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Diplomacy & Defense Think Tank News

Sieben Leitlinien für die deutsche Entwicklungspolitik

Das Umfeld deutscher Entwicklungspolitik hat sich seit Gründung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) vor 60 Jahren grundlegend verändert. Damals gingen viele Partnerländer ihre ersten Schritte in neu gewonnener Unabhängigkeit. Heute sind sie politisch und wirtschaftlich etablierte, eigenständige Nationalstaaten. Die bipolare Ordnung der 1960er bis 1980er Jahre ist einer komplexeren, dynamischen Welt gewichen. Neben den Großmächten USA, China, Russland und EU prägen auch die großen Schwellenländer und Regionalmächte wirtschaftliche und politische Verflechtungen. Wie Zukunft aussehen kann – wirtschaftlich, sozial, ökologisch, kulturell – ist damit vielgestaltiger. Die liberale, demokratisch organisierte Marktwirtschaft steht einer Vielzahl von politischen Regimetypen gegenüber. Gleichzeitig nehmen globale Herausforderungen und der Bedarf nach gemeinsamen Antworten zu. Für Deutschland im Wahljahr stellen sich somit in den externen Politikfeldern einige Fragen: Wie kann die kräftezehrende Konkurrenz zwischen Außen-, Sicherheits-, Entwicklungs-, Wirtschafts- und Klimapolitik zu einer fruchtbaren Komplementarität werden? Was ist das Zukunftsmodell der deutschen Entwicklungspolitik?

Das Zukunftsmodell einer deutschen Entwicklungspolitik für eine nachhaltige Zukunft liegt im Fördern und in der Ausgestaltung von gleichberechtigten Kooperationsbeziehungen auf Augenhöhe – mit Ländern aller Einkommensgruppen, auch der OECD. Weder verhaftet in einer Attitüde des Helfens, noch getrieben von dem Ziel, Gefahren abzuwehren. Sondern fokussiert darauf, gemeinsam sozial, ökologisch und ökonomisch nachhaltige Zukunftsmodelle zu erarbeiten und zu verfolgen. Basierend auf den Menschenrechten und idealerweise geteilter demokratischer, freiheitlicher Werte. Stets mit dem Ziel, Strukturen und Standards für globale Gemeinwohlsicherung im partnerschaftlichen Austausch zu entwickeln und gesellschaftlich zu verankern, um globalen Herausforderungen entgegen zu treten.

Wir sehen sieben Leitlinien für die deutsche Entwicklungspolitik im 21. Jahrhundert:

1. Wir begreifen Entwicklungspolitik als transformative Strukturpolitik für nachhaltige Entwicklung. Es bedarf eines Umbaus unserer Sozial- und Wirtschaftssysteme, um menschliche Existenz innerhalb der planetaren Grenzen sicherzustellen. Wir benötigen institutionelle, technologische und ökonomische Infrastrukturen, die katalysierend einen nachhaltigen Umgang mit gesellschaftlichen und natürlichen Ressourcen ermöglichen. 

2. Entwicklung ist eine universelle, geographisch ungebundene Herausforderung, in deren Zentrum das Recht auf Selbstbestimmung jedes Menschen steht. Es gilt, die strukturellen Voraussetzungen für ein globales Miteinander so weiterzuentwickeln, dass Selbstbestimmung, also emanzipierende Handlungsfreiheit, für alle Menschen möglich und insbesondere für die unteren 40% gefördert wird. Dieser Strukturwandel bedarf der entwicklungspolitischen Kooperation Deutschlands mit Niedrigeinkommens-, Schwellen- und Hocheinkommensländern.

3. Entwicklung ist nicht das einfache Ergebnis von Wirtschaftswachstum oder der Überwindung von Armut. Vielmehr entsteht Entwicklung durch Prozesse des Erdenkens und Verwirklichens nachhaltiger Zukünfte. Folglich beginnt Entwicklung erst dann, wenn absolute Armut überwunden und soziale, politische, wirtschaftliche und kulturelle Teilhabe möglich ist.

4. Diese Zukünfte nachhaltig zu gestalten, wie in der Agenda 2030 der Vereinten Nationen und in der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie beschrieben, ist eine ressort-, skalen- und sektorübergreifende Aufgabe binnen- und außenorientierter Politik. Sie kann nur im Zusammenspiel der unterschiedlichen Ressorts, Entscheidungsebenen (lokal, national, regional, global) und von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft erreicht werden. Nachhaltigkeit bedarf somit einer starken Governance-Architektur, die mit den notwendigen Entscheidungsbefugnissen und Ressourcen ausgestattet ist.

5. Zukünfte sind je nach Kontext unterschiedlich und nur erreichbar, wenn sie von lokalen Akteursstrukturen verwirklicht werden. Zukunft entsteht nicht durch Vorgaben oder Unterstützung von außen. Daher sind entwicklungspolitische Bemühungen stets gleichberechtigte Kooperationen auf Augenhöhe. Weder mehr, noch weniger. Kooperation macht einen kontinuierlichen Austausch und Dialog möglich, der die Verständigung auf gemeinsame Werte und Voraussetzungen für Zukunft erlaubt und existierende Strukturen transformiert.

6. Politik für nachhaltige Entwicklung und globales Gemeinwohl im 21. Jahrhundert muss einen planetaren Blick einnehmen und den Dialog mit lokalen Lebenswelten weltweit pflegen. Ziel ist der Schutz der globalen Gemeingüter: soziale Gleichheit und Armutsbekämpfung, gesellschaftlicher Frieden und politische Teilhabe, ein klimaneutrales und wohlstandsicherndes Wirtschaftssystem, gesunde Ökosysteme, ein stabiles Klima, Biodiversität und kulturelle Vielfalt. Die zentralen politischen Hebel wurden durch die COVID-19-Pandemie erneut deutlich. Dazu gehören unter anderen eine nachhaltige Gestaltung der Finanzmärkte, der Digitalisierung und der Wirtschaft, robuste soziale Sicherungs-, Ernährungs- und Gesundheitssysteme, eine Stärkung von Bildung, Wissenschaft und Innovationsentwicklung, inklusive Institutionen für den globalgesellschaftlichen Zusammenhalt und die Förderung der regionalen und multilateralen regelbasierten Kooperation. Entwicklungspolitik kann nicht alle Hebel bedienen, benötigt sie aber und trägt zu ihnen bei.

7. Entwicklungspolitik verstehen wir als Politik für die Entwicklung und Ermöglichung nachhaltiger Zukünfte im Sinne eines globalen Gemeinwohls.  Eine solche Politik investiert in die Gestaltung multilateraler Normen und Regelwerke und rückt die multilaterale Zusammenarbeit in ihren Mittelpunkt, zu dem die bilaterale und europäische Zusammenarbeit flankierend und unterstützend hinzukommt.

Anna-Katharina Hornidge & Imme Scholz leiten gemeinsam das Deutsche Institut für Entwicklungspolitik (DIE). A.-K. Hornidge bekleidet zusätzlich die Professur für Globale Nachhaltige Entwicklung an der Universität Bonn. I. Scholz ist Honorarprofessorin an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg.

Sieben Leitlinien für die deutsche Entwicklungspolitik

Das Umfeld deutscher Entwicklungspolitik hat sich seit Gründung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) vor 60 Jahren grundlegend verändert. Damals gingen viele Partnerländer ihre ersten Schritte in neu gewonnener Unabhängigkeit. Heute sind sie politisch und wirtschaftlich etablierte, eigenständige Nationalstaaten. Die bipolare Ordnung der 1960er bis 1980er Jahre ist einer komplexeren, dynamischen Welt gewichen. Neben den Großmächten USA, China, Russland und EU prägen auch die großen Schwellenländer und Regionalmächte wirtschaftliche und politische Verflechtungen. Wie Zukunft aussehen kann – wirtschaftlich, sozial, ökologisch, kulturell – ist damit vielgestaltiger. Die liberale, demokratisch organisierte Marktwirtschaft steht einer Vielzahl von politischen Regimetypen gegenüber. Gleichzeitig nehmen globale Herausforderungen und der Bedarf nach gemeinsamen Antworten zu. Für Deutschland im Wahljahr stellen sich somit in den externen Politikfeldern einige Fragen: Wie kann die kräftezehrende Konkurrenz zwischen Außen-, Sicherheits-, Entwicklungs-, Wirtschafts- und Klimapolitik zu einer fruchtbaren Komplementarität werden? Was ist das Zukunftsmodell der deutschen Entwicklungspolitik?

Das Zukunftsmodell einer deutschen Entwicklungspolitik für eine nachhaltige Zukunft liegt im Fördern und in der Ausgestaltung von gleichberechtigten Kooperationsbeziehungen auf Augenhöhe – mit Ländern aller Einkommensgruppen, auch der OECD. Weder verhaftet in einer Attitüde des Helfens, noch getrieben von dem Ziel, Gefahren abzuwehren. Sondern fokussiert darauf, gemeinsam sozial, ökologisch und ökonomisch nachhaltige Zukunftsmodelle zu erarbeiten und zu verfolgen. Basierend auf den Menschenrechten und idealerweise geteilter demokratischer, freiheitlicher Werte. Stets mit dem Ziel, Strukturen und Standards für globale Gemeinwohlsicherung im partnerschaftlichen Austausch zu entwickeln und gesellschaftlich zu verankern, um globalen Herausforderungen entgegen zu treten.

Wir sehen sieben Leitlinien für die deutsche Entwicklungspolitik im 21. Jahrhundert:

1. Wir begreifen Entwicklungspolitik als transformative Strukturpolitik für nachhaltige Entwicklung. Es bedarf eines Umbaus unserer Sozial- und Wirtschaftssysteme, um menschliche Existenz innerhalb der planetaren Grenzen sicherzustellen. Wir benötigen institutionelle, technologische und ökonomische Infrastrukturen, die katalysierend einen nachhaltigen Umgang mit gesellschaftlichen und natürlichen Ressourcen ermöglichen. 

2. Entwicklung ist eine universelle, geographisch ungebundene Herausforderung, in deren Zentrum das Recht auf Selbstbestimmung jedes Menschen steht. Es gilt, die strukturellen Voraussetzungen für ein globales Miteinander so weiterzuentwickeln, dass Selbstbestimmung, also emanzipierende Handlungsfreiheit, für alle Menschen möglich und insbesondere für die unteren 40% gefördert wird. Dieser Strukturwandel bedarf der entwicklungspolitischen Kooperation Deutschlands mit Niedrigeinkommens-, Schwellen- und Hocheinkommensländern.

3. Entwicklung ist nicht das einfache Ergebnis von Wirtschaftswachstum oder der Überwindung von Armut. Vielmehr entsteht Entwicklung durch Prozesse des Erdenkens und Verwirklichens nachhaltiger Zukünfte. Folglich beginnt Entwicklung erst dann, wenn absolute Armut überwunden und soziale, politische, wirtschaftliche und kulturelle Teilhabe möglich ist.

4. Diese Zukünfte nachhaltig zu gestalten, wie in der Agenda 2030 der Vereinten Nationen und in der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie beschrieben, ist eine ressort-, skalen- und sektorübergreifende Aufgabe binnen- und außenorientierter Politik. Sie kann nur im Zusammenspiel der unterschiedlichen Ressorts, Entscheidungsebenen (lokal, national, regional, global) und von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft erreicht werden. Nachhaltigkeit bedarf somit einer starken Governance-Architektur, die mit den notwendigen Entscheidungsbefugnissen und Ressourcen ausgestattet ist.

5. Zukünfte sind je nach Kontext unterschiedlich und nur erreichbar, wenn sie von lokalen Akteursstrukturen verwirklicht werden. Zukunft entsteht nicht durch Vorgaben oder Unterstützung von außen. Daher sind entwicklungspolitische Bemühungen stets gleichberechtigte Kooperationen auf Augenhöhe. Weder mehr, noch weniger. Kooperation macht einen kontinuierlichen Austausch und Dialog möglich, der die Verständigung auf gemeinsame Werte und Voraussetzungen für Zukunft erlaubt und existierende Strukturen transformiert.

6. Politik für nachhaltige Entwicklung und globales Gemeinwohl im 21. Jahrhundert muss einen planetaren Blick einnehmen und den Dialog mit lokalen Lebenswelten weltweit pflegen. Ziel ist der Schutz der globalen Gemeingüter: soziale Gleichheit und Armutsbekämpfung, gesellschaftlicher Frieden und politische Teilhabe, ein klimaneutrales und wohlstandsicherndes Wirtschaftssystem, gesunde Ökosysteme, ein stabiles Klima, Biodiversität und kulturelle Vielfalt. Die zentralen politischen Hebel wurden durch die COVID-19-Pandemie erneut deutlich. Dazu gehören unter anderen eine nachhaltige Gestaltung der Finanzmärkte, der Digitalisierung und der Wirtschaft, robuste soziale Sicherungs-, Ernährungs- und Gesundheitssysteme, eine Stärkung von Bildung, Wissenschaft und Innovationsentwicklung, inklusive Institutionen für den globalgesellschaftlichen Zusammenhalt und die Förderung der regionalen und multilateralen regelbasierten Kooperation. Entwicklungspolitik kann nicht alle Hebel bedienen, benötigt sie aber und trägt zu ihnen bei.

7. Entwicklungspolitik verstehen wir als Politik für die Entwicklung und Ermöglichung nachhaltiger Zukünfte im Sinne eines globalen Gemeinwohls.  Eine solche Politik investiert in die Gestaltung multilateraler Normen und Regelwerke und rückt die multilaterale Zusammenarbeit in ihren Mittelpunkt, zu dem die bilaterale und europäische Zusammenarbeit flankierend und unterstützend hinzukommt.

Anna-Katharina Hornidge & Imme Scholz leiten gemeinsam das Deutsche Institut für Entwicklungspolitik (DIE). A.-K. Hornidge bekleidet zusätzlich die Professur für Globale Nachhaltige Entwicklung an der Universität Bonn. I. Scholz ist Honorarprofessorin an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg.

Sieben Leitlinien für die deutsche Entwicklungspolitik

Das Umfeld deutscher Entwicklungspolitik hat sich seit Gründung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) vor 60 Jahren grundlegend verändert. Damals gingen viele Partnerländer ihre ersten Schritte in neu gewonnener Unabhängigkeit. Heute sind sie politisch und wirtschaftlich etablierte, eigenständige Nationalstaaten. Die bipolare Ordnung der 1960er bis 1980er Jahre ist einer komplexeren, dynamischen Welt gewichen. Neben den Großmächten USA, China, Russland und EU prägen auch die großen Schwellenländer und Regionalmächte wirtschaftliche und politische Verflechtungen. Wie Zukunft aussehen kann – wirtschaftlich, sozial, ökologisch, kulturell – ist damit vielgestaltiger. Die liberale, demokratisch organisierte Marktwirtschaft steht einer Vielzahl von politischen Regimetypen gegenüber. Gleichzeitig nehmen globale Herausforderungen und der Bedarf nach gemeinsamen Antworten zu. Für Deutschland im Wahljahr stellen sich somit in den externen Politikfeldern einige Fragen: Wie kann die kräftezehrende Konkurrenz zwischen Außen-, Sicherheits-, Entwicklungs-, Wirtschafts- und Klimapolitik zu einer fruchtbaren Komplementarität werden? Was ist das Zukunftsmodell der deutschen Entwicklungspolitik?

Das Zukunftsmodell einer deutschen Entwicklungspolitik für eine nachhaltige Zukunft liegt im Fördern und in der Ausgestaltung von gleichberechtigten Kooperationsbeziehungen auf Augenhöhe – mit Ländern aller Einkommensgruppen, auch der OECD. Weder verhaftet in einer Attitüde des Helfens, noch getrieben von dem Ziel, Gefahren abzuwehren. Sondern fokussiert darauf, gemeinsam sozial, ökologisch und ökonomisch nachhaltige Zukunftsmodelle zu erarbeiten und zu verfolgen. Basierend auf den Menschenrechten und idealerweise geteilter demokratischer, freiheitlicher Werte. Stets mit dem Ziel, Strukturen und Standards für globale Gemeinwohlsicherung im partnerschaftlichen Austausch zu entwickeln und gesellschaftlich zu verankern, um globalen Herausforderungen entgegen zu treten.

Wir sehen sieben Leitlinien für die deutsche Entwicklungspolitik im 21. Jahrhundert:

1. Wir begreifen Entwicklungspolitik als transformative Strukturpolitik für nachhaltige Entwicklung. Es bedarf eines Umbaus unserer Sozial- und Wirtschaftssysteme, um menschliche Existenz innerhalb der planetaren Grenzen sicherzustellen. Wir benötigen institutionelle, technologische und ökonomische Infrastrukturen, die katalysierend einen nachhaltigen Umgang mit gesellschaftlichen und natürlichen Ressourcen ermöglichen. 

2. Entwicklung ist eine universelle, geographisch ungebundene Herausforderung, in deren Zentrum das Recht auf Selbstbestimmung jedes Menschen steht. Es gilt, die strukturellen Voraussetzungen für ein globales Miteinander so weiterzuentwickeln, dass Selbstbestimmung, also emanzipierende Handlungsfreiheit, für alle Menschen möglich und insbesondere für die unteren 40% gefördert wird. Dieser Strukturwandel bedarf der entwicklungspolitischen Kooperation Deutschlands mit Niedrigeinkommens-, Schwellen- und Hocheinkommensländern.

3. Entwicklung ist nicht das einfache Ergebnis von Wirtschaftswachstum oder der Überwindung von Armut. Vielmehr entsteht Entwicklung durch Prozesse des Erdenkens und Verwirklichens nachhaltiger Zukünfte. Folglich beginnt Entwicklung erst dann, wenn absolute Armut überwunden und soziale, politische, wirtschaftliche und kulturelle Teilhabe möglich ist.

4. Diese Zukünfte nachhaltig zu gestalten, wie in der Agenda 2030 der Vereinten Nationen und in der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie beschrieben, ist eine ressort-, skalen- und sektorübergreifende Aufgabe binnen- und außenorientierter Politik. Sie kann nur im Zusammenspiel der unterschiedlichen Ressorts, Entscheidungsebenen (lokal, national, regional, global) und von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft erreicht werden. Nachhaltigkeit bedarf somit einer starken Governance-Architektur, die mit den notwendigen Entscheidungsbefugnissen und Ressourcen ausgestattet ist.

5. Zukünfte sind je nach Kontext unterschiedlich und nur erreichbar, wenn sie von lokalen Akteursstrukturen verwirklicht werden. Zukunft entsteht nicht durch Vorgaben oder Unterstützung von außen. Daher sind entwicklungspolitische Bemühungen stets gleichberechtigte Kooperationen auf Augenhöhe. Weder mehr, noch weniger. Kooperation macht einen kontinuierlichen Austausch und Dialog möglich, der die Verständigung auf gemeinsame Werte und Voraussetzungen für Zukunft erlaubt und existierende Strukturen transformiert.

6. Politik für nachhaltige Entwicklung und globales Gemeinwohl im 21. Jahrhundert muss einen planetaren Blick einnehmen und den Dialog mit lokalen Lebenswelten weltweit pflegen. Ziel ist der Schutz der globalen Gemeingüter: soziale Gleichheit und Armutsbekämpfung, gesellschaftlicher Frieden und politische Teilhabe, ein klimaneutrales und wohlstandsicherndes Wirtschaftssystem, gesunde Ökosysteme, ein stabiles Klima, Biodiversität und kulturelle Vielfalt. Die zentralen politischen Hebel wurden durch die COVID-19-Pandemie erneut deutlich. Dazu gehören unter anderen eine nachhaltige Gestaltung der Finanzmärkte, der Digitalisierung und der Wirtschaft, robuste soziale Sicherungs-, Ernährungs- und Gesundheitssysteme, eine Stärkung von Bildung, Wissenschaft und Innovationsentwicklung, inklusive Institutionen für den globalgesellschaftlichen Zusammenhalt und die Förderung der regionalen und multilateralen regelbasierten Kooperation. Entwicklungspolitik kann nicht alle Hebel bedienen, benötigt sie aber und trägt zu ihnen bei.

7. Entwicklungspolitik verstehen wir als Politik für die Entwicklung und Ermöglichung nachhaltiger Zukünfte im Sinne eines globalen Gemeinwohls.  Eine solche Politik investiert in die Gestaltung multilateraler Normen und Regelwerke und rückt die multilaterale Zusammenarbeit in ihren Mittelpunkt, zu dem die bilaterale und europäische Zusammenarbeit flankierend und unterstützend hinzukommt.

Anna-Katharina Hornidge & Imme Scholz leiten gemeinsam das Deutsche Institut für Entwicklungspolitik (DIE). A.-K. Hornidge bekleidet zusätzlich die Professur für Globale Nachhaltige Entwicklung an der Universität Bonn. I. Scholz ist Honorarprofessorin an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg.

Arbeitstitel: „Lernen für den Frieden“

Um neben zahlreichen Bildungsangeboten zu Krisenprävention und Friedensförderung auch vielfältige Erfahrungen aus der Praxis zusammenzuführen, sehen die 2017 von der Bundesregierung verabschiedeten Leitlinien „Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern“ eine „Lernplattform“ vor. Sie sollte verschiedene Akteure der Friedensförderung in unterschiedlichen Formaten zusammenbringen und Wissen kontinuierlich und problemorientiert sammeln. Dafür bleibt noch viel zu tun.

Arbeitstitel: „Lernen für den Frieden“

Um neben zahlreichen Bildungsangeboten zu Krisenprävention und Friedensförderung auch vielfältige Erfahrungen aus der Praxis zusammenzuführen, sehen die 2017 von der Bundesregierung verabschiedeten Leitlinien „Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern“ eine „Lernplattform“ vor. Sie sollte verschiedene Akteure der Friedensförderung in unterschiedlichen Formaten zusammenbringen und Wissen kontinuierlich und problemorientiert sammeln. Dafür bleibt noch viel zu tun.

Arbeitstitel: „Lernen für den Frieden“

Um neben zahlreichen Bildungsangeboten zu Krisenprävention und Friedensförderung auch vielfältige Erfahrungen aus der Praxis zusammenzuführen, sehen die 2017 von der Bundesregierung verabschiedeten Leitlinien „Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern“ eine „Lernplattform“ vor. Sie sollte verschiedene Akteure der Friedensförderung in unterschiedlichen Formaten zusammenbringen und Wissen kontinuierlich und problemorientiert sammeln. Dafür bleibt noch viel zu tun.

Mehrwertsteuersenkung hat deutsche Wirtschaft im Corona-Jahr 2020 gestützt

Zusammenfassung:

Die vorübergehende Mehrwertsteuersenkung in der zweiten Jahreshälfte 2020 hat die Wirtschaftsleistung in Deutschland um 0,5 Prozent erhöht. Das zeigen Modellsimulationen am DIW Berlin. Der Effekt auf das Bruttoinlandsprodukt hätte sogar bei rund einem Prozent liegen können – wenn die Mehrwertsteuersenkung vollständig an die VerbraucherInnen weitergegeben worden wäre. Dennoch hat sie ihr Ziel, kurzfristig den Konsum zu stabilisieren, erreicht. Insbesondere die Nachfrage nach Gebrauchsgütern wie Elektrogeräte, Möbel, Fahrräder und Autos profitierte. Der Wermutstropfen dabei: In vielen Fällen handelte es sich um vorgezogene und nicht um zusätzliche Käufe – entsprechend geringer ist die Nachfrage insbesondere in diesem Jahr. Unter dem Strich dürfte sich die Mehrwertsteuersenkung daher nicht selbst finanziert haben. Es ist deshalb ratsam, parallel zum Konsum auch gezielt private Investitionen zu stimulieren.


Dissecting aid fragmentation: development goals and levels of analysis

Aid fragmentation is widely denounced, though recent studies suggest potential benefits. To reconcile these mixed findings, we make a case for studying differences across aid sectors and levels of analysis. Our cross-national time-series analysis of data from 141 countries suggests aid fragmentation promotes child survival and improves governance. However, just looking across countries has the potential to blur important within-country differences. We analyse subnational variation in Sierra Leone and Nigeria and find that the presence of more donors is associated with worse health outcomes, but better governance outcomes. This suggests that having more donors within a locality can be beneficial when they are working to improve the systems through which policies are implemented, but harmful when they target policy outcomes directly. A survey of Nigerian civil servants highlights potential mechanisms. Fragmentation in health aid may undermine civil servants’ morale, whereas diversity in governance aid can promote meritocratic behaviour.

Dissecting aid fragmentation: development goals and levels of analysis

Aid fragmentation is widely denounced, though recent studies suggest potential benefits. To reconcile these mixed findings, we make a case for studying differences across aid sectors and levels of analysis. Our cross-national time-series analysis of data from 141 countries suggests aid fragmentation promotes child survival and improves governance. However, just looking across countries has the potential to blur important within-country differences. We analyse subnational variation in Sierra Leone and Nigeria and find that the presence of more donors is associated with worse health outcomes, but better governance outcomes. This suggests that having more donors within a locality can be beneficial when they are working to improve the systems through which policies are implemented, but harmful when they target policy outcomes directly. A survey of Nigerian civil servants highlights potential mechanisms. Fragmentation in health aid may undermine civil servants’ morale, whereas diversity in governance aid can promote meritocratic behaviour.

Dissecting aid fragmentation: development goals and levels of analysis

Aid fragmentation is widely denounced, though recent studies suggest potential benefits. To reconcile these mixed findings, we make a case for studying differences across aid sectors and levels of analysis. Our cross-national time-series analysis of data from 141 countries suggests aid fragmentation promotes child survival and improves governance. However, just looking across countries has the potential to blur important within-country differences. We analyse subnational variation in Sierra Leone and Nigeria and find that the presence of more donors is associated with worse health outcomes, but better governance outcomes. This suggests that having more donors within a locality can be beneficial when they are working to improve the systems through which policies are implemented, but harmful when they target policy outcomes directly. A survey of Nigerian civil servants highlights potential mechanisms. Fragmentation in health aid may undermine civil servants’ morale, whereas diversity in governance aid can promote meritocratic behaviour.

Karsten Neuhoff: „Strategie der Bundesregierung kann Sustainable Finance endlich voran bringen“

Die Bundesregierung hat heute eine Sustainable-Finance-Strategie vorgelegt. Dazu ein Statement von Karsten Neuhoff, Leiter der Abteilung Klimapolitik am DIW Berlin und Mitglied im Sustainable-Finance-Beirat der Bundesregierung sowie der Wissenschaftsplattform Sustainable Finance:

Sustainable Finance ist ein großes Zukunftsthema – nachhaltige Investments, grüne Anleihen und anderes mehr werden immer wichtiger. Dass hier riesige Nachhaltigkeitschancen, aber auch Risiken für die Finanz- und Realwirtschaft schlummern, wird auch in der Sustainable-Finance-Strategie der Bundesregierung deutlich. Diese Chancen und Risiken sollen durch vorausschauende Berichterstattung quantifiziert werden, damit sie von AnlegerInnen und im Risikomanagement effektiv berücksichtigt werden können. Die Strategie führt dazu 26 Maßnahmen auf, die in Deutschland, in europäischen Prozessen und in internationaler Zusammenarbeit umgesetzt werden sollten. Die gemeinsam von Wirtschafts-, Finanz- und Umweltministerium entwickelte Strategie zeigt, dass so wirtschaftliche Entwicklung, Nachhaltigkeit und Finanzmarktstabilität in Einklang gebracht werden können.

E-government and democracy in Botswana: observational and experimental evidence on the effect of e-government usage on political attitudes

This study assesses whether the use of electronic government (e-government) services affects political attitudes. The results, based on evidence generated in Botswana, indicate that e-government services can, in fact, have an impact on political attitudes. E-government services are rapidly being rolled out around the globe. Governments primarily expect efficiency gains from these reforms. Whether e-government in particular, and information and communication technology (ICT) in general, affect societies is hotly debated. There are fears that democracy may be compromised by surveillance, censorship, fake news, interference in elections and other strategies facilitated by digital tools. This discussion paper adds to the nascent literature by investigating if the expanding e-government usage in Botswana affects individual support for democracy, regime satisfaction and interpersonal trust. Methodologically, the study relies on observational and experimental evidence. The observational approach assesses the impact of the usage of different e-services such as e-payments and electronic tax return filings on political attitudes. The experimental approach incentivises taxpayers to file their tax returns electronically. Both approaches build on an original in-person survey gauging the political attitudes of 2,109 citizens in Greater Gaborone. The survey was conducted in February and March 2020. In terms of results, we do not identify a general substantive effect for the impact of all e-services on political attitudes. For some of the e-services and attitudes tested, however, we find significant evidence. Furthermore, our study yields significant results for several of the linkages between the causal steps within our causal mechanisms. For instance, we find that e-government can empower citizens to engage in political activities and that, although e-government users on average report that the government is not addressing their needs, a simple incentivising message can significantly improve people’s feelings in this regard.

E-government and democracy in Botswana: observational and experimental evidence on the effect of e-government usage on political attitudes

This study assesses whether the use of electronic government (e-government) services affects political attitudes. The results, based on evidence generated in Botswana, indicate that e-government services can, in fact, have an impact on political attitudes. E-government services are rapidly being rolled out around the globe. Governments primarily expect efficiency gains from these reforms. Whether e-government in particular, and information and communication technology (ICT) in general, affect societies is hotly debated. There are fears that democracy may be compromised by surveillance, censorship, fake news, interference in elections and other strategies facilitated by digital tools. This discussion paper adds to the nascent literature by investigating if the expanding e-government usage in Botswana affects individual support for democracy, regime satisfaction and interpersonal trust. Methodologically, the study relies on observational and experimental evidence. The observational approach assesses the impact of the usage of different e-services such as e-payments and electronic tax return filings on political attitudes. The experimental approach incentivises taxpayers to file their tax returns electronically. Both approaches build on an original in-person survey gauging the political attitudes of 2,109 citizens in Greater Gaborone. The survey was conducted in February and March 2020. In terms of results, we do not identify a general substantive effect for the impact of all e-services on political attitudes. For some of the e-services and attitudes tested, however, we find significant evidence. Furthermore, our study yields significant results for several of the linkages between the causal steps within our causal mechanisms. For instance, we find that e-government can empower citizens to engage in political activities and that, although e-government users on average report that the government is not addressing their needs, a simple incentivising message can significantly improve people’s feelings in this regard.

E-government and democracy in Botswana: observational and experimental evidence on the effect of e-government usage on political attitudes

This study assesses whether the use of electronic government (e-government) services affects political attitudes. The results, based on evidence generated in Botswana, indicate that e-government services can, in fact, have an impact on political attitudes. E-government services are rapidly being rolled out around the globe. Governments primarily expect efficiency gains from these reforms. Whether e-government in particular, and information and communication technology (ICT) in general, affect societies is hotly debated. There are fears that democracy may be compromised by surveillance, censorship, fake news, interference in elections and other strategies facilitated by digital tools. This discussion paper adds to the nascent literature by investigating if the expanding e-government usage in Botswana affects individual support for democracy, regime satisfaction and interpersonal trust. Methodologically, the study relies on observational and experimental evidence. The observational approach assesses the impact of the usage of different e-services such as e-payments and electronic tax return filings on political attitudes. The experimental approach incentivises taxpayers to file their tax returns electronically. Both approaches build on an original in-person survey gauging the political attitudes of 2,109 citizens in Greater Gaborone. The survey was conducted in February and March 2020. In terms of results, we do not identify a general substantive effect for the impact of all e-services on political attitudes. For some of the e-services and attitudes tested, however, we find significant evidence. Furthermore, our study yields significant results for several of the linkages between the causal steps within our causal mechanisms. For instance, we find that e-government can empower citizens to engage in political activities and that, although e-government users on average report that the government is not addressing their needs, a simple incentivising message can significantly improve people’s feelings in this regard.

Protection, Justice, and Accountability: Cooperation between the International Criminal Court and UN Peacekeeping Operations

European Peace Institute / News - Mon, 05/03/2021 - 21:59

Most countries that host UN peacekeeping operations face an impunity gap. Their national courts often lack the capacity to prosecute international crimes such as genocide, crimes against humanity, war crimes, and grave violations of human rights. As a result, special or hybrid courts and international courts, like the International Criminal Court (ICC), often have to step in. In such contexts, some UN peacekeeping operations have been mandated by the UN Security Council to support justice, fight impunity, and pursue accountability, mainly in support of national justice mechanisms.

This issue brief focuses on cooperation between UN peacekeeping missions and the ICC. After discussing the impunity gap when it comes to international criminal justice, it outlines frameworks that provide a foundation for cooperation between the ICC and the Security Council. It then explores the benefits of cooperation and the political barriers and conflict dynamics that have prevented UN peacekeeping operations from fully assisting the ICC.

The paper concludes by considering how the protection of civilians (POC)—particularly the establishment of a protective environment—could provide opportunities for cooperation between peacekeeping operations and the ICC in pursuit of a more coherent approach to international justice. Given that international justice reinforces protection mandates, POC could serve as a guiding principle for peace operations’ future support to international criminal justice. By reflecting and building on best practices and lessons learned from previous challenges, peacekeeping operations can more effectively pursue international justice and ensure the sustainability of their protection efforts.

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Wie COVID-19 die Vorteile einer Lokalisierung der Entwicklungszusammenarbeit aufzeigt

Als Nebenprodukt der Pandemie ist in der Entwicklungszusammenarbeit ein einmaliges globales Experiment in Gang gekommen. Aus vielen Länderbüros des globalen Südens wurden 2020 die internationalen Mitarbeiter*innen abgezogen und in ihre Heimatzentralen in Europa und Nordamerika zurückbeordert. Die betroffenen Entwicklungsprogramme kamen dadurch jedoch nicht unbedingt ins Stocken. In einigen Fällen ist sogar das Gegenteil zu beobachten. So zeigt eine gemeinsame Studie internationaler Nichtregierungsorganisationen und der australischen La Trobe University, dass der Rückzug internationaler Mitarbeiter*innen aus Programmen in Ozeanien den Entscheidungsspielraum für lokale Akteure erheblich erweitert hat. Die Vorteile einer solchen Lokalisierung der Entwicklungszusammenarbeit sollten in der Diskussion um zukünftige Ansätze der staatlichen und nichtstaatlichen Entwicklungszusammenarbeit berücksichtigt werden.

Der öffentliche Fokus liegt derzeit vor allem auf der Not und den wirtschaftlichen Schäden, die die COVID-19-Pandemie verursacht. So werden die Entwicklungserfolge vieler Länder des globalen Südens sowie der Entwicklungszusammenarbeit in den vergangenen Jahrzehnten zunichte gemacht. Auch die global vereinbarten Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) sind kaum noch im vorgesehenen Zeitplan zu erreichen. Trotz alledem kann die Entwicklungszusammenarbeit von den lokalen Reaktionen auf die Pandemie auch lernen. Die oben genannte Studie ist dafür ein gutes Beispiel. Sie zeigt, dass infolge des Rückzugs internationaler Mitarbeiter*innen aus Entwicklungsprogrammen lokale Expertise und Netzwerke stärker genutzt wurden, die Zusammenarbeit zwischen lokalen Akteuren zunahm, Hierarchien abgebaut wurden und die Entscheidungsfindung insgesamt dezentralisiert wurde. Über die lokalen Mitarbeiter*innen der Entwicklungsorganisationen und ihre Partnerorganisationen hinaus konnten auch Akteur*innen auf nationaler Ebene die Prioritäten wieder stärker mitbestimmen, da sie die Agenda nicht wie zuvor von internationalen Expert*innen dominiert sahen. Gemäß dieser Bestandsaufnahme haben die veränderten Rahmenbedingungen in der Pandemie, die in der Entwicklungszusammenarbeit oft schwer zu erreichende Ownership, also die nationale und lokale Verantwortung und das Engagement für Entwicklungsmaßnahmen, indirekt gestärkt.

Die Diskussion um die Vorteile dieser Lokalisierung, die in der Entwicklungszusammenarbeit meist unter dem Stichwort „Partizipation“ geführt wird, wurde in den vergangenen Jahren vor allem in der Nothilfe geführt. „Lokalisierung“ meint die stärkere Übergabe von Entscheidungsgewalt und Ressourcen von internationalen Organisationen an lokale Akteure. Eine Untersuchung von Nothilfeprojekten über einen Zeitraum von drei Jahren bestätigt, dass diese durch stärkere Lokalisierung durchaus bessere Ergebnisse erzielten. So waren lokal angeleitete Maßnahmen zum Schutz von Flüchtlingen in Grenzregionen in Myanmar und Tunesien beispielsweise deutlich besser darin, informelle Ressourcen der Menschen wie Verwandtschafts- und Bekanntschaftsnetzwerke einzubeziehen als internationale Initiativen. Die Untersuchung zeigt darüber hinaus auf, dass viele mit einer stärkeren Lokalisierung verbundene Befürchtungen unbegründet waren und dass der wesentliche Hinderungsgrund für eine stärkere Lokalisierung die Weigerung internationaler Organisationen war, Macht abzugeben. Auch in der Entwicklungsforschung setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass eine zu starke Steuerung durch Entwicklungsorganisationen das Entstehen von Ownership verhindern und die Wirksamkeit von Projekten reduzieren kann. Daher sind neue Ansätze notwendig, die lokale Entscheidungen, das Einfließen lokaler Expertise sowie die Entwicklung lokal angepasster Lösungswege stärker ermöglichen und fördern.

Ein Ansatz, der sich in der Lokalisierung der Entwicklungszusammenarbeit bereits bewährt hat, ist Problem Driven Iterative Adaptation (PDIA; problemgeleitete schrittweise Anpassung). Dieser Ansatz basiert auf der Analyse fehlgeschlagener Entwicklungsprojekte am Harvard Center for International Development. Lokale Partner wie Ministerien werden dabei nachfrageorientiert angeleitet, eigenständig Entwicklungsprobleme zu analysieren und auf Basis ihrer lokalen Expertise Lösungsstrategien zu entwickeln, die auf den jeweiligen Kontext zugeschnitten sind. Die lokalen Partner sind in diesem Prozess auch verantwortlich für die Umsetzung der vereinbarten Lösungsschritte. In wiederkehrenden Treffen tauschen sie sich über Fortschritte und Fehlschläge aus und passen die Vorgehensweise entsprechend an. Dabei lernen sie nicht nur mehr über konkrete Reformen, sondern entwickeln auch eine grundsätzliche Problemlösungskompetenz, die sie zukünftig eigenständig anwenden können. Somit ist PDIA ein möglicher Ansatz, um die Lokalisierung der Entwicklungszusammenarbeit, deren Vorteile durch die Pandemie deutlich geworden sind, stärker zu institutionalisieren. Dadurch könnte Entwicklungszusammenarbeit künftig nicht nur wirklich partizipativer, sondern möglicherweise auch wirksamer und nachhaltiger werden.

Michael Roll ist  Soziologe und Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsprogramm „Transformation politischer (Un-)Ordnung

Tim Kornprobst ist Teilnehmer des 56. Kurses des Postgraduierten-Programms am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik. Er ist Koautor der Publikation Postkolonialismus & Post-Development: Praktische Perspektiven für die Entwicklungszusammenarbeit des Stipendiatischen Arbeitskreises Globale Entwicklung und postkoloniale Verhältnisse der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES).

Wie COVID-19 die Vorteile einer Lokalisierung der Entwicklungszusammenarbeit aufzeigt

Als Nebenprodukt der Pandemie ist in der Entwicklungszusammenarbeit ein einmaliges globales Experiment in Gang gekommen. Aus vielen Länderbüros des globalen Südens wurden 2020 die internationalen Mitarbeiter*innen abgezogen und in ihre Heimatzentralen in Europa und Nordamerika zurückbeordert. Die betroffenen Entwicklungsprogramme kamen dadurch jedoch nicht unbedingt ins Stocken. In einigen Fällen ist sogar das Gegenteil zu beobachten. So zeigt eine gemeinsame Studie internationaler Nichtregierungsorganisationen und der australischen La Trobe University, dass der Rückzug internationaler Mitarbeiter*innen aus Programmen in Ozeanien den Entscheidungsspielraum für lokale Akteure erheblich erweitert hat. Die Vorteile einer solchen Lokalisierung der Entwicklungszusammenarbeit sollten in der Diskussion um zukünftige Ansätze der staatlichen und nichtstaatlichen Entwicklungszusammenarbeit berücksichtigt werden.

Der öffentliche Fokus liegt derzeit vor allem auf der Not und den wirtschaftlichen Schäden, die die COVID-19-Pandemie verursacht. So werden die Entwicklungserfolge vieler Länder des globalen Südens sowie der Entwicklungszusammenarbeit in den vergangenen Jahrzehnten zunichte gemacht. Auch die global vereinbarten Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) sind kaum noch im vorgesehenen Zeitplan zu erreichen. Trotz alledem kann die Entwicklungszusammenarbeit von den lokalen Reaktionen auf die Pandemie auch lernen. Die oben genannte Studie ist dafür ein gutes Beispiel. Sie zeigt, dass infolge des Rückzugs internationaler Mitarbeiter*innen aus Entwicklungsprogrammen lokale Expertise und Netzwerke stärker genutzt wurden, die Zusammenarbeit zwischen lokalen Akteuren zunahm, Hierarchien abgebaut wurden und die Entscheidungsfindung insgesamt dezentralisiert wurde. Über die lokalen Mitarbeiter*innen der Entwicklungsorganisationen und ihre Partnerorganisationen hinaus konnten auch Akteur*innen auf nationaler Ebene die Prioritäten wieder stärker mitbestimmen, da sie die Agenda nicht wie zuvor von internationalen Expert*innen dominiert sahen. Gemäß dieser Bestandsaufnahme haben die veränderten Rahmenbedingungen in der Pandemie, die in der Entwicklungszusammenarbeit oft schwer zu erreichende Ownership, also die nationale und lokale Verantwortung und das Engagement für Entwicklungsmaßnahmen, indirekt gestärkt.

Die Diskussion um die Vorteile dieser Lokalisierung, die in der Entwicklungszusammenarbeit meist unter dem Stichwort „Partizipation“ geführt wird, wurde in den vergangenen Jahren vor allem in der Nothilfe geführt. „Lokalisierung“ meint die stärkere Übergabe von Entscheidungsgewalt und Ressourcen von internationalen Organisationen an lokale Akteure. Eine Untersuchung von Nothilfeprojekten über einen Zeitraum von drei Jahren bestätigt, dass diese durch stärkere Lokalisierung durchaus bessere Ergebnisse erzielten. So waren lokal angeleitete Maßnahmen zum Schutz von Flüchtlingen in Grenzregionen in Myanmar und Tunesien beispielsweise deutlich besser darin, informelle Ressourcen der Menschen wie Verwandtschafts- und Bekanntschaftsnetzwerke einzubeziehen als internationale Initiativen. Die Untersuchung zeigt darüber hinaus auf, dass viele mit einer stärkeren Lokalisierung verbundene Befürchtungen unbegründet waren und dass der wesentliche Hinderungsgrund für eine stärkere Lokalisierung die Weigerung internationaler Organisationen war, Macht abzugeben. Auch in der Entwicklungsforschung setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass eine zu starke Steuerung durch Entwicklungsorganisationen das Entstehen von Ownership verhindern und die Wirksamkeit von Projekten reduzieren kann. Daher sind neue Ansätze notwendig, die lokale Entscheidungen, das Einfließen lokaler Expertise sowie die Entwicklung lokal angepasster Lösungswege stärker ermöglichen und fördern.

Ein Ansatz, der sich in der Lokalisierung der Entwicklungszusammenarbeit bereits bewährt hat, ist Problem Driven Iterative Adaptation (PDIA; problemgeleitete schrittweise Anpassung). Dieser Ansatz basiert auf der Analyse fehlgeschlagener Entwicklungsprojekte am Harvard Center for International Development. Lokale Partner wie Ministerien werden dabei nachfrageorientiert angeleitet, eigenständig Entwicklungsprobleme zu analysieren und auf Basis ihrer lokalen Expertise Lösungsstrategien zu entwickeln, die auf den jeweiligen Kontext zugeschnitten sind. Die lokalen Partner sind in diesem Prozess auch verantwortlich für die Umsetzung der vereinbarten Lösungsschritte. In wiederkehrenden Treffen tauschen sie sich über Fortschritte und Fehlschläge aus und passen die Vorgehensweise entsprechend an. Dabei lernen sie nicht nur mehr über konkrete Reformen, sondern entwickeln auch eine grundsätzliche Problemlösungskompetenz, die sie zukünftig eigenständig anwenden können. Somit ist PDIA ein möglicher Ansatz, um die Lokalisierung der Entwicklungszusammenarbeit, deren Vorteile durch die Pandemie deutlich geworden sind, stärker zu institutionalisieren. Dadurch könnte Entwicklungszusammenarbeit künftig nicht nur wirklich partizipativer, sondern möglicherweise auch wirksamer und nachhaltiger werden.

Michael Roll ist  Soziologe und Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsprogramm „Transformation politischer (Un-)Ordnung

Tim Kornprobst ist Teilnehmer des 56. Kurses des Postgraduierten-Programms am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik. Er ist Koautor der Publikation Postkolonialismus & Post-Development: Praktische Perspektiven für die Entwicklungszusammenarbeit des Stipendiatischen Arbeitskreises Globale Entwicklung und postkoloniale Verhältnisse der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES).

Wie COVID-19 die Vorteile einer Lokalisierung der Entwicklungszusammenarbeit aufzeigt

Als Nebenprodukt der Pandemie ist in der Entwicklungszusammenarbeit ein einmaliges globales Experiment in Gang gekommen. Aus vielen Länderbüros des globalen Südens wurden 2020 die internationalen Mitarbeiter*innen abgezogen und in ihre Heimatzentralen in Europa und Nordamerika zurückbeordert. Die betroffenen Entwicklungsprogramme kamen dadurch jedoch nicht unbedingt ins Stocken. In einigen Fällen ist sogar das Gegenteil zu beobachten. So zeigt eine gemeinsame Studie internationaler Nichtregierungsorganisationen und der australischen La Trobe University, dass der Rückzug internationaler Mitarbeiter*innen aus Programmen in Ozeanien den Entscheidungsspielraum für lokale Akteure erheblich erweitert hat. Die Vorteile einer solchen Lokalisierung der Entwicklungszusammenarbeit sollten in der Diskussion um zukünftige Ansätze der staatlichen und nichtstaatlichen Entwicklungszusammenarbeit berücksichtigt werden.

Der öffentliche Fokus liegt derzeit vor allem auf der Not und den wirtschaftlichen Schäden, die die COVID-19-Pandemie verursacht. So werden die Entwicklungserfolge vieler Länder des globalen Südens sowie der Entwicklungszusammenarbeit in den vergangenen Jahrzehnten zunichte gemacht. Auch die global vereinbarten Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) sind kaum noch im vorgesehenen Zeitplan zu erreichen. Trotz alledem kann die Entwicklungszusammenarbeit von den lokalen Reaktionen auf die Pandemie auch lernen. Die oben genannte Studie ist dafür ein gutes Beispiel. Sie zeigt, dass infolge des Rückzugs internationaler Mitarbeiter*innen aus Entwicklungsprogrammen lokale Expertise und Netzwerke stärker genutzt wurden, die Zusammenarbeit zwischen lokalen Akteuren zunahm, Hierarchien abgebaut wurden und die Entscheidungsfindung insgesamt dezentralisiert wurde. Über die lokalen Mitarbeiter*innen der Entwicklungsorganisationen und ihre Partnerorganisationen hinaus konnten auch Akteur*innen auf nationaler Ebene die Prioritäten wieder stärker mitbestimmen, da sie die Agenda nicht wie zuvor von internationalen Expert*innen dominiert sahen. Gemäß dieser Bestandsaufnahme haben die veränderten Rahmenbedingungen in der Pandemie, die in der Entwicklungszusammenarbeit oft schwer zu erreichende Ownership, also die nationale und lokale Verantwortung und das Engagement für Entwicklungsmaßnahmen, indirekt gestärkt.

Die Diskussion um die Vorteile dieser Lokalisierung, die in der Entwicklungszusammenarbeit meist unter dem Stichwort „Partizipation“ geführt wird, wurde in den vergangenen Jahren vor allem in der Nothilfe geführt. „Lokalisierung“ meint die stärkere Übergabe von Entscheidungsgewalt und Ressourcen von internationalen Organisationen an lokale Akteure. Eine Untersuchung von Nothilfeprojekten über einen Zeitraum von drei Jahren bestätigt, dass diese durch stärkere Lokalisierung durchaus bessere Ergebnisse erzielten. So waren lokal angeleitete Maßnahmen zum Schutz von Flüchtlingen in Grenzregionen in Myanmar und Tunesien beispielsweise deutlich besser darin, informelle Ressourcen der Menschen wie Verwandtschafts- und Bekanntschaftsnetzwerke einzubeziehen als internationale Initiativen. Die Untersuchung zeigt darüber hinaus auf, dass viele mit einer stärkeren Lokalisierung verbundene Befürchtungen unbegründet waren und dass der wesentliche Hinderungsgrund für eine stärkere Lokalisierung die Weigerung internationaler Organisationen war, Macht abzugeben. Auch in der Entwicklungsforschung setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass eine zu starke Steuerung durch Entwicklungsorganisationen das Entstehen von Ownership verhindern und die Wirksamkeit von Projekten reduzieren kann. Daher sind neue Ansätze notwendig, die lokale Entscheidungen, das Einfließen lokaler Expertise sowie die Entwicklung lokal angepasster Lösungswege stärker ermöglichen und fördern.

Ein Ansatz, der sich in der Lokalisierung der Entwicklungszusammenarbeit bereits bewährt hat, ist Problem Driven Iterative Adaptation (PDIA; problemgeleitete schrittweise Anpassung). Dieser Ansatz basiert auf der Analyse fehlgeschlagener Entwicklungsprojekte am Harvard Center for International Development. Lokale Partner wie Ministerien werden dabei nachfrageorientiert angeleitet, eigenständig Entwicklungsprobleme zu analysieren und auf Basis ihrer lokalen Expertise Lösungsstrategien zu entwickeln, die auf den jeweiligen Kontext zugeschnitten sind. Die lokalen Partner sind in diesem Prozess auch verantwortlich für die Umsetzung der vereinbarten Lösungsschritte. In wiederkehrenden Treffen tauschen sie sich über Fortschritte und Fehlschläge aus und passen die Vorgehensweise entsprechend an. Dabei lernen sie nicht nur mehr über konkrete Reformen, sondern entwickeln auch eine grundsätzliche Problemlösungskompetenz, die sie zukünftig eigenständig anwenden können. Somit ist PDIA ein möglicher Ansatz, um die Lokalisierung der Entwicklungszusammenarbeit, deren Vorteile durch die Pandemie deutlich geworden sind, stärker zu institutionalisieren. Dadurch könnte Entwicklungszusammenarbeit künftig nicht nur wirklich partizipativer, sondern möglicherweise auch wirksamer und nachhaltiger werden.

Michael Roll ist  Soziologe und Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsprogramm „Transformation politischer (Un-)Ordnung

Tim Kornprobst ist Teilnehmer des 56. Kurses des Postgraduierten-Programms am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik. Er ist Koautor der Publikation Postkolonialismus & Post-Development: Praktische Perspektiven für die Entwicklungszusammenarbeit des Stipendiatischen Arbeitskreises Globale Entwicklung und postkoloniale Verhältnisse der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES).

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