Conflicts around access to, control over, and quality of water accompany mining projects all over the globe. Often, they are associated with high intensity as means of contestation range from verbal complaints to protest marches, civil disobedience and violent confrontations. While numerous case studies on water-related mining conflicts exist, scholarship that synthesizes insights remains rare. In order to better understand the dynamics that lead to the escalation of conflicts and to further theory development on the role of, e.g., political economic contexts, hydro-social conditions and social relationships, a systematic overview of the existing empirical evidence is needed. Our meta-study of 53 water and mining conflicts identifies several combinations of conditions that are tied to large-scale mobilization and the use of civil disobedience measures, sabotage or hunger strikes by environmental defenders. As our results show, raised stakes and ontological differences, e.g. in situations where water is essential for livelihoods and cultural and spiritual practices, play a role, in particular when coupled with a lack of meaningful participation. Discursive or physical coercion by the state or by private security forces also intensify mobilization rather than containing it while the role of international NGOs is more ambiguous. To identify explanatory scenarios, we conducted a two-step, fuzzy-set qualitative comparative analysis (fsQCA) based on data collected in a systematic literature review of peer-reviewed articles and book chapters. Taking its data from published research, our study identifies a geographic bias towards Latin America in academic literature on water and mining conflicts and points out topical blind spots. By looking for conditions that are consistently associated with high-intensity conflicts, it also provides insights on priority areas of engagement for community leaders, policy-makers, and private sector and civil society representatives seeking to avoid the escalation of conflicts.
The ongoing compound and acute crises of Covid-19 and the war in Ukraine meet longer-term but no-less pressing crises of social and environmental sustainability in and around agriculture, food and nutrition security. At the same time, they irritate existing frames on (and perceptions of) how to address trade and sustainability. External shocks must be increasingly considered when addressing food security, following the FAO’s observation that conflicts and migration have developed into major reasons for food insecurity and hunger. Additionally, climate change, biodiversity loss and human rights are generally most challenging and partially conflicting for many developing countries. They have to address them by aiming at increased and more nutritious food production, job creation, poverty alleviation and resilience to shocks of a still strongly growing and urbanising population. Many international mechanisms are already in place on agriculture and food systems which are almost unavoidably not (yet) sufficiently coordinated. A new generation of due diligence laws recently is added mostly by industrialised countries to that existing mix of policies in place addressing serious sustainability gaps of supply chains into these countries. However, these regulations also bear the risk of generating unintended negative consequences, particularly for smallholder farmers in poor countries. Against this background, we conclude for proposals at different degree of specificity: (i) Reacting to geopolitical risks: Immediate and long-term measures to safeguard food security in light of Russia’s War on Ukraine, (ii) Balancing and integrating food security and sustainability, (iii) Initiating a joint observatory on new due diligence measures, and (iv) Starting a process to improve harmonised global governance for agriculture and food systems.
Die Investitionen von heute entscheiden darüber, was und wie in den nächsten Jahrzehnten produziert wird. Finanzmärkte können daher einen großen Einfluss auf die Transformation der Wirtschaft zu mehr Nachhaltigkeit haben – im Positiven wie im Negativen. Eine zentrale Rolle bei den Bemühungen, Kapitalflüsse in nachhaltigere Wirtschaftsmodelle umzuleiten, könnte einem Klassifikationssystem mit dem sperrigen Namen EU-Taxonomie für nachhaltige Aktivitäten zukommen. Die Taxonomie definiert, welche wirtschaftlichen Aktivitäten nach Auffassung der EU als nachhaltig gelten sollen. Damit die Taxonomie tatsächlich zu mehr Nachhaltigkeit beitragen kann, wird es wichtig sein, die enthaltenen Kriterien hinreichend anspruchsvoll zu gestalten, die Taxonomie sinnvoll in andere Regulierungen und Politikmaßnahmen einzubetten und ihre globalen Auswirkungen zu berücksichtigen.
Als „gemeinsame Sprache“ auf den Finanzmärkten soll die Taxonomie es Investor*innen erleichtern, die Nachhaltigkeit von Investitionsprojekten in ihren Entscheidungen zu berücksichtigen – ob aus einer moralischen Motivation oder weil sie befürchten, dass nicht nachhaltige Wirtschaftsweisen in der Zukunft nicht mehr profitabel sein werden. Hierfür definiert die Taxonomie eine Reihe von ökologischen (und in Zukunft voraussichtlich auch sozialen) Zielen, wie den Klimaschutz oder den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft. Eine Aktivität soll dann als nachhaltig gelten, wenn sie einen wesentlichen Beitrag zu einem dieser Ziele leistet und das Erreichen der anderen Ziele nicht erheblich beeinträchtigt. Unter welchen Bedingungen dies der Fall ist, wird dabei für viele Industrien ganz konkret definiert (z.B. mithilfe von Grenzwerten).
Doch die Entwicklung eines so umfangreichen Regelwerks wie der Taxonomie ist ein hochkomplexes Unterfangen, bei dem auch leicht Fehlanreize entstehen können. So gelingt es leider nicht immer, hinreichend anspruchsvolle Kriterien gegen die Partikularinteressen bestimmter Industrien durchzusetzen. Viel öffentliche Aufmerksamkeit erhielt in diesem Zusammenhang die Einstufung der Stromerzeugung mithilfe von Erdgas oder Atomkraft, die nach der Taxonomie unter bestimmten Bedingungen als nachhaltig gilt. Aber auch schon zuvor hatten mehrere Nichtregierungsorganisationen ihre Teilnahme an einer Expert*innengruppe zeitweise ausgesetzt, die die EU in der Entwicklung der Taxonomie unterstützt. Sie protestierten damit gegen die Ausgestaltung der Kriterien für nachhaltige Waldinvestments und Bioenergie. Im Zuge des wieder erwachten Enthusiasmus für Aufrüstung wittern Rüstungslobbyist*innen nun sogar die Chance zu erreichen, dass die EU der Kriegswaffenproduktion einen positiven Beitrag zur sozialen Nachhaltigkeit attestiert. Solche Einstufungen können die Lenkungswirkung der Taxonomie hin zu tatsächlich nachhaltigen Aktivitäten stark reduzieren und ihre Glaubwürdigkeit bei Investor*innen beschädigen.
Die Auswirkungen der Taxonomie werden zudem davon abhängen, wie sie in andere Regulierungen und Politikmaßnahmen eingebettet wird. Fest steht, dass die die Taxonomie mit Berichtspflichten verbunden ist. So müssen etwa alle großen Unternehmen darlegen, welcher Anteil ihres Umsatzes sowie ihrer Betriebs- und Investitionsausgaben mit taxonomiekonformen Aktivitäten assoziiert ist. Außerdem werden sich staatliche Siegel, wie das EU Eco Label für Finanzprodukte, auf die Taxonomie beziehen. Über solche auf Transparenz zielende Maßnahmen hinaus werden jedoch noch weitere Möglichkeiten diskutiert, wie die Taxonomie genutzt werden kann, um Kapitelströme umzuleiten. Beispielweise könnte die Europäische Zentralbank (EZB) bei Anleihekäufen bevorzugt taxonomiekonforme Anleihen erwerben („green quantitative easing“). Öffentliche Banken könnten bei ihren Kreditvergabe- und Investitionsentscheidungen die Taxonomie berücksichtigen. Und die Kapitalanforderungen an Banken könnten an die Nachhaltigkeit ihrer Investitionen geknüpft werden.
Bei all dem sollte auch beachtet werden, dass die Auswirkungen der EU-Taxonomie weit über Europa hinaus zu spüren sein werden. Erstens wird die Taxonomie ein bedeutender Standard für globale Finanzmärkte werden. Schließlich müssen alle Akteure, die Finanzprodukte auf dem wichtigen EU-Markt anbieten wollen, in Zukunft darüber berichten, zu welchem Anteil ihre Produkte taxonomiekonforme Aktivitäten finanzieren. Zweitens ist die EU bei weitem nicht die einzige Institution, die zurzeit eine Taxonomie entwickelt. Es ist anzunehmen, dass sich andere Regionen und Länder bei der Ausgestaltung ihrer Taxonomien unter anderem an der EU orientieren werden. Drittens werden sich die sozialen Kriterien wohl zum Teil auf globale Lieferketten beziehen. Die Auswirkungen der Taxonomie auf nicht-EU-Länder sollten daher bei der Ausgestaltung und zukünftigen Weiterentwicklung der Taxonomie unbedingt berücksichtigt werden – ohne dass dies zu einer Absenkung von Standards führen sollte. Hierfür sind der Dialog und die Koordination mit anderen Ländern zentral.
Die EU-Nachhaltigkeitstaxonomie ist ein großes Experiment. Mit ihr verbindet sich das Versprechen, Ziele für private Unternehmen zu definieren, die über die reine Profitmaximierung hinausgehen. Milton Friedmans „The business of business is business“ – und zwar nichts als das – soll also endlich nicht mehr gelten. Der Erfolg der Taxonomie wird auch davon abhängen, ob die enthaltenen Kriterien regelmäßig überprüft, ihr Ambitionsniveau über die Jahre konsequent angehoben und die Auswirkungen der Taxonomie – ob innerhalb oder außerhalb der EU – genau verfolgt werden.
President Putin’s aggression against Ukraine is, in the first place, a disaster for the people of Ukraine. At the same time, it is an attack on peace and security, international law, and a cooperative world order. Russia’s war in many ways also jeopardizes the efforts to maintain and strengthen other global public goods and to address humanity’s common and collective challenges, which have been growing over the past years with a steep rise during the ongoing pandemic. It will also affect international forums that are needed to facilitate cooperative action. Other concerns and the concerns of others are in danger of being massively overshadowed – to the detriment of global solidarity in times of aggression. Preventing this is a core task of the G7 in 2022. The G7 under the German Presidency should position itself in a way that responds to Russia’s aggression without throwing its medium- and long-term priority agenda overboard as the addressed challenges remain equally pressing. While the summit and the ministers’ meetings will very likely show a strong focus on the response to Russia’s invasion of Ukraine, the G7 should overall stick to the five priority areas rolled out by the German Presidency – sustainable planet, economic stability and transformation, healthy lives, investment in a better future and stronger together. It should at the same time supplement, adapt, and link them to the evolving situation and necessities, including by supporting measures that address the negative economic and social impacts of the war and the sanctions on third countries. When implementing its policy initiatives, we recommend that the G7 takes an extra effort and invests its political and economic clout in intensified international cooperation for the global common good. The G7 should do so by linking up its activities with other partners, by bolstering inclusive global governance institutions, and through tethering plurilateral and multi-stakeholder formats to a strengthened United Nations and other multilateral organisations.
The peace processes in Liberia and Sierra Leone share similar contexts and have an interrelated history. They are also often portrayed as successful cases of peacebuilding. This conclusion seems valid, as war has not returned, and political power was handed over peacefully; however, both cases differ with regard to the inclusiveness of the peace processes and the role of local leaders. This article aims to add to the critical peacebuilding debate by focusing on local perceptions about the position of local leaders in these two peace processes. We conducted a public opinion survey in five regions in Sierra Leone and Liberia and expert interviews with peacebuilding actors to examine changing perceptions about the roles of local leaders in both countries. This article speaks to the broader peacebuilding debate by highlighting the importance of including local voices in the peace process and by discussing challenges of inclusive peacebuilding.
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine stellt nicht nur eine Zäsur für Europa und seine Sicherheitsarchitektur dar. Ähnlich wie „9/11“, die Terroranschläge von 2001, könnte dieser Krieg das gesamte internationale System verändern. Damals war es die Mobilisierung für einen „globalen Krieg gegen den Terror“ durch die Führungsmacht USA, die auf Jahre hinaus den sicherheitspolitischen Fokus verschob. Diplomatie, Entwicklungszusammenarbeit und andere Formen internationaler Kooperation folgten in ihrem Sog.
„2/24“, der 24. Februar 2022, könnte als ein neuer Wendepunkt in die Geschichte eingehen. Es besteht die konkrete Gefahr einer neuen geopolitischen Aufteilung der Welt. Die liberalen Demokratien in Europa und Nordamerika sehen sich erneut mit ihrer Verwundbarkeit konfrontiert. Unmittelbar erleben die Menschen in der Ukraine unermessliches Leid. Aber die Bedrohung wirkt darüber hinaus. In Europa droht eine neue Trennlinie zwischen Putins Machtgebiet und seinen westlichen Nachbarn. Jenseits von Europa und Nordamerika ist Russland indes weit weniger isoliert. Über fünfzig Staaten sprachen sich am 2. März in der VN-Generalversammlung nicht für eine Verurteilung Russlands aus. Unter ihnen waren globale Schwergewichte wie China und Indien, aber auch die Mehrheit der Staaten in Asien und dem südlichen und östlichen Afrika. Parallel wächst die Gefahr, dass die von Chinas Einflusspolitik befeuerten Spannungen im asiatisch-pazifischen Raum zunehmen und in bewaffnete Aggression münden könnten.
Es ist also nicht ausgeschlossen, dass sich die Staatenwelt erneut in „Freund und Feind“ aufteilt. Doch zugleich verschärft sich die Klimakrise weiter, globale Ungleichheit nimmt zu und die längst nicht überwundene Corona-Pandemie verlangt mehr denn je nach kooperativen multilateralen Lösungen. In dieser neuen Realität, in der eine Nuklearmacht militärischen Revisionismus betreibt und jegliche Regeln der Staatenwelt missachtet, ist daher nicht nur über Aufrüstung und Abschreckung zu diskutieren. Kooperation bleibt notwendig, doch das Instrumentarium der internationalen Zusammenarbeit muss neu justiert werden. Drei Themen drängen sich auf:
Politische Regime: Russlands Entwicklung der letzten zwei Jahrzehnte muss eine ernsthafte Mahnung sein, wohin es führt, wenn autoritäre Herrscher ihr Machtsystem – auch mit Hilfe extern generierter Renten – gegen jede innenpolitische Anfechtung immunisieren können. Nicht bloß ein aggressives Russland einzudämmen wird in absehbarer Zeit die größte strategische Herausforderung für liberale Demokratien sein, sondern solche Art unkontrollierbarer Machtausübung generell. Anders als manche sicherheitspolitische „Realisten“ meinen, ist es daher nicht naiv, Demokratie und Menschenrechte zu fördern und zu schützen sowie zivilgesellschaftliche Vielfalt zu stärken. Es sind langfristige Investitionen, die nachweislich effektiv sind – wenn sie nicht durch kurzfristig orientierte wirtschaftliche oder strategische Interessen unterlaufen werden.
Interdependenz: Russlands flagranter Völkerrechtsbruch könnte den Schluss nahelegen, die Idee der Friedenssicherung durch Interdependenz sei insgesamt gescheitert. Doch globale Zukunftsaufgaben zu gestalten, wird weiter zwingend Kooperation erfordern – und mit ihr auch gegenseitige Verflechtung von Strukturen, Interessen und Kapitalflüssen. Umso wichtiger ist es, die Bedingungen förderlicher Interdependenz zu präzisieren. Regierungen, die Freiheit und Menschenrechte in ihrem eigenen Land brutal unterdrücken, werden im Zweifel auch fundamentale internationale Regeln missachten. Interdependenz mit diesen Regierungen darf nicht in eine Abhängigkeit münden, die erpressbar macht. Viel stärker als bisher müssen wir Lieferketten und Rohstoffversorgung daraufhin überprüfen, ob sie politischen Großkrisen standhalten können. Die dafür nötige Redundanz in den Systemen wird Kosten verursachen. Sie sind der Preis für eine resiliente Interdependenz.
Entwicklungsbudgets: Die Bundesregierung hat angekündigt, erheblich mehr in die Bundeswehr zu investieren, als dies noch vor wenigen Wochen denkbar erschien. Zudem steigt der Mittelbedarf für humanitäre Aufgaben. Doch im Gegenzug droht (und so sieht es im jüngsten Etatentwurf des Kabinetts aus), dass an der Entwicklungszusammenarbeit und bei anderen strukturbildenden Formen der Kooperation gespart wird. Das wäre fatal kurzsichtig. Damit würden etwa Beiträge zur Konflikteindämmung und Verhütung von Gewalt in Afrika, Asien und Lateinamerika erschwert oder unmöglich gemacht. Richtig ist: die klassische Entwicklungszusammenarbeit wird sich in naher Zukunft radikal verändern müssen, um nicht in überholten Mustern von Gebern und Nehmern zu verharren. Aber der Bedarf an finanziellen Mitteln zur Gestaltung konstruktiver Partnerschaften in aller Welt wird nicht ab-, sondern zunehmen. Mehr denn je werden Ressourcen gebraucht, um Lösungen für globale Gemeinschaftsaufgaben zu entwickeln und die Vielfalt, den Zusammenhalt und die Innovationsfähigkeit von Gesellschaften zu stärken.
Der Verfestigung autokratischer Herrschaft entgegenwirken, Interdependenz resilienter gestalten und in langfristige Strukturbildung investieren: Eine so verstandene internationale Zusammenarbeit würde einen essenziellen Beitrag zu unserer globalen Zukunftsvorsorge leisten – auch und gerade nach „2/24“.
In low-income countries, vaccination campaigns are lagging, and evidence on vaccine acceptance, a crucial public health planning input, remains scant. This is the first study that reports willingness to take COVID-19 vaccines and its socio-demographic correlates in Ethiopia, Africa’s second most populous country. The analysis is based on a nationally representative survey data of 2,317 households conducted in the informal economy. Willingness to take the vaccine was high (88%) and significantly associated with COVID-19 cases in the family, trust in government and pro-social behavior. All other predictors such as gender, education, income, health insurance, chronic illness, urban residence did not significantly predict vaccine willingness at the 5% level. Among those willing to take the vaccine, 33% also answered that they would hypothetically pay (an unspecified amount) for it, an answer that is significantly associated with trust in government, health insurance coverage and income. The results highlight both opportunities and challenges. There is little evidence of vaccine hesitancy in Ethiopia among household heads operating in the informal economy. The role played by trust in government and pro-social behavior in motivating this outcome suggests that policy makers need to consider these factors in the planning of COVID-19 vaccine campaigns in order to foster vaccine uptake. At the same time, as the willingness to hypothetically pay for a COVID-19 vaccine seems to be small, fairly-priced vaccines along with financial support are also needed to ensure further uptake of COVID-19 vaccines.
Die Invasion der Ukraine durch den russischen Präsidenten Wladimir Putin ist ein eklatanter Bruch regelbasierter internationaler Kooperation. Deutschland und andere europäische Länder nehmen deshalb eine komplette Neubewertung von Themen wie etwa Waffenlieferungen in Kriegsgebiete vor. Aber die Auswirkungen der russischen Aggression betreffen alle Weltregionen. Auch in der äußerst heterogenen Gruppe von Ländern, die dem Globalen Süden zugerechnet werden, zeichnen sich Folgen ab.
Der Import von Wasserstoff sowie Syntheseprodukten von Wasserstoff wie Methanol und Ammoniak bildet eine wesentliche Säule der nationalen und der EU-Wasserstoffstrategie. Die meisten Studien gehen von künftigen Importanteilen nach Deutschland und in die EU von über 50% aus. Politische Maßnahmen wie eine staatliche Förderung in Milliardenhöhe in Deutschland sind hierauf ausgerichtet. Unter anderem aufgrund guter ökonomischer Bedingungen für die Herstellung und die Lieferung sind neben Russland auch Staaten wie Kasachstan, Marokko, Saudi-Arabien und die Ukraine in der deutschen und europäischen Wasserstoffstrategie relevante Ansprechpartner. Der Krieg von Russland mit der Ukraine hat auf vielen Seiten zur Erkenntnis geführt, dass die bisher geltende Gewissheit, dass enge Handelsbeziehungen zu einer stabilen Energieversorgung führen, zu hinterfragen ist. Um unsere Resilienz zu erhöhen, müssen zentrale strategische Annahmen auf den Prüfstand gestellt werden.D as Zukunftsthema Wasserstoff ist davon in besonderem Maße betroffen. Hier stehen strategische Entscheidungen an, die langfristige ökonomische und politische Auswirkungen haben. In diesem Impulspapier wird auf einzelne Aspekte eingegangen, es werden Ansätze für eine mögliche Neubewertung diskutiert und offene Fragen aufgeworfen. Der Impulsbeitrag soll zur weiteren Diskussion zu dem Thema anregen.
Dazu auch: Hintergrundpapier
Deutsche Kommunen sind entwicklungspolitisch zunehmend aktiv. Städte, Landkreise, Gemeinden und weitere kommunale Gebietskörperschaften engagieren sich vielfältig im In- und Ausland. Die kommunalen Verwaltungen arbeiten dabei zu einem breiten Themenspektrum mit zahlreichen Akteuren zusammen. Allerdings war bisher über die Hintergründe und Ausgestaltung ihres Engagements sehr wenig bekannt. Vor diesem Hintergrund führte das Deutsche Institut für Entwicklungspolitik (DIE) im letzten Jahr eine Bestandsaufnahme der Kommunalen Entwicklungspolitik (KEpol) in Deutschland durch. Finanziert wurde sie von der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW). Auf Grundlage einer bereits 2009 vom DIE durchgeführten Studie sollten Entwicklungstrends in diesem kommunalen Politikfeld ausgemacht werden. In Kooperation mit dem Deutschen Evaluierungsinstitut der Entwicklungszusammenarbeit (DEval) führte das DIE eine deutschlandweite Befragung von Kommunen 1 und vertiefende qualitative Interviews mit Vertreter:innen von Kommunen und relevanten Bundes- und Länderinstitutionen durch. Die kommunalen Spitzenverbände (DST, DLT und DStGB) unterstützten die Datenerhebung.
The land and the sea are interconnected. Changes originating on land impact on the health of the seas, whose condition in turn bears on terrestrial ecosystems and on human well-being. Increasing anthropogenic activities in coasts – where land and sea interface – are intensifying these interdependencies. But the dominant governance approach, which separates responsibilities for land and sea, fails to account for land-sea interactions as an important frontier for advancing sustainability.
Der Weltwassertag der Vereinten Nationen am 22. März steht dieses Jahr unter dem Motto: Grundwasser – das Unsichtbare sichtbar machen. Wenn Flüsse zunehmend verschmutzen oder austrocknen, ist die Nutzung von Grundwasser für die Trinkwasserversorgung, Industrie, Energie und Landwirtschaft eine vermeintlich sichere Quelle. Doch gerade in der wasserknappen und vom Klimawandel stark betroffenen Region Mittlerer Osten und Nordafrika (MENA) droht auch diese Quelle zu versiegen. Hier ist die Rate der Grundwasser(über)nutzung im weltweiten Vergleich am höchsten, gleichzeitig steigt die Verschmutzung der Ressource durch Abwässer und eindringendes Salzwasser. Insbesondere die bewässerte Landwirtschaft gefährdet viele Grundwasserleiter in der Region massiv.
Bisherige Lösungsansätze reichen nicht
Häufig werden technische Lösungen als Antwort auf die Grundwasserkrise gesucht. Grundwasserleiter können durch Wasserzufuhr (z.B. behandeltes Abwasser, Sturmfluten) wieder befüllt oder wassersparende und abwasseraufbereitende Technologien eingesetzt werden, um den Verbrauch zu vermindern. Satellitengestütztes Monitoring des Landnutzungswandels kann helfen, Quellen von Verschmutzung und Übernutzung auszumachen oder verbrauchsabhängige Wassernutzungsgebühren zu erheben. Letztere sind Teil ökonomischer Lösungsansätze wie sie beispielsweise in Jordanien im Hochland und in der Azraq-Oase verfolgt werden: Mittels Gebühren sollen Anreize für einen sparsamen Umgang geschaffen werden.
Auch institutionelle Reformen zum Schutz und zur Erhaltung der Grundwasserressourcen werden vielerorts angestoßen. Verwundbare Trinkwassergewinnungsgebiete werden für die Nutzung gesperrt. Bau und die Nutzung von Brunnen werden an Lizenzen gekoppelt. Zudem hat z.B. die marokkanische Regierung in verschiedenen Regionen des Landes gemeinsam mit den verschiedenen Nutzergruppen in Grundwasserverträgen die Grundwassernutzung verbindlich festgelegt.
Doch trotz dieser Maßnahmen steigt die Grundwasserentnahme in der Region. So sind Gebühren häufig nicht hoch genug, um Steuerungswirkung zu entfalten und werden nicht konsequent genug erhoben. Die intransparente Vergabe und mangelnde Kontrolle von Brunnen-Lizenzen erhöhen weiterhin in vielen Regionen die Entnahmen. Auch behindern die unterschiedlichen Interessen der beteiligten Akteure die Durchsetzung von Verträgen, etwa wenn Ressourcenschutz gegenüber politisch einflussreichen Landwirt*innen nicht durchgesetzt werden kann. Dies zeigt: Das Problem der übernutzten Grundwasserressourcen in der MENA-Region ist politischer Natur.
Wasser bedeutet Macht
Insbesondere in der MENA-Region ist Wasser eng verknüpft mit den entsprechenden Gesellschaftsverträgen. Gesellschaftsverträge sind implizite Abkommen zwischen den Regierenden und der Bevölkerung, bei denen Regierungen Legitimität und Loyalität sichern, indem sie bestimmte Dienstleistungen bereitstellen, Sicherheit gewährleisten und teilweise auch politische Beteiligung ermöglichen.
Gerade weil Grundwasservorkommen in vielen Ländern trotz Dürre und Klimawandel weiterhin Landwirtschaft ermöglichen und gleichzeitig schnell wachsende Städte mit Trinkwasser versorgen, sind sie ein wichtiger Pfeiler solcher Gesellschaftsverträge. Denn gelingt es Regierungen nicht, die Wasserversorgung ihrer Bevölkerung zu sichern oder diese vor den negativen Auswirkungen von Wasserknappheit, Dürren und Überflutungen zu schützen, scheitern sie an ihrer Verantwortung im Gesellschaftsvertrag und riskieren Proteste, beispielsweise von Kleinbäuer*innen, deren Lebensunterhalt vom Zugang zu Wasser abhängt.
Gleichzeitig beeinflussen die jeweiligen Gesellschaftsverträge, wie Grundwasser bewirtschaftet wird. Häufig spielen einflussreiche Landwirt*innen und Agrarunternehmen, die lukrative Exportprodukte anbauen, eine wichtige Rolle im Gesellschaftsvertrag. Sie sind Teil der politischen Elite oder verfügen über eine starke Lobby, um ihre Interessen durchzusetzen und Ressourcenzugänge oder Gebührenrabatte zu sichern. So werden Maßnahmen zur ökologisch dringend notwendigen Begrenzung der Wasserentnahme in vielen Ländern der Region kaum durchgesetzt.
Notwendig ist deshalb eine gesamtgesellschaftliche Debatte darüber, wie die MENA-Länder mit ihren begrenzten und übernutzten Wasserressourcen mittel- und langfristig umgehen wollen. Dabei müssen nationale Regierungen, zivilgesellschaftliche Akteure, der Privatsektor und die Entwicklungszusammenarbeit die Zusammenhänge zwischen Wasser und Gesellschaftsverträgen berücksichtigen und neu regeln: Wie kann politische Loyalität von der Wasserverteilung abgekoppelt und in größere Zusammenhänge guter Regierungsführung überführt werden? Das schließt auch eine Diskussion darüber ein, welche Wirtschaftssektoren ausgebaut und welche zurückgefahren werden sollen. Wichtig ist, dass eine solche Wende ökologisch und sozial verträglich gestaltet wird. Solange diese (macht)politischen Fragen nicht berücksichtigt werden, werden auch technische und institutionelle Lösungen Grundwasservorkommen nicht schützen können.
Aktuelle Kolumne des Bonn Water Network.
Über die Autorinnen:
Dr. Annabelle Houdret ist Politikwissenschaftlerin und Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsprogramm „Umwelt-Governance“.
Dr. Birgit Kemmerling ist Geographin und Senior Researcher im Bonn International Centre for Conflict Studies (BICC).
Dr. Ines Dombrowsky ist Ökonomin und Programmleitung des Forschungsprogramms „Umwelt-Governance“.
Le président français, Emmanuel Macron, a annoncé un retrait progressif des troupes de l'opération Barkhane. Déjà, avant le coup d'État, le sentiment anti-français au Mali avait pris de l’ampleur et l'opinion publique française avait désapprouvé l'opération militaire. Au-delà des incertitudes, le retrait de la France aura des effets assez prévisibles, à savoir l'émergence d'un nouveau vide sécuritaire, d'un sentiment de désaffection plus profond entre la junte et les partenaires européens, et de nouveaux obstacles aux efforts de développement et d'aide humanitaire.
Dieses Working Paper greift die bestehende Diskussion zur Nachhaltigkeit von Wasserstoff und Syntheseprodukten bzw. Derivaten auf und schafft eine Grundlage für ein gemeinsames Verständnis hiervon im Forschungsvorhaben HYPAT, bei dem es um die Erstellung eines globalen Wasserstoffpotenzialatlasses geht. Mögliche Produktionsländer und Importländer von Wasserstoff und auf Wasserstoff basierende Derivate werden identifiziert. Als Ergebnis von Literaturrecherchen, Teilnahme an Workshops, Interviews und vor allem von Diskussionen der beteiligten Institutionen am HYPAT-Arbeitspaket 3.2.1 sind Kriterien zur Beurteilung der Nachhaltigkeit von Wasserstoff und Derivaten für den Export entstanden.
The war in Ukraine gives reason to fear the worst: Will the Arctic turn again into a region of confrontation, remain a region of cooperation or become a region “on hold”? Three scenarios for future collaboration in the Arctic and their implications for global cooperation on climate change.
Warum Russlands Aggression in Schwellen- und Entwicklungsländern nicht einhellig verurteilt wird – und was das mit dem Irak-Krieg 2003 oder der Unterstützung afrikanischer Freiheitsbewegungen durch die Sowjetunion zu tun hat.
Oceans are facing radical changes due to anthropogenic ocean acidification leading to an unstable climate. Although the expected profound impacts on humanity and ecosystems are scientifically proven, marine realms have attracted little attention in politics and climate change negotiations. Research vessels are playing an important role in facilitating research on the vast ocean defying weather, time, and space, thus allowing scientific knowledge production that is of crucial importance for understanding marine systems and climate change. But what exactly happens on board of a research vessel? Which role does the vessel play in scientific knowledge production inmarine research? How are social processes and technologies affecting knowledge production? How is newly gained knowledge transferred to and accessible for society and politics? These questions were explored during a seven-week geomorphological expedition in the North Atlantic and Labrador Sea.
In the last decade, a movement formed around making aid delivery more adaptive, relying on principles such as context-sensitivity, flexibility and ownership. The approaches seem promising for civil society organizations (CSOs) to fulfil their mission of fostering social transformation. While several donor agencies have started engaging with such approaches, the authors hardly see their political implications in practice.
The article aims to provide evidence on an adaptive project and demonstrate how the social transformative and political nature of adaptive development management is rendered technical and is depoliticized in practice.
We use a case study of a development programme based on a social transformative policy framework that is implemented through CSOs in Uganda and Vietnam. Data was collected by means of interviews, participant observation and document analysis.
We find that, in practice, the social transformative policy framework is competing with managerial logics. We compare this process with the depoliticization of the Paris Declaration on Aid Effectiveness, finding striking similarities. By using practice theory, we show how managerialism remains the dominant paradigm in the civil society aid sector, fuelling the ‘anti-politics machine’.
The article shows that policy frameworks do not always work as intended. Donors should therefore not only change policy frameworks, but also start addressing institutional and operational requirements.
The 2017 Nepali Local Elections marked the first opportunity in over a decade for citizens to vote for representatives at the local governmental level across Nepal. Held in three phases between May and September of 2017, this set of elections holds great historical significance as they are also the first local level elections to be held since the promulgation of the new Constitution of Nepal of 2015, which introduced a three-tier federal governance system. Thus, the 2017 elections represent key element of the Nepalese peace process moving forward. How has the introduction of local elections affected peace and the social fabric in Nepal? The elections were initially highly criticized by some and laden with high expectations by others. This report presents some key findings of a comprehensive research study on the introduction of the elections jointly conducted by the Deutsches Institut für Entwicklungspolitik/German Development Institute (DIE) and Centre for Social Change (CSC) between the period of January-May 2021. This report outlines the key outcomes, insights, and takeaways obtained in this study.
Die Bundesregierung hat ihre langjährige Ablehnung gegenüber Waffenlieferungen in Konfliktgebiete angesichts des Krieges in der Ukraine aufgegeben. In Anbetracht der existenziellen Bedrohung eines demokratischen Partners in Europa kündigte Bundeskanzler Scholz an, die ukrainische Armee mit Stinger-Raketen und Panzerabwehrwaffen zu beliefern. Diese historische Kehrtwende einer Politik, die ihre Wurzeln im Erbe des Zweiten Weltkriegs hat, wurde weithin als Akt der Solidarität gewertet. Sie nährt aber auch Sorgen, die Bundesregierung könnte im Zuge ihres Kurswechsels auch andere Beschränkungen für Waffenexporte aufgeben – etwa an Autokratien. Obschon die russische Invasion doch die Notwendigkeit unterstreicht, bisherige Rüstungspolitik stärker auf den Prüfstand zu stellen – gerade gegenüber Autokratien.
Ein Beispiel ist die Sicherheitskooperation mit Ägypten: Die USA und Deutschland haben kürzlich umfangreiche Waffengeschäfte mit dem Land abgeschlossen, die EU strebt mit dem Land eine Partnerschaft zur Terrorismusbekämpfung an. Diese Initiativen wurden vor dem Hintergrund der katastrophalen Menschenrechtsbilanz Ägyptens heftig von Befürworter*innen einer restriktiveren Rüstungsexportpolitik kritisiert. Jenseits der Frage nach der moralischen Vertretbarkeit der Geschäfte sind sie aber auch mit erheblichen wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Kosten verbunden.
Erstens werfen große Waffengeschäfte Fragen zu den Entwicklungsprioritäten Ägyptens auf. Geld, das für Militärflugzeuge, Schiffe und Radarsysteme ausgegeben wird, steht nicht für die Armutsbekämpfung oder die Modernisierung baufälliger Schulen und Krankenhäuser zur Verfügung. Die Rüstungsgeschäfte im Wert von 7,5 Milliarden Dollar entsprechen fast drei Viertel des Bildungsbudgets des Landes oder 75 % der jährlichen Ausgaben für die Einfuhr von Grundnahrungsmitteln. Sie übersteigen das Gesamtbudget für die Gesundheitsversorgung in Zeiten einer Pandemie. Waffenimporten Vorrang vor inländischen Investitionen zu geben, bedroht die wirtschaftliche Funktionsfähigkeit des Landes, den sozialen Zusammenhalt und letztlich die Stabilität Ägyptens.
Zudem nimmt der Abwertungsdruck auf die ägyptische Währung zu. Die Inlandsverschuldung des Staates besteht vor allem aus Schatzbriefen in ägyptischen Pfund, deren realer Wert und Zins in Folge der hohen Inflation bereits stark verfielen. Da in- und ausländische Investoren mit einem baldigen Anstieg der US-Zinsen rechnen und immer weniger rentable Investitionsmöglichkeiten sehen, verlassen sie das Land zunehmend auf der Suche nach sichereren Märkten. Die Kluft zwischen dem von Ägyptens Regierung verwalteten und dem auf freien Märkten angewandten Wechselkurs wird dadurch noch größer. Dies setzt das Leistungsbilanzdefizit weiter unter Druck, sodass eine baldige Abwertung des Pfundes unmittelbar bevorsteht. Versuche, hiergegen anzukämpfen, führen nur dazu, dass die ägyptischen Währungsreserven aufgebraucht werden und der Wert des Pfundes weiter sinkt. Die neuen Importe erhöhen zudem die Auslandsverschuldung des Landes. Und der Schuldendienst wird nach einer Abwertung des Pfundes erneut teurer, was die Fähigkeiten der Regierung weiter beeinträchtigt, den Bürger*innen wichtige Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen und dringend benötigte Investitionen zur Entwicklung des Landes zu tätigen.
Darüber hinaus untergraben die Waffengeschäfte den westlichen Anspruch einer rechtsbasierten Außenpolitik sowie die Fähigkeit als vertrauenswürdiger Partner der Zivilgesellschaft aufzutreten. Derartige Bedenken werden in Brüssel oder Berlin oft mit Verweis auf realpolitische Notwendigkeiten beiseite gewischt. Die deutsche Exportpolitik gegenüber Ägypten folgt immer noch dem von Genscher geprägten Dogma „Was schwimmt, geht“. Demnach ist der Export von Rüstungsgütern rechtfertigbar, solange diese nicht gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt werden. U-Boote und Schiffe machen daher den Großteil der deutschen Rüstungsexporte an Autokratien aus. Diese Sichtweise lässt jedoch außer Acht, dass Waffenlieferungen auch über die gelieferten Güter hinaus Folgen haben: Sie bekräftigen die Empfänger in ihrem Kurs und erweitern ihre innenpolitischen Handlungsspielräume. Genschers Grundsatz mag Diplomat*innen eine Rechtfertigung liefern. Menschenrechtsaktivist*innen werden sich indes kaum davon überzeugen lassen, dass die durch Waffengeschäfte geschaffenen Abhängigkeiten der Kritik an Menschenrechtsverletzungen zuträglich sind.
Dies gilt auch für die gemeinsame Bewerbung der EU und Ägyptens um den Vorsitz des Globalen Forums für Terrorismusbekämpfung. An dieser wird trotz der dokumentierten brutalen Repressionen in Ägypten unter dem Deckmantel des „Krieges gegen den Terror“ festgehalten. Die geplante Partnerschaft bei der Terrorismusbekämpfung lässt sich sogar noch schwerer nachvollziehen als die Waffendeals, da sie kaum durch wirtschaftliche Interessen erklärbar ist. Zudem erweist sie den Versuchen, auf multilateraler Ebene wirksame PVE/CVE-Politiken zu entwickeln, einen Bärendienst. Die Zusammenarbeit mit Behörden, deren juristische Definition von Terrorismus praktisch alle politischen Gegner*innen erfasst, politisiert die Prozesse zur Gefährdungseinschätzung der globalen Terrorismusbekämpfung. Sie legitimiert repressive Strukturen, welche Radikalisierung befördern. Und sie untergräbt rechtsstaatliche Prinzipien bei der Bekämpfung politischer Gewalt.
Ist es wirklich in Europas Interesse, Ägypten an die Spitze einer Plattform mit weitreichendem Einfluss auf die globale Sicherheitspolitik zu verhelfen? Will es Ägypten wirklich zu einer regionalen Militärmacht mit Hochseekapazitäten machen, anstatt Investitionen in seine Bevölkerung zu unterstützen? Abgesehen von den potenziellen Folgen einer massiven Aufrüstung in der Region – ein Risiko, das die Eskalation in der Ukraine deutlich macht – ist eine Sicherheitskooperation dieser Größenordnung mit erheblichen Reputationskosten verbunden. Im besten Fall wird sie als ignorant und von nationalen Wirtschaftsinteressen geleitet wahrgenommen – im schlimmsten Fall als offene Unterstützung autoritärer Strukturen.
Prof. Dr. Amirah El-Haddad ist Ökonomin und Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsprogramm „Transformation der Wirtschafts- und Sozialsysteme“.
Dr. Jannis Grimm leitet die Nachwuchsgruppe "Radical Spaces" am Zentrum für Interdisziplinäre Friedens- und Konfliktforschung (INTERACT) der Freien Universität Berlin.