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Publikationen des German Institute of Development and Sustainability (IDOS)
Updated: 2 months 1 week ago

Climate and trade policies: from silos to integration

Tue, 11/30/2021 - 16:26

This paper investigates linkages between trade and climate policies by examining commitments made in preferential trade agreements (PTAs) and Nationally Determined Contributions (NDCs) under the Paris Agreement. While environmental protection and economic growth are often perceived as conflicting policy goals, PTAs and NDCs have the potential to encourage mutually supportive approaches to climate and trade governance.

How to make energy efficiency labels more effective: insights from discrete choice experiments in Ghana and the Philippines

Tue, 11/30/2021 - 12:03

Energy efficiency labels have become an important tool in promoting environmentally friendly products. This paper provides insights into how to enhance the impact of energy efficiency labels in middle-income countries. Discrete choice experiments were conducted in Ghana (N = 876) and the Philippines (N = 797), examining whether appealing to attitude functions (the goals served by attitudes) can increase the effectiveness of energy efficiency labels of air conditioners. Local energy efficiency labels were modified to include different functional appeals to the benefits of energy efficiency of an air conditioner. A latent class approach was used to observe heterogeneities among respondents with regard to product attributes and functional appeals. Overall, we find energy efficiency to be an important attribute, which is valued more by people with higher environmental concern and knowledge. In addition, the effect of energy efficiency labelling can be increased by appealing to immediate attitude functions, to social-adjustive benefits (in Ghana) and to the expression of environmental values (in the Philippines). Functional appeals to delayed monetary savings appear to reduce the label’s impact. Results call for using contextually adapted campaigns to maximize the impact of energy efficiency labelling.

Die Bedeutung des Unabhängigkeitsreferendums für Neukaledonien

Mon, 11/29/2021 - 11:06

1853 wurde die südpazifische Inselgruppe Neukaledonien zur französischen Kolonie – und sie ist es bis heute. Am 12. Dezember 2021 werden die Bürger*innen in einem finalen Unabhängigkeitsreferendum abstimmen, ob Neukaledonien ein souveräner Staat werden soll. Obwohl die Gesellschaft – vor allem bestehend aus der indigenen Bevölkerung der Kanak und den französischen Siedler*innen – zur Unabhängigkeitsfrage tief gespalten ist, kann diese Konsultation eine wichtige Grundlage für eine gemeinsame, friedliche Zukunft bilden. 

Seit der Kolonialisierung Neukaledoniens wurden die Kanak unterdrückt. Die Verwehrung der Staatsbürgerschaft und der Grundrechte blieben genauso wie willkürliche Enteignungen, Umsiedlungen und Inhaftierungen der kanakischen Bevölkerung bis 1946 sanktionslos.

Auch heute noch leiden die Kanak (ca. 40% der Bevölkerung) unter den sozialen und wirtschaftlichen Folgen. Unter anderem fühlen sich viele um den ökonomischen Profit betrogen, den vor allem Frankreich mit dem Abbau der Bodenschätze, insbesondere Nickel, erwirtschaftet hat. 

In den 1980er Jahren entlud sich die Frustration über die Marginalisierung in gewaltsamen und teils tödlichen Auseinandersetzungen zwischen den Anhänger*innen der kanakischen Unabhängigkeitsbewegung und dem französischen Staat. Um weitere Eskalationen zu vermeiden, legten Frankreich und die neu geformten Unabhängigkeitsparteien 1989 vertraglich fest, dass die neukaledonische Bevölkerung in bis zu drei Referenden über die Unabhängigkeit des Territoriums abstimmen soll. Basierend auf diesen Verträgen wird im Dezember das Referendum zum zweiten Mal wiederholt, da vorherige Ergebnisse in 2018 und 2020 zugunsten Frankreichs ausfielen.

Die Bedeutung des Referendums für die Kanak

Das dritte und entscheidende Referendum ist somit der Höhepunkt eines langwierigen und umkämpften Unabhängigkeitsprozesses, in dem Frankreich nur zögerlich Wirtschafts- und Landrechte sowie ausgewählte Staatskompetenzen an Neukaledonien zurückgegeben hat. Die Referenden geben der kanakischen Bevölkerung zum ersten Mal die Möglichkeit formal gleichberechtigt über die institutionelle Zukunft ihrer Inselgruppe mitzubestimmen. Auch die Rahmenbedingungen der Abstimmung unterstützen die Kanak auf dem Weg ihr Recht auf Selbstbestimmung auszuüben. Wählen dürfen nur Personen, die bestimmte Kriterien erfüllen. So müssen Wahlberechtigte unter anderem auf Neukaledonien geboren oder bis Ende 2014 einen 20-jährigen ununterbrochenen Wohnsitz in Neukaledonien nachweisen können. Dies verhindert, dass neu immigrierte Französ*innen das Referendum dominieren. 

In den beiden vorhergehenden Durchgängen entschieden sich nur 57% bzw. 53% der Wähler*innen gegen die Unabhängigkeit. Diese knappen Resultate zeigen, dass die – überwiegend kanakischen –Befürworter*innen gegen alle Erwartungen einen ernstzunehmenden Anteil der Wahlberechtigten mobilisieren können und somit im Dezember eine realistische Chance haben.

Die Bedeutung des Referendums für Frankreich

Seit 1977 erkennt Frankreich die Unabhängigkeit der meisten seiner ehemaligen Kolonien an. Doch die neukaledonische Unabhängigkeitsbewegung trifft bis heute auf viel Widerstand.

Ein Hauptgrund dafür ist Frankreichs großes strategisches Interesse an der Inselgruppe. Neukaledonien besitzt 25% des Weltvorkommens an Nickel und ist weltweit der viertgrößte Förderer des Rohstoffes, der vor allem in Batterien für Handys und Elektroautos verwendet wird. Durch die Unabhängigkeit Neukaledoniens würde der Einfluss Frankreichs über einen strategisch wertvollen Rohstoff weiter schwinden, der zukünftig immer knapper werden wird und vor allem für China von wachsendem Interesse ist. 

Geostrategisch ist Neukaledonien, neben Französisch-Polynesien, der letzte verbleibende Standort im Pazifik, um Frankreichs dortigen militärischen und politischen Einfluss zu wahren. Nachdem kürzlich ein großer Vertrag über den Verkauf von französischen U-Booten an Australien platzte, würde die Unabhängigkeit Neukaledoniens einen weiteren Rückschlag für das Land in dieser Region bedeuten.

Das Referendum als einendes Moment?

Einerseits wird das kommende Referendum nochmals die tiefe Spaltung der neukaledonischen Gesellschaft aufzeigen. Andererseits stimmen die Kanak und die französischen Siedler*innen in den drei Referenden erstmals als eine Gemeinschaft der Wahlberechtigten, als die Bevölkerung eines potenziell völkerrechtlich souveränen Staates, über ihre Zukunft ab. 

Ob dieses gemeinsame Moment dazu beitragen kann, um vergangene Konflikte zu bewältigen und eine friedliche, gemeinsame Zukunft aufzubauen, hängt von vielen Faktoren ab.

Die Akzeptanz des Ablaufs und der Ergebnisse des finalen Referendums von allen Parteien ist dabei sehr wichtig. Die Unabhängigkeitspartei FLNKS hat bereits angekündigt, wegen der pandemiebedingten Lage den Termin des Referendums nicht zu akzeptieren. Zudem müsste auf ein Ergebnis zugunsten der Unabhängigkeit in einem nächsten Schritt ein Beschluss im französischen Parlament folgen, damit diese Realität wird.

Des Weiteren löst das Referendum nicht die ökonomische Benachteiligung der Kanak, die derzeit starke finanzielle Abhängigkeit von Frankreich und die Probleme der kaum diversifizierten Wirtschaft. Diesen Herausforderungen muss sich die Bevölkerung Neukaledoniens erst noch mit vereinten Kräften stellen.

Frederike Kaiser ist Teilnehmerin des 57. Kurses des Postgraduierten-Programms am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE).

Global fisheries - still a blind spot in international cooperation

Thu, 11/25/2021 - 09:22

In discussing the overexploitation of our oceans, the role of the latter in food and nutrition security and the livelihoods of millions of people, especially in the Global South, is often forgotten. The authors appeal to actors in international cooperation to devote more attention to fisheries in their policies and address the challenges which this sector is facing in a more determined manner.

African–European Relations in 2020

Wed, 11/24/2021 - 10:59

The Africa Yearbook covers major domestic political developments, the foreign policy and socio-economic trends in sub-Sahara Africa – all related to developments in one calendar year. The chapter reviews the partnership between Africa and Europe over the course of 2020, with a special view to peace and security, trade relations, and investments as well as a regional focus.

SDG-aligned futures and the governance of transformation to sustainability: reconsidering governance perspectives on the futures we aspire to

Tue, 11/23/2021 - 11:58

The (im)possibility of governance of the transformation to sustainability (T2S) is driven by how the related multiple transition processes as well as the various functional, institutional and bargaining interactions among relevant agents or stakeholders can be steered. Like other transformation processes, T2S is an immediate response to threats and risks behind structural changes. In addition, T2S is a “purposive new normal” because it seeks ways to achieve a new equilibrium whereby the system is able to effectively confront or prevent imminent threats and risks. At the same time, this paper claims that there can be more than one version of the new equilibrium for each state or society. This paper argues against the “ahistoricity” (Geschichtslosigkeit) approach of much of the literature on T2S and contends that each country has a distinct set of socio-political (e.g. quality of institutions) and economic resources (e.g. gross national income) available, depending on its current standing.
The academic debate on transformation has re-emerged with intensity due to it increasingly being linked to the discourse on sustainability. One important thread of this transformation–sustainability nexus is the role of governance. While the academic literature on governing T2S can already build on decades of work, the debate on the three-fold interfacing of governance, transformation and sustainability still has major gaps to fill. This paper articulates an integrated approach in understanding the governance of T2S by bringing together perspectives from sociology, political science and economics (and their sub-disciplines) as puzzle parts. Connecting the different puzzle parts contributed by the different disciplines, this paper conceptualises the four types of resources needed to make governance conducive to T2S: vision, performance, social cohesion and resilience. The next step for this paper is to use these puzzle parts to form a framework to introduce three sets of scenarios of pathways for sustainable futures, the “SDG-aligned futures”. The three pathways leading to these SDG-aligned futures are political-transition-driven (or strong), societal-transition-driven (or cohesive) and economic-transition-driven (or efficient).
The three scenarios for SDG-aligned futures serve on one hand as the basis for the contextualisation of transformation for a more strategic application of appropriate solutions by focussing on what governance structures, levels, processes and scales are conducive to T2S. At the same time, this approach resolves the “ahistoricity” dilemma in many concepts of T2S by highlighting that countries have different entry points when initiating T2S. The perspectives on the scenarios towards a sustainable future provide multiple entry points for each country by specifying the departing stage for a specific country that consists of a set of path dependencies resulting from the country’s (1) historical experience (e.g. colonialism) and (2) national discourse (e.g. debate on the sustainable energy transition). As countries utilise the potentials of their already existing governance structures and implement policy reforms that occur within existing institutional and politico–legal structures as well as through social upheavals and fundamental changes (hence, resilience is fundamental to T2S), these pathways are aligned by the Sustainable Development Goals, leading to coherent societal priorities and policy mixes.

State fragility, social contracts and the role of social protection: perspectives from the Middle East and North Africa (MENA) region

Tue, 11/23/2021 - 10:20

Social contracts and state fragility represent two sides of one coin. The former concept highlights that governments need to deliver three “Ps”—protection, provision, and political participation—to be acceptable for societies, whereas the latter argues that states can fail due to lack of authority (inhibiting protection), capacity (inhibiting provision), or legitimacy. Defunct social contracts often lead to popular unrest. Using empirical evidence from the Middle East and North Africa, we demonstrate how different notions of state fragility lead to different kinds of grievances and how they can be remedied by measures of social protection. Social protection is always a key element of government provision and hence a cornerstone of all social contracts. It can most easily counteract grievances that were triggered by decreasing provision (e.g., after subsidy reforms in Iran and Morocco) but also partially substitute for deficient protection (e.g., by the Palestinian National Authority, in pre-2011 Yemen) or participation (information campaign accompanying Moroccan subsidy cut; participatory set-ups for cash-for-work programmes in Jordan). It can even help maintain a minimum of state–society relations in states defunct in all three Ps (e.g., Yemen). Hence, social protection can be a powerful instrument to reduce state fragility and mend social contracts. Yet, to be effective, it needs to address grievances in an inclusive, rule-based, and non-discriminatory way. In addition, to gain legitimacy, governments should assume responsibility over social protection instead of outsourcing it to foreign donors.

Addressing the challenges of digital lending for credit markets and the financial system in low- and middle-income countries

Mon, 11/22/2021 - 12:34

The demand for digital financial services has risen significantly over recent years. The COVID-19 pandemic has accelerated this trend and since the focus has shifted towards economic recovery, digital lending has become central. Digital credit products exploit traditional and alternative financial and non-financial data to provide access to finance for households and micro, small and medium enterprises (MSMEs). While it makes lending more inclusive for underserved or unserved households and firms, its increasing influence also brings forth challenges that need to be addressed by policy-makers and regulators in order to guarantee well-functioning credit markets and broader financial systems that foster sustainable economic development.
A central concern is the adverse effect of digital lending on the stability and integrity of credit markets (and potentially the wider financial systems). The rise in non-performing loans, even before the COVID-19 crisis, has been associated with an increase in digital credits. New players with little experience enter the market and exploit regulatory arbitrage, but often these players have no (or only a partial) obligation to report to respective systems for sharing credit information or to supervisory bodies, which introduces severe vulnerabilities.
In addition, the low entry threshold of digital financial products, due to their convenience and simplicity for customers, provides fertile ground for exploitative financialisation. Underserved households and MSMEs with limited financial literacy may be lured into taking up unsuitable and unaffordable digital credits, leading to over-indebtedness and bankruptcy.
The last challenge arises from significantly shorter loan maturities in MSME lending if current forms of digital lending are scaled up. This is problematic, as firms need loans with longer maturities to realise productivity-enhancing medium- and long-term investments, many of which include complementary investments in labour, thereby contributing to an improvement in job quality.
Governments and regulators need to strike a balance between leveraging the potential of digital lending for inclusive finance and economic recovery from the COVID-19 crisis, and mitigating associated risks. In particular, they should, together with providers of technical and financial development cooperation, consider the following:
- Fostering the integrity of (digital) credit markets. Regulators should establish specific licenses and regulations for all digital financial service providers, and intro¬duce obligatory reporting requirements to supervisory bodies and national systems for sharing credit information.
- Preventing exploitative financialisation. Regulators need to require digital lenders to present the costs and risks of their loan products in a manner comprehensible to consumers with little financial literacy, and extend consumer protection policies to digital financial services.
- Ensuring availability of loans with longer maturities. Development finance institutions and other national and international promoters of (M)SMEs should assist local banks in the provision of longer-term loans, e.g. by offering respective funds or partial credit guarantees.
- Establishing regulatory sandboxes. Regulators should launch regulatory sandboxes to test legislation in a closed setting and to learn about risks without hindering innovation.

Warum die nächste Regierung einen langfristigen Kooperationsansatz mit Tunesien und Marokko braucht

Mon, 11/22/2021 - 09:00

Die Zusammenarbeit mit Nordafrika war für die letzten deutschen Regierungen eine wichtige Priorität und wird es wahrscheinlich auch für die kommende Regierung bleiben. Dies liegt an starken gemeinsamen Interessen in den Bereichen Handel, Sicherheit, Klima- und Energiezusammenarbeit, aber auch daran, dass viele der politischen und wirtschaftlichen Probleme, die zu den arabischen Aufständen im Jahr 2011 geführt haben, nicht gelöst sind.

Wenn es, wie Chou En Lai vielleicht nie zu Henry Kissinger gesagt hat, zu früh ist, um zu wissen, welche Auswirkungen die Französische Revolution haben wird, dann ist es nach einem Jahrzehnt viel zu früh, mit Sicherheit sagen zu können, welche Folgen die arabischen Aufstände haben werden. Die arabische Welt befindet sich in einem gesellschaftlichen Transformationsprozess, der noch lange nicht abgeschlossen ist und dessen Ausgang niemand vorhersehen kann. Deutschland braucht daher einen langfristigen und unterstützenden Kooperationsansatz, der kurzfristigen Interessen und diplomatischen Querelen widersteht.

Die politische Instabilität Nordafrikas gibt Europa nach wie vor Anlass zur Sorge. Die Rolle der deutschen Außen- und Entwicklungspolitik bei der Stärkung von Wohlstand und sozialem Zusammenhalt vor Ort ist gleichzeitig eine Herausforderung und eine Chance. Die jüngsten Entwicklungen in zwei nordafrikanischen Ländern verdeutlichen, welche Risiken ein Scheitern, aber auch welches Potenzial eine gelungene Zusammenarbeit birgt. Tunesien und Marokko sind „Reformpartnerschaftsländer“, in denen die deutschen Regierungen erhebliche finanzielle und diplomatische Ressourcen investiert haben, um Reformen zur Verbesserung der Regierungsführung und die Entwicklung der Privatwirtschaft zu unterstützen. 

Der demokratische Übergang in Tunesien ist für die gesamte Region des Nahen Ostens und Nordafrikas von großer Bedeutung. Im Sommer 2021 allerdings löste Präsident Kais Saied das Parlament des Landes auf, entließ den Premierminister und regiert seitdem per Präsidialdekret. Die Tunesier sind gespalten in diejenigen, die den Sturz der als ineffizient und korrupt empfundenen Regierung unterstützen, und in diejenigen, die Saied vorwerfen, den demokratischen Übergang des Landes zu torpedieren. Viele westliche Beobachter verurteilten Saieds Schritt, ohne allerdings zu versuchen, auch die lokal vielfach andere Wahrnehmung der Entwicklung zu verstehen.

Die deutsche Reaktion auf Saieds Schritt fiel zurückhaltend aus; das Auswärtige Amt bezeichnete ihn nicht als Staatsstreich. Dies zeigt Bewusstsein dafür, dass die Situation nicht schwarz-weiß ist. Gleichzeitig hat die deutsche Regierung sich nicht dazu geäußert, wie sich die Krise auf ihre Kooperation mit dem Land auswirkt und ob sie Anpassungen erfordert. Externe Akteure können politischen Wandel vor Ort nur fördern, wenn er lokal verankert und legitimiert ist, und Deutschland muss demokratische Akteure und Prozesse eindeutig unterstützen. Dennoch kann und wird nur das tunesische Volk selbst entscheiden, ob die aktuelle Krise eine Rückkehr zu autoritärer Herrschaft bedeutet, oder ob sie ein Schritt auf dem Weg zu einer Art repräsentativer Demokratie ist.

Marokko ist ein selbstbewusstes Land, das seine Beziehungen zum übrigen Afrika ausbauen und Investitionen globaler Akteure anziehen möchte. Vor kurzem wurde eine neue marokkanische Regierung ernannt. Leider sind die deutsch-marokkanischen diplomatischen Beziehungen und auch die weitere Zusammenarbeit derzeit nach einer Reihe von Uneinigkeiten auch bez. des Status der Westsahara weitgehend ausgesetzt. Das Vertrauen, das in mehr als 40 Jahren erfolgreicher Zusammenarbeit in den Bereichen erneuerbare Energien, Umweltpolitik, Sicherheit und Handel aufgebaut wurde, wird damit auf eine harte Probe gestellt.

Das neue Entwicklungsmodell Marokkos, das die wichtigsten strategischen sozioökonomischen Ziele des Landes für die kommenden Jahre darstellt, bietet zahlreiche Ansatzpunkte für eine Zusammenarbeit, die vom Übergang zu einer klimafreundlichen Wirtschaft bis hin zu Beschäftigung, Bildung, Bürgerbeteiligung und Investitionen reichen. Die gemeinsamen Vorteile der Kooperation in diesen Bereichen und der Fortführung bestehender Projekte zur Klimapolitik, Solar- und Windenergie sowie zur Wasserstofferzeugung sollten beiden Regierungen bewusst sein. Hier könnten die bilateralen Beziehungen bald wieder ihr volles Potenzial entfalten.

Die neue deutsche Regierung kann eine positive Rolle bei der Unterstützung des Übergangs in Tunesien und Marokko spielen, ohne dabei Kompromisse bei Kernprinzipien wie sozialer Gerechtigkeit, Menschenrechten und offenem Wirtschaftsaustausch einzugehen. Deutschland muss zwar bereit sein, die Zusammenarbeit einzustellen, wenn diese Prinzipien ernsthaft bedroht sind, aber es muss auch akzeptieren, dass Diskussionen über Fragen der Souveränität und demokratische Regierungsmodelle wahrscheinlich schwierig sein werden. Wenn Deutschland in diesen Fragen in den Dialog kommen möchte, muss es Heuchelei vermeiden, vor allem in den Bereichen Migration und Handelsschutz, wo sich hinter prinzipientreuen Aussagen oft eine ausgrenzende Politik verbirgt. Die Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen, die Verringerung sozioökonomischer Ungleichheiten und die Sicherheit sind Bereiche, in denen ein gemeinsames Interesse besteht, das Gemeinwohl zu fördern. Mit Blick auf die Grundprinzipien sollten diese Bereiche im Mittelpunkt eines langfristigen Kooperationsansatzes der neuen deutschen Regierung mit den nordafrikanischen Ländern stehen.

Whither global public goods? No one is safe until everyone is safe

Wed, 11/17/2021 - 13:25

The COVID-19 pandemic has not only reinforced the importance of agreeing that certain critical global public goods (GPGs) should be available to everyone, everywhere. It has highlighted the spectacular failure of many countries – including those that have long advocated for the provision of GPGs – to look beyond their own borders and ensure a fairer, more multilateral, GPG-centred normative approach. This article provides an introduction to the debate on GPGs and, in doing so, the two other contributions that follow. Specifically, it discusses three roles that the UN can play with regard to GPG provision that merit close attention: 1) data and monitoring; 2) catalysing action; and 3) funding.

The review of the resident coordinator system: give UNDS reform a chance!

Wed, 11/17/2021 - 13:16

These days, the United Nations General Assembly is tasked with fine-tuning a centrepiece of the reform: the strengthened Resident Coordinator system – key driver of a more cohesive UN Development System (UNDS) working towards a common agenda. Negotiations have yet to reach a break-through. Member states should do their part in supporting a more cohesive UNDS. They should improve the current funding model of the RC system and thereby support the repositioning efforts. Assessed contributions would be a clear sign that states step up to their collective responsibility.

What is social finance? Definitions by market participants, the EU taxonomy for sustainable activities, and implications for development policy

Wed, 11/17/2021 - 12:59

The market for social financial instruments is rapidly growing. The issuance of social bonds, for instance, reached $149.4 billion in 2020, showing an extraordinary growth of 720% compared to 2019 (ADB, 2021, p. 14). By providing capital for certain types of investments associated with positive social impacts, these instruments are intended to close funding gaps that hamper the realisation of social goals, as laid down, for instance, in the 2030 Agenda for Sustainable Development. In addition, social finance might set incentives for enterprises to engage in more sustainable business models that would give them access to social financial instruments potentially associated with a lower cost of capital. However, the magnitude of the potential contribution to society of social finance is a matter of debate.
This paper focuses on an important challenge for social finance that concerns the plurality of existing definitions of social investments. The paper provides an overview of the definitions followed by market participants, describes the EU taxonomy for sustainable activities as a potential standard in this context, and discusses implications for development policy.

Institutional change through development assistance: the comparative advantages of political and adaptive approaches

Tue, 11/16/2021 - 11:43

Development assistance often fails to achieve institutional change because of a limited consideration of the political nature of these reforms and the local context. In response, political and adaptive development assistance (PADA) approaches, such as “Thinking and Working Politically” (TWP) and “Problem-Driven Iterative Adaptation” (PDIA), have been developed in recent years. Politicians, practitioners and researchers increasingly want to know if these approaches are more effective than mainstream approaches to development assistance. To answer this question, this paper develops a framework by asking three more specific questions about the “which”, the “where” and the “what”. First, for which types of development problems is political and adaptive development assistance likely to work better than mainstream approaches? Second, where or in which contexts might this be the case? And third, what contributions can be expected from these approaches including, but going beyond, effectiveness? Available evidence is used to answer these questions. This paper finds that political and adaptive approaches have comparative advantages over mainstream approaches when either the problem is complex, the context is hard to predict, or the solution is contentious. The overall conclusion is that development policy needs a broader variety of approaches from which to choose based on which fits the problem and the context best.

Household vulnerability to climate change and identification of target beneficiaries to implement household-specific adaptation strategies: a quantitative assessment

Tue, 11/16/2021 - 08:22

This study investigated the climate change vulnerability of 6,214 households in the drought-prone districts of Telangana state in India. Principal component analysis (PCA) and cluster analysis were used to group farm households based on their level of vulnerability to climate change and to suggest a portfolio of adaptation strategies. The PCA revealed the presence of five components from 14 key variables: (1) access to irrigation; (2) credit access, landholding, and income from agriculture; (3) household size and income sources; (4) access to information and climate-smart adaptation practices; and (5) social capital. The first five components (eigenvalue ≥ 1) collectively accounted for 60.42 percent of the total variance. Three clusters emerged after the component scores were analyzed using K-means clustering: extremely vulnerable, moderately vulnerable, and resilient households. The results of the cluster analysis revealed that 79 percent of the households were extremely vulnerable, 11.20 percent were moderately vulnerable, and 9.65 percent were resilient. Moreover, 96 percent of marginal farmers and 94 percent of smallholder farmers were extremely vulnerable, while 19 percent of large farmers and 16 percent of medium farmers were moderately vulnerable. Interestingly, nearly 26 percent in the extremely vulnerable category and 19 percent in the moderately vulnerable category were large farmers, which contradicts previous assumptions. The findings of this study can guide development practitioners, policymakers, and donors in designing evidence-based programs focusing on households vulnerable to climate change.

Towards sustainable ocean governance: a call for blue climate action in international development

Mon, 11/15/2021 - 13:35

The ocean is vital for life on earth and yet it is under serious threat from climate change and resource overexploitation. Environmental change in the ocean significantly undermines human livelihoods, especially in the developing and least developed countries where people are particularly vulnerable to climate change-related losses and damages. This Briefing Paper outlines challenges that people, development cooperation and policy face and suggests ways forward for sustainable ocean governance through sustainable resource use, comprehensive risk management and enhanced climate action.
Life in the ocean is threatened in various ways by human activities. Climate change, as one severe con¬sequence, leads to ocean warming and ocean acidification putting complex ecosystems and their sensitive species in danger. Such climatic impacts are exacerbated by pollution, especially plastic, and the overharvesting of many marine species. As a result of the confluence of these developments, many local coastal communities lose their livelihoods.
At the same time, climate change increasingly threatens coasts through sea level rise, salinisation and growing frequencies of extreme weather events, such as floods and storms. This puts the 2.6 billion people living at or near the coasts at high risk; low-altitude small islands are expected to become uninhabitable within the next decades if current global warming trajectories continue.
Furthermore, the ocean contributes to climate change mitigation because marine ecosystems absorb CO2.
In response to these challenges, there is a need for sustained awareness raising on the importance of the ocean for develop¬ment as well as for the need of enhanced inter¬national cooperation for joint action. Conscious politics, substantial action and financial resources are needed at multiple levels of governance, from empowering local stakeholders to developing locally sound solutions to political guidance through national and international policy-making processes. From a development policy angle, this Briefing Paper specifically suggests that current climate and biodiversity policy processes pay enhanced attention to the ocean under climate change, pollution and overexploitation stress. This should be guided by the overarching vision of a sustainable blue economy. More concrete reform needs are
• a stronger focus on responsible stakeholder inclusion at all levels in ocean governance in general, ranging from individual households to communities, private sector and governments;
• expansion of marine protected areas and promotion of marine and coastal nature-based solutions to com¬plement sustainable blue economies while ensuring their inclusive and rights-based governance;
• support for sustainable small-scale fisheries and pro¬motion of eco-friendly mariculture and aquaculture;
• expansion of the reach of the UNFCCC’s Nairobi Work Programme and the Warsaw International Mechanism for Loss and Damage (WIM) to oceans and coasts; and
• support for radical decarbonisation pathways and a carbon-neutral blue economy.

Wie die deutsche G7-Präsidentschaft 2022 Gestaltungsmacht entfalten könnte

Mon, 11/15/2021 - 13:13

Wenn die neue Bundesregierung Anfang 2022 mit dem deutschen G7-Vorsitz ihre ersten internationalen Akzente setzt, kommt es nicht nur auf die Ambition der Themen an. Mindestens genauso wichtig ist die Art ihrer Bearbeitung und die politische Positionierung des G7-Prozesses selbst. Ähnlich wie bei den deutschen Vorsitzen 2007 (Heiligendamm/G8) und 2015 (Elmau/G7) könnte auch der 2022er Vorsitz an einem Wendepunkt für G7 und G20 liegen. Wird die G7 ihrer Verantwortung für das globale Gemeinwohl gerecht oder wandelt sie sich zu einem Instrument geopolitischer Selbstbehauptung?

Mit dem Heiligendamm-Prozess konnten 2007 Brasilien, China, Indien, Mexiko und Südafrika für eine erste strukturelle Öffnung der G8 gewonnen werden. Nur ein Jahr später war die Welt eine andere. In der Finanzkrise kam die G20 erstmals auf Ebene der Staats- und Regierungschef*innen und erklärte sich 2009 zum wichtigsten Forum für ihre internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit. Das markierte das Ende der G8 als dem zentralen Ort weltwirtschaftlicher Abstimmung, aber auch ihrer Erweiterung. Im Gegenteil, wenige Jahre später wurde Russland aufgrund seiner Annektierung der Krim aus der Gruppe ausgeschlossen, der Elmau-Gipfel 2015 zum ersten regulären im früheren G7-Format. Ohne zentrale wirtschaftspolitische Rolle sowie ohne die großen Schwellenländer und Russland begann die G7 sich neu zu erfinden: als Wertegemeinschaft für Freiheit und Demokratie sowie als Instrument zur Wahrung von Souveränität und territorialer Unversehrtheit. Elmau knüpfte aber auch an die Tradition eines Fokus auf das globale Gemeinwohl sowie auf Afrika an und trug dazu bei, im G7-Kreis die Verabschiedung der Agenda 2030 mit ihren 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDGs) und den Abschluss des Pariser Klimaabkommens im selben Jahr vorzubereiten.

In den Folgejahren blieb aber unklar, wie sich Führungsanspruch und Themenspektrum der G7 zu den oft parallelen sowie breiter aufgestellten G20-Prozessen verhalten. Auch wurden mit dem Brexit und der Trump-Administration ernste Probleme in und zwischen den G7-Ländern deutlicher. Gipfelerklärungen verflachten, dokumentierten offen Dissens oder wurden widerrufen. 2020 kam unter US-Vorsitz ein G7-Gipfel nicht zustande. Als 2021 das Vereinigte Königreich den G7-Prozess wieder aufnahm, knüpfte es zwar an gemeinwohlorientierte Traditionen an, orchestrierte aber auch ein neues geopolitisches Setting. Mit Indien und Australien wurden neben Südkorea und Südafrika nicht nur wieder mehrere andere G20-Länder zu einem G7-Gipfel eingeladen, sondern auch der indo-pazifische Quadrilateral Security Dialogue an die G7 herangeführt. Dies lies Beobachter vom ersten Gipfel der Anti-China-Koalition sprechen, was auch durch die Anlage des dort aufgegriffenen US-Vorschlags einer neuen globalen Infrastrukturinitiative unterstrichen wird.

Der deutsche G7-Vorsitz sollte den Weg der Umgestaltung der G7 zu einer Anti-China-Allianz oder einer Blockbildung in der G20 nicht weitergehen, sondern in enger Abstimmung mit Frankreich, Italien und der EU die Verantwortung für das globale Gemeinwohl und die Stärkung der Zusammenarbeit im Rahmen von Vereinten Nationen und G20 in den Mittelpunkt zu stellen. Auch aufgrund der engen zeitlichen Abfolge seiner Vorsitze in G7 (2015) und G20 (2017) hat Deutschland gute Erfahrungen gesammelt, beide Prozesse konstruktiv aufeinander zu beziehen. Dem wäre abträglich, wiederum weitere G20-Länder als Gäste in die G7 einzuladen und damit den G20-Prozess zu untergraben. Stattdessen sollte allein Indonesien als G20-Vorsitz mit dem Ziel eingeladen werden, den G7-Prozess als Unterstützung für eine erfolgreiche G20 anzulegen. Kaum eines der Probleme unserer Zeit kann ohne China und Russland gelöst werden. Vergleichbares gilt mit Blick auf Afrika. Wichtiger als ein weiterer G7-Afrika-Outreach wäre deshalb eine Verständigung, in der G20 für die Aufnahme der Afrikanischen Union als vollwertigem Mitglied einzutreten.

Gerade weil weltweit Demokratie und soziale Gerechtigkeit unter Druck stehen und Spannungen zunehmen, dürfen die geteilten Werte der G7 nicht als Instrument geopolitischer Auseinandersetzung genutzt, sondern müssen zuallererst zuhause gestärkt und glaubwürdig in offenen Formaten gelebt werden. Dieser Herausforderung sollte sich der G7-Gipfel in einer Sitzung mit den G7 Engagement Groups widmen. Auch multilateral können die G7-Länder umso besser über Demokratie sprechen, je offener und klarer sie dies unter sich tut.

Zum globalen Gemeinwohl sollten die G7-Länder auch mit Blick auf Klima und Biodiversität vor allem durch Transformationen im Inneren beitragen. 2022 muss die G7 ihre eigenen Weichen stellen, um nach der Pandemie und vor dem SDG Summit 2023 in eine erfolgreiche Dekade der Umsetzung einzuschwenken. Dringend notwendige finanzielle Zusagen an Dritte dürfen nicht davon ablenken, auch die Wirtschaftsbeziehungen der G7-Länder untereinander zu dekarbonisieren und auf nachhaltiges Produzieren und Konsumieren umzustellen. Zwar haben bislang alle G7-Länder außer den USA mindestens einen Voluntary National Review zur Umsetzung der Agenda 2030 vorlegt, aber der Stellenwert der SDGs in ihren nationalen Politiken ist marginal geblieben. Der G7-Gipfel im Jahr 2022 sollte dies ändern. Gestaltungsmacht entfaltet sich, wenn auf Worte Taten folgen.

Subsahara-Afrika

Wed, 11/10/2021 - 09:46

Mit etwa 2000 Beiträgen bietet die 8. Auflage des Staatslexikons (online und print) tiefgehende Information und Orientierung zu den zentralen Aspekten gesellschaftlichen Zusammenlebens, wirtschaftlichen Wirkens, politischen Entscheidens und staatlichen Handelns. Das Werk vermittelt seinen Lesern umfassende Informationen, die über rein lexikalische Klärungen von Begrifflichkeiten deutlich hinausgehen. Der Beitrag beschreibt den Begriff Subsahara-Afrika und geht auf einzelne Elemente  - naturräumliche Einheiten, Klima und Nutzfläche, Kulturräume, Historische Grundlagen, Megatrends wie Bevölkerungswachstum, Urbanisierung und Digitalisierung, politische Systeme und internationale Beziehungen - dieser Region ein.

Auf Meeresforschungsexpedition für die 17 Ziele

Tue, 11/09/2021 - 13:06

Der Ozean spielt eine wichtige Rolle für das Klima unserer Erde. Wir sind von einem gesunden Ozean abhängig, da er Nahrung, Energie und Handelswege bereit- und ein Kulturgut darstellt. Doch durch den Klimawandel sowie die Verschmutzung und Überfischung des Ozeans steigen die Meerestemperaturen und die Ozeane versauern zunehmend. Die Meeresökosysteme schwinden und ihr Zustand verschlechtert sich. Gleichzeitig ist der Ozean ein wichtiger Verbündeter im Kampf gegen den Klimawandel. Denn der Ozean kann Kohlenstoff (CO2) speichern, er ist eine sogenannte Kohlenstoffsenke. In dieser Funktion ist der Ozean von großer Bedeutung für die Klimawandelforschung. Um mehr darüber zu lernen, welche Auswirkungen die Erwärmung des Ozeans hat oder wie schnell die Versauerung des Ozeans voranschreitet, werden wissenschaftliche Erkenntnisse benötigt. Diese werden u.a. auf Forschungsexpeditionen gewonnen. Deutschland verfügt über eine große Flotte an Forschungsschiffen, mit denen Wissenschaftler*innen regelmäßig zu Forschungsfahrten aufbrechen. Wie sieht der Alltag auf einem deutschen Forschungsschiff aus? Welche Messungen werden dort vorgenommen? Wie hängen diese mit den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung zusammen? Der Blogbeitrag gibt einen Einblick in eine siebenwöchige Expedition mit dem deutschen Forschungsschiff Maria S. Merian in der Labradorsee zwischen Kanada und Grönland.

Was die globale Steuerreform für Entwicklungsländer bedeutet

Mon, 11/08/2021 - 10:37

Insgesamt 140 Staaten haben in den letzten Jahren unter dem Dach der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) über die Neugestaltung des internationalen Steuersystems verhandelt. Ursprünglich von der Gruppe der 20 größten Ökonomien (G20) angestoßen, haben sich am 8. Oktober 136 der 140 Mitgliedsstaaten des sogenannten Inclusive Framework on Base Erosion and Profit Shifting (BEPS) auf die Grundzüge einer globalen Steuerreform verständigt.

Die Reform birgt zwei große Hoffnungen: höhere Steuereinnahmen und mehr Fairness bei der internationalen Verteilung der Steuerrechte für Unternehmen. Theoretisch sollten hiervon auch Mittel- und Niedrigeinkommensländer profitieren, denn im Vergleich zu Industrieländern hängen sie stärker von Einnahmen aus Unternehmensbesteuerung ab und leiden entsprechend unter den Steuervermeidungspraktiken multinationaler Unternehmen (MNUs). Ob diese Hoffnungen sich erfüllen, ist allerdings fraglich.

Die Reform enthält durchaus Elemente einer historischen Neuordnung des internationalen Steuersystems. Galt bislang das Prinzip der Besteuerung von Unternehmensgewinnen im Land des Firmensitzes, erhalten zukünftig Länder, in denen Umsätze erzielt werden, die sogenannten „Marktstaaten“, mehr Rechte bei der Besteuerung der weltweit einhundert größten MNUs. Den Regierungen entgehen weltweit schätzungsweise 200 Milliarden US-Dollar an Einnahmen, weil Unternehmen ihren Hauptsitz – oder den Sitz besonders profitabler Unternehmenstöchter – in Steueroasen verlagern, wo keine oder kaum Steuern anfallen. Diese erste Reformsäule soll ab 2023 Unternehmensgewinne in Höhe von geschätzt 125 Milliarden US-Dollar auf Marktstaaten umverteilen und somit dort mehr Einnahmen generieren.

Eine zweite Neuerung besteht in der Einführung eines globalen Mindeststeuersatzes von 15 Prozent für Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 750 Millionen Euro. Dies soll den weltweiten Abwärtstrend der Körperschaftsteuersätze stoppen. Eine Studie der OECD zeigt, dass diese Mindeststeuer weltweit rund 150 Milliarden US-Dollar an zusätzlichen Einnahmen in die Staatskassen fließen lassen könnte. Beim Gipfeltreffen der G20 in Rom am 30. und 31. Oktober bezeichnete Bundeskanzlerin Merkel die Mindeststeuer als „ein klares Gerechtigkeitssignal in Zeiten der Digitalisierung“.

Wie es scheint, kommt die Reform genau zum richtigen Zeitpunkt. Regierungen weltweit sind auf der Suche nach zusätzlichen Einnahmequellen, um die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie und des globalen Klimawandels zu bekämpfen. Nun sollen endlich auch die großen Digitalunternehmen, die sich der Besteuerung bisher weitgehend entziehen konnten, ihren Beitrag liefern.

Alles gut also? Leider nein. Internationale NROs und unabhängige Expert*innen schätzen das Verhandlungsergebnis eher nüchtern ein, nicht zuletzt, weil in letzter Minute eine zehn-jährige Übergangsperiode mit großzügigen Sonderregelungen (sog. substance carve-outs) in das Abkommen aufgenommen wurde. Hinzu kommt, dass Mehreinnahmen aus der Mindeststeuer vor allem dort anfallen, wo Unternehmen ihren Hauptsitz haben – in der EU beispielsweise geschätzte 63 Milliarden Euro im Jahr 2023. Hingegen werden aus der Gruppe der Entwicklungsländer in erster Linie einige wenige große Schwellenländer von der Mindeststeuer profitieren können.

Auch die Umverteilung von Besteuerungsrechten auf die Marktstaaten begünstigt vor allem die reichen bzw. bevölkerungsreichen Länder mit großen Absatzmärkten. Die Erklärung der OECD sagt, dass Entwicklungsländer „im Verhältnis zu ihren existierenden Einnahmen“ stärker profitieren werden. Diese sind im Durchschnitt aber deutlich niedriger als jene der OECD-Mitgliedsländer. Im Übrigen müssen alle teilnehmenden Staaten künftig auf die eigene Besteuerung digitaler Unternehmen verzichten. Das kann in Einzelfällen erhebliche Steuerausfälle nach sich ziehen. Ein Ausweg wäre, jene Unternehmen, die nicht zu den einhundert größten gehören, weiterhin mit nationalen Digitalsteuern zu belegen. Dies ist in der aktuellen Reformvorlage aber nicht vorgesehen.

Warum haben Entwicklungsländer dem Reformpapier dann aber größtenteils zugestimmt? Zum einen haben es Organisationen wie das African Tax Administration Forum (ATAF) erreicht, dass einige Regelungen aufgenommen wurden, die im Interesse der Entwicklungsländer liegen. Dazu gehören beispielsweise niedrigere Schwellenwerte (250.000 statt 1 Mio. EUR) für Umsätze, ab denen die Besteuerungsrechte von Marktstaaten greifen, in Staaten mit einem Bruttoinlandsprodukt von weniger als 40 Milliarden Euro. So kommen auch viele Niedrigeinkommensländer zu zusätzlichen Einnahmen – soweit sie in der Lage sind, die komplexen Regelungen umzusetzen.

Zum anderen erhoffen sich manche Regierungen tatsächlich eine Einhegung des ruinösen internationalen Steuerwettbewerbs. Ein Mindeststeuersatz von lediglich 15 Prozent kann aber im Ergebnis darauf hinauslaufen, dass die Körperschaftssteuersätze zumindest der Entwicklungsländer sich diesem Wert nähern. Die Suche nach einem effektiven und fairen internationalen Steuersystem ist mit dieser Reform also nicht beendet, sondern muss in eine neue Runde gehen.

Democratic participation and the populist challenge to global governance

Thu, 11/04/2021 - 12:51

This year’s G20 summit took place this weekend in Rome and – as it is always the case when the G20 meets in a country where protests are not suppressed – thousands of protestors used this occasion to express their opposition to the supposedly neoliberal agenda of the G20 and the human rights violations perpetrated by some of the member governments (although Vladimir Putin and Xi Jinping as important addressees of this second criticism did not even bother to come to Rome). This year, the meagre results of the group with respect to climate action and the failure to ensure a fair global allocation of Covid-19 vaccines were among the key complains concerning the content of the agreements of the group. However, the G20 was not only criticized for the substance of its policies. It has always also faced contestation with respect to the way in which the group takes political decisions in procedures that do not allow for much democratic participation and public control.

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