menschen mit sehr hohem Einkommen, beziehen daher deutlich kürzer Rentenleistungen. Dies bedeutet, dass Beiträge und Zuschüsse der GRV bereits heute überproportional Rentnern zugutekommen, die hohe Einkommen und meist auch eine private Vorsorge haben.

Ein zweites Element ist die Erhöhung der Erwerbstätigkeit. Fehlende Ganztagsschulen und Angebote von Kitas, unzureichende Qualität, ein Ehegattensplitting, das Erwerbstätigkeit vor allem für Frauen weniger attraktiv macht, und Diskriminierung im Arbeitsmarkt tragen dazu bei, dass viele Frauen in Deutschland nicht oder deutlich weniger arbeiten, als sie es ohne diese von Staat und Markt gelegten Hürden tun würden. Auch bei älteren Menschen und bei Migrantinnen und Migranten gibt es ein riesiges Erwerbspotenzial, das wir als Gesellschaft nicht ausreichend nutzen. Ein transparentes Einwanderungsgesetz könnte langfristig eine stabile Zuwanderung und erfolgreiche Integration in den Arbeitsmarkt gewährleisten und damit die Sozialsysteme entlasten.

Drittens braucht die Rentenversicherung ein Modell zur Absicherung von neuen Formen selbständiger Erwerbstätigkeit, weil Erwerbsverhältnisse im Zuge der Digitalisierung vermutlich zunehmend von der Norm abweichen werden. Mehr Menschen in Arbeit und mehr Versicherte in der Rentenversicherung könnten diese in der kurzen und mittleren Frist entlasten - was gerade ab den 2020er-Jahren bis 2040 relevant wäre. Dabei entstünden aber auch neue Ansprüche, die später gedeckt werden müssten. Es braucht also noch weitere Elemente.

Deswegen sollte als vierte Maßnahme die Flexibilisierung des Renteneintritts ins Auge gefasst werden. Immer mehr ältere Menschen arbeiten bereits heute, weil sie ihre Tätigkeit mögen oder einen Zuverdienst wollen oder brauchen. Diesen Menschen werden zu hohe Hürden in den Weg gelegt. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels wäre deren Beseitigung für die Wirtschaft wichtig. Und die Lebenserwartung steigt weiter, sodass die Politik nicht umhinkommen wird, eine längere Lebensarbeitszeit durchzusetzen. Wünschenswert wäre, den Menschen dabei eine möglichst große Wahlfreiheit zu ermöglichen.

Neben der staatlichen Rente sollte schließlich als fünftes Element die private Vorsorge gestärkt werden. Viele verlassen sich zu sehr auf den Sozialstaat, der aber gerade durch den demografischen Wandel stark in Anspruch genommen wird. Die Stärkung der privaten Vorsorge, wie beispielsweise mit der Riester-Rente, ist gescheitert. Der Staat kann und muss bessere Anreize setzen, damit mehr Menschen privat fürs Alter sparen. Gleichzeitig ist es so, dass 40 Prozent der Deutschen praktisch kein nennenswertes Erspartes haben, weil ihr gesamtes Einkommen in ihren Lebensunterhalt fließt. Auch deshalb wird diese Komponente alleine das Vorsorgeproblem nicht langfristig lösen.

Die Weichenstellung für das Rentensystem sollte jetzt, in wirtschaftlich guten Zeiten, gesetzt werden und nicht erst dann, wenn die Politik mit dem Rücken zur Wand steht. Durch einen sinnvollen Mix aus stabilem Beitragsniveau, Steuerzuschüssen, höherer Erwerbsquote, Zuwanderung und einem steigenden Rentenalter kann das Rentenniveau nachhaltig stabilisiert werden. Im Kern geht es darum, die Beitragsbasis der Rentenversicherung zu stärken, Versicherungslücken zu schließen, Geringverdiener besser abzusichern und eine funktionsfähige private Vorsorge als ergänzende Einkommensquelle im Alter zu ermöglichen. Von alledem sind die aktuellen Beschlüsse noch weit entfernt.

Der Gastbeitrag von Marcel Fratzscher und Johannes Geyer ist am 3. September 2018 in der Süddeutschen Zeitung (Seite 18) erschienen.


Michaela Engelmann tritt ihren Ruhestand an

Vielen Datennutzenden und auch Befragten ist die Stimme von Michaela Engelmann bestens vertraut. Seit 2005 hat sie telefonische Anfragen von SOEP-Nutzerinnen und Nutzern beantwortet und bei Fragen an Expertinnen und Experten im SOEP-Team weitergeleitet. Seit 2008 war sie auch die Ansprechpartnerin für die SOEP-Befragten am DIW Berlin. Mehr als ein Dutzend Wellen der SOEP-Daten hat sie an Forschende entweder als DVD verschickt oder seit einigen Jahren verschlüsselt digital bereitgestellt und damit unzählige Passwörter übermittelt.

Michaela Engelmann begann im Anschluss an ihre abgeschlossene Lehre bereits im Jahr 1978 ihre Tätigkeit im DIW Berlin. Sie war in mehreren Abteilungen als Teamassistentin und später als technische Redakteurin im DIW tätig, bevor sie 2005 zum SOEP wechselte. Hier betreute sie seitdem die SOEP-Hotline, baute vor allem das SOEP-Vertragsmanagement neu auf, arbeitete bei Konzeption und Durchführung von SOEP-Nutzerbefragungen mit und konzipierte und erstellte etliche nutzerfreundliche Onlinedokumentationen. Von 2011 bis 2015 war sie als Ausbildungsleiterin auch für die Einhaltung des Ausbildungsplans der SOEP-Auszubildenden zu Fachangestellten für Markt- und Sozialforschung (FAMS) zuständig.

Nach rund 40 Jahren Tätigkeit im DIW Berlin  wünscht das SOEP-Team Michaela alles, alles Gute für ihren wohlverdienten Ruhestand.

Ab 1. September 2018 wird dann Janine Napieraj die SOEP-Hotline betreuen und darüber hinaus für SOEP-Datennutzende die erste Ansprechpartnerin in Vertragsangelegenheiten sein.


DIW Konjunkturbarometer August: Deutsche Wirtschaft trotz hoher Unsicherheiten stabil

Zusammenfassung:

Das Konjunkturbarometer des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) hat im August erneut etwas nachgegeben, zeigt aber weiterhin ein überdurchschnittliches Wachstum der deutschen Wirtschaft an. Für das dritte Quartal liegt es mit 101 Punkten (nach zuletzt knapp 104 Punkten) weiter über der 100-Punkte-Schwelle. „Der weltwirtschaftliche Boom des vergangenen Jahres ist zwar vorbei“, sagt DIW-Konjunkturchef Claus Michelsen. „Die zuletzt hohe Auslastung der Produktionskapazitäten in der deutschen Wirtschaft wird sich im Zuge dessen aber lediglich normalisieren, von einem Einbruch kann keine Rede sein.“ Mit einem Plus von 0,4 Prozent im Vergleich zum Vorquartal wird die deutsche Wirtschaft auch im laufenden Quartal stabil bleiben.


Mutterschaft geht häufig mit verringertem Wohlbefinden einher

Zusammenfassung:

Anteil an Frauen mit psychischen und gesundheitlichen  Belastungssymptomen nimmt nach der Geburt zu – Mentales Wohlbefinden reduziert sich bei vielen Frauen im Verlauf der Mutterschaft weiter  –  vor allem institutionelle Entlastungsmaßnahmen gefordert

30 Prozent der untersuchten Mütter in Deutschland erfahren eine substanzielle Verschlechterung des gesundheitsbezogenen Wohlbefindens innerhalb der ersten sieben Jahre nach der Geburt. Gleichzeitig profitieren aber auch 19 Prozent von einer substanziellen Verbesserung. In einer vergleichbaren Gruppe von kinderlosen Frauen nimmt das mentale Wohlbefinden im Altersverlauf ebenfalls ab, jedoch weniger stark. Das sind die wichtigsten Ergebnisse einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), die auf Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) basieren.


"Tradierte klassische Leitbilder von Mutterschaft müssten aufgeweicht werden": Interview mit Marco Gießelmann

Herr Giesselmann, Sie haben untersucht, wie sich das mentale Wohlbefinden von Müttern nach der Geburt verändert. Was ist der Hintergrund dieser Fragestellung?

Arbeiten aus den Gender Studies haben gezeigt, dass es ein Spannungsverhältnis zwischen den sozialen Leitbildern von Mutterschaft gibt. Auf der einen Seite ist die versorgende Mutter mit starken sozialen Erwartungen besetzt, andererseits gibt es das Leitbild der erwerbstätigen Mutter. Dazu gibt es überwiegend interviewgestützte, qualitative Arbeiten, die gezeigt haben, dass es aus diesem Spannungsverhältnis heraus bei vielen Müttern zu Einschränkungen im gesundheitlichen, mentalen Wohlbefinden kommt. Die Sichtbarmachung dieses Phänomens hat dann im Jahr 2015 durch den Diskurs unter dem Hashtag #regrettingmotherhood eine Verstärkung erfahren, insbesondere durch die gleichnamige Studie von Orna Donath. Wir haben uns dann gefragt, finden wir diesen Effekt auf Basis bestehender quantitativer Arbeiten mit repräsentativen Stichproben wieder? Und das war nicht so. Das war für uns der Ausgangspunkt zu untersuchen, woran das liegt und wie man das so modellieren kann, dass diese Phänomene auch im Rahmen standardisierter Designs aufgegriffen und getestet werden können. [...]


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