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Stiftung Wissenschaft und Politik
Updated: 1 month 3 weeks ago

Krisenkaskade in Ostafrika

Wed, 20/05/2020 - 00:05

In Ostafrika und insbesondere am Horn von Afrika überlappen sich derzeit mehrere Krisen. Schon länger sorgen dort neben Konflikt und Krieg auch Klimaereignisse wie Dürren für große Versorgungsengpässe. Diese verschärfen sich durch eine aus Jemen kommende Heuschreckenpopulation, die sich seit Oktober 2019 exponentiell vermehrte. Eine der Ursachen hierfür ist das immer häufiger auftretende Klimaereignis »Indien Ocean Drop«, das in den letzten Jahren große Feuchtigkeit und Überschwemmungen mit sich brachte. Bis Juni 2020 dürften sich die Heuschrecken noch einmal um das 500-fache vermehren, was die dann anstehenden, bisher als ertragreich prognostizierten Ernten massiv gefährdet.

Auf diese Krisen-Gemengelage trifft zusätzlich Covid-19. Es ist unklar, wie stark sich das Virus in Ostafrika bereits ausgebreitet hat, da wenig getestet wird. Aber die offiziellen Zahlen steigen, und die Dunkelziffer ist vermutlich hoch. Sicher ist, dass das Zusammentreffen der Pandemie mit weiteren Krisen und auch den Reaktionen darauf einen aus dem Katastrophenschutz bekannten Kaskadeneffekt sich gegenseitig aufschaukelnder Problemlagen bewirkt. Im Ergebnis ist mit einer Verdopplung der Menschen zu rechnen, die von extremem Hunger betroffen sind.

Covid-19-Maßnahmen verschärfen die Versorgungskrise

Die gesundheitspolitischen Reaktionen auf Covid-19 finden im Rahmen extrem begrenzter medizinischer Kapazitäten statt: In Somalia kommen 0,028 Ärzte auf 1000 Einwohner, in Kenia knapp 0,2 (Deutschland: 4,2). Wie in anderen Staaten der Welt versucht man, Gesundheitskapazitäten auszuweiten und Hygieneregeln umzusetzen. Letztere sind aber oft durch schlechte Wasseranbindung begrenzt. Wegen dieser Einschränkungen setzen die Länder in Ostafrika vornehmlich auf Grenzschließungen, Reise- und Ausgangsbeschränkungen sowie strikte Lockdowns, um die Infektionskurve abzuflachen. Gerade diese Maßnahmen erschweren aber die Nahrungsmittelversorgung und auch die Heuschreckenbekämpfung, was wiederum zu weiteren Nahrungsmittelengpässen führt. Hier zeigt sich, dass ein Vorgehen, das nur eine Krise in den Blick nimmt, andere Krisen weiter verschärfen kann. Auch herrschen in Städten und auf dem Land unterschiedliche Krisendynamiken vor, auf die individuell reagiert werden muss. Zugleich beeinflussen sie sich gegenseitig und müssen zusammengedacht werden.

Covid-19 und reaktive Maßnahmen erreichen zunächst und am schnellsten die Bevölkerung in Städten. Hier leben viele Menschen, die sich durch Gelegenheitsarbeit verdingen, auf engstem Raum. Durch die Ausgangsbeschränkungen sind sie besonders hart getroffen, da sie keine Einkünfte erzielen, keine Nahrungsreserven anlegen und ihre Familien nicht versorgen können. Dafür ist es aber in urbanen Zentren prinzipiell leichter, der notleidenden Bevölkerung Hilfslieferungen zukommen zu lassen, als auf dem Land – wenn auch die Marktanbindung an ländliche Produzenten bei beschränkter Mobilität durch Corona gestört sein kann. Die andere stark betroffene Gruppe sind Flüchtlinge – in Ostafrika gibt es mehr als zehn Millionen Binnenvertriebene, die kaum Unterstützung erhalten. Flüchtlinge, die in Flüchtlingslagern leben, sind zwar besonders anfällig für Covid-19, werden aber anders als die Tagelöhner der Städte durch externe Hilfsorganisationen versorgt.

Die geringere Bevölkerungsdichte auf dem Land und die weit verbreitete Subsistenzwirtschaft machen die Bevölkerung dort zwar tendenziell weniger anfällig für Gesundheits- und Versorgungsrisiken als Stadtbewohner. Ein Großteil der Bauern und Bäuerinnen müssen aber dennoch Lebensmittel hinzukaufen, da die eigene Ernte nicht ausreicht. Damit sind sie ebenfalls von Preissteigerungen und Versorgungsengpässen bei Nahrungsmitteln, aber auch bei Saatgut und Futter betroffen, die durch Heuschrecken selber, aber auch durch Corona-bedingte Grenzschließungen und Mobilitätsbeschränkungen entstehen können.

Gesundheitsschutz und Versorgungssicherheit in Einklang bringen

Wie also können Lösungen aussehen, die der komplexen Situation mit vielfältigen voneinander abhängigen Krisen und Problemlagen gerecht werden? Zunächst müssen staatliche Stellen eine Brücke für die Anbindung zwischen Stadt und Land schaffen, um die Märkte in den Städten zu versorgen und den Anbietern auf dem Land ein Auskommen zu ermöglichen. Auch kann auf afrikanische Erfahrungen im Umgang mit Ebola zurückgegriffen werden, nach denen Gesundheitsschutz und Versorgungssicherheit gut miteinander in Einklang gebracht werden konnten. So gab es in Westafrika etwa kollektive Sammelstellen für den inländischen Handel von Nahrungsmitteln, durch die nur wenige und durch Ausrüstung geschützte Menschen am Handel beteiligt waren. Ostafrika und das Horn sind zudem Vorreiter im bargeldlosen Zahlungsverkehr. Dieser erlaubt es, gefährdeten Bevölkerungsgruppen statt direkter Nahrungshilfen eine unmittelbare finanzielle Unterstützung bereitzustellen. Hilfen werden auf diese Weise gerechter verteilt, die Bevölkerung kann selbst entscheiden, wie sie das Geld je nach Problemlage vor Ort am besten einsetzt, und der inländische Markt wird gestärkt.

Regional könnte die Intergovernmental Authority on Development (IGAD) die Koordinierung der Krisenreaktion leisten: Sie hat sich auf der Grundlage einer hervorragenden Vernetzung als elementar für die Covid-19-Informationsversorgung der Region herausgestellt.

International sollte darauf hingewirkt werden, den Handel mit Nahrungs- und Futtermitteln, Insektiziden und Drohnen sicherzustellen; Handelsbeschränkungen gerade für diese essentiellen Güter müssen abgebaut werden. Auch muss gewährleistet werden, dass Hilfskräfte sich frei vor Ort bewegen können. Zudem sind schnelle finanzielle Hilfen nötig, um auf die erwartete Vergrößerung der Heuschreckenschwärme zu reagieren.

Bei allen lokalen, regionalen und internationalen Ansätzen sollten Antworten auf das längerfristig wirkende Problem des Klimawandels mitgedacht werden.

Implementing and Enforcing UN Arms Embargoes

Wed, 20/05/2020 - 00:00

The Berlin Conference on Libya in January 2020 was held to support United Nations (UN) conflict-resolution efforts. The participating states’ commitment to the existing arms embargo garnered particular attention. But hopes of meaningful progress were quickly dashed, with the embargo violated yet again shortly after the conference. Indeed, the implementation and enforcement of UN arms embargoes is fraught with challenges, especially prominently in the case of Libya. But closer examination of existing embargoes in the context of armed conflict also reveals opportunities for mak­ing better use of the measure, which is the most frequently used form of UN sanc­tions. It goes without saying that no arms embargo can save a peace process on its own, however tightly it is monitored. But the instrument can be applied to greater effect as part of an overall package of conflict resolution measures.

Angriff auf den Open-Skies-Vertrag

Wed, 20/05/2020 - 00:00

Die Wahrscheinlichkeit steigt, dass die USA den multilateralen Vertrag über den Offenen Himmel (OH) verlassen werden und Russland bald folgen könnte. Damit würde Präsident Trump den Rückzug der USA aus der regelbasierten Sicherheits­ordnung fortsetzen und eine weitere Bresche in die Rüstungskontrollarchitektur schlagen. Deren kontinuierlicher Abbau, ein neuer Rüstungswettlauf sowie die Rück­kehr bewaff­neter Konflikte und von Szenarien nuklearer Kriegsführung gefährden die europäische Sicherheits­ordnung und die strategische Stabilität. Der OH-Vertrag gestattet kooperative Beobachtungsflüge über den Territorien der Vertragsstaaten. Damit lässt sich ein Mindestmaß an militärischer Transparenz und Vertrauensbildung auch in Krisenzeiten bewahren. Dies kann nicht durch nationale Satellitenaufklärung ersetzt werden, zumal sie nur wenigen Staaten zur Verfügung steht. Eigenständige Beobachtungsoptionen sind gerade für Bündnispartner in Spannungsregionen wichtig. Deutsch­land muss sich gemeinsam mit den europäischen Partnern nachdrücklich dafür einsetzen, den OH-Vertrag zu erhalten.

Die internationalen Dimensionen deutscher Wasserstoffpolitik

Tue, 19/05/2020 - 00:00

Wasserstoff ist ein vielfältig einsetzbarer Energieträger, der in Politik und Wirtschaft im Kontext der Energie- und Klimapolitik gesteigertes Interesse geweckt hat. Die Bundesregierung will mit einer eigenen Strategie dessen künftige Verwendung in verschiedenen Wirtschaftsbereichen vorantreiben. Allerdings kann eine deutsche Wasserstoffpolitik nicht getrennt von Entwicklungen auf EU-Ebene und in anderen Mitgliedstaaten konzipiert, sie muss vielmehr europäisch ausgestaltet werden. Da Deutschland heute mehr als 70 Prozent seines Energiebedarfs importiert, hat eine solche energiepolitische Neuausrichtung zwangsläufig eine internationale Dimension. Insofern gilt es, sie entsprechend zu verankern. Die EU und Deutschland sollten bilaterale Partnerschaften und die multilaterale Governance voranbringen, um schritt­weise einen Markt für Wasserstoff zu schaffen.

New Political Parties and the Reconfigu­ration of Turkey’s Political Landscape

Mon, 18/05/2020 - 00:00

The recent emergence of two splinter parties from the Justice and Development Party (AKP) points to a deepening crisis within the party and growing discontent toward party leader and president, Recep Tayyip Erdoğan. Although the leaders of the two new parties, Ali Babacan and Ahmet Davutoğlu, are both former high-ranking AKP politicians, they differ significantly in their style of politics and ideological leanings. Babacan is trying to position himself at the center of Turkey’s ideological spectrum and emphasize issues of good governance and the rule of law. Davutoğlu is aiming for the more conservative voters, focusing on the moral shortcomings of the current regime. Davutoğlu’s strategy has better chances in the short term, whereas Babacan is poised for a long game. The importance of both parties relies on their potential to attract votes from the AKP base. In a country that is deeply divided into two almost equal-sized camps that support Erdoğan and oppose him, even a small fraction of votes shifting from the AKP to the opposition can be a game changer.

»Es müssen rote Linien für den Einsatz bewaffneter Drohnen definiert werden«

Mon, 18/05/2020 - 00:00

Bewaffnete Drohnen können helfen, Soldatinnen und Soldaten im Einsatz zu schützen – so lautet das meist genannte Argument derjenigen, die eine Bewaffnung von Drohnen befürworten. Wie kann man sich diesen Schutz vorstellen? 

Dominic Vogel: Patrouillen oder Konvois, die sich außerhalb von gesicherten Lagern bewegen, könnte man mit bewaffneten Drohnen von oben überwachen. Die Drohne wäre dann eine Art fliegendes Auge, das Hinterhalte erkennt. Die Drohnen, die wir bis jetzt haben, sind unbewaffnet, das heißt, sie beobachten und erkennen nur – Maßnahmen müssen andere ergreifen. Die bewaffneten Drohnen können selbst reagieren.

Das Schutzargument ist also schlüssig? 

Dominic Vogel: Schon. Man darf aber nicht erwarten, dass jetzt jede Patrouille von einer Drohne begleitet wird. Das ist in jedem Einzelfall eine taktische Entscheidung. Da fragt man, wie die Bedrohungslage ist, welche Systeme hier sinnvollerweise zum Einsatz kommen, aber auch nach den Ressourcen. Es wird letztlich erstmal nur fünf bewaffnete Drohnen geben, die können nicht an jedem Einsatzort sein. Dennoch: Die Situation würde sich grundsätzlich verbessern, wenn eine solche Drohne zum Schutz von Soldaten zur Verfügung stünde.

Die Gegner der Beschaffung fürchten, dass die – von Menschen gesteuerten – bewaffneten Drohnen der Einstieg in automatische Waffensysteme sein könnten. Was ist dran an dieser Befürchtung?

Anja Dahlmann: Zunächst muss man ganz klar unterscheiden zwischen von Menschen ferngesteuerten Drohnen wie der Heron TP, um die es in der Debatte geht, und solchen mit Funktionen, die Ziele autonom auswählen und bekämpfen können. Letztere sind problematisch. Dennoch könnte die Heron TP ein erster Schritt zur Autonomisierung sein, denn die Fernsteuerung ist anfällig: Die Übertragung kann gestört oder unterbrochen, das System kann gehackt werden. Da ist es naheliegend, über Weiterentwicklungen nachzudenken, die eine solche Übertragung überflüssig machen. Insofern ja: Langfristig könnte die Drohne ein Einstieg in autonome Systeme sein.

Kritiker sprechen im Zusammenhang mit bewaffneten Drohnen auch vom „Joystick“-Töten, weil die Drohnen aus der Ferne gesteuert werden. Inwiefern verändert dieser Umstand das Verhalten im Einsatz? 

Anja Dahlmann: Es gibt durchaus Hinweise aus den USA, die auf eine solche hochproblematische Entfremdung vom Kampfgeschehen hindeuten. Ob dies nur anekdotisch ist oder ein strukturelles Problem, ist ungeklärt. Die aufwändigen Entscheidungsprozesse bei der Zielauswahl, die es in der Bundeswehr gibt, sollten die Leichtigkeit dieser potenziellen Joystick-Mentalität aber ausbremsen. Da sprechen viele Menschen mit und klären, was legitime Ziele sind und wofür welche Systeme eingesetzt werden sollen.

Dominic Vogel: Es ist sogar so, dass man mit Drohnen das Zielgebiet länger beobachten und sich ein genaueres Bild von der Lage machen kann als bei schnellen Überflügen mit anderen Systemen. Dadurch sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass wahllos getötet wird. Wichtig zu wissen ist auch, dass die Drohnenpiloten der Bundeswehr mit am Einsatzort sind, also zum Beispiel in Afghanistan. Die sitzen nicht in irgendeinem Büro im friedlichen Deutschland, sondern kriegen die Einsatzrealität hautnah mit. Etwas, das ihre Haltung zum Geschehen prägt.

Wir wissen, dass die USA bewaffnete Drohnen für völkerrechtswidrige Maßnahmen, etwa zum Töten von Terroristen in nicht mandatierten Einsätzen verwenden. Wie können wir sicher sein, dass deutsche Drohnen nicht ebenso verwendet werden?

Anja Dahlmann: Drohnen begünstigen Aktionen wie gezieltes Töten tatsächlich eher als andere Systeme. Der »War on Terror« der CIA hätte sicher ohne Drohnen anders ausgesehen, und ihr Effekt auf die Zivilbevölkerung vor Ort war verheerend. Diese Waffen führen aber nicht zwangsweise zu einem völkerrechtswidrigen Einsatz, man kann sie auch anders nutzen. So lange der Deutsche Bundestag solche Einsätze nicht mandatiert, wird es sie in Deutschland hoffentlich nicht geben.

Für welche Szenarien könnte ein Einsatz bewaffneter Drohnen aus Ihrer Sicht sinnvoll sein?

Dominic Vogel: Sinnvoll ist er sicher im Bereich der bereits angesprochenen bewaffneten Überwachung von oben, also im Sinne des Schutzes von Soldaten im Einsatz – das ist das zentrale Argument für eine Beschaffung. Zusätzlich können Drohnen überall dort die Luftaufklärung übernehmen, wo es keine feindlichen Luftstreitkräfte gibt, also zum Beispiel in Afghanistan oder Mali. Denn die Drohne ist ein leichtes Opfer: Sie hat keinen eigenen Schutz und ist nicht besonders schnell.

Anja Dahlmann: Das Schutzszenario kommt in der Realität nur begrenzt zum Tragen. Und wie Dominic sagt, wäre der Nutzen der Heron TP in symmetrischen Konflikten – also gegen gleichwertig gerüstete Gegner – gering. Sie ist darum wohl eher ein erster Schritt hin zu leistungsfähigeren Modellen; Deutschland würde hier erste eigene Erfahrungen sammeln.

Worauf sollte geachtet werden, wenn es tatsächlich zu der Bewaffnung kommt? 

Dominic Vogel: Wir müssen politisch festlegen, wofür wir die bewaffnete Drohne einsetzen wollen. Man könnte auch in Mandaten für Auslandseinsätze klar die Regeln für den Einsatz unbemannter Systeme festlegen. Das wäre zwar ein Novum, aber auch ein deutliches Signal: Hier setzen wir eine aus unserer Sicht sensible Technik ein, und wir sind uns dessen auch politisch bewusst.

Anja Dahlmann: Diese klaren Grenzen sind aus zwei Gründen nötig: Zum einen darf es nicht zu Einsatzszenarien in völkerrechtlichen Grauzonen kommen. Zum anderen sollte die Beschaffung nicht den Schritt zu autonomen Waffensystemen erleichtern, was auch bei der Entwicklung der Eurodrohne und des Future Combat Air System zu beachten ist – beides sind Kampfsysteme, an deren Entwicklung sich Deutschland beteiligt. Hilfreich wäre ein Strategiedokument des Bundesverteidigungsministeriums, in dem es klar formuliert, wie viel Kontrolle der Mensch über den Gewalteinsatz behalten sollte. Es braucht auch rote Linien: An welchen Einsatzszenarien würde sich Deutschland noch beteiligen und an welchen nicht? Im Koalitionsvertrag steht, dass Deutschland autonome Waffen ablehnt, und das Auswärtige Amt setzt sich deutlich für ein internationales Verbot ein. Allerdings haben sich weder das Verteidigungsministerium noch der Bundestag klar positioniert, und gerade da wäre es wichtig.

Das Interview führte Candida Splett von der Online-Redaktion.

Tornado-Nachfolge: Fähigkeiten und Anpassungszeiträume sind entscheidend

Fri, 15/05/2020 - 00:00

Der Prozess der Auswahl eines Nachfolgemodells für den Tornado der Luftwaffe nähert sich der finalen Phase. Die Bundesministerin der Verteidigung hat den ressortintern erarbeiteten Vorschlag Mitte April dem Verteidigungsausschuss des Bundestages vorgestellt und damit auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die verbindliche Entscheidung über die Beschaffung trifft das Parlament voraussichtlich in der näch­sten Legislaturperiode. Eine weitere Verzögerung des Auswahlprozesses wäre in mehr­facher Hinsicht schädlich. Dabei geht es längst nicht mehr nur um ein neues Flugzeug – die Politik hat zugleich darüber zu entscheiden, welche Luftwaffe sie haben will.

“We have about a year to build the necessary infrastructure”

Thu, 14/05/2020 - 00:00

Last week, the EU Commission convened an international pledging conference to secure joint funding for the development of vaccines and drugs to treat coronavirus. The participants pledged €7.4 billion on Monday. Is that enough?

Maike Voss: It is a start. Overall, from the development to the manufacturing and distribution of vaccines, drugs, and other medical products, it will be much more expensive. The virtual pledging conference served as a kick-start for initiating international cooperation in this area. It was therefore an important sign that as many countries as possible were coming together on the same day at the same time.

Money does not seem to be the problem. In Germany alone, the budget allocated for the corona crisis amounts to more than €350 billion.

Maike Voss: It is not solely about money. For instance, the Gates Foundation is one of the largest donors to global health and has now pledged €100 million. Of course, much more could be spent. However, the foundation is making sure that its contribution is in justifiable relation to those of other state donors. It is trying not to push itself to the fore, yet it is heavily involved. Thus, Germany pledging €525 million can be read as a sign that a great deal of support is being given, and that the country is trying to lead the debate with others.

The president of the EU Commission, Ursula von der Leyen, aimed at bringing together all the health organisations in the world under one roof. In the end, heads of state and government from 40 countries, foundations, and companies participated. The United States and Russia were absent…

Maike Voss: … and India. The big pharmaceutical companies are based in the United States, Europe, and India. Two of those big players were not at the pledging conference. This is, of course, devastating for the joint efforts against Covid-19. The absence of the United States is certainly a reflection of its declining commitment to multilateralism. India took part in a meeting of the Non-Aligned Movement prior to the pledging conference. Especially at the beginning of the crisis, the European Commission was criticised for not being able to persuade EU member states to adopt a common policy. At the pledging conference, it was given a leading role.

What does it mean for containing the pandemic?

Maike Voss: I think the pledging conference also made an impression on the countries that did not participate. This is because the participating countries are signalling: We are working together to develop more quickly a vaccine as a global public good that benefits everyone equally. Their intention is not to distribute it exclusively among themselves, but to make it available worldwide. After all, we are only safe from the virus if a large number of people are vaccinated. Consequently, those countries that do not participate would also benefit.

What are the biggest obstacles to the research and development of a vaccine?

Maike Voss: The first question is how to keep the price as close as possible to the cost of production in order to make the vaccine affordable. The granting of patents can make rapid and large-scale production difficult, which therefore delays access to a vaccine. The release of intellectual property rights, information, and data in an international technology pool as well as technology transfers can remedy this situation. At the same time, development and manufacturing costs must, of course, be reimbursed. However, the price of the manufacturer and the purchasing power of the buyer should not decide the level of access to a health good. Moreover, the question of production capacity is still open. The aim is to produce the vaccine in large quantities locally and as close as possible to the population. For all we know at present, the production sites are unequally distributed around the world and are more likely in the Global North. Solutions in the context of development policy are needed, in particular since distribution will face difficulties due to a lack of infrastructure, such as secure cold storage and supply chains.

How can a fair distribution of the vaccine be ensured once it is developed?

Maike Voss: Every euro or dollar that flows into the system must be linked to conditions for equitable access. A review mechanism is needed, ideally at the World Health Organization (WHO). WHO is the organisation that has the legitimacy and experience to do this. However, it must be provided with the necessary resources. Monitoring has to involve civil society as well, for example organisations such as Doctors without Borders. These voices were missing at the pledging conference. In many developing countries, it is local NGOs that keep health care running. We need transparency for all of this. And the pharmaceutical industry is not known for its voluntary transparency. That is why national regulations now need to be adapted – and that will not be easy, given the urgency and dependencies.

What are the priorities to ensure the equal distribution of the vaccine around the world?

Maike Voss: It is important that countries, together with WHO, start now to develop criteria for a fair distribution that is based on ethical considerations. The health workforce, civil servants, and vulnerable groups should be prioritised. In addition to epidemiological indicators, social and economic aspects play a role in global distribution, including the capability to implement and the acceptance of health protection measures, population density, the size of the informal sector, and access to water. The functionality of health systems will also be crucial – for the distribution of goods, but also to maintain health care for all. Well-trained and protected health professionals will be crucial here. We now have about one year to build the necessary infrastructure. Because that is at least how long it will take to develop a vaccine.

The interview was conducted by Çetin Demirci, member of the online editorial team.

Annexionen im Westjordanland: Die Europäer müssen ihr Gewicht in die Waagschale werfen

Thu, 14/05/2020 - 00:00

In diesen Tagen werden entscheidende Weichen im israelisch-palästinensischen Konflikt gestellt. Nach drei Wahlgängen und schwierigen taktischen Manövern wird heute einmal mehr eine Koalitionsregierung unter Benjamin Netanjahu vereidigt. Das Koalitionsabkommen der Hauptpartner Likud und Blau-Weiß sieht vor, dass ab dem 1. Juli eine Vorlage zur »Anwendung israelischer Souveränität« auf Teile des Westjordanlandes zur Abstimmung gebracht werden kann, sofern die Zustimmung der US-Regierung hierzu vorliegt. Damit hat sich in Israel binnen weniger Jahre ein fundamentaler Wandel vollzogen. Der ehemalige Knesset-Sprecher Juli Edelstein (Likud) betonte, dass die Leute ihn noch für verrückt hielten, als er 2015 Annexionen forderte.

Es sieht ganz danach aus, als würden die USA den Schritt unterstützen. US-Außenminister Mike Pompeo hat verlauten lassen, dass die Entscheidung allein bei Israel liege. Schon im Januar dieses Jahres hatte US-Präsident Donald Trump seinen »Jahrhundertdeal« enthüllt, der Israel zugesteht, rund 30 Prozent des Westjordanlandes zu annektieren. Im Anschluss daran wurde ein israelisch-amerikanisches Komitee zur Ausarbeitung der territorialen Details der Annexion eingesetzt. Zwar betonen Vertreter der US-Regierung, dass Israel auch mit den Palästinensern über die Umsetzung des Trump-Planes verhandeln müsse. Das bedeutet aber nicht, dass Annexionen während der Verhandlungsphase aufgeschoben würden.

Da ein Wahlsieg Trumps alles andere als gewiss ist und Präsidentschaftskandidat Joe Biden bereits seine Ablehnung von Annexionen signalisiert hat, ist auf israelischer Seite der Druck hoch, noch vor den US-Wahlen im November dieses Jahres zur Umsetzung zu schreiten.

Sollte sich die Knesset dafür entscheiden, alle Siedlungen im Westjordanland sowie das Jordantal zu annektieren, würde dies nicht nur einen lebensfähigen palästinensischen Staat, sondern auch eine verhandelte Konfliktregelung zwischen Israel und den Palästinensern unmöglich machen. Schon jetzt sind die bürgerlichen und politischen Rechte der Palästinenser durch die Besatzungsrealität massiv eingeschränkt; das den Palästinensern zur Verfügung stehende Gebiet ist stark zersplittert. Eine Annexion würde den palästinensischen Zugriff auf die Ressourcen des Westjordanlandes weiter beschneiden. Auch wäre es für Israel als Souverän des annektierten Gebietes leichter, Besitzer palästinensischen Privatlandes zu enteignen; mit dem Regulierungsgesetz von 2017 ist hierfür bereits teilweise der Weg geebnet worden.

Annexionen gefährden Israels Sicherheit

Wie israelische Sicherheitsexperten und ehemalige Offiziere betonen, würde eine entsprechende Annexion nicht der Sicherheit Israels dienen. Im Gegenteil: Nicht nur würde sie eine lange und schwer zu kontrollierende Grenze zu den palästinensischen Enklaven schaffen. Auch würde sie das gemeinsame Konfliktmanagement mit der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) sowie die Friedensabkommen mit Jordanien und Ägypten unterminieren. Nicht zuletzt würde sie das Risiko gewaltsamer Auseinandersetzungen, eines Kollapses der PA und einer Destabilisierung der jordanischen Monarchie steigern.

Darüber hinaus dürften die Annexion und die Reaktionen darauf einen Präzedenzfall schaffen, der international mit großer Aufmerksamkeit verfolgt wird.

Die EU und ihre Mitgliedstaaten sollten sich daher bei ihrem Treffen am Freitag und in Abstimmung mit dem Vereinigten Königreich dazu entschließen, ihr Gewicht in die Waagschale zu werfen, um das Kosten-Nutzen-Kalkül der politisch Handelnden in Israel zu beeinflussen und damit die angekündigte Annexion zu verhindern.

Europa verfügt durchaus über Instrumente, das Grundprinzip des Völkerrechts, dass die Aneignung von Territorium durch Gewalt nicht zulässig ist, zu verteidigen. Gegen Russland etwa haben die Europäer in Reaktion auf die Annexion der Krim-Halbinsel einschneidende Sanktionen verhängt. Für einige europäische Staaten, nicht zuletzt Deutschland, kommen Sanktionen gegen Israel jedoch nicht in Frage. Stattdessen könnten sie aber zum Beispiel das EU-Israel-Assoziierungsabkommen aussetzen, bis greifbare Fortschritte hin zu einer Verhandlungsregelung erreicht sind. Denn die normative Basis des Assoziierungsabkommens, das auf dem Osloer Friedensprozess beruht, wird durch eine Annexion grundsätzlich verletzt.

Klare Signale Europas an Israel und Palästinensische Autonomiebehörde

Die Europäer sollten jedoch nicht nur ihre Ablehnung einseitiger Grenzveränderungen, sondern auch ihre Erwartungen an Israel im Falle von Annexionen formulieren. Dazu gehört die Forderung, dass Israel allen Bewohnerinnen und Bewohnern in annektierten oder permanent besetzten Gebieten Bürgerrechte gewährt und die Verantwortung für ihre Versorgung übernimmt.

Gleichzeitig sollten die Europäer klar ausbuchstabieren, was ihre Erwartungen an die PA sind: eine Überwindung der internen Spaltung, eine demokratische Erneuerung der palästinensischen Institutionen und ein konstruktives Engagement für eine Konfliktregelung. Auch gegenüber der PA darf europäische Unterstützung nicht bedingungslos gewährt werden. Gleichzeitig müssen die EU und ihre Mitgliedstaaten aber überprüfen, wo sie selbst einer Umsetzung dieser Forderungen im Wege stehen.

Diese Signale werden umso klarer gehört werden, je geeinter Europa auftritt und je besser sie erläutert werden. Doch selbst wenn sich nur eine Koalition der großen Mitgliedstaaten findet, werden sie Einfluss haben.

Die Europäer sollten darüber hinaus an die Vorreiterrolle anknüpfen, die sie in der Vergangenheit – etwa mit ihrer Erklärung von Venedig 1980 – eingenommen haben. Denn es geht nicht nur darum, Annexionen zu verhindern, sondern auch eine Regelung des Konflikts zu befördern, die das Selbst­bestimmungsrecht beider Völker anerkennt, individuelle Menschenrechte sowie die Sicherheit aller garantiert und die Flüchtlingsfrage so regelt, dass sowohl das individuelle Wahlrecht palästinensischer Flüchtlinge als auch die Interessen von derzeitigen und potentiellen Aufnahmestaaten, inklusive Israel, berücksichtigt werden. In diesem Sinne sollten die Europäer auf einen geeigneten multilateralen Rahmen für Verhandlungen in einer Zeit nach Trumps Präsidentschaft hinarbeiten. Dabei sollten sie alles vermeiden, was dem »Jahrhundertdeal« Legitimation verleihen könnte.

Das Virus des Autoritarismus breitet sich in Lateinamerika aus

Wed, 13/05/2020 - 00:05

Die durch das Coronavirus ausgelöste Krise breitet sich in Lateinamerika aus – und gleichzeitig bzw. in ihrem Schutz eine Version des Autoritarismus, die den Ausnahme­zustand als neue Normalität nimmt. Im Schatten der Krise werden politische Macht­fragen »geklärt«, ohne internen Kontrollen unterworfen zu sein und unter Aus­nutzung der durch die Pandemie erzwungenen Demobilisierung der Bürgerschaft. Am Krisenmanagement der Präsidenten Brasiliens, Jair Bolsonaro, und El Salvadors, Nayib Bukele, lassen sich zwei verschiedene Wege aufzeigen, um zum gleichen Ziel zu gelangen: die Stärkung der präsidialen Macht auf Kosten der Gewalten­teilung. Der Protest auf der Straße gegen autoritäre Tendenzen ist gegenwärtig eingeschränkt. Dies ermöglicht Verschiebungen der Macht zugunsten autori­tärer Muster, die nur schwer einzuhegen oder zurückzudrängen sind.

Korruption und Korruptions­bekämpfung im Südkaukasus

Wed, 13/05/2020 - 00:00

∎ Georgien, Armenien und Aserbaidschan bilden einen Teil des EU-Kooperationsraums der Östlichen Partnerschaft. Europäische Außen­politik ermuntert und unterstützt die Partnerstaaten dabei, ihre Regierungs­führung (governance) zu verbessern.

∎ Für die Bewertung, wie gut das gelingt, spielt das Thema Korruption und ihre Bekämpfung eine gewichtige Rolle. In keinem anderen Teil Osteuropas und Eurasiens klafften das Ausmaß der Korruption und die Bilanz der Gegenmaßnahmen so weit auseinander wie im Südkaukasus.

∎ Unter den postsowjetischen Staaten hat nur Georgien seine Position in der Korruptionsstatistik seit Mitte der 2000er Jahre nachhaltig verbessert. Auf dem Korruptionswahrnehmungs-Index von Transparency Inter­national liegt es weit vor seinen Nachbarn, doch seine Reformbilanz wird in den letzten zwei Jahren von heftigen innenpolitischen Querelen gefährdet.

∎ In Armenien leitete die Samtene Revolution im Frühjahr 2018 den Sturz der Republikanischen Partei ein. Unter deren Herrschaft hatte sich in zwei Jahrzehnten eine Oligarchie etabliert, und die Korruption blühte. Die neue Führung unter Premierminister Nikol Paschinjan erklärte Korruptionsbekämpfung zur Priorität für den politischen Neustart.

∎ Aserbaidschan weist das höchste Ausmaß an Korruption auf. Seine »Beamtenoligarchie« bildete bislang eine machtvolle Verbindung zwischen Staat und Wirtschaft. 2019 sagte Präsident Ilham Alijew Schattenwirtschaft und Korruption den Kampf an und ersetzte einige langjährige Regierungsmitglieder. Experten bezweifeln allerdings, dass damit ein politischer Systemwandel in die Wege geleitet wurde.

The Covid-19 Pandemic and Conflict Dynamics in Syria

Tue, 12/05/2020 - 00:10

Nine years into the (civil) war, Syria is in an extraordinarily poor position to confront the Covid-19 pandemic. Instead of the pandemic leading towards the uniting of local, regional, and international actors involved in Syria around a common purpose, con­flict dynamics have hampered an effective response to Covid-19. Yet, the pandemic is unlikely to become a decisive turning point in conflict dynamics or an overall deter­minant of its future trajectory. Rather, in the mid-term, the relevant actors are likely to continue to follow their strategic interests in Syria, while some will have to adjust their operational priorities, as well as the strategies to pursue them, against the back­drop of the pandemic. Cooperation among external actors in solving the conflict is not set to get any easier. Trends of destabilisation and erosion of state capacity in the war-torn country are also likely to continue. Europeans should prioritise helping fight the pandemic in all areas of Syria and re-engage in diplomacy aimed at conflict settlement and the prevention of military escalation among involved actors.

On the Run in Their Own Country

Tue, 12/05/2020 - 00:00

∎ Although cross-border flight has been high on the international ­agenda for several years, the more wide-spread phenomenon of internal displace­ment has received scant political attention, despite the fact that it pro­motes conflict and hinders development.

∎ The problem is exacerbated when internal displacement continues over an extended period. If a large population group is denied the ability to exercise its basic as well as its civil rights for years, there are high costs and political risks for society as a whole.

∎ Internal displacement can have many causes. If it becomes a protracted phenomenon, this points to fundamental political shortcomings. Hence, the issue is a politically sensitive matter for the governments concerned, and many of them consider offers of international support as being un­due interference in their internal affairs.

∎ At the global and regional levels, legislative progress has been made since the early 2000s. However, the degree of implementation is still inad­equate and there is no central international actor to address the concerns of IDPs.

∎ The political will of national decision-makers is a prerequisite for the pro­tection and support of those affected. This can be strengthened if govern­ments are made aware of the negative consequences of internal displace­ment and if their own interests are appealed to.

∎ The German government should pay more attention to the issue of inter­nal displacement and make a special effort to find durable solutions. The most important institutional reform would be to reappoint a Special Representative for IDPs who would report directly to the UN Secretary-General.

»Wir haben etwa ein Jahr Zeit, um die nötige Infrastruktur aufzubauen«

Mon, 11/05/2020 - 00:00

Die EU-Kommission hat vergangene Woche eine internationale Geberkonferenz einberufen, um die gemeinsame Finanzierung der Entwicklung von Impfstoffen und Medikamenten gegen das Coronavirus zu sichern. Die Teilnehmer haben am Montag 7,4 Milliarden Euro zugesagt. Reicht das?

Maike Voss: Es ist ein Anfang. Insgesamt, also von der Entwicklung über die Produktion bis zur Verteilung von Impfstoffen, Medikamenten und anderen Medizinprodukten, wird es weitaus teurer werden. Die virtuelle Geberkonferenz diente dazu, die internationale Kooperation in diesem Bereich zu initiieren. Deswegen war es ein wichtiges Zeichen, dass möglichst viele Länder an einem Tag zur selben Zeit zusammenkamen.

Geld scheint ohnehin nicht das Problem zu sein. Allein in Deutschland beträgt der Umfang der haushaltswirksamen Maßnahmen zum Umgang mit der Coronakrise mehr als 350 Milliarden Euro.

Es geht auch nicht nur ums Geld. Ein Beispiel: Die Gates-Stiftung gehört zu den größten Geldgebern für globale Gesundheit und hat nun 100 Millionen Euro zugesagt. Die könnten natürlich noch viel mehr beisteuern. Die Stiftung achtet aber darauf, dass sie in einer für sie zu rechtfertigenden Relation zu den anderen Gebern steht. Sie will sich nicht in den Vordergrund spielen, mischt aber natürlich stark mit. Und so lassen sich die 525 Millionen Euro aus Deutschland auch als Zeichen lesen, dass man hier viel unterstützen und die Debatte mit anführen möchte.

Die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, wollte alle Gesundheitsorganisationen der Welt unter einem Dach vereinen. Am Ende beteiligten sich Staats- und Regierungschefs aus 40 Ländern, Stiftungen und Unternehmen. Die USA und Russland waren nicht dabei…

…und Indien. Die großen Pharmamunternehmen sitzen in den USA, Europa und Indien. Zwei dieser großen Player waren bei der Geberkonferenz nicht dabei. Das ist natürlich verheerend für die gemeinsamen Bemühungen gegen Covid-19. Beim Fernbleiben der USA spielt sicherlich die Abkehr vom Multilateralismus eine Rolle. Indien nahm kurz vor der Geberkonferenz an einem Treffen der blockfreien Staaten (Non-Aligned Movement) teil. Gerade zu Beginn der Krise wurde die Europäische Kommission dafür kritisiert, die EU-Mitgliedsländer nicht zu einer gemeinsamen Politik bewegen zu können. Bei der Geberkonferenz wurde ihr nun eine Führungsrolle zugesprochen.

Was bedeutet das für die Eindämmung der Pandemie?

Ich denke, dass die Geberkonferenz auch bei den Ländern, die sich nicht beteiligt haben, Eindruck hinterlässt. Denn die teilnehmenden Länder signalisieren: Wir arbeiten zusammen, damit wir schneller einen Impfstoff als ein globales, öffentliches Gut entwickeln, von dem alle gleichberechtigt profitieren. Ihre Absicht ist es nicht, diesen ausschließlich untereinander zu verteilen, sondern ihn weltweit zur Verfügung zu stellen. Schließlich sind wir vor dem Virus nur sicher, wenn eine große Anzahl von Menschen geimpft ist. Und so würden auch jene Länder profitieren, die sich gerade nicht beteiligen.

Wo liegen die größten Hürden bei der Erforschung und Entwicklung eines Impfstoffes?

Zunächst geht es um die Frage, wie man es schafft, den Preis so nah wie möglich an den Produktionskosten auszurichten, damit der Impfstoff erschwinglich bleibt. Die Vergabe von Patenten kann eine schnelle und umfangreiche Produktion erschweren und verzögert daher den Zugang zu einem Impfstoff. Die Freigabe von geistigen Eigentumsrechten, Informationen und Daten in einem internationalen Technologiepool sowie Technologietransfers können hier Abhilfe schaffen. Gleichzeitig müssen die Entwicklungs- und Produktionskosten natürlich vergütet werden. Der Preis des Herstellers und die Kaufkraft des Käufers dürfen aber nicht über den Zugang zu einem Gesundheitsgut entscheiden. Darüber hinaus ist die Frage der Produktionskapazität noch offen. Ziel ist es, den Impfstoff in großer Menge möglichst vor Ort, so nah wie möglich an den Menschen, herzustellen. Wir wissen momentan nur, dass Produktionsstandorte weltweit ungleich verteilt sind – eher im globalen Norden. Hier braucht es entwicklungspolitische Lösungen, zumal weil auch die Verteilung wegen mangelnder Infrastruktur wie beispielsweise sicheren Kühl- und Lieferketten schwierig wird.

Wie lässt sich eine faire Verteilung des Impfstoffes sicherstellen, wenn dieser irgendwann entwickelt ist?

Jeder Euro bzw. Dollar, der ins System fließt, muss an Bedingungen für den gerechten Zugang geknüpft sein. Es braucht einen Überprüfungsmechanismus, der idealerweise bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO) angesiedelt ist. Die WHO ist die Organisation, die dazu legitimiert ist und viel Erfahrung hat. Dafür muss sie aber mit den dafür notwendigen Mitteln ausgestattet werden. Bei der Kontrolle muss auch die Zivilgesellschaft, zum Beispiel Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen, einbezogen werden. Diese Stimmen haben bei der Geberkonferenz gefehlt. In vielen Entwicklungsländern sind es NGOs, die die Gesundheitsversorgung am Laufen halten. Für all das brauchen wir viel Transparenz. Und die Pharmaindustrie ist nicht der Sektor, der sonst mit freiwilliger Transparenz glänzt. Deswegen bedarf es jetzt Anpassungen nationaler Regularien – und das wird in Anbetracht der Dringlichkeit und Abhängigkeiten nicht einfach.

Wie müsste priorisiert werden, um den Impfstoff weltweit gerecht zu verteilen?

Es ist wichtig, dass Staaten zusammen mit der WHO jetzt schon Kriterien zur gerechten Verteilung entwickeln, denen ethische Überlegungen zugrunde liegen. So sollten national Gesundheitsfachkräfte, im öffentlichen Sektor tätige Personen und vulnerable Gruppen priorisiert werden. Neben epidemiologischen Kennzahlen spielen für eine internationale Verteilung soziale und wirtschaftliche Aspekte eine Rolle, darunter die Durchsetzung und Akzeptanz von Gesundheitsschutzmaßnahmen, die Bevölkerungsdichte, die Größe des informellen Sektors und der Zugang zu Wasser. Auch die Funktionsfähigkeit von Gesundheitssystemen wird entscheidend sein – zur Verteilung der Güter, aber auch um die Regelversorgung aufrechtzuerhalten. Gesundheitsfachkräfte werden hier entscheidend sein. Wir haben nun etwa ein Jahr Zeit, um die nötige Infrastruktur aufzubauen. Denn so lange wird es mindestens dauern, bis es einen Impfstoff gibt.

Das Interview führte Çetin Demirci von der Online-Redaktion.

Dieser Text ist auch bei euractiv.de erschienen.

Nukleare Rüstungskontrolle in Gefahr

Thu, 07/05/2020 - 00:10

Die regelbasierte internationale Ordnung ist in der Krise und mit ihr die nukleare Ordnung, die im Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (NVV), im umfas­senden Testverbotsvertrag (CTBT) und in den bilateralen Rüstungskontrollverträgen zwischen den USA und Russland zur Begrenzung strategischer Waffensysteme ver­ankert ist. Während die nukleare und konventionelle Rüstungskontrolle erodiert, beschleunigt sich der qualitative Rüstungswettlauf. Neue Waffensysteme und Szena­rien nuklearer Kriegsführung stellen die strategische Stabilität in Frage, die im New-START-Vertrag definiert wurde. Seine Verlängerung ist dringlich, um eine weitere Destabilisierung zu verhindern und Zeit für Neuverhandlungen zu gewinnen. Ein Folge­abkommen muss neue technologische und politische Entwicklungen berücksichtigen, um das strategische Gleichgewicht zu sichern und die Glaubwürdigkeit des Abrüstungsgebots des NVV zu erhalten. Der Sitz im Sicherheitsrat bietet Deutschland die Chance, dazu die Initiative zu ergreifen.

Nukleares Nordkorea

Thu, 07/05/2020 - 00:05

Südkorea und die USA haben gemeinsame Militärübungen im März aufgrund der Covid‑19-Pandemie abgesagt. Pjöngjang dagegen, das Infizierungen im eigenen Land abstreitet, führte zwischen Ende Februar und Mitte April 2020 fünf Tests ballistischer Raketen durch und hielt sieben Militärübungen ab. Das nordkoreanische Regime demonstriert damit erneut seine Fähigkeiten und seine Entschlossenheit, nukleare Trä­gersysteme weiterzuentwickeln. Sollen die jüngsten Waffentests mit Blick auf etwaige Verhandlungen Druck auf Washington ausüben oder will Pjöngjang damit seinen Sta­tus als nuklear bewaffnete Militärmacht vorführen? Im Herbst 2020 stehen für Donald Trump die Präsidentschaftswahlen an, für das Regime Kim Jong Uns die Feierlich­keiten zum 75. Jubiläum der Arbeiterpartei. Für beide wäre ein außenpolitischer Erfolg wichtig; die derzeitige Entwicklung, die von Raketentests und dem Fehlen von Verhandlungen gekennzeichnet ist, lässt jedoch wenig Raum für positive Szenarien.

NewIP – Grundstein für ein globales Internet nach chinesischen Vorstellungen?

Thu, 07/05/2020 - 00:00

China drängt darauf, die Gremien der International Telecommunication Union (ITU) zu nutzen, um Protokolle und Standards für das Internet der Zukunft zu entwickeln. Viel Aufmerksamkeit erfährt dabei der chinesische Vorschlag, eines der grundlegenden Protokolle zur Datenübertragung im Internet – das »Internet Protocol« (IP) – durch »NewIP« zu ersetzen. Vor wenigen Wochen griff die Financial Times den Vorgang auf, was eine internationale Debatte auslöste. Warum die Aufregung?

Daniel Voelsen: China ist bekannt dafür, das eigene Internet sehr genau zu kontrollieren. Mit hohem technischem und personellem Aufwand versucht der Staat dort zu kontrollieren, welche Informationen ausgetauscht werden. So soll es gelingen, das wirtschaftliche Potential des weltweiten Internets zu nutzen, ohne die eigene politische Macht zu gefährden. Schon länger formuliert China dabei den Anspruch, auch die globale Entwicklung des Internets zu prägen. NewIP wird insofern als ein weiterer Beleg für den globalen Gestaltungsanspruch Chinas in diesem Bereich gedeutet.

Nadine Godehardt: Dieses Vorgehen ist nicht untypisch für das China unter Xi Jinping. In vielerlei Hinsicht nutzt die chinesische Regierung den Rückzug der USA aus den Vereinten Nationen und anderen internationalen Organisationen, um ihre Vorstellungen, Regeln und Ideen prominent zu platzieren. Ihr Ziel ist es, das internationale System mehr an China anzupassen, während sie auf diplomatischer und medialer Ebene breites Engagement und Offenheit signalisiert. Das Engagement der chinesischen Akteure innerhalb der ITU, die eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen ist, ist tatsächlich nur ein weiteres Beispiel dafür.

Woher rührt das große politische Interesse an – auf den ersten Blick technischen – Standards?

Daniel Voelsen: Digitale Technologien basieren fundamental auf Standards und Protokollen. Ein modernes Handy braucht etwa WLAN und LTE für drahtlose Verbindungen, breit geteilte Standards für Bild-Dateien oder Protokolle für den Versand von E-Mails. Wer diese Standards und Protokolle prägt, hat wirtschaftliche Vorteile und kann auch politisch Einfluss nehmen. Weil es in nahezu allen Fällen um globale Standards geht, ist auch dieser Wettstreit um Einfluss global.

Nadine Godehardt: Die Durchsetzung und Verbreitung von technischen und regulativen Standards spielt für die chinesische Regierung mittlerweile eine zentrale Rolle. Denn Standards repräsentieren im chinesischen Sinne »Konnektivitätsressourcen«, die es Peking ermöglichen, andere Akteure indirekt oder direkt zu beeinflussen. Die Kontrolle über Infrastrukturen und zentrale Knotenpunkte wie beispielweise durch den Vorstoß mit NewIP ist daher ein wichtiger Bestandteil der chinesischen Strategie, die zukünftige Struktur des internationalen Systems aktiv mitzugestalten.

Welche Ziele verfolgt China mit dem Vorstoß in der ITU?

Daniel Voelsen: Über die technischen Details von NewIP ist bisher wenig bekannt. Bis jetzt ist das noch eine recht vage Idee, aus der nach dem Willen der Chinesen in den nächsten Jahren ja erst noch ein technisches Protokoll entstehen soll. Aber schon die bisher verfügbaren Informationen lassen recht deutlich die Ziele Pekings erkennen: Mit NewIP sollen bereits auf Ebene der grundlegenden Protokolle des Internets neue Möglichkeiten geschaffen werden, Datenflüsse im Internet zentral zu steuern. Bisher muss der chinesische Staat hierfür einen großen Aufwand betreiben, weil das Internet ursprünglich eine solche Kontrolle nicht vorsah. Auch die Wahl der ITU ist nicht zufällig: Hierin kommt der Anspruch Chinas zum Ausdruck, die Entwicklung von Standards und Protokollen für das Internet staatlich zu steuern, also nicht wie bislang weithin privaten Akteuren zu überlassen.

Nadine Godehardt: Für die chinesische Regierung bietet sich so die Möglichkeit, zwei zentrale Ziele zu verbinden. Wenn sich diese noch sehr vage Idee durchsetzt, dann unterstützt sie erstens die Aufrechterhaltung digitaler Souveränität auf dem Territorium Chinas, das heißt die Zentralregierung kann das chinesische Internet weiterhin und mit weitaus geringerem Aufwand als bisher in ihrem Sinne kontrollieren. Zweitens würde ein neues, von chinesischen Akteuren mitentwickeltes Internetprotokoll aber auch die internationale Offenheit, Verantwortung und Kooperationsbereitschaft Chinas unterstreichen. Es ist Teil von Pekings Staatsdoktrin, »Win-win-Situationen« in diesem Sinne zu schaffen.

Wie sollten Deutschland und Europa auf Chinas Vorschlag reagieren?

Daniel Voelsen: Die aktuelle Diskussion um NewIP scheint mir etwas überhitzt. Nach allen bekannten Informationen ist NewIP noch weit davon entfernt, eine echte Alternative darzustellen. Sehr wohl aber sollten wir ernst nehmen, dass China mit Blick auf das Internet einen globalen Gestaltungsanspruch hat. Hinzu kommt, dass das chinesische Modell eines Internets, das wirtschaftliche Freiheit mit engmaschiger politischer Kontrolle verbindet, für viele Staaten der Welt attraktiv sein dürfte. Um dem etwas entgegenzusetzen, ist es zuerst einmal notwendig, die eigene Position klar zu formulieren. Wir müssen erklären können, wie sich ein digital durchsetzungsfähiger Rechtsstaat von dem Herrschaftsanspruch der chinesischen Regierung unterscheidet. Anders als in der Vergangenheit wird es zudem notwendig sein, für dieses Modell einer liberalen digitalen Gesellschaft proaktiv zu werben. Dem für viele Staaten verlockenden Angebot Chinas müssen wir politisch, wirtschaftlich und letztlich dann auch technisch ein besseres Angebot gegenüberstellen.

Das Interview führte Candida Splett von der Online-Redaktion.

Covid-19 in the Horn of Africa

Wed, 06/05/2020 - 00:00

On reaching the Horn of Africa, the corona virus will have encountered countries already facing a multitude of challenges. Prolonged armed conflict, drought and insecurity have turned more than eight million people into refugees in their own countries, and a further 3.5 million have fled to neighbouring countries where they live in overcrowded refugee camps. All the countries in this region are in a fragile state of political transformation or have been severely weakened by war and govern­ment failures. They possess neither the capacity to contain the Covid pandemic nor to mitigate the resulting unemployment, poverty and hunger. In order to guard against jeopardising the process of democratisation in Sudan and Ethiopia, special emphasis should be placed on social security systems and gaining the trust of the popu­lation. This requires an emergency aid package from abroad that will ensure the economic survival of all countries in the region. However, long-term support should be con­ditional on guaranteeing that most of the investment goes into developing state capacities for critical infrastructure and social security.

Waffenembargos der Vereinten Nationen um- und durchsetzen

Wed, 06/05/2020 - 00:00

Die Berliner Libyen-Konferenz vom Januar 2020 sollte die Friedensbemühungen der Vereinten Nationen (VN) in dem eskalierenden Konflikt unterstützen. Unter den Beschlüssen erzeugte das Bekenntnis der teilnehmenden Staaten zum bestehen­den VN-Waffenembar­go besondere Aufmerksamkeit. Da dieses schon kurz nach der Konferenz wieder gebrochen wurde, geriet der Ansatz schnell in die Kritik. Tatsächlich gibt es bei Um- und Durchsetzung solcher Embargos der VN etliche Herausforderungen, die im Falle Libyens besonders ausgeprägt sind. Ein genauer Blick auf alle bestehenden VN-Waffen­embargos in Konflikt­kontexten zeigt aber auch Ansatzpunkte auf, wie diese am häufigsten verhängte Form von VN-Sanktionen besser genutzt werden kann. Gewiss wird kein noch so gut überwachtes Waffenembargo allein einen Friedens­prozess retten. Als Teil eines Gesamtpakets von Maßnahmen zur Kon­flikt­lösung kann das Instrument aber wirkungsvoller eingesetzt werden.

Eine Wahl, zwei Sieger

Wed, 06/05/2020 - 00:00

Die Parlamentswahlen in Südkorea am 15. April waren die weltweit erste landesweite demokratische Abstimmung seit dem Ausbruch der Corona-Krise. Dass sie überhaupt durchgeführt werden konnten, steht in direktem Zusammenhang mit der Strategie, die Südkoreas Regierung bei der Eindämmung der Corona-Pandemie verfolgt. Klarer Sieger war denn auch der amtierende Präsident Moon Jae-in, der insbesondere für sein erfolgreiches Krisenmanagement belohnt wurde. Doch ist die Wahl auch ein Sieg für die noch immer vergleichsweise junge Demokratie in Südkorea. Da Regierung und Bevölkerung aus den Erfahrungen früherer Epidemien gelernt haben, mussten sich die Bürger nicht zwischen der Ausübung ihrer demokratischen Rechte und dem Schutz ihrer Gesundheit entscheiden.

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