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Stiftung Wissenschaft und Politik
Updated: 1 month 2 weeks ago

Die geplante Reform der Entwicklungspolitik in der Kritik

Mon, 22/06/2020 - 00:06

Seit Kurzem liegen zentrale Ergebnisse des seit Dezember 2018 laufenden »Reformprozess BMZ 2030« der deutschen Entwicklungspolitik vor. Kirchliche und nicht-staatliche Entwicklungsorganisationen (NGOs) kritisieren die Fokussierung auf fünf sogenannte Kernthemen: »Friedenssicherung«, »Ernährungssicherung«, »Ausbildung und nachhaltiges Wachstum«, »Energie, Klima, Umwelt und natürliche Ressourcen« sowie »Gesundheit«. Auch sei die Reduzierung der Partnerländer für die bilaterale Zusammenarbeit um etwa 25 Länder (von rund 85 auf 60) problematisch. Doch sowohl die thematische als auch die geographische Fokussierung birgt auch Chancen. Es kommt darauf an, diese gut zu nutzen.

Thematische Fokussierung statt Verzettelung

Die Kritik der NGOs an der geplanten thematischen Fokussierung auf Kernthemen ist nachvollziehbar: Die Beschränkung birgt die Gefahr, dass Lücken – z.B. im Wassersektor – entstehen, die weder von anderen Organisationen noch von den Entwicklungsländern selbst aufgefangen werden (können). Durch die Reform besteht jedoch auch die Chance, dass die deutsche Entwicklungszusammenarbeit (EZ) sich weniger verzettelt. Die Reduktion der Themen bietet das Potenzial, Ressourcen zu bündeln und langjährige und nachgefragte technische Expertise der deutschen EZ gezielt auszubauen und konzentrierter einzusetzen, beispielsweise im Bereich berufliche Bildung. Die in der Reform als Qualitätskriterien vorgesehenen Bedingungen Umwelt- und Klimaverträglichkeit, Armutsorientierung und Geschlechtergerechtigkeit sind zwar keine Unbekannten. Zentral ist aber, dass sie konsequenter als bisher angewandt werden. Besonderes Potenzial bietet die geplante thematische Fokussierung, wenn sie nicht nur von deutscher Seite als Kernthema gesetzt wird, sondern genug Spielraum besteht, die Projekte auf die Entwicklungsprioritäten und -bedarfe der jeweiligen Partnerländer auszurichten. Schlussendlich sollte die deutsche Entwicklungspolitik auch vor Ort strategisch mit anderen internationalen Akteuren abgestimmt sein und sich operativ besser mit anderen Gebern ergänzen.

Enger Kreis statt Gießkannenprinzip

Die geplante Fokussierung der bilateralen Zusammenarbeit auf weniger und vor allem reformorientiertere Länder könnte, so befürchten die Kritiker aus der Zivilgesellschaft, zu weniger Unterstützung für viele der ärmsten Menschen der Welt führen, die zu den Hauptzielgruppen von EZ gehören: Diese leben oft in Ländern mit schlechter Regierungsführung, Korruption oder Gewaltkonflikten. Das BMZ nennt aber als Auswahlkriterien für eine künftige bilaterale Zusammenarbeit neben Bedürftigkeit auch Reformorientierung und gute Regierungsführung. Darüber hinaus wirkt die angekündigte Länderauswahl inkonsequent: So ist beispielsweise geplant, Zusammenarbeit mit Ländern wie Myanmar oder Burundi wegen deren schlechter Regierungsführung einzustellen. Gleichzeitig soll die Zusammenarbeit mit Ägypten fortgesetzt werden, trotz der bekannten massiven Menschenrechtsverletzungen durch die dortige Regierung. Länder wie Sierra Leone oder Liberia hingegen, die auch aufgrund zurückliegender Bürgerkriege aktuell zu den ärmsten Ländern der Welt zählen, weisen relativ reformorientierte Regierungen auf – der geplante Rückzug der deutschen EZ aus diesen Ländern leuchtet angesichts der genannten Kriterien daher weniger ein. Für eine reibungslose und glaubwürdige Umsetzung der Reform ist vor diesem Hintergrund wichtig, dass das BMZ seine Kriterien für die Länderauswahl transparent und nachvollziehbar anlegt.

Für Länder, für die weiterhin bilaterale EZ vorgesehen ist, bietet die geographische Engführung dennoch Potenzial. Da die Hilfen nicht mehr nach dem Gießkannenprinzip verteilt werden, besteht die Aussicht auf eine langfristige und engagierte Zusammenarbeit, die Transformationsprozesse hin zu Demokratisierung, Achtung der Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit unterstützt. Gerade die langfristige Fokussierung auf weniger Länder kann es Deutschland ermöglichen, als engagierter und vertrauenswürdiger Partner wahrgenommen zu werden und so tatsächlich schrittweise gesellschaftliche und politische Verbesserungen für die dort lebenden Menschen zu unterstützen. Ausschlaggebend dafür ist aber, dass die EZ strategisch entsprechend ausgerichtet und auf dieser Grundlage konsequent umgesetzt wird.

Sudankonferenz: Eine historische Chance

Mon, 22/06/2020 - 00:05

Ein Jahr nach dem Sturz des Präsidenten Umar al-Bashir im Sudan findet am 25. Juni eine von Deutschland in Zusammenarbeit mit dem Sudan, der EU und den Vereinten Nationen einberufene Sudan-Partnerkonferenz statt, bei der es um die Stabilisierung der maroden Wirtschaft des Landes gehen soll. Der Zeitpunkt für die geladenen internationalen Geber und Unterstützer des Sudan ist günstig, zur demokratischen Transition im Sudan beizutragen. Diese historische Chance sollten sie nutzen.

Ein Jahr nach dem Sturz des Bashir-Regimes ist es der Regierung um Premierminister Abdalla Hamdok trotz einer fragmentierten politischen Landschaft und massiver wirtschaftlicher Probleme gelungen, das Vertrauen der Bevölkerung zu erhalten – selbst angesichts von Covid-19, das die Lebensbedingungen noch einmal verschlechtert. In den dreißig Jahren zuvor wurde das Land von einer islamistisch-militärischen Kleptokratie regiert: Unter dem Regime von Präsident Bashir wurde vor allem in Militärausgaben investiert; Energieversorgung, Gesundheitssektor und die dringend nötige Modernisierung des Landwirtschaftssektors wurden vernachlässigt. Erlöse aus Devisengeschäften, Goldschmuggel und Investitionsverträgen flossen auf die Konten von Angehörigen des Partei-Militär-Komplexes.

Mit diesem Defizit muss die heutige Regierung klarkommen. Unter anderem hat sie ein Komitee zur Aufarbeitung von Korruption, Geldwäsche und Vernetzungen zwischen Partei, Militär und Wirtschaft einberufen. Das hat monatliche Eingänge auf das Privatkonto des ehemaligen Präsidenten Bashir in zweistelliger Millionenhöhe festgestellt. Vermögen und Anlagen des alten Regimes wurden eingefroren. Ob und wann Gelder auch auf Auslandskonten gefunden, ausgelöst und dem Staat wieder zur Verfügung gestellt werden können, ist allerdings ungeklärt. Der stärkste und einflussreichste Mann im Staat, Milizenführer Mohamed Hamdan Dagalo (Hemedti), der in der Übergangsregierung den Rang des stellvertretenden Militärratsvorsitzenden innehat, beteiligt sich zumindest symbolisch am neuen Kurs der Regierung, indem er zulässt, dass Teile seiner Goldminen und Geschäfte besteuert werden. Damit stehen der Regierung jedoch längst nicht genug Mittel zur Verfügung, um die Bevölkerung verlässlich zu versorgen und in Sektoren zu investieren, die dringend benötigte Arbeitsplätze schaffen. Und so steigt das Risiko, dass die Zustimmung der Bevölkerung für die Politik der Demokratisierung sinkt – und der politische Neuanfang mit den Akteurinnen und Akteuren der Revolution scheitert. Ein Militärputsch oder ein libysches Szenario der Desintegration wären nicht ausgeschlossen und hätten destabilisierende Auswirkungen weit über die Landesgrenzen hinaus.

Wirtschaftlicher Aufschwung nicht ohne politische Stabilität

Um dies abzuwenden, bedarf es einer großen, internationalen Kraftanstrengung. Finanzielle Hilfen sollten dabei auf einen Prozess ausgerichtet sein, der auf politische Stabilität, die Integration der bewaffneten Opposition und die Beteiligung ziviler Akteure der Revolution an wegweisenden Entscheidungen über die politische Zukunft des Landes zielt. Substantielle Unterstützung für den Aufbau der sudanesischen Wirtschaft ist vor allem von den internationalen Finanzinstitutionen (IFI) zu erwarten. Bislang ist der Zugang zu Mitteln der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds (IWF) für den Sudan blockiert, da das Land auf der Liste der terrorunterstützenden Staaten (SST) der amerikanischen Regierung steht. Dennoch hat vor allem die europäisch-US-amerikanische Kooperation in der »Friends of Sudan«-Unterstützergruppe dazu geführt, dass die Weltbank Entschuldungsprozesse für den Sudan vorbereitet und der Währungsfonds nötige Wirtschaftsreformen durch eigene Expertise unterstützt. Übereinstimmend wird die historische Chance der politischen Transformation benannt, deren Gelingen, so die Einsicht, eng mit der ökonomischen Entwicklung verwoben sei. Neben den IFIs ist es vor allem an den Gläubigerstaaten im Pariser Club und Geberländern, sich am wirtschaftlichen Aufbau zu beteiligen. Darüber hinaus muss bei der Konferenz Überzeugungsarbeit geleistet werden, damit auch die finanzstarken Verbündeten des Sudan am Golf und China die Transition als Stabilisierung im eigenen Interesse begreifen und Investitionen in Milliardenhöhe zusagen. Auch von ihren Mittelzusagen wird es abhängen, ob die marode kritische Infrastruktur des Landes, etwa im Energie- und Gesundheitssektor, stabilisiert werden kann. Gerade die Pandemie hat gezeigt, wie wichtig ein funktionierender Gesundheitssektor für die Versorgung der Bevölkerung und damit auch für die Legitimität der Regierung ist; ohne zuverlässige Stromversorgung wird der wirtschaftliche Aufschwung schwierig, und Investitionen, etwa in große Agrarprojekte, wären kaum rentabel.

Die Partnerschaftskonferenz kommt zum richtigen Zeitpunkt. Die sudanesische Regierung erhofft sich im Ergebnis substantielle Unterstützung für den wirtschaftlichen Aufschwung. Dass dies nur möglich ist, wenn alle an einer gemeinsamen Lösung arbeiten, wird hoffentlich am 25. Juni deutlich. Auch sollte allen Beteiligten bewusst sein, dass der wirtschaftliche Aufschwung nicht ohne politische Stabilität und die politische Stabilität im Sudan nicht ohne politische Transition gelingen kann. Finanzhilfen müssen daher immer auf den Transitionsprozess ausgerichtet sein.

The International Dimensions of Germany’s Hydrogen Policy

Mon, 22/06/2020 - 00:04

Hydrogen is a highly versatile source of energy that has attracted growing interest among policymakers and industry players within the context of energy and climate policy. By drawing up its own strategy, the German government wants to promote the future use of this energy carrier in various sectors of the economy. However, a German hydrogen strategy cannot be drawn up independently from what is happening at the EU level and in other member states; rather, it must be conceived as an integral part of a Europe-wide policy. Since Germany currently imports more than 70 per cent of its primary energy sources, the market roll-out of hydrogen will inevitably have interna­tional dimensions. Therefore, it is important that this policy be anchored accordingly. In order to gradually create a market for hydrogen, the EU and Germany should push ahead with forming bilateral partnerships and developing multilateral governance.

Beyond the Green Deal: Upgrading the EU’s Energy Diplomacy for a New Era

Mon, 22/06/2020 - 00:04

The Green Deal launched by the new Commission in 2019 is set to profoundly reshape the European Union (EU)’s energy diplomacy. However, although the EU will have to adapt to the new policy direction determined by the Green Deal, it cannot be reduced to it. The EU’s energy diplomacy will need to cope with the profound and various geo‑economic and geopolitical shifts set in motion by the energy transition, which in­clude – but even transcend – the Green Deal’s goals. The current EU Energy Diplomacy Action Plan is due for revision. In setting the new priorities, the Union will need to strike a balance between global aspirations and limited financial means. The upcoming German EU Presidency is being called to step up its efforts to upgrade the EU’s energy diplomacy along three lines. First, review the existing set of priorities accord­ing to the new challenges. Second, expand the geographic radius of its actions beyond its direct neighborhood by focusing on 12 anchor partners along the Afro-Eur-Asian ellipse. Third, upgrade its instruments toolbox along five new areas of action, avoid­ing an exclusively normative-ideological approach in favor of a more realistic and country-tailored one.

Russland und die Krise der nuklearen Rüstungskontrolle

Mon, 22/06/2020 - 00:00

Die amerikanisch-russische Rüstungskontrollarchitektur durchlebt eine schwere Krise. Allerdings hat die Erosion rüstungskontrollpolitischer Instrumente schon vor dem Ende des INF-Vertrags am 2. August 2019 eingesetzt.

New START, das letzte russisch-amerikanische Vertragswerk zur Redu­zierung strategischer Kernwaffen, droht am 5. Februar 2021 auszulaufen, wenn sich die Vertragspartner bis dahin nicht auf eine Verlängerung einigen. Fiele New START weg, stände einer neuen Welle nuklearer Auf­rüstung rechtlich nichts mehr im Wege.

Die russische Führung ist bestrebt, den New-START-Vertrag zu verlängern. Damit will sie eine strategische Balance zwischen den USA und Russland aufrechterhalten. Vor allem geht es ihr darum, den Fortbestand der russi­schen Zweitschlagkapazität zu sichern. Zugleich dienen Rüstungskontroll­gespräche als implizite Anerkennung eines russischen »Großmachtstatus«.

Die russische Selbstdarstellung als Bewahrer bestehender Rüstungs­kontrollverträge wird durch neue nichtstrategische Waffensysteme verkompliziert. Mit ihnen will Russland demonstrieren, dass es nach wie vor eine mögliche erweiterte US-Raketenabwehr überwinden kann.

Die Entfremdung zwischen Russland und westlichen Staaten hat sich seit 2014 beschleunigt und beeinträchtigt auch die Rüstungskontrolle. Eine Folge sind Ansätze rüstungstechnologischer Kooperation Russlands mit China.

Deutschland sollte sich weiterhin für die Verlängerung von New START und die Wiederaufnahme strategischer Gespräche mit Russland enga­gieren. Sie sind Voraussetzung für ein Folgeabkommen, das den Begriff »strategische Stabilität« erweitern und dabei sowohl nukleare Drittstaaten als auch neue technologische Möglichkeiten einbeziehen müsste.

 

Unpacking the Global Campaign to Delegitimize Israel

Mon, 22/06/2020 - 00:00

In the last two decades, international delegitimization of Israel has become a new mode of operation for those denying Israel’s right to exist. It encompasses a wide range of civil-society and grassroots organizations.

The campaign attempts to imitate the logic of the struggle against the South African apartheid regime – hence to undermine Israel’s inter­national legitimacy in a manner that would lead to its isolation and even­tually cause it to collapse.

In its current phase, the campaign functions as a long-term effort to grad­ually change the discourse and mindset of Israel’s critics in the West. Its main goal is to mainstream delegitimization – hence to reposition anti-Zionism from the radical margins into the mainstream of Western liberal-progressive circles, with specific emphasis on critics of Israel’s policies.

A key strategy to mainstream delegitimization is to blur the differences between criticism of Israeli policy and challenges to Israel’s basic legiti­macy. This includes efforts to turn items of the delegitimization agenda into an integral part of the political debate about Israel.

As a result, many critics of Israel’s policies end up supporting efforts that are led by the delegitimization campaign. The discussion in the West on the Israeli-Palestinian conflict is gradually developing into a dichotomous encounter between supporting Israel and its policies unquestioningly or supporting anti-Zionism.

The international delegitimization campaign negates two core principles of European foreign policy. First, it stands in direct contradiction to Europe’s core commitment to Israel’s right to exist. Second, it promotes rejectionism in Palestinian society as an alternative paradigm to the long-standing European approach of negotiated solution with Israel.

The key to confronting delegitimization while providing latitude for criti­cism is the application of constructive differentiation between criticism of Israel and delegitimization. Critics of Israel should apply responsibility in discourse and action by addressing both their associative context and organizational affiliations with these campaigns of criticism. European civil-society and political actors should differentiate between different types of critics and adjust their engagement policy accordingly.

Eine Korona-Präsidentschaft in Corona‑Zeiten?

Mon, 22/06/2020 - 00:00

Laut Duden ist die Korona der sichtbare Strahlenkranz der Sonne im Falle einer totalen Sonnenfinsternis. Die Finsternis der Corona-Pandemie ist nicht total, aber die menschlichen Opfer und wirtschaftlichen Folgen, die sie mit sich bringt, sind un­ge­mein verheerend. Das stellt auch die EU »vor die größte Bewährungsprobe« ihrer Geschichte (Bundeskanzlerin Merkel). In dieser Lage übernimmt Deutschland am 1. Juli 2020 die EU-Ratspräsidentschaft – im Spannungsfeld zwischen hohen Erwartungen auf der einen und geschrumpften Möglichkeiten einer Präsidentschaft auf der anderen Seite. Dabei geht es neben Kriseneindämmung auch um nachhaltige Weiterentwicklung der EU. Denn darin liegt die größte Chance und Herausforderung: die Lehren der Pandemie zu beherzigen und sie zu nutzen, um eine dauerkriselnde EU zu revitalisieren. Das können die EU-Mitglieder nur zusammen erreichen, die deutsche Prä­sidentschaft kann aber viel dazu beitragen, indem sie Kompromisse schmiedet, Impulse liefert und sich am Leitbild eines solidarischen und autonomen Europa orientiert – auch über die Ratspräsidentschaft hinaus.

Addressing the Risks of Climate Change

Fri, 19/06/2020 - 00:00

The Small Island Development States (SIDS) and other developing coun­tries affected by climate change are demanding more attention be given to climate-related losses and damages. The issue of “loss and damage” is being addressed in UNFCCC negotiations; however, the SIDS regard the Security Council as another key place for related debates.

The Security Council can sound out climate policy interests to increase knowledge and improve the means of early warning. Moreover, its role can be to focus on the security aspects of climate risks and highlight im­portant preventive approaches. These include, above all, development policy and the implementation of the Sustainable Development Goals (the UN 2030 Agenda).

The demands on the Security Council are strongly linked to the inter­national climate negotiations. Thus, Germany’s commitment to climate policy has to be broad and long-term in times of dwindling multilateralism.

Due to the Corona pandemic, short-term national and international policy agendas have readjusted to address the crisis situation, which has been detrimental to the climate policy agenda. A debate at the Security Council should nevertheless keep the focus on climate-related risks as such.

Die neuartige Rolle der Bundeswehr im Corona-Krisenmanagement

Thu, 18/06/2020 - 00:00

Die Corona-Pandemie fordert die deutschen Streitkräfte in mehrfacher Hinsicht: Die Bundeswehr muss unter den erschwer­ten Bedingungen internationale Einsätze fort­führen, zum Beispiel in Mali. Zudem muss sie die seit 2016 begonnene Refokussierung auf Landes- und Bündnisverteidigung voranbringen. Gleichzeitig unterstützt sie in der akuten Krise die zivi­len Behörden in einem bislang unbekannten Ausmaß mit Perso­nal, Material und logis­tischen Dienstleistungen. Dabei hat sich schnell gezeigt, dass ihre Möglichkeiten bei sol­chen Katastrophenfällen begrenzt sind. Die Pandemie offenbart vorhandene Pro­bleme, etwa bei Führungsstrukturen, wirft aber auch neue Fragen auf, etwa über den Umgang mit biologischen Bedrohungen. Es ist bereits jetzt absehbar, dass sich die Rahmenbedingungen für die Bundeswehr lang­fristig ver­ändern werden, von den internationalen sicherheitspolitischen Heraus­forderungen bis hin zu den politischen und wirtschaftlichen Folgen. Daher sollte die Krise genutzt werden, um notwendige interne Reformen anzustoßen.

Großmächte in der Arktis

Thu, 18/06/2020 - 00:00

Im Rahmen der »Murmansk-Initiative« rief Michail Gorbatschow gegen Ende des Kalten Krieges dazu auf, die Arktis in eine »Zone des Friedens« zu verwandeln. Bis vor einigen Jahren prägte eine solche Sichtweise die Politik aller Anrainerstaaten. Gemäß der Vorstellung vom »arktischen Exzeptionalismus« galt die Region als frei von geo­politischen Spannungen. Doch zunehmend entwickelt sich auch hier zwischen den USA, Russland und China ein strategischer Wettbewerb um Macht und Einfluss. Der bessere Zugang zum hohen Norden, verursacht durch steigende Temperaturen und schmelzendes Eis, verschafft der Arktis sicherheitspolitisch eine größere Bedeutung – was auch neue Akteure wie China betrifft. Moskau plädiert zwar weiterhin für Koope­ration, hat in der russischen Arktis aber seine militärischen Aktivitäten erheblich verstärkt. China bezeichnet sich als »Fast-Arktisstaat« und legt in seiner jüngsten Arktispolitik einen Schwerpunkt auf das Thema Sicherheit. Für die USA erwächst so ein Sicherheitsdilemma; sie stehen vor der Frage, ob sie ihr militärisches Engagement in der Arktis erhöhen oder den fragilen Status quo bewahren sollen. Angesichts dieser prekären Lage gilt es, ein Forum zu etablieren, das einen Dialog über militärische Sicherheit in der Region ermöglicht.

Die Europäische Union sollte Gesundheitsdaten zentral erfassen

Thu, 18/06/2020 - 00:00

Als sich Covid-19 in Europa zu verbreiten begann, verboten Frankreich und Deutschland den Export von Atemschutzmasken, während Italien vergeblich um Zulieferungen von Schutzausrüstung im Rahmen des EU-Katastrophenschutzverfahrens bat. Weder das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) noch die Mitgliedstaaten selbst hatten einen Überblick über die verfügbaren Kapazitäten der europäischen Gesundheitssysteme. Allen Beteiligten wurde durch Covid-19 schmerzhaft bewusst: Es fehlt an europäischer Koordination.

Aktuell wird daher vielfach die Stärkung des ECDC gefordert, das als EU-Agentur die Mitgliedstaaten durch das Sammeln, Aufbereiten und Analysieren von Daten zu Krankheitsausbrüchen und bei der Überwachung und Früherkennung von Gesundheitsrisiken unterstützt. Auch die Krankheitsprävention gehört laut Mandat zu den Aufgaben der Agentur; Kapazitäten in diesem Bereich werden zurzeit aufgebaut. Im Idealfall würde das ECDC die Mitgliedstaaten bei der Erfassung verlässlicher Gesundheitsdaten unterstützen und ihnen zugleich Wissen über die Situation bei den europäischen Nachbarn bereitstellen. So wäre etwa bekannt, wie viel Schutzausrüstung und Gesundheitspersonal in den jeweiligen Mitgliedstaaten vorhanden ist und angesichts der Krankheitsentwicklung mutmaßlich benötigt wird. Die EU und ihre Mitgliedstaaten würden von einem besseren Überblick über Kapazitäten und die Verteilung von Krankheitslasten in Europa profitieren, solidarisches Handeln in der Krise wäre auf der Grundlage einer gemeinsamen Datenbasis möglich. Neben dieser Stärkung nach innen würde die EU auch handlungsfähiger als Partner weltweit: Im Austausch mit dem Regionalbüro der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für Europa könnte das ECDC verlässliche und standardisierte Daten liefern und so zur globalen Eindämmung von Pandemien beitragen.

Berechtigte Kritik am ECDC?

Dieser Idealfall ist bisher nicht in Sicht: Das ECDC wird insbesondere für seine mangelnde Sichtbarkeit, Unterstützungsleistung und Fehlinterpretationen kritisiert. So habe das vom ECDC betriebene Frühwarn- und Reaktionssystem (EWRS) nicht funktioniert, wodurch das Infektionsrisiko durch Covid-19 noch Ende Februar als »gering bis moderat« bewertet wurde. Ferner seien die Laborkapazitäten zur Diagnose des Virus in den Ländern falsch eingeschätzt worden. Bei all dieser Kritik wird jedoch vergessen, dass das ECDC die Situation nur dann akkurat einschätzen kann, wenn die Mitgliedstaaten ihre Daten übermitteln.

Allerdings hat die Agentur bislang keinerlei regulatorische Kompetenzen und kann daher die Länder nicht verbindlich verpflichten, die nötigen Daten zu erfassen und zu übertragen. Zudem ist das ECDC für eine ernsthafte Koordinierung und Harmonisierung von Gesundheitsdaten weder personell noch finanziell ausreichend ausgestattet. Zur Einordnung: Während die US-Behörde CDC 2018 10 796 Beschäftigte und ein Budget von $8.25 Milliarden zählte, standen dem ECDC im selben Jahr nur 271 Beschäftigte und rund €58 Millionen zur Verfügung. Der Covid-19-Ausbruch legt den Finger in eine längst bekannte Wunde: Die Mitgliedstaaten haben das ECDC für die Erfüllung seines Mandats nicht angemessen mit Kompetenzen und Ressourcen ausgestattet. Das muss sich ändern.

Datenerfassung harmonisieren und ausbauen

Künftig sollte das ECDC dafür sorgen können, dass die Mitgliedstaaten qualitativ hochwertige und zuverlässige Daten an die Agentur übermitteln. Dafür muss es zunächst mandatiert werden. Die Agentur sollte sich dann darauf konzentrieren, Monitoring-Mechanismen zu entwickeln, mit denen sie für verlässliche, einheitliche Daten sorgt. Diese müssen zeitnah und nahtlos an die WHO weitergegeben werden können. Die digitale Infrastruktur muss daher mit der WHO-Datenerfassung kompatibel sein.

Dabei sollte die Datensammlung neben den übertragbaren Krankheiten auch nicht-übertragbare Krankheiten wie Krebs sowie Fälle antimikrobieller Resistenzen mit einschließen. Dies würde nicht nur die gesundheitspolitischen Schwerpunkte der Europäischen Kommission widerspiegeln, sondern auch Wechselwirkungen zwischen übertragbaren Krankheiten wie Covid-19 und nichtübertragbaren Vorerkrankungen bzw. Resistenzen in Europa besser sichtbar machen.

Neben den Krankheitsdaten, die bereits zentral erfasst werden und in der Covid-19-Krise eine besondere Bedeutung haben, sollte das ECDC zusätzlich Daten über die Kapazitäten der nationalen Gesundheitssysteme stärker im Blick haben. Damit könnte es seinem Mandat zur Krankheitsprävention besser gerecht werden und die Widerstandsfähigkeit europäischer Gesundheitssysteme fördern – ein Interesse, das zurzeit wohl alle Mitgliedstaaten teilen.

Ressourcen als Schlüssel zur Leistungsfähigkeit

Die Stärkung des ECDC in diesen Bereichen muss mit einer Aufstockung von Ressourcen einhergehen. Personal wird auf drei Ebenen benötigt: Erstens muss auf Seiten der nationalen Public-Health-Institute, wie dem deutschen Robert-Koch-Institut, die hinreichende Ausstattung der für die Kommunikation mit dem ECDC zuständigen Kontaktstellen sichergestellt werden. Zweitens ist eine Vergrößerung der Kernbelegschaft des ECDC essentiell, damit die Agentur auf der Grundlage eigener Expertise gemeinsam mit dem europäischen WHO-Regionalbüro Normen und Standards zur Datensammlung setzen kann. Schließlich braucht es im ECDC Mittler für die Kommunikation mit den einzelnen Mitgliedstaaten, die dafür sorgen, dass diese ihre Verpflichtungen erfüllen.

Finanzielle Stärkung braucht es für den Ausbau der Datensysteme und den Kompetenzaufbau bei der Krankheitsprävention. Mit dem überarbeiteten EU-Haushaltsplan für 2020 wurden dem ECDC zur Bewältigung von Covid-19 weitere 3,6 Millionen Euro zugesprochen. Aber auch im Rahmen des neuen EU-Haushalts sollte das ECDC mehr Geld erhalten, nicht nur für die akute Krisenbewältigung, sondern auch für die Krankheitsprävention und die Stärkung der Gesundheitssysteme.

Eine Aufwertung des ECDC zur zentralen Informationsstelle für Gesundheit in der EU bildet die Grundlage für eine gemeinsame europäische Gesundheitspolitik. Deutschland sollte die kommende EU-Ratspräsidentschaft nutzen, um eine tiefere Integration im Gesundheitsbereich und eine Stärkung des ECDC auf den Weg zu bringen. Der Vorstoß von Gesundheitsminister Jens Spahn für einen europäischen Gesundheitsdatenraum setzt bereits einen richtigen Akzent.

An Assessment of DİTİB’s role in the prevention of violent radicalization

Thu, 18/06/2020 - 00:00
A crucial aspect of Turkish State Islam in Germany

Risking Another Rohingya Refugee Crisis in the Andaman Sea

Tue, 16/06/2020 - 00:00

Kutupalong – which, located near Cox’s Bazar in Bangladesh, is the biggest refugee camp in the world with an estimated 700,000 inhabitants – has just witnessed its first coronavirus death. The 71-year-old victim was among at least 29 Rohingya refugees in the camp who had recently tested positive for the virus. The death of the refugee has increased concerns that the deadly virus could spread rapidly through refugee camps in Bangladesh, which are home to an estimated 1 million refugees. Observers also fear that the coronavirus outbreak could create panic in the camps and induce more Rohingya to seek refuge in Indonesia and Malaysia by crossing the Andaman Sea in boats. Malaysia and Indonesia are refusing to allow the passengers of any such boats to disembark over fears that they could be carrying the virus. According to official statements, Malaysia has turned back 22 boats since May 2020. In the second week of June, 269 Rohingya were detained in Malaysia after their vessel had reportedly been intentionally damaged, thus thwarting efforts to push it back to sea. These recent events have exacerbated fears that the current situation could turn into another Andaman Sea refugee crisis.

Libyens internationalisierter Bürgerkrieg

Tue, 16/06/2020 - 00:00

Das Scheitern der Offensive Khalifa Haftars gegen Tripolis verändert den Libyen­konflikt fundamental. Russland und die Türkei versuchen, Einflusszonen abzugrenzen, doch politische Umbrüche in Libyen sowie andere Mächte könnten ihre Pläne durchkreuzen. Im Süden des Landes könnte Haftars Niederlage neue Konflikte hervor­rufen, im Osten seine Autorität zunehmend in Frage stellen. Auch unter seinen Gegnern entwickeln sich erneut Machtkämpfe. Die Aussichten für eine Rückkehr zu einem politischen Prozess sind schlecht. Zu groß sind die Hindernisse durch aus­ländische Intervention, zu tief die gesellschaftlichen Gräben, die der Bürgerkrieg verursacht hat. Für westliche Staaten sollte Priorität haben, Libyens Einheit zu bewahren und den Einfluss Russlands zurückzudrängen.

Attack on the Open Skies Treaty

Mon, 15/06/2020 - 00:00

President Donald Trump has announced that the United States will leave the multilateral Open Skies Treaty (OST). Russia could soon follow. The Trump administration would thus continue the US withdrawal from cooperative security and destroy an­other piece of the arms control architecture. Its continued dismantling, a new arms race, and the return of armed conflict and nuclear warfare scenarios threaten Europe’s security and strategic stability. The OST permits cooperative observation flights over the territories of the States Parties. This allows for maintaining a minimum of military transparency and confidence-building, even in times of crisis. Such observation flights cannot be replaced by national satellite reconnaissance, especially since it is only available to a few states. Having the option to conduct independent observations is par­ticularly important for allies in regions of tension. Germany and European partners must make a strong commitment to maintaining the OST.

Der »Islamische Staat« bleibt

Mon, 15/06/2020 - 00:00

Im März 2019 verlor der »Islamische Staat« (IS) die letzte von ihm gehaltene Ortschaft in Ostsyrien, im Oktober starb sein Anführer Abu Bakr al-Baghdadi bei einem Angriff US-amerikanischer Spezialkräfte in Nordwestsyrien. Trotz dieser Rückschläge zeigt sich seit Frühjahr 2020 immer deutlicher, dass der IS an Stärke gewinnt. Nicht nur die Zahl der Anschläge nahm in den ersten Monaten des Jahres deutlich zu, sondern auch deren Qualität.

Zurück im Untergrund

Nach dem Verlust des von ihm als Hauptstadt beanspruchten Mossul im Oktober 2017 zog der »Islamische Staat« sich in ländliche Gebiete im Norden und Westen des Irak zurück. Schnell wurde deutlich, dass der IS auch als Untergrundorganisation eine Gefahr darstellt. Schon seit 2018 machte er vor allem mit Mordanschlägen auf regierungstreue Einzel­personen in entlegenen Dörfern und Angriffen auf isolierte Checkpoints auf sich auf­merk­sam. In Syrien konnte er sich aufgrund der Uneinigkeit seiner Gegner länger in größeren Orten halten, doch nach der Niederlage im ostsyrischen Baghuz verlegten geflohene Kämpfer den Schwerpunkt ihrer Aktivitäten in die syrische Wüste. Die Zahl der verbliebenen aktiven Kämpfer im Irak und in Syrien liegt schätzungsweise bei 4000 bis 6000.

Seit April 2020 hat die Organisation in beiden Ländern die Frequenz und die Qualität ihrer Aktivitäten gesteigert. Anfang Mai verübte sie zwei aufsehenerregende Anschläge auf Sicherheitskräfte in den irakischen Provinzen Salah ad-Din und Kirkuk, die zeigten, dass der IS sich stark genug fühlt, um besser geschützte, »harte« Ziele anzugreifen. In Syrien ist ein ähnlicher Trend zu beobachten. Der IS operiert vor allem in der Wüste westlich des Euphrat in den Provinzen Deir ez-Zor und Homs, wo das Assad-Regime die Kontrolle hat. Anfang April griffen IS-Kämpfer die kleine Stadt Sukhna an der wichtigen Straße von Deir ez-Zor nach Homs und Damaskus an und töteten mehrere Soldaten. Außerdem wurden bei Kämpfen zwischen dem IS und dem Regime Einrichtungen der Gasindustrie in der Gegend schwer beschädigt.

Teilrückzug der US-Truppen und Corona-Pandemie stärken IS

Der wichtigste Grund für das Erstarken des IS dürfte der Teilrückzug der US-Truppen aus beiden Ländern sein. In Syrien reduzierten sie ihre Präsenz auf nur noch rund 500 Soldaten, die den Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) – einem von der syrischen PKK angeführten Bündnis – im Nordosten beim Kampf gegen den IS helfen. Im Irak liegt ihre Zahl zwar noch knapp über 5000, doch haben die USA auch dort ihr Militär reduziert. Außerdem zogen sie sich aufgrund wiederholter Raketen- und Mörserangriffe iranisch kontrollierter Milizen von mehreren Basen auf nur noch zwei zurück. So sind sie nicht mehr in der Lage, den IS gemeinsam mit den Irakern auf breiter Front unter Druck zu setzen.

Ein zweiter wichtiger Grund für das Erstarken des IS ist die Corona-Pandemie. Diese führte zunächst dazu, dass die USA und ihre Verbündeten Trainings für das irakische Militär und die Sicherheitskräfte beendeten oder aussetzten. Außerdem wurden Armee und Polizei für die Kontrolle der Ausgangssperren eingesetzt oder blieben zur Prävention zuhause, so dass sie nicht mehr für den Kampf gegen die Terroristen verfügbar waren. In Syrien änderte sich die Situation bisher noch nicht, weil das Assad-Militär ohnehin seit langem unter Personalnot leidet und die meisten Einheiten im Westen des Landes stationiert sind – so dass der IS in seinen Operationsgebieten in der syrischen Wüste operieren kann.

Insgesamt verstärkt die Pandemie in beiden Ländern bereits länger absehbare Trends. Trotz der militärischen Niederlagen des IS bestehen die Probleme fort, die zu seinem Aufstieg ab 2012 führten. In Syrien ist dies der Bürgerkrieg, in dem das Regime nicht nur die Aufständischen, sondern auch die Zivilbevölkerung in den Rebellengebieten bekämpft – mit dem Ergebnis, dass der IS dort viel Zustimmung genießt. Ähnliches gilt für den Irak, wo die Regierung die sunnitischen Landesteile so massiv benachteiligt, dass viele Bewohner des Nordens und Nordwestens den IS vorziehen. Je mehr die Auswirkungen der Corona-Pandemie die Regierungen beider Länder schwächen, desto größer dürfte der Handlungsspielraum der Jihadisten werden.

IS bedroht längerfristig auch die Sicherheit in Europa

Eine Stabilisierung der Lage rückt so in beiden Ländern in noch weitere Ferne als dies 2019 schon der Fall war. Der IS dürfte weiter erstarken, muss aber anhaltend hohe Verluste ausgleichen. Dies wird die Gefängnisse der syrischen Kurden zu einem Brennpunkt des Geschehens machen. Dort befinden sich insgesamt mehr als 10 000 IS-Angehörige in Haft, unter ihnen rund 2000 ausländische Kämpfer. Sollte es gelingen, auch nur einen Teil von ihnen zu befreien, würde dies die Kampfstärke des IS enorm steigern. Da die Organisation schon 2012 und 2013 mehrere irakische Gefängnisse angriff und dabei Hunderte Jihadisten befreite, ist davon auszugehen, dass sie auch in Syrien ähnliche Aktionen in Betracht zieht. Außerdem unternahmen Häftlinge zuletzt Ende März und Anfang Mai 2020 größere Ausbruchsversuche.

Diese Situation ist auch ein Ergebnis der jahrelangen Weigerung der Herkunftsländer, ihre Staatsbürger wiederaufzunehmen. Diese Politik ist insofern erstaunlich, als die Rechtslage eine Rücknahme vorschreibt und die Zahl der Kämpfer pro Land in den meisten Fällen überschaubar ist – im Falle der Deutschen zwischen 20 und 30 Mann. Außerdem bat die US-Regierung ihre Verbündeten schon früh, Gefangene in ihre Heimatländer zurückzuführen, da es in Syrien keine Kapazitäten für eine sichere Unterbringung gibt. Auch die mit dieser Aufgabe deutlich überforderten syrischen Kurden schlossen sich der Bitte an. Trotzdem gibt es in den meisten europäischen Ländern keine Anzeichen, dass sich an ihrer Haltung etwas ändert.

Die Gefahr eines Massenausbruchs verdeutlicht jedoch, dass dies eine kurzsichtige Politik ist. Sollten größere Gruppen befreit werden, bleibt ihnen kaum eine andere Wahl, als den bewaffneten Kampf wiederaufzunehmen. Dies liefe dem deutschen Interesse an einer Stabilisierung in Syrien und dem Irak diametral entgegen und könnte auch die Türkei und andere Nachbarländer betreffen. Wenn die Grenzen nach Europa nach dem Abebben der Corona-Pandemie wieder durchlässiger werden, könnte sich dies sogar auf die Sicherheitslage in Europa auswirken. Eine Rücknahme der deutschen Kämpfer ist deshalb dringender geboten denn je.

Dieser Text ist auch bei Zeit Online erschienen.

EU Border Security in a Time of Pandemic

Fri, 12/06/2020 - 00:00

The massive mobility restrictions in the Schengen zone that were imposed to control the Corona pandemic are to be lifted from mid-June onwards. If a second wave of infec­tions does not follow suit, the German EU Council Presidency may oversee the end of all remaining internal border controls. The reform of the Schengen regulation, which has been overdue since the migration crisis, can be relaunched. The link between secure external borders and internal freedom of movement should have already been reappraised. Looking forward, targeted checks on persons for reasons of public health must be better coordinated. The forthcoming EU pact on migration and asylum will be even more difficult to agree on, however. Access to asylum procedures must be guaranteed without fail, despite national responsibility for public health.

Abschreckung und nukleare Teilhabe

Thu, 11/06/2020 - 00:00

Nach dem Ende des Kalten Krieges verlor das Konzept der nuklearen Teilhabe von Nato-Partnern an der erweiterten Abschreckung der USA seine politische Bedeutung. Die Rückkehr von Konflikten, Rüstungsspiralen und Szenarien nuklearer Kriegsführung sowie die Erosion der Rüstungskontrolle haben die Debatte über die nukleare Teil­habe wiederbelebt. Zwar ist die aktuelle Lage eine andere als jene im Kalten Krieg, doch bauen vor allem die östlichen Nato-Partner auf kernwaffengestützte Sicherheits­garantien der USA. Freilich gibt es berechtigte Zweifel an der Logik von Konzepten für den regionalen Einsatz­ von Atomwaffen. Eine Abkehr Deutschlands von der Bünd­nis­solidarität jedoch würde Europa spal­ten und die Allianz als Stabilitätsanker in der Krise schwer erschüttern. Deutschland sollte dies nicht riskieren, sondern prag­matisch darauf hinwirken, dass die Rolle von Kernwaffen in den Militär­doktri­nen beschränkt und die nukleare Rüstungskontrolle wiederaufgenommen wird.

Eurasiens Wirtschaft und Covid-19

Wed, 10/06/2020 - 00:04

Covid-19 hat die Staaten des postsowjetischen Raums in unterschiedlicher Weise getroffen, doch die Persistenz etablierter wirtschaftspolitischer Strukturen zeigt sich überall – auch dort, wo Reformen unternommen werden. Die russische Führung sieht sich durch die Krise in ihrem Kurs bestätigt und strebt keine strukturellen Reformen an. Usbekistan ist zwar weiter auf Erneuerungskurs, doch im Bestreben, krisen­bedingte Verluste zu kompensieren, wird ein Rückfall in Mechanismen erkenn­bar, die den Reformzielen widersprechen. In der Ukraine ist die Nachhaltigkeit eines eilig umgesetzten Reformpakets gefährdet, das dem Land einen dringend benötig­ten IWF-Kredit verschafft hat. Georgien wiederum versucht, mit seinem bisherigen Wirtschaftsmodell durch die Krise zu steuern, obwohl Covid-19 dessen Vulnerabilität verdeutlicht hat.

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