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Deutsches Institut für Entwicklungspolitik / Analysen

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Publikationen des German Institute of Development and Sustainability (IDOS)
Updated: 3 weeks 1 day ago

Es ist Zeit für eine ausgewogene und gerechte Klimapolitik

Mon, 03/07/2022 - 11:51

Überschattet vom Krieg in der Ukraine hat der „Weltklimarat“ IPCC in der vergangenen Woche den neuesten Teil seines Sechsten Sachstandsberichts (AR6) veröffentlicht. Dieser kommt zu einem kritischen Zeitpunkt. Ungeachtet wesentlicher Entscheidungen zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens wurde die jüngste UN-Klimakonferenz COP26 wegen mangelnder Fortschritte in Anpassungsfragen und bezüglich des Umgangs mit klimabedingten Verlusten und Schäden kritisiert. Insbesondere die Entwicklungsländer erwarten von der COP27, die im November in Sharm El-Sheikh, Ägypten, zusammentritt, diese Mängel zu beheben. Das globale Anpassungsziel, die Anpassungsfinanzierung und Verluste und Schäden werden oben auf der Agenda stehen. Tatsächlich wurde das „Glasgow-to-Sharm El-Sheikh work programme” genau deshalb vereinbart, um entsprechende Fortschritte zu beschleunigen.

Der Beitrag der IPCC-Arbeitsgruppe II bewertet die Auswirkungen des Klimawandels, die Anpassungsoptionen und die Vulnerabilität natürlicher und sozioökonomischer Systeme gegenüber den Folgen des Klimawandels. Der Bericht baut auf den Erkenntnissen der Arbeitsgruppe I auf und bekräftigt, dass Klimaauswirkungen in allen Regionen der Welt spürbar sind und die sozialen und natürlichen Systeme schneller und stärker von den Klimafolgen beeinträchtigen werden als bisher angenommen. Damit stellt er die stillschweigende Annahme in Frage, dass die Auswirkungen des Klimawandels primär klimavulnerable Entwicklungsländer betreffen. Er fokussiert zudem stärker als in früheren Berichten auf die Bedeutung von Natur und Ökosystemen und betont nicht zuletzt Fairness und Gerechtigkeit als wesentliche Voraussetzungen für eine klimaresiliente Entwicklung. Die Analyse kommt zur rechten Zeit: nicht nur, weil sie den neuesten Stand der Wissenschaft zusammenfasst, sondern auch, weil sie überzeugende Optionen für dringende, realisierbare und gerechte Anpassungsmaßnahmen aufzeigt.

Drei Erkenntnisse sind besonders bemerkenswert:

Erstens legt der Bericht einen starken Fokus auf Systeme und Systemwandel. Diese systemische Perspektive wird auf die Beziehungen zwischen Mensch und Natur in Städten, Landwirtschaft, Landnutzung, Meeresökosystemen und anderen sozial-ökologischen Systemen angewendet, wie es die Exekutivdirektorin des UN-Umweltprogramms, Inger Andersen, bei der Veröffentlichung des Berichts betonte. So zeigt die Analyse Optionen für systemische Antworten auf multiple Krisen auf, wie z. B. die sich gegenseitig verstärkenden Gesundheitsrisiken durch lokale Erwärmung, Wasserknappheit und Infektionskrankheiten.

Zweitens rücken die Ergebnisse die Gerechtigkeitsdimension des Klimawandels in den Vordergrund. Dementsprechend müssen Minderung und Anpassung mit gleicher Dringlichkeit vorangetrieben werden. Beide sind für „just transitions“ – gerechten Wandel – unerlässlich. Während jedes zehntel Grad vermiedener globaler Erwärmung die Klimafolgen mildert, ist eine präventive Anpassung wirksamer, machbarer, gerechter und kostengünstiger als die spätere Bewältigung von Verlusten und Schäden. Um wirksam und nachhaltig zu sein, müssen Anpassungslösungen zudem indigenes und lokales Wissen einbeziehen und die Mitsprache von Frauen stärken.

Drittens warnt der Bericht vor Fehlanpassungen („maladaptation“), die sich gleichsam unbeabsichtigt aus klimapolitischen Maßnahmen ergeben können. Die negativen Auswirkungen solcher „Verschlimmbesserungen“, für die es immer mehr empirische Belege gibt, können durch ein „falsches Gefühl der Sicherheit“ noch verstärkt werden, wie die Ko-Vorsitzende der Arbeitsgruppe II, Debra Roberts, hervorhob. So können etwa gesundheitliche und soziale Risiken, wie sie aus städtischen Hitzeinseln erwachsen, durch schlecht konzipierte Infrastrukturmaßnahmen noch verstärkt werden. Fehlanpassungen zu erkennen hilft zugleich, die Grenzen von Anpassung zu verstehen. Unwirksame Anpassungsmaßnahmen verschieben diese Grenzen und führen letztlich zu Verlusten und Schäden. Schätzungen zufolge drohen den Entwicklungsländern bis zum Jahr 2030 jährliche Verluste in Höhe von 300 Milliarden Dollar durch Anpassungskosten. Kleine Inseln und dicht besiedelte Küstenstädte sind mit am stärksten betroffen.

Kurz gesagt ist dies der bisher nachdrücklichste Bericht der Arbeitsgruppe II. Zugleich zeigt er, dass das Schlimmste noch verhindert werden kann. Dazu sind dringende Maßnahmen erforderlich, die insbesondere einer angemessenen Klimafinanzierung und wachsender Investitionen in Anpassungslösungen bedürfen.

Anpassung und klimabedingte Verluste und Schäden dürfen gegenüber den Maßnahmen zur Minderung des Klimawandels nicht länger zurückgestellt werden. Vielmehr sind Anpassungslösungen als eigenständige strategische Prioritäten anzuerkennen. Dies ist auch geboten, um den Prozess der multilateralen Klimagovernance insgesamt auf Kurs zu halten: kommen die legitimen Anliegen der Entwicklungsländer zu kurz, werden sich diese dem Pariser Abkommen auf Dauer weniger verpflichtet fühlen. Dies würde die internationale Klimazusammenarbeit sowohl bei der Minderung als auch bei der Anpassung schwächen. Die Ziele des Pariser Abkommens sind jedoch ohne starke Zusammenarbeit nicht zu erreichen. Ungeachtet der geopolitischen Turbulenzen bietet die COP27 eine herausragende Gelegenheit, die Weichen für eine ausgewogenere und gerechtere globale Klimapolitik zu stellen. Sie sollte nicht vertan werden.

Der Krieg und die Welt: Russlands Aggression macht den Globalen Süden strategisch wichtiger

Sun, 03/06/2022 - 10:09

Wie stehen afrikanische Länder zu Wladimir Putin? Welche Diktatoren schätzen den Kreml-Herrscher? Was macht das mit Rohstoffhandel und Entwicklungszusammenarbeit? Ein Gastbeitrag.

UN General Assembly voting on Ukraine – What does it tell us about African states’ relations with external partners?

Fri, 03/04/2022 - 14:45

On 2 March 2022, the UN General Assembly voted in a special emergency session on a resolution condemning the Russian attack on Ukraine. The General Assembly dealt with the issue on the basis of a referral from the Security Council, which was paralysed by a Russian veto. The resolution calls for an immediate ceasefire and clearly names Russia as the aggressor. Voting behaviour in the UN General Assembly should not be over-interpreted, assuming that votes are transferable to other bodies and situations. Nevertheless, this vote in New York can be seen as a key moment that shows which states are currently ready to condemn the violation of the UN Charta by Russian aggression.

Enablers of ambitious climate action: challenges and opportunities to combine climate change and sustainable development

Thu, 03/03/2022 - 11:11

Despite decades of international climate negotiations, cumulative worldwide climate-action pledges still fall short of the needed effort to keep the maximum global mean temperature increase well below 2oC and to further strive for a maximum of 1.5oC, as established in the Paris Agreement. This Agreement ensures that all developed and developing countries are engaged in climate action, but ambition levels nationally determined. Hence, understanding what enables and what discourages climate action and how to use these levers to boost ambition is key to the implementation of the Paris Agreement. My PhD research aims to address research gaps on major climate-change action enablers and to explore how these enablers have performed over time and across countries. Moreover, it aims to develop research and policy-making tools to further analyse these enablers and to leverage their potential to boost climate-change action. The major enablers that I address in my thesis, are: key moments in international climate negotiations; country contexts and the common but differentiated responsibilities and respective capabilities (CBDR-RC) principle; international climate assistance; and policy coherence for the joint implementation of climate targets and the sustainable development goals (SDGs). In this context, I discuss four policy coherence types: coherence between national and international action; coherence between sources of finance; socio-economic and environmental coherence; and coherence between international policy agendas. My PhD thesis advanced the scientific understanding of climate-change action enablers and provides tools for further research and policy making. In particular, the tools allow researchers and relevant stakeholders to 1) compare the ambition of countries' climate pledges in a development context; 2) better align climate and sustainable development finance; 3) make use of an overview of climate and SDG interactions and of opportunities for enhanced policy coherence; and 4) assess gaps and opportunities for a better integration of the international climate and biodiversity agendas. From a policy perspective, our climate-change action assessments likely facilitate comparability and support policy makers to design better measures that maximize synergies and minimize trade-offs between climate and sustainable development actions.

Working on (knowledge) cooperation means working in cooperation

Tue, 03/01/2022 - 08:37

Transnational knowledge cooperation is becoming increasingly important – in the context of the 2030 Agenda for Sustainable Development and in dealing with global crises such as thecurrent pandemic. The German Development Institute /Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) with its Managing Global Governance (MGG) Network has a particular interest in the role of transnational knowledge actors and knowledge communities that research and shape global change.

Arbeiten zu (Wissens-)Kooperation bedeutet Arbeiten in Kooperation

Tue, 03/01/2022 - 08:28

Transnationale Wissenskooperation wird immer wichtiger – im Kontext der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung und bei der Bewältigung globaler Krisen wie der aktuellen Pandemie. Das Deutsche Institut für Entwicklungspolitik (DIE) mit seinem Netzwerk Managing  Global Governance (MGG) hat ein besonderes Interesse an der Rolle von transnationalen Wissensakteur*innen und Wissensgemeinschaften, die den globalen Wandel erforschen und gestalten.

Localisation of global refugee policies the case of Kenya and Kalobeyei

Fri, 02/25/2022 - 11:27

As displacement is on the rise worldwide and protracted in many cases, cities and municipalities have become increasingly important for receiving and integrating displaced people. The Global Compact on Refugees (GCR) adopted by the international community in 2018 acknowledges this and calls for related support for hosting countries and communities. In agreement with regional neighbours, refugee-hosting countries in the Global South, such as Kenya, are enhancing policies and opportunities for refugees' local integration in exchange for donor funding. In the Kalobeyei settlement in the country's marginalised Turkana West county, local economic and development planning are used as key devices for refugee integration. Drawing on extensive literature and other document review and semi-structured interviews with experts from local, national and international levels, this article is interested in how global norms are translated to local realities. It asks about the interests, alliances, resources and power of influential stakeholders as well as institutions driving the implementation of global policy frameworks on the ground. In Kenya, security interests and humanitarian funding shortages were key factors pressuring the national government to embrace local integration as a 'novel' approach to refugee management. The local government saw in it an opportunity to spur the development of a historically marginalised region. Against the background of persisting encampment and limited mobility of refugees in Kenya, local integration in practice is, however, partial and differs from conceptions underlying the GCR 'on paper'.

Local Government and the Integration of Refugees Experiences from Bangladesh, Kenya and Germany (Group Interview)

Fri, 02/25/2022 - 10:40

Seeking to gain an understanding of similarities and differences in the integration of refugees in different parts of the world, Eva Dick and Einhard Schmidt-Kallert interviewed decision-makers at the local government level in Bangladesh, Kenya and Germany. All of them have first-hand experience in dealing with the integration of large refugee flows within short and longer periods.

What foreign investors want: findings from an investor survey of investment facilitation measures in Latin America and the Caribbean

Thu, 02/24/2022 - 22:43

This report presents the results of a survey that queried foreign investors active in the Latin America and Caribbean region on the importance they attach to a key set of investment facilitation measures. It is based on 67 responses. The results of the investor survey are put into perspective by highlighting consistencies and gaps in relation to the current state of the WTO Investment Facilitation for Development (IFD) negotiations and the actual level of adoption of investment facilitation measures at the national level.

Deutsche G7-Präsidentschaft: Ambition in schwierigem Umfeld

Thu, 02/24/2022 - 22:40

Fortschritt für eine gerechte Welt – dieses Ziel hat die neue Bundesregierung wie ein Leitmotiv über ihre Prioritäten für den deutschen G7-Vorsitz im Jahr 2022 gestellt. „Ganz konkret“ sollen Fortschritte erzielt werden für (1.) einen nachhaltigen Planeten, (2.) wirtschaftliche Stabilität und Transformation, (3.) ein gesundes Leben, (4.) Investitionen in eine bessere Zukunft und (5.) ein starkes Miteinander. Dafür sollen auch neue Modelle der Kooperation zur Bewältigung globaler Herausforderungen angestoßen werden. Auf den ersten Blick also ein Aufschlag, der den Herausforderungen angemessen, fokussiert und auf der Höhe der Zeit scheint. Auf den zweiten Blick wird aber auch deutlich, wieviel Arbeit und Konkretisierung noch nötig sind, wenn aus der Fülle der unter den fünf Prioritäten versammelten, oft nur lose verknüpften Themen wirklich Greifbares entwickelt werden soll.

The AU-EU Summit: resetting the continent-to-continent partnership

Thu, 02/24/2022 - 14:52

Finally, the AU-EU Summit took place in Brussels on 17-18 February, after several postponements and a good four years since the last summit was held in Abidjan. Against the backdrop of the Russia-Ukraine crisis and the ongoing Covid-19 pandemic, the summit convened Heads of State of 27 EU Member States and 40 of their African counterparts under the auspices of European Council President Charles Michel and Senegalese President and AU Chair Macky Sall. The summit was intended to bring about a new start of the partnership, originally coined by the EU as a “new alliance”, with the partners finally settling on a “renewed partnership”. The changed global context has meant that this new start took a fundamentally different shape than the “comprehensive strategy with Africa”, which the European Council and the President of the European Commission, Ursula von der Leyen, both identified as political priorities during the pre-pandemic time of 2019.

Munzinger Archiv, Internationales Handbuch - Länder aktuell: Liberia

Mon, 02/21/2022 - 18:48

Länderbericht Liberia. Der Länderbericht informiert anhand von Wahltabellen, Regierungslisten, Analysen der politischen und wirtschaftlichen Lage, Bevölkerungszahlen, Sozialdaten und vielem mehr über Liberia.

Subsidy reform and the transformation of social contracts: the cases of Egypt, Iran and Morocco

Mon, 02/21/2022 - 13:04

After independence, subsidies have been a cornerstone of the social contracts in the Middle East and North Africa. Governments spent heavily to reduce poverty and strengthen their legitimacy. Yet, subsidies became financially unsustainable and donors pressed for reforms. This article assesses reform processes in Morocco, Egypt and Iran between 2010 and 2017, thus before sanctions against Iran were further tightened and before the COVID-19 pandemic. We show that even though the three countries had similar approaches to subsidisation, they have used distinct strategies to reduce subsidies and minimise social unrest—with the effect that their respective social contracts developed differently. Morocco tried to preserve its social contract as much as possible; it removed most subsidies, explained the need for reform, engaged in societal dialogue and implemented some compensatory measures, preserving most of its prevailing social contract. Egypt, in contrast, dismantled subsidy schemes more radically, without systematic information and consultation campaigns and offered limited compensation. By using repression and a narrative of collective security, the government transformed the social contract from a provision to a protection pact. Iran replaced subsidies with a more cost-efficient and egalitarian quasi-universal cash transfer scheme, paving the way to a more inclusive social contract. We conclude that the approach that governments used to reform subsidies transformed social contracts in fundamentally different ways and we hypothesize on the degree of intentionality of these differences.

Für eine global gerechte Impfstoffversorgung

Mon, 02/21/2022 - 11:28

Nach wie vor sichern sich die Hocheinkommensländer den Großteil der produzierten Impfstoffe. In vielen Niedrigeinkommensländern reicht der Impfstoff nicht einmal für besonders vulnerable Bevölkerungsgruppen. Während der Anteil der geimpften Bevölkerung in den meisten Ländern mit hohem Einkommen bei über 70 % liegt, beträgt er in afrikanischen Ländern aktuell 11 %. Und diese Schieflage setzt sich fort: Aktuell sind rund 60 % aller Impfungen weltweit sog. Booster, sprich „Drittimpfungen“. Die weltweite Impfstoffproduktion konnte im Laufe des Jahres 2021 deutlich gesteigert werden und wird nach Prognosen von UNICEF im Jahr 2022 noch einmal vervierfacht. Da dennoch ein Jahr nach Einführung von COVID-19-Impfstoffen die globale Verteilung der Impfstoffe immer noch sehr ungleich ist, besteht die Frage, warum nicht alle Möglichkeiten zur Steigerung der weltweiten Impfstoffproduktion ausgeschöpft werden. Denn soziale Gerechtigkeit, gemäß des gestrigen Welttags der sozialen Gerechtigkeit, muss im Jahr 2022 auch Impfgerechtigkeit bedeuten.

Ein Weg, um globale Impfgerechtigkeit zu erreichen, ist die zeitlich begrenzte Freigabe von Patenten für Impfstoffe („Waiver“). Diese wird seit Oktober 2020 von einer mittlerweile großen Mehrheit von Staaten im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) unterstützt. Die Hauptargumente für die Freigabe der Patente sind naheliegend: Erstens wurde die beschleunigte Entwicklung von wirksamen Impfstoffen nicht allein durch privatwirtschaftliche Investitionen möglich. Sowohl in Nordamerika als auch in Europa wurde sie durch hohe öffentliche Ausgaben unterstützt. Zweitens handelt es sich bei COVID-19 um eine globale Pandemie mit anhaltend hohen Todesraten. Sie stellt einen Fall „höherer Gewalt“ dar, was auch nach den WTO-Regeln ein vorübergehendes Aussetzen der Rechte am geistigen Eigentum rechtfertigt.

Die Gegner eines solchen Schritts argumentieren, dass ein Waiver einen negativen Anreiz für private Investitionen in Impfstoffe darstellen würde. In Zukunft würden dadurch Investitionen ausbleiben und weniger Impfstoffe zur Verfügung stehen. Zudem würden mittlerweile genügend Impfstoffe produziert, das Problem liege eher in der Verteilung, Logistik und der Impfbereitschaft.

Die Gegner haben teilweise recht, eine Patentfreigabe würde nicht automatisch zur globalen Impfgerechtigkeit beitragen. Viele weitere Herausforderungen, wie der Aufbau von Produktionsprozessen, der Wissens- und Technologietransfer, müssten ebenfalls bedacht werden. Eine Freigabe ist aber ein notwendiger Baustein, um die Impfstoffproduktion in Niedrigeinkommensländern zu steigern. Bislang hat nur ein Unternehmen, Moderna, seine Rezeptur für den mRNA-Impfstoff veröffentlicht und eine zeitlich begrenzte Patentverzichtserklärung an ihrem mRNA-Präparat abgegeben.

Bedauerlich ist, dass die Anbieter von Impfstoffen nicht auf die frühzeitig in der Pandemie vorgeschlagenen Patentpoollösungen eingegangen sind, basierend auf dem 2010 von der Internationalen Fazilität zum Kauf von Medikamenten (UNITAID) gegründeten Medicines Patent Pool (MPP). Der MPP ist eine von den Vereinten Nationen unterstützte Gesundheitsorganisation, die sich für einen besseren Zugang zu lebensrettenden Medikamenten in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen einsetzt und deren Entwicklung fördert.

Länder, in denen Impfstoffproduzenten ansässig sind und die öffentlich Mittel erhalten haben, sollten Unternehmen daher auffordern, ihre Patente in den MPP einzubringen. Dies würde basierend auf den Statuten des MPP freiwillig sein. Wichtig ist, dass sich die Kooperation nicht auf die Weitergabe der chemischen Rezepturen beschränkt, sondern einen aktiven Wissenstransfer (z.B. über die Lieferketten) und Technologietransfer für den Aufbau einer hochwertigen Massenproduktion beinhaltet. Wissenschaftler*innen haben vor kurzem eine Liste mit 120 Firmen in aller Welt veröffentlicht, die mRNA-Impfstoff herstellen könnten, wenn sie die Technologie bekämen. Freiwillige Patentvergaben verbunden mit Technologie- und Wissenstransfer sind die nachhaltigste Lösung, um die Impfstoffproduktion zu steigern und mittelfristig zur Impfgerechtigkeit beizutragen.

Erste Schritte in diese Richtung gibt es bereits. So baut die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gemeinsam mit dem MPP und verschiedenen südafrikanischen Unternehmen einen ersten mRNA-Technologie-Hub in Südafrika auf. Dieser soll ein Forschungs- und Trainingszentrum für ganz Afrika und darüber hinaus werden. Auf Basis des mRNA-Impfstoffs von Moderna soll in diesem Zentrum der mRNA-Impfstoff in Bezug auf neue COVID-19 Virusvarianten angepasst werden. Der neu angepasste Impfstoff würde dann nicht patentiert, sondern soll eine Open-Source-Technologie sein. Wichtig dabei: Diese Open-Source-Technologie würde zukünftig auch für weitere mRNA-Impfstoffe gegen HIV, Tuberkulose und Malaria genutzt werden und zum ersten Mal vielen afrikanischen Ländern erlauben, eigene Impfstoffe zu produzieren.

Es ist wichtig, dass sich nun weitere Impfstoffhersteller an den mRNA-Hubs beteiligen und den nötigen Technologie- und Wissenstransfer unterstützen. Hier sollte man den derzeit hohen internationalen Druck nutzen, um mehr Unternehmen zu überzeugen. Des Weiteren sollte die bereits bestehende Unterstützung der Hubs durch die internationale Entwicklungszusammenarbeit deutlich ausgeweitet werden. Dies gilt besonders vor dem Hintergrund, dass die mRNA-Hubs nicht nur für COVID-19 Impfungen, sondern mittelfristig auch für andere Impfstoffe eine wichtige Rolle spielen. Wenn es nicht gelingt, die gesamte Welt mit Impfstoffen zu versorgen, werden wir eine sozial gerechtere Welt in absehbarer Zeit nicht erreichen.

Wie können G7 und UN den Multilateralismus zukunftsfähig machen?

Mon, 02/14/2022 - 12:38

„Fortschritt für eine gerechte Welt“ – so lautet das Motto des Programms der deutschen G7-Präsidentschaft. In ihm schreiben sich die G7-Staaten als „führende Industriestaaten und wertegebundene Partner“ eine besondere Verantwortung für die nachhaltige „Gestaltung einer lebenswerten Zukunftzu. Clubs wie die G7 selbst, aber auch der von der deutschen Präsidentschaft angedachte globale Klimaclub, können oft schneller entscheiden und agieren als inklusivere multilaterale Organisationen wie die Vereinten Nationen (UN). Aber ein Speedboot, so schnell und wendig es auch sein mag, kann nicht allein den Ozean überqueren, und die G7 können allein keine globalen Herausforderungen stemmen. Entsprechend kündigt die deutsche G7-Präsidentschaft im Programm an, enge Bezüge insbesondere zur UN und zur G20 herstellen zu wollen, mit dem Ziel eines „fairen und regelbasierten Multilateralismus“. Auch UN-Generalsekretär António Guterres betont die Bedeutung von Vorreiterinitiativen und Partnerschaften im Rahmen eines „inklusiven und vernetzten Multilateralismus“. In seinem Bericht Our Common Agenda entwickelt er zahlreiche Ideen, wie die Beschlüsse, die die Mitgliedsstaaten anlässlich des 75. Jubiläums der UN getroffen hatten, umzusetzen sind und die internationale Zusammenarbeit gestärkt werden kann. Er ruft dazu auf, dort voranzuschreiten, wo gemeinsame Interessen bestehen. Wächst hier also zusammen, was zusammen gehört? Leider (noch) nicht, denn im G7-Programm bleiben die Verweise auf die UN abstrakt, wirken eher pflichtschuldig. Die deutsche G7-Präsidentschaft hätte aber die Chance, das zu ändern und geteilte Prioritäten gemeinsam umzusetzen:

„Starke Allianzen für einen nachhaltigen Planeten“ – bei den UN anbinden

Sowohl die G7 als auch die UN setzen auf Pionierprojekte und auf Partnerschaften mit nichtstaatlichen Akteuren, etwa im Rahmen der Impfallianz Covax oder der G7-Initiative für Infrastrukturprojekte in ärmeren Ländern. Es ist positiv, dass der Bericht des UN-Generalsekretärs sich der Realität dieser Formate stellt und sie in den Dienst der Umsetzung global vereinbarter Ziele – vor allem die der 2030 Agenda für nachhaltige Entwicklung und des Pariser Klimaabkommens – stellen möchte. Auch wenn viele UN-Mitgliedstaaten solche Partnerschaften unterstützen, besteht keine Einigkeit über diese Art von Multilateralismus jenseits rein intergouvernementaler Beziehungen. Um größtmögliche Wirkung zu erzielen, ist es für die G7 wichtig, dass möglichst viele Staaten ihre Initiativen als sinnvoll und legitim wahrnehmen. Dafür wäre eine institutionelle Anbindung an das UN-System wertvoll, die sicherstellt, dass Partnerschaften menschenrechtliche Standards erfüllen, dass sie transparent gestaltet und kontinuierlich nachgehalten und entlang von Bedürfnissen der Zielgruppen weiterentwickelt werden. Der UN-Generalsekretär schlägt vor, das existierende UN-Büro für Partnerschaften zu stärken. Bislang ist dieses nicht in der Lage, die oben genannten Aufgaben zu erfüllen. Frühere Reformversuche scheiterten unter anderem an Finanzierungsproblemen. Jetzt sollen digitale Lösungen weiterhelfen. Die G7 sollte die Entwicklung eines effektiven UN-Hubs unterstützen und dort auch ihre eigenen Initiativen anbinden. Das könnte der G7 helfen, sowohl Akzeptanz zu erzeugen als auch weitere Partner zu mobilisieren. Durch eine solche „Qualitätskontrolle“ von Partnerschaften könnte die UN ihre zentrale Rolle in der Global Governance stärken.

„Investitionen in eine bessere Zukunft“ – mit der UN

Wie die deutsche G7-Präsidentschaft legt auch der UN-Generalsekretär in seinem Bericht einen besonderen Fokus auf Zukunftsfragen in Zusammenschau mit Gerechtigkeitsfragen. Die Weltorganisation soll viel besser darin werden, Schiffbruch zu vermeiden – also auf akute und künftige transnationale Krisen zu antworten und dabei ihre Antworten inklusiver und gerechter zu gestalten. Strategischer vorausschauen, Interessen junger Menschen und zukünftiger Generationen stärker berücksichtigen sowie beim Ausbruch neuer Krisen rasch wichtige Player zusammenrufen können – so lauten die ehrgeizigen Vorschläge, um die UN stärker ins Zentrum globaler Problembewältigung zu rücken. Auch hier gilt: Die Mitgliedstaaten sind gespalten, was den damit verbundenen Autoritäts- und Wissenszuwachs der UN angeht. Innerhalb der G7 ist eine Aufwertung der UN ebenfalls umstritten – aufgrund von Effektivitäts- und Souveränitätsbedenken, aber auch angesichts des Einflusses von Staaten wie China und Russland. In Anbetracht der Interessenkonvergenz im Hinblick auf die großen Zukunftsthemen sollte die G7 dennoch darauf dringen, bestehende Fähigkeiten des UN-Systems besser zu bündeln und gleichzeitig den gezielten Ausbau strategischer Kapazitäten der UN politisch wie finanziell unterstützen, ob über freiwillige Beiträge oder teils auch sinnvollerweise über einen Aufwuchs des regulären Budgets. Die G7 hat sich 2021 im Cornwall Consensus verpflichtet, Krisenbearbeitung künftig effektiver, aber auch gerechter zu gestalten. Dieses Jahr sollte sie die Rolle der UN hierbei diskutieren.

Aktuell tauschen sich die Staaten in der UN-Generalversammlung darüber aus, welche der Vorschläge des Generalsekretärs sie unterstützen wollen. Parallel laufen die Vorbereitungsprozesse zum G7-Gipfel. Zeit, die Prozesse für einen zukunftsfähigen Multilateralismus zusammen zu denken.

Dr. Marianne Beisheim arbeitet in der Forschungsgruppe Globale Fragen der SWP.

Dr. Silke Weinlich ist Mitarbeiterin des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE) im Forschungsprogramm Inter- und Transnationale Zusammenarbeit.

Dieser Beitrag erscheint zeitgleich auf der Website der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) unter der Rubrik „Kurz gesagt“.

Our Common Agenda – Impetus for an inclusive and networked multilateralism for sustainable development. Statement

Mon, 02/14/2022 - 12:29

In September 2021, UN Secretary-General Guterres set out reform proposals for an inclusive and networked multilateralism. The German Council for sustainable development recemmends to actively implement the proposals in Germany and lead the way internationally.

Analysing the Water-Energy-Food Nexus from a polycentric governance perspective: Conceptual and methodological framework

Fri, 02/11/2022 - 14:54

The Water-Energy-Food Nexus has emerged over the past decade as a useful concept to reduce trade-offs and increase synergies in promoting goals of water, energy and food securities. While WEF scholarship substantiates the biophysical interlinkages and calls for increased and effective coordination across sectors and levels, knowledge on conditions for effective coordination is still lacking. Analysing WEF nexus governance from a polycentricity perspective may contribute to better understanding coordination. In this paper, we propose a conceptual framework for analysing WEF nexus governance based on the Institutional Analysis and Development (IAD) framework and the concept of Networks of Adjacent Action Situations (NAAS). The interdependence among transactions for pursuing WEF securities by actors in different action situations generates the need for coordination for changing or sustaining institutions, policy goals and policy instruments that guide actions leading to sustainable outcomes. Coordination is attained through arrangements based on cooperation, coercion or competition. Coordination in complex social-ecological systems is unlikely to be achieved by a single governance mode but rather by synergistic combinations of governance modes. Particular coordination arrangements that emerge in a context depend on the distribution of authority, information and resources within and across interlinked decision-making centres. Further, integrating the political ecology based conceptualisations of power into the analytical framework extends the governance analysis to include the influence of power relations on coordination. Methodological innovation in delineating action situations and identifying the unit of analysis as well as integrating different sources and types of data is required to operationalise the conceptual framework.

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