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Deutsches Institut für Entwicklungspolitik / Briefing Paper

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Publikationen des German Institute of Development and Sustainability (IDOS)
Updated: 2 months 5 days ago

Can the global Green New Deal movement survive the pandemic?

Thu, 04/30/2020 - 17:36

COVID-19 has quickly developed from a global health crisis into a severe economic one. But this may be an opportunity to restructure our economies and channel funds into green investments. Politically informed smart green transformations will prioritize win-wins over costlier reform processes that risk turning into dead ends and make sure as much environmental conditionality as possible is added to the non-green bailouts that will be part of economic recovery packages.

So reagieren die Internationalen Finanzinstitutionen auf die Pandemie

Thu, 04/30/2020 - 13:28

Der Weltbankpräsident David Malpass erwartet infolge der Coronakrise eine tiefere globale Rezession als während der Großen Depression der Dreißigerjahre. Die Krise wird die ärmsten Länder im Vergleich zu den Industrieländern der Welt noch stärker treffen, weil diese Länder kaum über fiskalische Spielräume verfügen. Ihre sozialen Sicherungssysteme sowie die Gesundheitssysteme sind nicht ausreichend. Die besondere Verwundbarkeit der ärmsten Länder ist auch auf eine einseitige Ausrichtung der Wirtschaft zurückzuführen, die sich in den meisten Ländern auf den Export von einigen Rohstoffen und Produkten konzentriert. Hinzu kommt, dass laut Schätzungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank bereits vor der Krise etwa die Hälfte der Niedrigeinkommensländer hoch verschuldet waren. Und es werden sich infolge der Coronakrise noch mehr arme Länder hoch verschulden.

Aus diesen Gründen werden die ärmsten Länder der Welt die Coronakrise alleine nicht bewältigen können. Die internationale Gemeinschaft und besonders die internationalen Finanzinstitutionen, wie die Weltbank und der IWF, sollten eine tragende Rolle übernehmen, den Ländern kurz- und mittelfristig Finanzhilfe bereitzustellen. Ohne schnelle Hilfe werden laut dem Weltbankpräsidenten die Fortschritte, die diese Länder während des letzten Jahrzehnts in ihrer Entwicklung gemacht haben, wieder verloren gehen.

Weltbank und IWF haben schnell reagiert und mit einer Reihe von Instrumenten kurzfristig relativ viel Liquidität für die Entwicklungsländer bereitgestellt. Der IWF wird kurzfristig Notkredite in Höhe von circa USD 50 Milliarden für Entwicklungs- und Schwellenländer anbieten. Davon stellt der IWF etwa USD 10 Milliarden zinslos für die ärmsten Länder über die Rapid Credit Facility und rund USD 40 Milliarden für Schwellenländer über das Rapid Financing Instrument bereit. In diesem Zusammenhang hat der IWF für diese beiden Notfinanzierungsfazilitäten das jährlich zur Verfügung stehende Volumen zeitweise verdoppelt. Bis Mitte April hatten bereits 44 Länder Afrikas Finanzhilfe im Rahmen dieser beiden Instrumente angefragt. Damit die Länder schneller die Finanzmittele erhalten, hat der IWF die internen Verfahren zur Auszahlung beschleunigt. Darüber hinaus hat der IWF die Catastrophe Containment and Relief Trust reformiert, um nun mehr armen Ländern kurzfristig und gleichzeitig Schuldendiensterlasse zu gewähren. Zu den Reformen gehört beispielsweise die Auszahlung in Tranchen und für eine maximale Dauer von zwei Jahren.

Die Weltbankgruppe wird in den nächsten 15 Monaten rund USD 160 Milliarden für Entwicklungsländer bereitstellen. Alleine im Rahmen einer Fast-track COVID-19-Fazilität stellt die Weltbank vorgezogene Zahlungen in Höhe von USD 14 Milliarden bereit. Damit kann die Weltbank Finanzmittel schneller an die Länder auszahlen. Davon werden USD 6 Milliarden über die Institution für arme Länder (International Development Association) und über die Institution für mittlere Einkommensländer (International Bank for Reconstruction and Development) lanciert. Die für den Privatsektor zuständige Institution der Weltbankgruppe – die International Finance Corporation – wird private Unternehmen in Höhe von USD 8 Milliarden unterstützen, um damit vor allem auch Massenentlassungen abzuwenden. In der ersten Gruppe wird die Weltbank bereits 25 Länder unterstützen, davon 10 in Sub-Sahara Afrika. Des Weiteren stellt die Multilateral Investment Guarantee Agency schnell Garantien bereit, beispielsweise für Kredite, für die Bekämpfung der Coronakrise in Höhe von USD 6,5 Milliarden.

Damit die Weltbank über genügend Mittel verfügt, sollten die bilateralen Geber an die Fazilität für arme Länder – der International Development Association – vorgezogene Zahlungen leisten. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) plant unter anderem hierfür, im Rahmen ihres „Corona-Sofortprogramms“ einen Mehrbedarf im Haushalt 2020 zu beantragen. Darüber hinaus sollten die Kapitaleigner der multilateralen Entwicklungsbanken eine Kapitalerhöhung diskutieren, damit die internationalen Finanzinstitutionen bei Schocks, wie der Coronakrise, genügend Finanzmittel bereitstellen können.

Obwohl die Weltbank und der IWF schnell auf die Krise reagiert und ein gutes Paket aus kurzfristigen konzessionären Mitteln bereitgestellt haben, reicht das Geld zur Bewältigung der Krise in Entwicklungsländern nicht. Daher werden die hochverschuldeten Entwicklungsländer über die Erlasse ihrer Schuldendienstzahlungen beim IWF und die Moratorien der öffentlichen bilateralen Gläubiger hinaus noch weitere Schuldenerlasse benötigen. Der deutsche Entwicklungsminister Gerd Müller spricht sich in seinem Corona-Sofortprogramm für einen Schuldenerlass für die ärmsten Länder der Welt aus. Dabei sind zwei Dinge wichtig, damit einzelne Gläubiger nicht von Erlassen anderer Gläubiger profitieren. Erstens sollten sich alle öffentlichen und privaten Gläubiger gleichermaßen an Schuldenerlassen beteiligen. Zweitens sollten alle Gläubiger ihre Kreditverträge offenlegen.

Bei der Bewältigung dieser Pandemie trägt die internationale Gemeinschaft eine gemeinsame Verantwortung für die ärmsten Länder der Welt und sollte besonders auch mit kurzfristiger finanzieller Unterstützung dafür Sorge tragen, dass diese Länder die bisher erreichten Entwicklungsfortschritte nicht verlieren.

Dieser Text ist Teil einer Sonderreihe unseres Formats Die aktuelle Kolumne, die die Folgen der Corona-Krise entwicklungspolitisch und sozioökonomisch einordnet. Sie finden die weiteren Texte hier auf unserer Überblicksseite.

Women’s political representation and educational attainments: a district-level analysis in India

Thu, 04/30/2020 - 12:08

This paper has three major objectives: (1) to analyse whether the gender of politicians in India is relevant to the educational achievements of the residents of the districts in which they were elected; (2) to test whether politicians are more sensitive to the needs of the people of same gender and (3) to explore the potential channels through which the above relationships operate. By applying econometric techniques to a dataset obtained by merging individual with district-level political data, we concluded that an increase by 10 percentage points in women’s political representation produces an increase by 6 percentage points in the probability of children completing primary school. We then found gender-differentiated results: women’s political representation affects significantly more girls’ than boys’ education. This relationship works partly through the improvement of women’s access to educational programmes like the Mid-Day Meal scheme, while an increase in school infrastructures does not appear to be an important mediating factor. While an in-depth understanding of the pathways through which women’s representation in politics impacts on children’s education is hindered by data constraints, our findings seem to point to the importance of the ‘role model’ effect.

Taking stock of national climate policies to evaluate implementation of the Paris Agreement

Wed, 04/29/2020 - 16:23

Many countries have implemented national climate policies to accomplish pledged Nationally Determined Contributions and to contribute to the temperature objectives of the Paris Agreement on climate change. In 2023, the global stocktake will assess the combined effort of countries. Here, based on a public policy database and a multi-model scenario analysis, we show that implementation of current policies leaves a median emission gap of 22.4 to 28.2 GtCO2eq by 2030 with the optimal pathways to implement the well below 2 °C and 1.5 °C Paris goals. If Nationally Determined Contributions would be fully implemented, this gap would be reduced by a third. Interestingly, the countries evaluated were found to not achieve their pledged contributions with implemented policies (implementation gap), or to have an ambition gap with optimal pathways towards well below 2 °C. This shows that all countries would need to accelerate the implementation of policies for renewable technologies, while efficiency improvements are especially important in emerging countries and fossil-fuel-dependent countries.

Warum „One Health“ Pandemien verhindern kann

Wed, 04/29/2020 - 11:34

Die Corona-Krise hat gravierende gesundheitliche, wirtschaftliche und soziale Folgen. Pandemien wie COVID-19, Ebola, Cholera oder SARS werden sich jedoch immer wieder ereignen, so lange wir nicht deren Ursachen verstehen. Oft sind es Wildtiere, die neue Infektionskrankheiten beim Menschen durch Viren oder Bakterien auslösen. Die Zerstörung unberührter Ökosysteme bringt die Menschen in engeren Kontakt mit Tierarten, die bisher unbekannte Krankheitserreger übertragen können. Die Prävention örtlich begrenzter Epidemien und kontinentaler Pandemien kann daher nur gelingen, wenn man die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt als eine Einheit im Sinne von „One Health“ begreift. Im Wirkungsgeflecht mit den Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDGs) kann dadurch die Nachhaltigkeits-Agenda befördert werden. Wenn wir aus der Corona-Krise lernen wollen, ist ganzheitliches Denken gefordert.

Noch vor zwei Jahrzehnten ging man davon aus, dass tropische Wälder die Viren beherbergen, die beim Übergang auf den Menschen zu Krankheiten wie Ebola, HIV und Dengue führen. Doch es ist bewiesen, dass die Zerstörung der biologischen Vielfalt durch den Menschen die Voraussetzungen für die Verbreitung neuer Viren und Krankheiten schafft. Holzeinschlag, Bergbau, Straßenbau und Bevölkerungswachstum bringen Menschen in engeren Kontakt mit Tierarten. Schätzungen zu Folge haben drei Viertel der neu auftretenden Krankheiten, die den Menschen infizieren, ihren Ursprung im Tierreich und werden etwa durch Viren oder Bakterien ausgelöst.

Um weitere Epidemien und Pandemien zu verhindern ist daher eine Zusammenarbeit der Bereiche Gesundheit, Landwirtschaft und Ernährung, Klima- und Naturschutz unabdingbar. Ein „Silodenken“ wie in der Vergangenheit oft üblich, greift zu kurz. Fundament zur Umsetzung von One Health ist die Verknüpfung von Human- und Veterinärmedizin, zum Beispiel gemeinsame Impfdienste für Menschen und Tiere. Für eine nachhaltige Umsetzung von One Health werben vor allem internationale Organisationen wie die WHO (Gesundheit), FAO (Ernährung und Landwirtschaft) und OIE (Tiergesundheit). Das One Health Konzept verdeutlicht die Zusammenhänge zwischen SDGs wie Gesundheit (SDG 3), Klima (SDG 13), Leben an Land und im Wasser (SDG 15, 14) und kann daher eine zentrale Rolle zur Förderung der SDG-Agenda einnehmen. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit sollte sich daher vom One Health Ansatz leiten lassen und diese mit den Instrumenten der bi- und multilateralen Zusammenarbeit entsprechend adressieren. Für die Unterstützung von Entwicklungsländern sind drei aufeinander abgestimmte Maßnahmen zentral:

Erstens sollten Gesundheitssysteme im Sinne von Universal Health Coverage gestärkt werden. Nur ein belastbares und gut aufgestelltes Gesundheitssystem kann Infektionskrankheiten vorbeugen, sie behandeln und ihre Ausbreitung systematisch eindämmen. Hierbei ist die Aus- und Weiterbildung des Gesundheitspersonals und die Erhöhung von Laborkapazitäten besonders wichtig. Gut ausgebildetes Personal vor allem im Gesundheitssektor kann die Bevölkerung beispielsweise über die Gefahren des Verzehrs von Risikotierarten aufklären und so die Übertragung von Krankheiten vom Tier auf den Menschen verhindern. Die tiermedizinische Versorgung und Forschung sollte hierbei miteinbezogen und gestärkt werden. Als gutes Beispiel gilt hier Mauretanien. Dort wurde nach dem Ausbruch des Rifttalfiebers – übertragen durch Kamele – gezielte Risikokommunikation mit Viehzüchtern, Schlachthofarbeitern und der Öffentlichkeit betrieben.

Zweitens ist es nötig, Länder dabei zu unterstützen, besser mit möglichen Gefahrenquellen wie informellen (Wild-)Tiermärkten umzugehen. Viren und andere Krankheitserreger werden dort oft übertragen. Tiermärkte sind jedoch oft wichtige Nahrungs- und Einkommensquellen für Hunderte Millionen armer Menschen. Um die Gefahrenquellen auf kurze Sicht angemessen zu adressieren, sollte die Aufklärung der Bevölkerung und besserer Hygienepraktiken gefördert werden. Hierzu können digitale Frühwarnsysteme genutzt werden, die aus einer Vielzahl von Gesundheits- und Tiermedizinischen Daten die Bevölkerung vor potenziellen Ausbrüchen auf bestimmten Tiermärkten per SMS warnen. Auch wichtig ist Zugang zu sauberem Wasser und sanitären Einrichtungen, die eine bessere Hygiene bei der Schlachtung von Vieh und dessen Lagerung auf den Märkten erlaubt.

Drittens ist es erforderlich, die Einrichtung und das Management von Schutzgebieten an Land und im Meer zu unterstützen, um Rückzugsräume für Wildtiere zu bewahren. Die Länder sollten dahingehend unterstützt werden Leitlinien und rechtliche Rahmenbedingungen für die nachhaltige Nutzung von biologischen Ressourcen und Ökosystemen zu erstellen und diese einhalten. Übermäßige Abholzung tropischer Wälder hat beispielsweise in Malaysia dazu geführt, dass Flughunde ihren ursprünglichen Lebensraum verlassen und sich in der Nähe von Schweinezuchtbetrieben niedergelassen haben. Ihr Kot und Speichel infizierte erst die Schweine und dann die Bauern mit dem Nipah-Virus. Gerade die Bewahrung intakter Ökosysteme, beispielsweise durch finanzielle Anreize, dient dem Schutz vor Krankheiten, die von Tieren übertragen werden.

Einschätzungen zufolge stehen viele Entwicklungsländer bezüglich der Corona-Pandemie vor einer gewaltigen humanitären Katastrophe. Prognosen der UN-Wirtschaftskommission für Afrika zufolge, könnten in Afrika bis zu 3,3 Millionen Menschen sterben und 1,2 Milliarden sich mit dem neuen Corona Virus anstecken. Nur ein nachhaltiges Gleichgewicht zwischen der Gesundheit von Tieren, dem Ökosystem und den Menschen kann die Wiederkehr derartiger Pandemien verhindern.

Carbon consumption patterns of emerging middle classes

Wed, 04/29/2020 - 08:19

As households move out of poverty, spending patterns change. This is good news from a development perspective, but changing consumer behaviour may imply substantially more carbon emissions. The lifestyle choices of the emerging middle classes are key, now and in the future. This paper explores the consumption patterns of the emerging middle classes and their carbon intensity, using unique micro data from household surveys conducted in Ghana, Peru and the Philippines. We find that carbon-intensive consumption increases with wealth in all three countries, and most sharply from the fourth to the fifth middle-class quintile due to changes in travel behaviour, asset ownership and use. In Peru, this shift in the upper-middle-class quintiles translates to annual incomes of roughly USD 11,000-17,000 purchasing power parity. Environmental knowledge and concern are fairly evenly spread at mid- to high levels and do lead to more easy-entry sustainable behaviours, but they do not decrease the level of carbon emissions. To some extent, a knowledge/concern–action gap exists. In our study, social status matters less than the literature claims. Our results have two implications. First, the differentiations between developing/developed countries in the global climate debate may be outdated: It is about being part of the global middle classes or not. Second, a positive spillover from existing easy-entry sustainable behaviours to a change in carbon-intensive consumption patterns needs policy support.

Migration innerhalb Afrikas als Herausforderung für die afrikanischen Regionalorganisationen: die Beispiele IGAD und ECOWAS

Tue, 04/28/2020 - 12:32

Obwohl in öffentlichen und politischen Debatten in Deutschland und Europa beim Thema "Fluchtursachen" gerne der Eindruck erweckt wird, dass ein Großteil der afrikanischen Migration nach Europa gerichtet ist, findet der allergrößte Teil der Migrations-und Fluchtbewegungen innerhalb des afrikanischen Kontinents statt. Gerade auch in Westafrika und am Horn von Afrika ist der Anteil der intra-regionalenMigration besonders hoch: In Westafrika beträgt er weit über 80% und am Horn von Afrika über 60%. Das lässt natürlich die Frage aufkommen, wie die Regionen bzw. die beiden „zuständigen“ Regionalorganisationen - die Economic Community of West African States (ECOWAS) und die Ingergovernmental Authority on Development (IGAD) am Horn von Afrika - Migrationsprozesse adressieren? Welche migrationspolitische Normen und Governance-Strukturen wurden hier etabliert und wie effektiv sind sie bei der Gestaltung von intra-regionaler Migration in den beiden Regionen? Diesen Fragen will das vorliegende Papier nachgehen.

Flucht, fragile Staaten und Entwicklungszusammenarbeit: Governanceförderung als Fluchtursachenbekämpfung

Mon, 04/27/2020 - 18:09

Wenn Menschen fliehen, steht dahinter ein Staat, der Teile seiner Bevölkerung aufgegeben hat. Um Flucht vorzubeugen, kommt es darauf an, fragiler Staatlichkeit entgegenzuwirken. Fragilität ist ein Governance-Versagen, das ohne eine Transformation der politischen Institutionen nicht überwunden werden kann. Entwicklungszusammenarbeit muss umfassender als bisher darauf ausgerichtet werden, fragile Staatlichkeit zu adressieren. Dabei kommt der Governanceförderung eine zentrale Rolle zu.

Pandemiebekämpfung mit demokratischem Weitblick

Mon, 04/27/2020 - 11:44

In Deutschland diskutieren wir momentan, wie viele Einschränkungen zum Schutz der Unversehrtheit des Einzelnen vor der Pandemie notwendig und für eine offene Gesellschaft verträglich sind.

Das Bundesverfassungsgericht hat sich eindeutig auf die Seite der Demokratie gestellt, indem es ein Protestverbot aufgehoben hat. Doch was passiert in Staaten, deren Exekutive ungehemmt ihre Macht ausdehnt und demokratische Freiheiten einschränkt? Außen- und Entwicklungspolitik müssen diese Gefahr – besonders in der Krise – genau beobachten. Denn die Covid-19 Pandemie ist ein Brandbeschleuniger für Autokratisierungstrends. Weltweit haben Regierungen im Zuge ihrer Covid-19-Politik demokratische Grundrechte wie die Versammlungsfreiheit eingeschränkt, die staatliche Überwachung von Bürger*innen verstärkt und ihre eigene Macht ausgeweitet. Jörg Lau bezeichnet die Pandemie in der ZEIT als eine Gelegenheit für „Tyrannen und solche, die es werden wollen“.

Schon 2019 erlebte die Menschheit erstmals seit 2001 mehr Autokratisierungs- als Demokratisierungsprozesse. In Ungarn, Indien, Brasilien oder der Türkei nutzen nun Autokraten die Pandemie, um die parlamentarische Kontrolle zu schwächen und die Freiheit von Bürger*innen massiv zu beschneiden; in Ruanda, den Philippinen, oder Uganda steigt die Repression gegen Oppositionelle. Demgegenüber sollten Demokratien per Definition die Langzeiteffekte pandemiebedingter Freiheitseinschränkungen besser begrenzen können. Doch ist nicht garantiert, dass sie vor Autokraten verschont bleiben. Schon die wirtschaftliche Talfahrt während der Finanzkrise 2008 hatte weitreichende politische Konsequenzen. Etliche populistische und nationalistische Regierungen gingen aus ihr hervor.

Demokratien haben bessere Ressourcen für die Krisenbekämpfung

Damit Gesellschaften die Pandemie friedlich überstehen können, sind jetzt kollektiver Sachverstand, Vertrauen und Solidarität gefragt. Das gilt sowohl innenpolitisch als auch für die Kooperation zwischen Ländern. Eine Kombination aus Sachverstand, Vertrauen und Solidarität ist in Demokratien leichter zu erreichen als in Autokratien.

Kollektive Entscheidungen im Lichte großer Unsicherheit treffen zu müssen, ist ein wesentliches Merkmal gesellschaftlicher Krisen. Dafür ist Vertrauen in politische Institutionen und Politiker*innen zentral. Sachargumente öffentlich zu diskutieren, einer staatlichen Einrichtung Deutungshoheit zu übertragen, ist Teil demokratischer Güterabwägungen und Entscheidungsfindung.
In Autokratien hat nur eine zentrale Instanz die Deutungshoheit über öffentliche Belange. Umso mehr sind Autokraten auf das Vertrauen der Bevölkerung angewiesen. Droht dieses zu schwinden, verstärkt der Staat repressive Maßnahmen. Auch dort, wo populistische Regierungen auf einen „starken Mann“ oder eine „starke Frau“ setzen, kann öffentliches Vertrauen schnell schwinden, wenn diese*r die Krise nicht glaubwürdig managt oder sich nicht auf fachlich kompetente Institutionen verlässt. Das zeigt sich momentan nicht nur in den USA, sondern gerade auch in Entwicklungsländern mit schwachen Institutionen und autokratischer Führung. Vertrauensverlust in Regierungen kann sowohl Forderungen nach mehr Demokratie hervorrufen als auch politische Instabilität befeuern.

Was aber, wenn weder Institutionen, noch politische Eliten gemeinwohlorientiert agieren und nicht durch die Bevölkerung korrigiert werden können? Was, wenn die Meinungsfreiheit eingeschränkt ist und keine breite Verständigung über Maßnahmen zur Eindämmung der Gesundheitskrise möglich ist? Hinzu kommt: Autokratien höhlen durch das Prinzip gegenseitiger sozialer Kontrolle gesamtgesellschaftlich solidarisches Verhalten aus. Soziale Kontrolle soll Solidarität zwischen systemkritischen Gruppen unterbinden. Gewinnt staatliche und soziale Kontrolle an Überhand, beginnt Misstrauen zu herrschen. Wessen Leben unversehrt bleiben soll, entscheidet dann der Staat nach eigens aufgestellten Kriterien. Kurzfristig ist soziale Kontrolle also probat gegen eine Pandemie, langfristig kostet sie in autoritären Kontexten Menschenleben.

Internationaler Demokratieschutz – längst überfällig, jetzt dringlich

Die Pandemie hat Autokratisierungstrends sichtbarer gemacht. Für internationale Kooperation ist Demokratieschutz und -förderung daher das Gebot der Stunde. Funktional betrachtet ist eine globale Pandemie nicht ohne transparente und vertrauensvolle internationale Kooperation zu bekämpfen. Wissenschaftskooperation treibt medizinische Forschung an. Dafür ist ein transnationaler Austausch vertrauenswürdiger empirischer Daten unerlässlich. Offener Datenzugang ist in Autokratien jedoch selten verlässlich. Zudem muss ein effektiver Einsatz deutscher und europäischer Entwicklungsgelder darauf vertrauen können, dass politische Eliten in Entwicklungsländern sachgerechte Informationen über ihre Bevölkerung bereitstellen.

In der internationalen Entwicklungspolitik den Aufbau von Gesundheitssystemen zu fördern, reicht nicht aus. Ob sie für alle funktionieren, hängt davon ab, ob die politische Ordnung gleichen Zugang für alle gewährleistet. Geostrategisch können Autokratien wie China oder Singapur mit Erfolgen bei der Covid-19- Bekämpfung den Anschein erwecken, dass sie leistungsfähiger sind und damit für ihr Ordnungsmodell in Entwicklungsländern werben. Die Covid-19-Krise zeigt, dass der Schutz der Unversehrtheit und der Würde des Einzelnen ein Primat deutscher und europäischer Politik ist. Dies ist historisch betrachtet nur in Demokratien gelungen. Sich für diesen Wert auch in der globalen Pandemiebekämpfung einzusetzen, ist nicht nur ein Zeichen der Solidarität, sondern auch im Eigeninteresse auswärtiger Politik.

Dieser Text ist Teil einer Sonderreihe unseres Formats Die aktuelle Kolumne, die die Folgen der Corona-Krise entwicklungspolitisch und sozioökonomisch einordnet. Sie finden die weiteren Texte hier auf unserer Überblicksseite.

EU humanitarian aid: caught between nexus and independence

Mon, 04/27/2020 - 10:25

The European Union is facing increasingly complex and protracted crises and massive humanitarian consequences of the Syrian and Yemen conflicts and long-standing political, economic and social crises in Africa. Shifting geopolitics and global failures in the diplomatic sphere to prevent and resolve violent conflict, which the EU has also contributed to, or more recently failures in global health governance, have created and exacerbated humanitarian need. The COVID-19 pandemic, which has exacerbated existing humanitarian crises and is likely to cause additional humanitarian emergencies in other countries, has added to an already full agenda of challenges for the new leadership of the European Commission.

The new European Commission has set out to address global challenges as a “Geopolitical Commission” , linking internal and external policy and enhancing European leadership across a number of policy areas, including humanitarian aid. The envisaged role for humanitarian aid consists of working together with development and security actors to better respond to protracted crises. Yet, although the EU has been advocating and implementing the integrated approach for the past 20 years, many of its core challenges remain unresolved. Given the EU’s current strong focus on its internal interests (e.g., migration management, security, and recently crisis management in response to COVID-19 within the EU’s borders), tensions could arise between humanitarian needs and principles and other EU priorities.

This brief analyses current issues in the EU’s humanitarian aid and makes recommendations for responding to the challenges ahead. Specifically, it addresses the tensions between the Commission’s ambition to be a geopolitical actor and to better respond to multidimensional crises through a ‘nexus approach’ and the strong needs-based humanitarian assistance the EU provides. The analysis is based on a structured review of academic and policy sources, complemented by interviews with Brussels-based humanitarian aid policymakers.

The trade-off between poverty reduction and carbon emissions, and the role of economic growth and inequality: an empirical cross-country analysis using a novel indicator

Fri, 04/24/2020 - 10:40

Is it possible for countries to eradicate poverty while also meeting environmental goals? Despite the passage of international agreements calling for these issues to be addressed simultaneously, little is known about the direct relationship between them. This study addresses this gap by proposing a new and composite indicator that integrates measures for both poverty and environmental outcomes (carbon emissions) into a single variable, the carbon intensity of poverty reduction (CIPR). This variable defines the trade-off between the proportional changes of emissions per capita and of the share of the population above the poverty line. In parallel an analytic framework is developed to formulate propositions concerning the possible effects of growth and inequality on the CIPR. The propositions are tested empirically using data from 135 countries across a 30-year time period (1981–2012). The findings confirm that the carbon intensity of poverty reduction is heterogeneous across countries. This heterogeneity is partly explained by economic growth, which is found to have a negative effect on the CIPR up to a certain income level, defined here as a “turning point”. Above that turning point, economic growth increases the CIPR. By contrast, inequality reduction is shown to have a significant negative effect on the CIPR. This study contributes to the literature on sustainable development by analytically and quantitatively linking its three dimensions (social, economic and environmental) and by employing a composite indicator that directly measures the trade-off between poverty reduction and emission levels across countries.

Optionen für eine deutsch-französische Führungsrolle in der internationalen Geberkoordinierung

Fri, 04/24/2020 - 08:30

Wie die künftige Handelspolitik Europas aussehen oder in Sicherheits- und Klimafragen gehandelt werden sollte, ist aktuell zwischen Deutschland und Frankreich heftig umstritten. Diese Themen berühren im Rahmen der ganzheitlichen Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung auch die Entwicklungspolitik. Trotz ihrer Möglichkeiten als starke Geberstaaten gemeinsame Ansätze zu verfolgen, kooperieren Deutschland und Frankreich häufig eher ad hoc als strategiegeleitet (Krüger & Vaillé, 2019). Der am 22. Januar 2019 unterzeichnete Vertrag von Aachen erneuert die mit dem Élysée-Vertrag formalisierte Kooperation in der deutsch-französischen Entwicklungszusammenarbeit (EZ) und bietet das Potenzial, Differenzen zu überwinden und gemeinsam zu globaler nachhaltiger Entwicklung beizutragen (Vertrag von Aachen, Kap. 2, Art. 7). Vor diesem Hintergrund diskutiert dieses Papier Herausforderungen und Chancen für die deutsch-französische EZ anhand von zwei Fallstudien zu Kamerun und Marokko. Diese zeigen, dass unterschiedliche Mandate und Verfahren der Durchführungsorganisationen eine stärkere Zusammenarbeit vor Ort hemmen. Abweichende politische Prioritäten – auch innerhalb der Geberadministration – erschweren zudem den Dialog mit den Partnerländern, speziell wenn diese nur über schwache Kapazitäten zur Geberkoordinierung verfügen. Wenn Deutschland und Frankreich es schaffen bestehende Differenzen zu überwinden, bieten sich Potenziale, andere Geber, insbesondere EU-Akteure, für gemeinsame Vorhaben zu gewinnen. Hieraus lassen sich vier Politikempfehlungen ableiten:
1.    Kohärenz zwischen den EZ-Systemen stärken:
Auch wenn sich die politischen Strukturen weiterhin zwischen den Geberländern unterscheiden werden, ist es notwendig, die funktionale Zusammenarbeit der relevanten Akteure politisch zu fördern. Weiterhin sollte die Kohärenz innerhalb der deutschen und französischen EZ-Systeme erhöht werden.
2.    Deutschland und Frankreich sollten die Initiierung gemeinsamer Projekte erleichtern:
Für den politischen EZ-Dialog ist es wichtig, Programmierungszyklen besser abzustimmen. Gleichzeitig sollte die gegenseitige Anerkennung von Verfahren in der technischen und finanziellen Zusammenarbeit der beiden Länder stärker politisch gefördert werden.
3.    Partnerländer und -sektoren strategisch auswählen:
Insbesondere in Partnerländern mit eingeschränkten Koordinierungskapazitäten ist ein Fokus auf gemeinsame Prioritäten und Sektoren empfehlenswert. Auch die deutsch-französische Kooperation mit Mitteleinkommensländern sollte strategisch gestärkt werden, um finanzintensive Infrastrukturprojekte bspw. im Bereich Erneuerbare Energien zu fördern.
4.    Deutsch-französische Zusammenarbeit offen für andere Partner gestalten:
Deutschland und Frankreich sollten sich für eine gemeinsame europäische Implementierung einsetzen und die Anwendung in den Partnerländern durch Pilotprojekte fördern. Außerdem sollte sich die deutsch-französische EZ gegenüber anderen Akteuren offen gestalten und in internationalen Organisationen, in welchen beide Geber aktiv sind, für die Wahrung globaler öffentlicher Güter eintreten (z.B. im Globalen Fonds zur Bekämpfung von AIDS, Tuberkulose und Malaria).

Orchestrating peace in South Sudan: exploring the effectiveness of the European Union's mediation support

Thu, 04/23/2020 - 16:28

Previous research has primarily focused on the EU’s high-profile involvement as direct mediator in peace negotiations. Conversely, less attention has been devoted to the EU’s support to third parties’ mediation efforts, which is a significant component of its mediation activities. Addressing this research gap, this article develops a conceptual framework for the systematic analysis of EU mediation support, identifying key mediation support techniques and the conditions for their success. In terms of mediation support techniques, the EU may rely on “endorsement”, “coordination”, “assistance”, and “lending leverage” to empower and steer third party mediators in line with its mediation objectives and values. We illustrate the utility of the conceptual framework for the EU’s support to IGAD in mediating in South Sudan’s civil war. We find that the EU has contributed significantly to IGAD’s empowerment in terms of endorsement, coordination, assistance, and lending leverage. Simultaneously, our analysis also points to important challenges in the EU-IGAD relationship, which relate to challenges concerning strategic engagement with IGAD’s internal politics that are marked by diverging interests and ties of its member states to the conflict parties.

Transnational cooperation in times of rapid global changes: the Arctic Council as a success case?

Wed, 04/22/2020 - 15:13

Global agreements such as the 2030 Agenda for Sustainable Development and the Paris Climate Agreement illustrate the need for transnational cooperation to solve complex and interrelated challenges that affect humanity at large. But how can transnational cooperation be more successful in times of rapid global changes? This discussion paper shows that many of the premises discussed in the literature on transnational cooperation and on multistakeholder partnerships mirror the praise and concerns brought forward in regard to the Arctic Council as a case of success. At the same time, particularly by advancing its process management, transnational cooperation under the auspices of the Arctic Council could be furthered.
This study proceeds as follows. It introduces and compares different approaches in global governance research that are considered as strengthening transnational cooperation and critically explores in how far the Arctic Council can be considered an example to learn from for encouraging transnational cooperation. From the case of the Arctic Council the study further expands on the premises brought forward in the literature and suggests to pay more attention to the dimension of knowledge as particularly in times of rapid global changes a shared understanding of challenges is an important basis for transnational cooperation.

Vertieft die Pandemie die digitale Kluft?

Wed, 04/22/2020 - 14:56

Im Zuge der drastischen Maßnahmen, die die Welt ergreift, um die Infektionsraten des Coronavirus zu verlangsamen, arbeiten inzwischen Milliarden von Zuhause aus. Firmen mit hochqualifizierten Angestellten versuchen, die durch die Ausgangssperren entstandenen Verluste durch einen schnellen Umstieg auf digitale Medien (wie Videokonferenzen oder Webinare) auszugleichen. Aber vielen anderen, insbesondere in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen, fehlen die Voraussetzungen, um bei Social Distancing und digitalen Arbeitsformaten nachzuziehen. Wird dies die digitale Kluft zwischen gutsituierten Angestellten und denjenigen, die nicht in der glücklichen Lage sind, von überall aus arbeiten zu können, vertiefen? Oder könnte die Krise neue globale Wertschöpfungsketten für digitale Dienstleistungen schaffen und zusätzliche Online-Arbeiter rekrutieren?

Die vielen informellen Dienstleistungsjobs im Globalen Süden – etwa im Transport, im Straßenverkauf oder in Reparaturwerkstätten – können nicht vom „Homeoffice“ aus erledigt werden. Doch können (wie teils bereits geschehen) einige dieser Jobs durch Plattformen digitalisiert werden, die verschiedene Arbeitsaufgaben über Websites oder mobile Apps vermitteln, wodurch Transport, Marktinformationen, Lieferdienste, Logistikplanung und Einzelhandelsaktivitäten verbessert werden. Der Großteil dieser Plattformen ist ortsbasiert und verschafft (wie etwa Careem oder GoJek) durch Liefer- und Fahrdienste vor allem Städtern ein (Zusatz-)Einkommen. Dienste für Landwirte wie Marktinformationen und -prognosen sind ebenfalls verbreitet. Bislang leisten relativ wenige Menschen aus der Ferne Schreib- oder Transkriptionsdienste über Online-Plattformen wie Upwork oder Fiverr.

Einerseits erscheint es angesichts der für große Teile der Weltbevölkerung lückenhaften digitalen Infrastruktur und Kompetenzen unvermeidlich, dass die Pandemie die digitale Kluft vertieft. Beim Internetzugang hat die Nutzung von Mobiltelefonen und mobilem Internet in allen Weltregionen stark zugenommen, doch nach wie vor bestehen große Ungleichheiten zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen. Insbesondere bei der Nutzung von Computern und Festnetz-Breitbandanschlüssen unterscheiden sich meist urbane, gut erschlossene Gebiete von solchen mit erheblich schlechterem Netzzugang. Doch gerade Computer und Internetanschlüsse zu Hause sind für ein produktives Arbeiten aus der Ferne unerlässlich.

Für digitale Kompetenzen gibt es bislang keine anerkannte Messgröße, aber Zahlen zum Humankapital sind ein Anhaltspunkt und legen deutliche Unterschiede und somit eine geringere Arbeitsproduktivität in Ländern mit niedrigem und mittleren Einkommen offen. Zudem müssen geeignete Regulierungsmaßnahmen eine neue digitale Kluft zwischen Datenschutz in demokratischen Gesellschaften und staatlicher Überwachung in Autokratien verhindern (Überwachungstechnologien zur Eindämmung der Pandemie gaben bereits einen Vorgeschmack auf die Orwellsche Kontrolle, die durch Kontaktverfolgungs-Apps noch verstärkt werden könnte).

Andererseits können digitale Plattformen Niedriglohnländern helfen, nicht durch die Pandemie abgekoppelt zu werden. Liefer- und Homeoffice-Arbeiten laufen während der Sperrzeiten weiter und werden wohl zunehmend andere Aspekte des Wirtschaftslebens abdecken. In dieser Hinsicht stärkt die Pandemie ortsgebundene Plattformen und Online-Arbeit gleichermaßen (auch wenn gesundheitliche Risiken für Lieferanten ungleich höher sind als für Online-Arbeiter). Langfristig wird das globale Wachstum bei Internet-Plattformen zu einem reiferen Markt und zu einer größeren Vielfalt an leistungsfähigeren und besser (selbst-)regulierten Plattformen führen; dieser Fortschritt wird wahrscheinlich auch in den Globalen Süden ausstrahlen. Fernarbeit ist noch interessanter, da Online-Arbeiter produktive Dienstleistungsexporteure sind, die so höheren Nutzen für sich und ihre Volkswirtschaften erzielen können.

Wirtschaftskrisen bieten Unternehmen in Industrieländern meist einen Anlass, sich derjenigen Arbeiter zu entledigen, deren Arbeit jetzt besser von Maschinen erledigt werden kann – möglicherweise zum Vorteil von Online-Arbeitern anderswo. Diese Automatisierung geht weit über Industrieroboter hinaus. Die größten Jobkiller sind heute Anwendungen für einfache Bürotätigkeiten. Diese Anwendungen scheinen vollständig auf Algorithmen zu basieren, sind aber, um reibungslos zu funktionieren, oft auf verborgene Arbeiter im Globalen Süden angewiesen. Die Pandemie könnte somit das Entstehen neuer globaler Wertschöpfungsketten für digitale Dienstleistungen beschleunigen und Arbeitsplätze in Niedriglohnländer verlagern, wie bereits in den letzten Dekaden in der verarbeitenden Industrie geschehen. Heute konzentrieren sich die wachsende Zahl von Online-Fernarbeitern geografisch in Bangalore und Manila, inzwischen kommen immer mehr Online-Arbeiter aus Orten wie Kairo und Nairobi dazu.

Letztendlich könnte die Pandemie zunächst die bestehende digitale Kluft vertiefen und womöglich den digitalen Autoritarismus stärken. Sie eröffnet aber auch neue Möglichkeiten für diejenigen Menschen in Ballungsräumen des Globalen Südens mit der richtigen Ausbildung und technischen Ausstattung. Zur Bewältigung der akuten Krise sollten sich die Regierungen des Südens gemeinsam mit ihren Partnerorganisationen für Apps zur anonymen Kontaktverfolgung einsetzen und dann die digitalen Möglichkeiten der Bürger erweitern, indem sie Breitband-Internet vergünstigen und den Marktzugang für Online-Firmen und -Arbeiter erleichtern.

Dieser Text ist Teil einer Sonderreihe unseres Formats Die aktuelle Kolumne, die die Folgen der Corona-Krise entwicklungspolitisch und sozioökonomisch einordnet. Sie finden die weiteren Texte hier auf unserer Überblicksseite.

EU-Afrika-Beziehungen nach Corona: Handeln vor dem Schleier des Ungewissen

Tue, 04/21/2020 - 16:13

Am 8. April berief der Auswärtige Dienst der Europäischen Union ein virtuelles Ministertreffen ein, um die Reaktion der EU auf die globale Pandemie zu erörtern. Am Ende der Pressekonferenz verwies der Hohe Vertreter Josep Borrell auf den für Oktober in Brüssel geplanten AU-EU-Gipfel und erwog die Möglichkeit, dass dieser unter gegebenen Umständen eventuell nicht stattfinden könne. Das letzte dieser Treffen auf Staats- und Regierungschef-Ebene zwischen AU und EU Mitgliedstaaten fand im Jahr 2017 in Abidjan statt. Auch der bevorstehende Gipfel war ursprünglich als der Höhepunkt eines Jahres gedacht, das sich verstärkt den Beziehungen zwischen Afrika und der EU widmen sollte. Aufgrund der fortdauernden Corona-Krise bleibt nicht nur die Durchführung des Gipfels, sondern auch die Machbarkeit der angestrebten Agenda in Hinblick auf Afrika ungewiss.

The measurement of multidimensional poverty across countries: A proposal for selecting dimensions

Tue, 04/21/2020 - 13:02

An adequate cross-country comparison of multidimensional poverty requires sound poverty measures. This paper focuses on two central, but often neglected, challenges: the identification of the best theoretical framework and the selection of poverty dimensions. Regarding the first problem, it is argued that Amartya Sen’s capability approach provides the most rigorous analytical apparatus since it views poverty in terms of people’s lack of freedom to live a life they have reason to value, rather than as deprivation of means (income/commodities). In line with the capability approach, the paper then proposes a new solution to the problem of how to select dimensions of poverty. It consists of the expansion of the Constitutional Approach, recently developed by Burchi, De Muro and Kollar, according to which (some) national constitutions could be used as sources of ethically sound poverty dimensions. This approach, so far implemented only at the national level, could be extended to the international context by looking at a minimum list of overlapping dimensions across several countries. Finally, the paper applies this approach, examining several constitutions from all world regions, and supplementing it with three other well-known approaches to the identification of poverty dimensions: the public consensus approach, participatory studies, and surveys. This exercise leads to a clear list of valuable dimensions for international comparisons of poverty. We conclude that international poverty indicators should ideally always contain at least the dimensions of health, education and decent employment.

Droht durch Corona eine Verschuldungskrise in den Entwicklungsländern?

Mon, 04/20/2020 - 12:28

Fast die Hälfte der Niedrigeinkommensländer ist hoch verschuldet. Dies war laut Schätzungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank bereits vor der Corona-Krise der Fall. Die Verschuldungslage wird sich nun infolge der Pandemie weiter verschlechtern. Die Krise wirkt wie ein Beschleuniger: Nach dem Ende des Rohstoffbooms hat sich die fiskalische Lage in vielen Entwicklungsländern verschlechtert. Laut dem IWF ist die öffentliche Verschuldung Sub-Sahara-Afrikas von durchschnittlich 33,1 Prozent zwischen 2010 und 2016 auf 50,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes in 2019 angestiegen.

Der Handlungsspielraum dieser Länder ist also schon jetzt erheblich beeinträchtigt. Nun werden die Steuereinnahmen infolge der Corona-Krise sinken und die Ausgaben zu ihrer Abfederung steigen. Den Entwicklungsländern droht neben einer Gesundheits- und Wirtschaftskrise auch eine Verschuldungskrise. Wie kann die internationale Gemeinschaft dazu beitragen, eine solche Verschuldungskrise in den ärmsten Ländern der Welt zu verhindern?

Eine Verschuldungskrise in den Entwicklungsländern kann nur mit einer Kombination aus mehreren Instrumenten verhindert werden. Dazu gehören vor allem sofortige Liquiditätserleichterungen der Gläubiger durch ein zeitlich begrenztes Schuldenmoratorium und durch den Erlass von Schuldendienstzahlungen für die ärmsten hochverschuldeten Länder. Langfristig müssen das Debt Management verbessert und weltweit einheitliche Prinzipien zur verantwortungsvollen Kreditvergabe und Kreditaufnahme eingeführt werden. Die Einigung auf diese steht in der internationalen Gemeinschaft bereits seit längerem aus. Die Weltbank schätzt, dass Sub-Sahara Afrika alleine 100 Milliarden US-Dollar zur sofortigen Stimulierung der Wirtschaft benötigt.

Auf der Frühjahrstagung des IWF und der Weltbank haben sich alle bilateralen öffentlichen Gläubiger bereit erklärt, den ärmsten Ländern ein Moratorium für ihre Schuldendienstzahlungen von Mai bis Dezember 2020 zu gewähren. Laut Schätzungen der Weltbank könnte eine Aussetzung der Zinszahlungen von allen öffentlichen und privaten Gläubigern alleine im Jahr 2020 Liquidität in Höhe von 44 Milliarden US-Dollar für Sub-Sahara Afrika bereitstellen. Während eines Moratoriums setzt der Schuldner seine Zahlungen für eine bestimmte Zeit aus, wie zum Beispiel die Zinszahlungen. Der große Vorteil eines kurzfristig errichteten Moratoriums ist, dass die Entwicklungsländer in dieser schwierigen Zeit notwendige Ausgaben zur Abfederung der Folgen der Corona-Krise nutzen können und nicht für Schuldendienstzahlungen aufwenden müssen.

Der wesentliche Nachteil ist: Die Ursachen der Verschuldungsprobleme werden nicht erfasst. Es besteht die Gefahr, dass die Verschuldungskrise nur aufgeschoben wird. Zudem könnte ein Moratorium Kapitalflucht weiter erhöhen und das Kredit-Rating der Länder verschlechtern. Aus diesen Gründen sollte dieses Instrument nur angewandt werden, wenn die Länder einen akuten Liquiditätsengpass haben. Ein Moratorium sollte daher nicht pauschal für alle Niedrigeinkommensländer gelten, sondern nur für hochverschuldete Länder. Dafür könnten Schuldengrenzen benannt werden.

Ein weiteres Instrument zur sofortigen Liquiditätshilfe ist der Catastrophe Containment and Relief Trust (CCRT) des IWF. Dieser Fond ermöglicht es dem IWF, Schuldendienstzahlungen armer Länder zu erlassen, wenn diese schweren Naturkatastrophen oder einer Krise der öffentlichen Gesundheit gegenüberstehen. Ende März hat der IWF die Kriterien erweitert, damit dieser Fonds auch für viele Länder mit Pandemien, wie der Corona-Krise angewandt werden kann.

Für die Finanzierung des Fonds muss der IWF allerdings noch mehr Finanzmittel der IWF-Mitgliedstaaten einwerben. Daher sollten die wirtschaftlich starken Länder finanzielle Unterstützung für die Wiederauffüllung dieses Fonds bereitstellen. Damit mehr Länder von den zunächst knappen Mitteln begünstigt werden können, kann der IWF nun auch den Erlass in Tranchen auszahlen. Der IWF wird infolge der Corona-Krise kurzfristig 25 arme Länder mit diesem Instrument unterstützen.

Festzuhalten jedoch ist: Ein Moratorium und auch der CCRT stellen nur kurzfristige Maßnahmen dar. Die Probleme der Verschuldung werden damit nicht ursächlich behoben. Daher sind weitere Schritte notwendig. Diese umfassen Maßnahmen zur Förderung nachhaltiger Schuldenstrukturen in Entwicklungsländern unter Berücksichtigung angemessener Kreditlaufzeiten, Zinssätze und Verhältnisse von Inlands- und Fremdwährungen. Die bestehenden Aktivitäten multilateraler Organisationen wie die Debt Management Facility der Weltbank und des IWF sollten von mehr Ländern unterstützt werden. Nur vier G20 Länder – Deutschland, Japan, Russland und das Vereinigte Königreich – beteiligen sich derzeit an der Finanzierung dieses Instruments. Darüber hinaus sollte sich die internationale Gemeinschaft auf einheitliche Prinzipien zur verantwortlichen Kreditvergabe und -aufnahme einigen.

Die internationale Gemeinschaft trägt in dieser Pandemie eine gemeinsame Verantwortung für die ärmsten Länder der Welt. Daher sind sowohl temporäre sofortige Liquiditätshilfen wie auch langfristige an den Ursachen der Verschuldung ansetzende Maßnahmen wichtig, damit in diesen Ländern neben einer humanitären Katastrophe auch eine finanzielle verhindert werden kann.

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Contagious collaboration? The Covid-19 crisis as a catalyst for global governance and sustainability

Mon, 04/20/2020 - 09:47

The novel coronavirus is keeping the world in suspense. Discussion is revolving around the difficulty of gauging all the impacts of the pandemic. However, we should see the corona crisis as an opportunity. If we learn from it and make use of the power of the momentum of the crisis, the pandemic will also offer unique opportunities for promoting the 2030 Agenda for Sustainable Development and for stepping up international cooperation.

Central bank mandates, sustainability objectives and the promotion of green finance

Mon, 04/20/2020 - 08:42

This paper examines the extent to which addressing climate-related risks and supporting sustainable finance fit into the current set of central bank mandates and objectives. To this end, we conduct a detailed analysis of central bank mandates and objectives, using the IMF’s Central Bank Legislation Database, and compare these to current arrangements and sustainability-related policies central banks have adopted in practice. To scrutinise the alignment of mandates with climate-related policies, we differentiate between the impact of environmental factors on the conventional core objectives of central banking and a potential supportive role of central banks with regard to green finance and sustainability. Of the 135 central banks in our sample, only 12% have explicit sustainability mandates, while another 40% are mandated to support the government’s policy priorities, which in most cases include sustainability goals. However, given that climate risks can directly affect central banks’ traditional core responsibilities, most notably monetary and financial stability, even central banks without explicit or implicit sustainability objectives ought to incorporate climate-related physical and transition risks into their core policy implementation frameworks in order to efficiently and successfully safeguard macro-financial stability.

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