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Diplomacy & Defense Think Tank News

Demokratie schützen: Die Relevanz internationaler Demokratieförderung für Amtszeitbeschränkungen

Die Frage, ob und wie sich Demokratie durch internationale Unterstützung fördern und schützen lässt, hat jüngst an Relevanz gewonnen. Zum einen hat der Abzug der NATO-Truppen aus Afghanistan eine öffentliche Debatte über die Grenzen von Demokratieförderung neu entfacht. Zum anderen wächst der Bedarf an internationalem Demokratieschutz angesichts zunehmender Autokratisierungstrends weltweit. Forschungsergebnisse des DIE zeigen: Wirksame Unterstützung von Demokratie ist möglich. Dabei sind sowohl der Schutz von zentralen demokratischen Institutionen wie Amtszeitbeschränkungen von Machthabern als auch die Förderung von demokratischen Kräften, die sich Autokratisierungsversuchen proaktiv widersetzen, zentral.
Seit 2010 zeichnen sich Autokratisierungstrends dadurch aus, dass sie bereits erreichte Demokratisierungserfolge oft schleichend erodieren und Autokratien festigen. Umgehungen und Aufhebungen präsidentieller Amtszeitbeschränkungen durch amtierende Präsidenten gehören zum typischen „Autokratisierungsbaukasten“. Amtszeitverlängerungen schränken demokratische Kontrolle ein und weiten die präsidentielle Macht aus.
Demokratieförderung und -schutz spielen eine relevante Rolle für den Erhalt präsidentieller Amtszeitbeschränkungen und damit für den Schutz von Demokratie. Sie tragen dazu bei, „Überlebenschancen“ von Amtszeitbeschränkungen zu verbessern. Je mehr internationale Demokratieförderung bereitgestellt wird, desto geringer das Risiko, dass Amtszeitbeschränkungen umgangen werden. Eine DIE-Analyse ergab z. B., dass eine moderat hohe Demokratieförderung von durchschnittlich US$ 2,50 pro Kopf über vier Jahre hinweg das Risiko der Umgehung einer präsidentiellen Amtszeitbeschränkung im Schnitt halbiert.
Basierend auf einer quantitativen Analyse und Fallstudien ergeben sich die folgenden Empfehlungen für internationale Demokratieförderer:
• Demokratieförderung und -schutz komplementär einsetzen. Einerseits gilt es, Demokratie stetig zu fördern, da die Organisations- und Oppositionsfähigkeit politischer und zivilgesellschaftlicher Akteure nur langfristig aufgebaut werden können. Anderseits müssen Demokratieschützer in politischen Krisen auch mit Ad-hoc-Maßnahmen und diplomatischen Mitteln kurzfristig reagieren.
• Demokratieförderung ist eine Risikoinvestition, die sich lohnt. Ob es gelingt, Demokratie langfristig zu fördern und vor Autokratisierung zu schützen, hängt vor allem von heimischen Kräften und Institutionen ab. Auch für sie sind politische Krisen ergebnisoffen. Während Untätigkeit Autokraten eher in die Hände spielt, birgt kontextsensibles Engagement immerhin die Möglichkeit, einen Beitrag zum Erhalt von Demokratie zu leisten.
• Demokratieschutz durch regionale Organisationen stärken. Regionalorganisationen wie die ECOWAS oder AU bieten regionalpolitische Strukturen, die helfen können, deeskalierend zu wirken und glaubwürdige Verpflichtungen vonseiten der Amtsinhaber zu gewährleisten. Internationale Geber könnten sich daher in demokratiekritischen Situationen mit Regionalorganisationen wirksam abstimmen.

Afghanistan: Der Westen scheitert – China und Russland gewinnen?

SWP - Wed, 15/09/2021 - 02:00

Russland und China gelten als machtpolitische Profiteure des westlichen Abzugs aus Afghanistan. Sowohl im chinesischen als auch im russischen Diskurs werden aber neben triumphierenden Kommentaren zum westlichen Scheitern auch ernste Befürchtungen im Hinblick auf die regionale Sicherheitslage laut. Westliche Akteure sollten sich um ein differenzierteres Verständnis der Pekinger und Moskauer Perspektiven bemühen. Daraus könnten sich auch Möglichkeiten der Kooperation ergeben, die der Stabilisierung Zentralasiens und Afghanistans dienen. Angesichts des sich verschärfenden globalen Systemwettbewerbs wird der Spielraum für Zusammenarbeit jedoch begrenzt bleiben.

United Nations Special Political Missions and Protection: A Principled Approach for Research and Policymaking

European Peace Institute / News - Tue, 14/09/2021 - 15:30
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On September 14th, IPI together with the Dutch Ministry of Foreign Affairs cohosted a policy forum on “United Nations Special Political Missions (SPMs) and Protection: A Principled Approach for Research and Policymaking.” The session provided an opportunity to present and discuss IPI’s new policy paper that considers the need for increased analysis and operational roles of UN special political missions (SPMs) in protection.

SPMs regularly operate in conflict and post-conflict settings in which local civilian populations face the ongoing threat of armed violence. Despite this trend, understandings of the roles of SPMs in protection have remained ambiguous, leaving a conceptual and operational gap that deserves greater attention. As it looks ahead to articulate and implement a system-wide agenda for protection the Secretariat has an opportunity to articulate a more explicit and structured vision for the role of SPMs in protection.

This policy forum gathered representatives of the UN Secretariat and field missions, member states, and civil society to reflect on concepts, good practices, dilemmas, and lessons learned on protection in SPMs. Participants discussed how the UN could strengthen guidance and articulate a more explicit and structured vision on the protection roles of SPMs. The panel built upon the Department of Political and Peacebuilding Affairs’ (DPPA) experience in field missions and consider how the role of DPPA and SPMs in protection relates to other conceptions of protection in the UN system.

Opening Remarks:
H.E. Ms. Yoka Brandt, Permanent Representative of the Netherlands to the UN

Speakers:
Mr. Dirk Druet, IPI Non-resident Fellow and Affiliate Researcher at the Max Bell School for Public Policy at McGill University
Ms. Teresa Whitfield, Director, Policy and Mediation Division, UN Department of Political and Peacebuilding Affairs
Ms. Danielle Bell, Representative, OHCHR, and Chief, Human Rights Office, UN Assistance Mission for Iraq
Mr. Raúl Rosende, Verification Director, UN Verification Mission in Colombia

Moderator:
Dr. Adam Lupel, IPI Vice President and COO

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EU-Sicherheitspolitik: Lehren aus dem Afghanistan-Desaster

SWP - Tue, 14/09/2021 - 08:38

Vor dem Treffen mit ihren EU-Amtskolleginnen und -kollegen Anfang September brachte es Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer auf den Punkt: »Wir waren in Afghanistan von den Amerikanern abhängig«. Sie folgerte, »daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen« und zu definieren, »was das dann ganz konkret heißt, auf europäischer Ebene wirklich handlungsfähig zu sein«. Um die Souveränität der EU in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu stärken, ergeben sich sechs konkrete Schritte.

Koordiniertes Handeln stärken

Erstens sollte eine »konsularische Koordinierung« zwischen Brüssel, den Hauptstädten und dem Einsatzgebiet stattfinden, um die EU in Evakuierungseinsätzen künftig handlungsfähiger zu machen. Es war beachtlich, dass nach der Machtübernahme der Taliban die EU-Mitgliedstaaten innerhalb von zwei Wochen 24.000 ihrer Staatsbürgerinnen und Staatsbürger sowie Ortkräfte in Sicherheit gebracht haben. Die USA vermochten im selben Zeitraum gleichwohl über 120.000 Menschen zu retten. Der Unterschied lag zum einen in den deutlich größeren US-Transportmaschinen begründet. Zum anderen waren zahlreiche Rettungsflugzeuge der EU aber auch kaum ausgelastet.

Ursächlich dafür waren einmal mehr nationale Alleingänge. Nur wenige Mitgliedsländer waren bereit, Ortskräfte anderer EU-Staaten in ihre Maschinen aufzunehmen und auszufliegen. Darüber hinaus hat jedes Mitgliedsland seine eigenen Ressourcen mobilisiert und auf ihm vertraute Standorte zurückgegriffen. Deutschland flog die Menschen über Usbekistan aus, Frankreich über seine Militärbasis in Abu Dhabi. Belgien, Luxemburg, die Niederlande und Rumänien nutzten einen Flughafen in Pakistan, Italien operierte über Kuweit. Die mangelhafte Bündelung von Ressourcen machte die Koordination am Flughafen in Kabul schwer. Und so benötigt die EU zweitens ein integriertes Krisenreaktionszentrum, das in der Lage ist, zivile und militärische Akteure zu koordinieren.

Drittens benötigt die EU eine eigenständige Auslandsaufklärung. Frankreich hatte seine Partner bereits im Juni auf die Schwächen der afghanischen Sicherheitskräfte hingewiesen und begonnen, französische Staatsbürgerinnen und -bürger auszufliegen. Für seine pessimistische Sichtweise wurde es von seinen EU- und Nato-Partnern – nicht zuletzt von Berlin – kritisiert. Hier wurden Erklärungen der USA Glauben geschenkt, wonach die Arbeit der vergangenen zwei Jahrzehnte Früchte getragen habe.

Mehr Flexibilität wagen

Viertens müssen sich die EU-Mitgliedstaaten in der Lage erweisen, Fähigkeiten zu beschaffen, die notwendig sind, um etwa einen Flughafen wie den in Kabul zu sichern. Bereits im Mai 2020 hatte Berlin gemeinsam mit 13 anderen Partnern anerkannt, dass die EU nur unzureichend auf Krisen einwirken kann. Der Aufbau einer 5000 Personen umfassenden schnellen Eingreiftruppe soll diesem Defizit entgegenwirken. Einige Staaten, etwa Schweden oder Polen, stehen diesem Vorhaben ablehnend entgegen. Der Aufbau eigenständiger europäischer Kompetenzen rührt bei ihnen die Furcht an, dass sich die USA von Europa abwenden könnten. Die Fortentwicklung der EU darf künftig nicht länger von einigen wenigen Mitgliedstaaten behindert werden. Gleiches gilt für die Durchführung von Missionen und Operationen. Das Einstimmigkeitserfordernis verhindert entweder ihr Zustandekommen. Oder es belegt die Einsätze mit Anforderungen, die kaum zu erfüllen und oftmals wenig geeignet sind, um eine bestehende Krise zu entschärfen. Den Rekurs auf Art. 44 des EU-Vertrags muss auch die künftige Bundesregierung als Mittel der Wahl für mehr Flexibilität in der GSVP propagieren. Danach kann »der Rat die Durchführung einer Mission einer Gruppe von Mitgliedstaaten übertragen, die dies wünschen und über die für eine derartige Mission erforderlichen Fähigkeiten verfügen«.

Verbindliche Streitkräfteziele

Mehr Flexibilität wird sich indes nur auszahlen, wenn sich die EU-Mitgliedstaaten – fünftens – dazu bereit erklären, verbindliche Streitkräfteziele vorzugeben, um bestehende Fähigkeitslücken zu schließen. Bereits 2003 ist der EU-Ansatz gescheitert, wonach nationale Anstrengungen bei der Entwicklung militärischer wie ziviler Fähigkeiten auf dem Prinzip der Freiwilligkeit gründen. Im Dezember 1999 hatten sich die EU-Staaten in Helsinki auf das sogenannte militärische Headline Goal festgelegt. Bis 2003 wollten sie in der Lage sein, binnen 60 Tagen bis zu 60.000 Heeres-Soldaten in ein Krisengebiet zu verlegen und dort mindestens ein Jahr lang einzusetzen. Ohne amerikanische Hilfe wollten sie einen Einsatz wie im Kosovo durchführen können. Obgleich allen EU-Staaten bekannt war, dass die Lücken gerade für anspruchsvollere militärische Operationen noch immer beträchtlich waren, erklärten diese im Mai 2003 das Helsinki Headline Goal für erreicht.

Eigene Haltung zur GSVP ändern

Sechstens muss die künftige Bundesregierung das bislang gültige deutsche Verständnis von der GSVP korrigieren, um die hier genannten Schritte erfolgreich umzusetzen. Berlin hat die GSVP maßgeblich gestaltet und setzt sich aktiv für ihre Weiterentwicklung ein, weil es sie als geeignetes Zukunftsprojekt sieht, um den Zusammenhalt der EU-Mitgliedstaaten zu stärken. Entsprechend wichtig ist es, dass dieses Projekt möglichst »inklusiv« ist. Flexiblere, pragmatischere oder auch ad hoc agierende Formate lehnt Deutschland bislang ab. Sie bergen die Gefahr, die EU zu spalten und so zu schwächen. Konkrete Einsatzszenarien bleiben in der deutschen Debatte eher blass, nicht zuletzt weil die deutsche Bundesregierung die GSVP primär als politisches Projekt betrachtet. Überdies verbleibt Berlin lieber in der Rolle eines »konzeptionellen Akteurs«, der Entwicklungspfade öffnet. In der Umsetzung nimmt es indes selten die Position einer Vorreiterin ein. Berlin ist somit (mit-) verantwortlich dafür, dass die EU die nicht zuletzt von außen an sie gestellten sicherheits- und verteidigungspolitischen Forderungen nicht erfüllen kann. Es muss eine neue Balance finden zwischen dem legitimen Ansatz, die EU-Integration durch die Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu vertiefen, und der Notwendigkeit, die EU in die Lage zu versetzen, Schritt zu halten mit den rasanten Veränderungen der internationalen Sicherheitspolitik.

AdministratorIn (w/m/div) in Vollzeit

Das Team Informationstechnik der Abteilung Forschungsinfrastruktur gibt den Mitarbeitenden des DIW Berlin einen sicheren und stabilen Zugang zu modernen Informations- und Kommunikationstechnologien. Außerdem berät und unterstützt es die wissenschaftlichen Abteilungen bei der Auswahl und Einrichtung individueller Computer- und Softwarelösungen für Forschungsprojekte.

Gesucht wird zum nächstmöglichen Zeitpunkt ein/e

AdministratorIn (w/m/div)

(39 h/Woche), Teilzeit möglich


A UN for All: UN Policy and Programming on Sexual Orientation, Gender Identity and Expression, and Sex Characteristics

European Peace Institute / News - Fri, 10/09/2021 - 06:25
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IPI in partnership with OutRight Action International, the Centre for Gender in Politics at Queen’s University Belfast, and the Permanent Missions of the Netherlands and Argentina to the UN hosted a virtual interactive discussion on September 10th on UN policy and programming on sexual orientation, gender identity and expression, and sex characteristics (SOGIESC).

In September 2015, twelve UN entities issued a joint statement calling for an end to violence and discrimination against lesbian, gay, bisexual, transgender, and intersex (LGBTI) people—an unprecedented and groundbreaking move. Six years later, many UN entities have made significant strides in enacting policies and implementing programs aimed at protecting the rights and fostering the inclusion of LGBTI people. While this increased engagement by UN agencies, funds, and programs can have a meaningful impact on LGBTI people, progress has been uneven, and many challenges remain.

This policy forum provided an opportunity to discuss the UN’s ongoing work related to sexual orientation, gender identity and expression, and sex characteristics (SOGIESC). Panelists discussed the UN’s engagement on issues related to SOGIESC across all three pillars of the UN—human rights, development, and peace and security—as well as gaps that remain. The event focused on how the UN is impacting the lives of LGBTI people around the world.

This event follows on from the IPI policy paper “A UN for All? UN Policy and Programming on Sexual Orientation, Gender Identity and Expression, and Sex Characteristics,” published in February 2021.

Opening Remarks:
H.E. Ms. Yoka Brandt, Permanent Representative of the Kingdom of the Netherlands to the UN

Speakers:
Sophie West-Browne, Diverse SOGIESC Rights Specialist, UN Women
Karin Santi, Latin America and the Caribbean Regional Team Leader for HIV, Health and Development, UN Development Programme
Gregory Garras, Senior Protection Coordinator for Emergencies, Division of International Protection, UN Refugee Agency
Sahar Moazami, UN Program Officer, OutRight Action International
Jamie Hagen, Lecturer in International Relations, Queen’s University Belfast, and Founding Co-director, Centre for Gender in Politics

Moderator:
Albert Trithart, IPI Editor and Research Fellow

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Latin America and the Caribbean: The Road to Glasgow

European Peace Institute / News - Thu, 09/09/2021 - 16:14
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The Dominican Republic, in collaboration with the Alliance of Small Island States (AOSIS) and the UN Foundation, cohosted an event with IPI on September 9th entitled “Latin America and the Caribbean: The Road to Glasgow.” The event helped to galvanize efforts toward, and promote the goals of, the Paris Agreement on climate change and the 2030 Agenda for Sustainable Development.

Climate change is one of the greatest challenges of our time, and in this year’s 26th Climate Change Conference of the Parties (COP 26), we need to work together to take action, increase ambition and share good practices and lessons learned. COP 26 will provide an opportunity to get the world back on track on the commitments made by countries under the Paris Agreement and limit global temperature below 1.5C. The climate challenge can only be solved through exponential concerted and collaborative urgent action.

This event provided a space for UN member states, regional organizations, the UN system, and other stakeholders to discuss how to address climate change and strengthen mechanisms for climate action. Panelists presented recommendations, best practices, and lessons learned that can inform efforts to achieve climate goals in Latin America and the Caribbean. The event concluded with an interactive Q&A and discussion.

Welcoming Remarks:
Dr. Adam Lupel, IPI Vice President

Opening Remarks:
H.E. Mr. José Blanco Conde, Permanent Representative of the Dominican Republic to the UN

Speakers:
Ms. Milagros De Camps, Vice Minister of International Cooperation from the Dominican Republic’s Ministry of the Environment and Natural Resources
H.E. Mr. Walton Webson, Permanent Representative of Antigua and Barbuda to the UN and Chair of the Alliance of Small Island States (AOSIS)
Mr. Selwin Hart, Special Adviser of the Secretary-General on Climate Action and Assistant Secretary-General for the Climate Action Team
Ms. Jimena Leiva Roesch, IPI Senior Fellow and Head of Peace and Sustainable Development

Moderator:
Ms. Sofia Borges, Senior Vice President and Head of the New York Office, UN Foundation

An Afghan Thaw in the Turkish–US Relationship?

SWP - Thu, 09/09/2021 - 15:50

Relations between Ankara and Washington have reached a historical nadir. Geopolitical decoupling, accumulating frustrations, and proliferating crises define the context. For some time now, Turkey has been looking for “useful geopolitical crises” to remind Washington of its importance: situations offering leverage for gains on other fronts without risking core Turkish interests. The Ukrainian crisis is a case in point, where Turkey adopts a pro-Ukrainian position and operates largely as a NATO power. Ankara regards Afghanistan as another geopolitical opening to mend ties with the United States.

The largely mono-dimensional US-Turkey relationship revolves around geopolitics and security, which is also where the main crises are located. In Syria, for instance, each views the other’s local partners through the lens of terrorism. When Turkey acquired the Russian-made S-400 air defence system, Washington imposed CAATSA sanctions (under the Countering America’s Adversaries Through Sanctions Act). Such developments have generated debate – both in the West and in Turkey – over Turkey’s place and future in western institutions and specifically NATO.

After taking office in January 2021, US President Joe Biden and his team initially gave Turkey the cold shoulder. Turkey responded with a charm offensive, sending a stream of positive messages. For instance, Turkish President Recep Tayyip Erdoğan delivered an impassioned defence of the NATO alliance at its summit in June. Just as geopolitical decoupling drove them apart, Ankara appears to believe that a convergence and cooperation responding to a major geopolitical crisis can bring Turkey and the United States closer together again, at least to some extent. In other words, an “instrumental geopolitical crisis” has the potential to improve the atmosphere between Ankara and Washington.

Point of Interest: Kabul Airport

This explains why Turkey was so eager to stay in Afghanistan when all its NATO allies were preparing to leave. Ankara is seeking closer relations with the Taliban and still aspires to a role in running Kabul airport, which is critical for the western diplomatic presence and Afghanistan’s connectivity with the rest of the world. Turkey, Qatar and the Taliban are in talks over this matter. Ankara hopes that the Taliban will permit Turkey to operate the airport, very likely in partnership with Qatar. Ankara would like its role to include a security dimension too, but the Taliban is very wary and would want to minimise the security aspect – assuming it agrees at all.

Ankara is currently exhibiting flexibility in its endeavours to secure a role in Afghanistan. President Erdoğan has said that Turkey might find a bilateral deal with Afghanistan similar to those it signed in 2019 with the Libyan Government of National Accord on security cooperation and maritime boundaries.

Dual Identity and the Price of Recognition

The most obvious challenge is that the Taliban will tie any Turkish role at the airport to recognition of its government, while Ankara would not want to be among the first to do so. Instead, Turkey will prefer to cooperate without official recognition, operating in a grey zone. It will want to avoid antagonising Washington, and will be paying close attention to the stances adopted by the Americans and other international players. In Afghanistan, Turkey will continue to capitalise on its dual Muslim/NATO identity: the Muslim identity geared towards Afghanistan, the NATO identity Western-facing.

Erdoğan’s gambit appears to be paying off. The tone of exchanges between Ankara and Washington is warming, their frequency increasing. During his Senate Foreign Relations Committee confirmation hearing, Secretary of State Anthony Blinken described Turkey as a “so-called strategic partner”; now he and other US officials call Turkey “an important NATO ally” and “invaluable partner in the region”. Whether this change in tone represents a real thaw in relations remains to be seen. Afghanistan certainly has the potential to break the ice, even it is unlikely to usher in any deep transformation.

Domestic Pushback

President Erdoğan’s push for the vital role of airport security provider faces domestic political hostility. As growing numbers of Afghan refugees enter Turkey through Iran, virulent anti-refugee sentiment places increasing pressures on the government and erodes public support for Ankara’s plans in Afghanistan. The opposition also flags the risks to Turkish military personnel.

Ankara might instrumentalise solidarity with the Turkic people of Afghanistan and Central Asia – Uzbeks, Turkmens, and other Turkic populations – to cultivate domestic political support and situate Afghanistan within the wider geopolitics of Central Asia and the Turkic world. Such nationalist language may backfire. As a predominantly Pashtun organisation, the Taliban will dislike that narrative – as will China and Russia. In fact, until very recently Turkey was supporting the Northern Alliance and figures like Uzbek warlord Rashid Dostum. Such a policy of ethnic solidarity would be hard to reconcile with overtures to the Taliban.

This text was also published by fairobserver.com.

La calificación de la seguridad de los sistemas de información en Europa

Real Instituto Elcano - Thu, 09/09/2021 - 13:08
Manuel Carpio. ARI 77/2021 - 09/9/2021

La UE debería adoptar e impulsar los modelos basados en calificación (rating) de seguridad como complemento e integración de los múltiples esquemas de certificación de productos y servicios basados en tecnologías de la información y comunicaciones.

A Conversation with Simon Coveney, Minister for Foreign Affairs and Minister for Defence of Ireland

European Peace Institute / News - Thu, 09/09/2021 - 12:09
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On September 9th, IPI hosted a Global Leaders Series event featuring H.E. Minister Simon Coveney, T.D., Minister for Foreign Affairs and Minister for Defence of Ireland.

Ireland will serve as President of the UN Security Council in September 2021. This Global Leaders Series event focused on Ireland’s foreign policy commitments to peacekeeping and peacebuilding, which are priorities of its Security Council term. Ireland’s experiences of building peace on the island of Ireland, its 62-year commitment as a UN troop-contributing country, and the experiences of Irish peacekeepers and police serving in transition contexts such as Liberia, Haiti, and Côte D’Ivoire, give the government of Ireland particular insight into these issues. This Global Leaders Series followed a UN Security Council open debate on UN peacekeeping transitions on Wednesday, September 8, 2021, chaired by Minister Coveney.

Minister Coveney currently serves as Minister for Foreign Affairs and Minister for Defence of Ireland. Prior to this appointment, he previously served as Deputy Prime Minister and Minister for Foreign Affairs and Trade from November 2017 until June 2020. Minister Coveney has also served as Ireland’s Minister for Housing, Planning and Local Government (2016-2017), Minister for Defence (2014–2016) and Minister for Agriculture, Food and the Marine (2011–2014). He began his career as an elected member of the Dáil (Irish Parliament) in 1998. He was also elected to the European Parliament (2004–2007) where he served on the Foreign Affairs Committee and Internal Market and Consumer Affairs Committee.

The event was moderated by Ms. Karin Landgren, Executive Director of Security Council Report

Dr. Adam Lupel, Vice President and COO of IPI, provided opening remarks.

Marcel Fratzscher: „Vorsichtiger Optimismus reicht noch nicht für ein Ende der Anleihenkäufe“

Die Ergebnisse der heutigen Sitzung des Rates der Europäischen Zentralbank (EZB) kommentiert Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), wie folgt:

Die EZB hält sich in Bezug auf das Ende ihrer expansiven Geldpolitik bedeckt. Sie zeigt sich optimistisch, was die wirtschaftliche Erholung betrifft, und hat auch ihre Prognose für die Inflation leicht erhöht. Das ist jedoch kein ausreichender Anlass, ein Ende der Anleihenkäufe oder der Nullzinspolitik in Aussicht zu stellen. Das reduzierte Volumen der Anleihenkäufe unter dem Notfallprogramm PEPP sollte nicht als eine restriktive Geldpolitik verstanden werden, denn die EZB reduziert diese lediglich auf das vorherige Niveau und wird auch nach März 2022 ihre regulären Anleihenkäufe fortsetzen.

Die Unsicherheit durch die Pandemie bleibt nach wie vor enorm. Die Inflation wird wohl auch für die kommenden zwei Jahre deutlich unter dem Ziel der Preisstabilität von zwei Prozent bleiben, trotz der gegenwärtig höheren Inflation. Dies wird vielen in Deutschland nicht gefallen, aber der aktuelle Anstieg der Inflation ist zu einem großen Teil Sondereffekten geschuldet und eine willkommene Normalisierung nach einer langen Zeit mit zu niedriger Inflation.

Die EZB signalisiert zu Recht, dass sie sich alle Freiheiten und Flexibilität für ihre weitere Geldpolitik in den kommenden Jahren sichern wird. Die Wirtschaftsentwicklung und die Inflation sind immer noch nicht stark genug für eine Ende der expansiven Geldpolitik. Die Tatsache, dass die Inflation im Euroraum seit nun fast zehn Jahren zu gering war, zeigt, dass die EZB eher zu vorsichtig als zu forsch mit ihrer Geldpolitik agieren wird.

Der Euroraum hinkt beim geldpolitischen Kurs den USA um ein oder zwei Jahre hinterher. Der Grund ist nicht die Geldpolitik, sondern die Finanzpolitik, die in den USA sehr viel expansiver und damit unterstützender für die Geldpolitik war und ist als in Europa und in Deutschland. Die Finanzpolitik der nächsten Bundesregierung ist deutlich wichtiger für die künftigen Finanzierungsbedingungen als das, was die EZB mit ihren geldpolitischen Instrumenten bewirken kann.

Vom Nebeneinander zu neuem Miteinander

SWP - Thu, 09/09/2021 - 02:00

Obwohl die Beziehungen Deutschlands und Europas zu Lateinamerika weithin als sehr eng gelten, hat sich in den letzten Jahren eine wachsende Distanz zwischen den Staaten eingestellt, die sich traditionell als »natürliche Partner« verstehen. Das Beziehungs­muster der »freundlichen Normalität« trägt nicht mehr für ein Mitein­ander in der heutigen Zeit. Dies liegt zum einen an den Prozessen politischer Neu­ordnung in vielen Ländern Lateinamerikas und der daraus folgenden regionalen Fragmentierung, zum anderen an dem nachlassenden Interesse in Deutschland und Europa an der Region. Auch sind neue Akteure wie China in Lateinamerika aktiv geworden, die möglicherweise für die Länder der Region attraktiver erschei­nen und die das deutsche und euro­päische Interessenprofil überstrahlt haben. In dieser Phase interner Suchprozesse und eventueller Verschiebungen im Partnerspektrum muss die deutsche Lateinamerika-Politik Brücken bauen und tragfähige Ansatzpunkte iden­tifizieren. Ein solcher neuer Hand­lungsrahmen muss darauf abzielen, ihr wieder eine Perspektive zu geben.

»Es werden nicht alle Ausreisepflichtigen in ihr Herkunftsland zurückkehren«

SWP - Wed, 08/09/2021 - 16:23

Noch im Juli wurden Menschen nach Afghanistan abgeschoben. Wie bewerten Sie das mit Blick auf die gegenwärtige Lage in dem Land?

Anne Koch: Das ist hoch problematisch. Rückführungen nach Afghanistan sind schon lange umstritten. Organisationen wie Amnesty International haben immer wieder auf die Gefahren hingewiesen, denen die Betroffenen nach der Rückkehr ausgesetzt sind. Dass die Bundesregierung dennoch so lange darauf beharrt hat, zeigt das ausgeprägte innenpolitische Interesse, bei der Rückkehr von Personen ohne legalen Aufenthaltsstatus handlungsfähig zu bleiben. Hohe Rückkehrzahlen sollen der Furcht vor unkontrollierter Zuwanderung etwas entgegensetzen. Dabei gerät das, was wir als Risiken und Nebenwirkungen von Rückkehrpolitik bezeichnen, aus dem Blickfeld. Deswegen gehen wir in unserer Studie auf die außen-, sicherheits- und entwicklungspolitischen Implikationen von Rückkehr ein.

Mit was genau befasst sich die Rückkehrpolitik?

Nadine Biehler: Rückkehr ist ein ganz normaler Bestandteil von Migration, zum Beispiel wenn jemand sein Auslandsstudium abgeschlossen hat und wieder in sein Herkunftsland zurückkehrt. Die Rückkehrpolitik befasst sich mit den Rahmenbedingungen – und der Förderung von Rückkehr, egal ob freiwillig oder unter Zwang. In Deutschland und Europa steht vor allem die Förderung der Rückkehr von Menschen ohne gültigen Aufenthaltstitel im Vordergrund. Das betrifft vor allem abgelehnte Asylsuchende.

Die Ausreisepflicht lässt sich aber nicht immer durchsetzen. Woran liegt das?

Amrei Meier: Das hat unterschiedliche Gründe. Zunächst mal haben viele Ausreisepflichtige schlicht kein Interesse daran, in ihr Herkunftsland zurückzukehren, weil sie keine Perspektiven für sich sehen. Ein weiterer zentraler Punkt ist die mangelnde Kooperationsbereitschaft der Herkunftsländer, deren Regierungen wenig Interesse daran haben, Staatsangehörige zurückzunehmen. Deutschland und die EU sind aber auf die Zusammenarbeit angewiesen. Deswegen versucht die Politik, diese zu verbessern, indem sie Anreize setzt oder Sanktionen verhängt, durchaus auch in anderen Politikfeldern.

Biehler: Insbesondere in den Außenbeziehungen wird eine Menge politisches Kapital eingesetzt. 2016 einigte sich Marokko zum Beispiel mit Deutschland auf ein Verfahren zur beschleunigten Rückführung marokkanischer Staatsbürgerinnen und -bürger. Als Gegenleistung sicherte Deutschland Marokko zu, ein Berufungsverfahren der EU gegen ein Agrar- und Fischereiabkommen mit Marokko zu unterstützen, das der Europäische Gerichtshof zuvor teilweise für ungültig erklärt hatte. In unserer Studie gehen wir der Frage nach, ob der erwartete innenpolitische Nutzen der derzeitigen Rückkehrpolitik im Verhältnis zu den Kosten in anderen Politikfeldern steht. Das machen wir in erster Linie an Zielkonflikten fest.

Was wäre solch ein Zielkonflikt?

Koch: Ein erklärtes Ziel deutscher und europäischer Entwicklungszusammenarbeit ist es, demokratische Strukturen zu stärken. Allerdings können durch die einseitige Bemühung, die Zusammenarbeit im Bereich Rückkehr zu festigen, autoritäre Regime gestärkt werden – also das Gegenteil von dem, was beabsichtigt ist. Der Fokus auf Rückkehrförderung hat sich nach 2015/16 noch einmal verstärkt. Plötzlich besuchten deutsche und europäische Delegationen autoritär regierte Länder wie Guinea und Guinea-Bissau, die vorher nicht im Zentrum der deutschen Außenpolitik standen, um für politische Zusammenarbeit zu werben. Solche Besuche können von den jeweiligen Regierungen instrumentalisiert werden, um das eigene internationale Ansehen aufzuwerten.

Biehler: Ein weiteres Beispiel für einen Zielkonflikt ist die Gefahr, dass durch die Rückkehr von Flüchtlingen erneutes Konfliktpotential entsteht. Erfahrungen aus Liberia, Südsudan, Irak und Bosnien zeigen, dass es gerade bei großen Rückkehrbewegungen zu konfliktreicher Konkurrenz um Land und Arbeitsplätze kommen kann. Die Lehren hieraus sind auch für Deutschland und die EU relevant, wenn die Rückkehr syrischer Flüchtlinge diskutiert wird – ganz abgesehen von sonstigen menschenrechtlichen Bedenken.

Welchen Alternativen zur aktuellen Rückkehrpolitik gibt es?

Meier: Im ersten Schritt ist es wichtig, genug Informationen zu haben, um die Kosten und Nutzen von Rückkehrbemühungen systematischer als bisher gegeneinander abzuwägen. Dabei gilt es nicht nur auf die kurzfristigen Nutzen zu schauen, sondern insbesondere auch die langfristigen Folgen einzubeziehen. Unabhängig von dieser Abwägung kommt man um eine Erkenntnis aber nicht herum, nämlich dass es unrealistisch ist, dass alle ausreisepflichtigen Personen in ihr Herkunftsland zurückkehren. Deswegen muss man in einem zweiten Schritt über Alternativen zu Rückkehr nachdenken, zum Beispiel im Asylverfahren die Möglichkeit eines sogenannten Spurwechsels, also den Wechsel vom Asylverfahren zum Arbeitsvisum, einzuführen oder zirkuläre Migrationsprogramme auszubauen.

Biehler: Wichtig wäre auch, sich die Menschen mit Duldung anzusehen, die die größte Gruppe der Ausreisepflichtigen darstellen. Gerade langjährig Geduldeten nach bestimmten Kriterien über eine neue Stichtagsregelung den Weg in einen geregelten Aufenthaltsstatus zu ermöglichen, wäre eine pragmatische Möglichkeit, einen Teil des Dilemmas um Rückkehrpolitik aufzulösen.

Koch: Das ist kein naives Wunschdenken, sondern eine Frage politischer Prioritäten. Baden-Württemberg etwa informiert gut integrierte Geduldete gerade aktiv über mögliche Bleiberechtsperspektiven. Angesichts der aktuellen Situation in Afghanistan könnte man das für afghanische Geduldete bundesweit in Betracht ziehen.

Das Interview führte Cetin Demirci von der Online-Redaktion.

La nueva realidad de la política fiscal y sus implicaciones para España

Real Instituto Elcano - Wed, 08/09/2021 - 11:41
Federico Steinberg. ARI 76/2021 - 08/9/2021

El endeudamiento público ha subido mucho durante la pandemia, pero, paradójicamente, la deuda pública en los países avanzados parece ahora más sostenible que tras la anterior crisis. ¿Seguirá siendo así en el futuro?

EZB-Geldpolitik verteilt Einkommen um

Zusammenfassung:

Studie auf Basis von SOEP-Daten – Generation der 68er bleibt häufiger auch nach dem Renteneintritt ehrenamtlich aktiv – Anstieg des Engagements geht aber auch auf junge Menschen zurück – Pflicht zum Engagement für bestimmte Altersgruppen wäre nicht zielführend, stattdessen sollten flexible und niedrigschwellige Angebote für alle geschaffen werden, die ehrenamtlich aktiv sein wollen

Fast jede dritte in Deutschland lebende Person ab 17 Jahren – insgesamt also rund 22 Millionen – engagiert sich ehrenamtlich. Der Anteil der ehrenamtlich Aktiven lag im Jahr 2017 bei rund 32 Prozent und damit um fünf Prozentpunkte höher als im Jahr 1990. Sowohl junge Erwachsene als auch Rentnerinnen und Rentner sind zunehmend bereit, beispielsweise in Vereinen, Initiativen oder der Flüchtlingshilfe freiwillig mit anzupacken. Das sind zentrale Ergebnisse einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), die auf repräsentativen Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) basiert.


Geopolitik des Stroms – Netz, Raum und Macht

SWP - Tue, 07/09/2021 - 02:00

Die geopolitische Bedeutung von Strom wird unterschätzt, obwohl Stromnetze Räume konstituieren. Sie etablieren neue Einflusskanäle und Macht­sphären in politischen Gemeinwesen und über sie hinaus. Im Kontinentalraum Europa-Asien treffen Verbundnetze und Interkonnektoren, also grenzüberschreitende Übertragungsnetzverbindungen, aufeinander. Interkonnektoren markieren neue, teilweise konkurrierende Integrationsvektoren, die Verbundnetze transzendieren. Dabei ist die Zugehörigkeit zum europäischen Netzverbund attraktiv, denn synchrone Netze sind Schicksalsgemeinschaften, in denen Sicherheit und Wohlfahrt geteilt werden. Deutschland und die EU müssen eine Strom-Außenpolitik entwickeln, um das europäische Stromnetz zu optimieren und modernisieren, zu verstärken und zu erweitern. Vor allem aber sind Deutschland und die EU gefordert, Interkonnektivität über das eigene Verbundnetz hinaus mitzugestalten. Chinas Strategie, mit seiner Belt and Road Initiative Infrastrukturen auf das Reich der Mitte auszurichten, wird auch beim Strom immer offensichtlicher. Dabei setzt Peking Standards und Normen und baut seine strategische Reichweite auch zum Vorteil der eigenen Wirtschaft aus. In der östlichen EU-Nachbarschaft dominiert die Geopolitik seit dem Ende des Ost-West-Konflikts die Konfiguration der Stromnetze. Eine Integrationskonkurrenz zwischen der EU und Russland ist unübersehbar. Das östliche Mittelmeer, der Kaspische Raum und Zentralasien wandeln sich von Peripherien in neue Verbindungsräume. Dort konkurrieren die EU, China, Russland und jenseits des Schwarzen Meeres auch Iran und die Türkei um Einfluss bei der Neukonfiguration der Stromnetze.

Political Prisoners in Sisi’s Egypt

SWP - Tue, 07/09/2021 - 02:00

Thousands have been imprisoned for their political and ideological views in Egypt since the 2013 military takeover and Abdel-Fatah al-Sisi’s subsequent rise to the presidency. This policy has dramatic humanitarian consequences, but also increasingly promotes radicalisation, strengthens rejection of state institutions, and hinders devel­opment of the country’s civil society and economy. It also undermines Germany’s efforts to use financial aid and development cooperation to stabilise Egypt, the Mediterranean’s most populous country. The German government should therefore increase its pressure on Egypt’s leaders and call for far-reaching amnesty. In doing so, it is important to emphasise the personal responsibility of the president and to tie future loans and debt rescheduling to concrete steps that end arbitrary detentions.

Nach der Bundestagswahl ist vor der Klimakonferenz

Als im November 2017 die UN-Klimakonferenz COP23 in Bonn tagte, verpasste Deutschland die Gelegenheit, sich als Gastgeberstaat auch als klimapolitischer Vorreiter zu profilieren: infolge der zähen Koalitionsverhandlungen war die Bundesregierung nur eingeschränkt sprechfähig. Ähnliches ist zu befürchten, wenn in diesem November die COP26 in Glasgow zusammentritt, um die multilaterale Klimapolitik nach den Corona-bedingten Verzögerungen wieder zu beschleunigen. Dies ist umso misslicher, als es sich um die wichtigste Klimakonferenz seit der Verabschiedung des Pariser Abkommens im Dezember 2015 handelt. Kurz- und langfristige Ziele und Maßnahmen sollen dort in Einklang gebracht werden, in dem unter anderem die verbleibenden Verhandlungsfragen um klimapolitische Marktmechanismen gelöst werden.

Als 2018 in Berlin endlich wieder regiert wurde, bekannte die damals neue Bundesumweltministerin in ihrer Antrittsrede vor dem Bundestag, dass die deutsche Klimapolitik „wiederbelebt“ werden müsse. Tatsächlich kam aber die Große Koalition klimapolitisch kaum auf die Sprünge bis das Bundesverfassungsgericht im April 2021 qua höchstrichterlichem Urteil den Defibrillator ansetzte. Es zeugt also von einem hohen Maß an Chuzpe, wenn sich die amtierenden Regierungsparteien im laufenden Bundestagswahlkampf ungeniert als Klimaschutzparteien präsentieren.

Der Kanzlerkandidat der Unionsparteien hat als Ministerpräsident des Braunkohlelandes Nordrhein-Westfalen zugegebenermaßen einen schwierigen Balanceakt zu leisten. Die Selbstzuschreibung eines klimapolitischen „Machers“ wirkt dennoch sehr bemüht. Der Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten wiederum kann zwar für sich in Anspruch nehmen, als Bundesfinanzminister die Schatulle für einen erheblichen Zuwachs internationaler Klimafinanzierung geöffnet zu haben. Seine Partei wird aber ebenfalls bislang weder im Bund noch in den Ländern mit entschlossener Klimapolitik assoziiert.

Der Aufwuchs des deutschen Beitrags zur internationalen Klimafinanzierung ist dennoch nicht geringzuschätzen. Wiederholt konnte Deutschland dadurch in der multilateralen Klimapolitik das Gesicht wahren. Zugleich unterfüttert er den entwicklungspolitischen Anspruch deutscher Klimapolitik, fließen doch mehr als 80% der öffentlichen deutschen Klimafinanzierung direkt oder indirekt in die Partnerländer und -regionen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. So werden diese mithilfe des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und dessen kontextspezifischer Erfahrung darin unterstützt, ihre Entwicklungspfade klimagerecht und im Einklang mit der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung zu gestalten.

Dies ist schon deshalb bedeutsam und konsequent, weil die Treibhausgasemissionen auch kleiner und armer Entwicklungsländer infolge deren wachsenden Energiebedarfs und gekoppelt mit einer rasanten Urbanisierung absehbar weiter steigen werden. Nach gegenwärtigen Schätzungen werden allein die bilateralen Partnerländer der Bundesregierung in spätestens zehn Jahren in der Summe mehr Treibhausgase ausstoßen als die Europäische Union. Die klimapolitischen Anstrengungen dieser Länder hängen entscheidend von einer großzügigen und glaubwürdigen Unterstützung der Industrieländer ab, deren Wohlstand maßgeblich auf der fortwährenden Ausbeutung und Verbrennung fossiler Energieträger basiert.

Wer aber deshalb suggeriert, Deutschland und die Europäische Union könnten sich ihrer klimapolitischen Pflichten vorwiegend und vergleichsweise günstig im Ausland entledigen, der setzt die international so dringend benötigte Glaubwürdigkeit der deutschen und europäischen Klimapolitik leichtfertig aufs Spiel. Internationale Zusammenarbeit ist zur Erreichung der Ziele des Pariser Abkommens zwingend erforderlich und auch ethisch geboten. Sie kann aber das sprichwörtliche Kehren vor der eigenen Haustür niemals ersetzen.

Die Wahlchancen der Grünen profitieren davon, dass die Bewältigung der Klimakrise zu einem zentralen Wahlkampfthema avanciert ist. Ungeachtet dessen, ob das grüne Wahlprogramm den Anforderungen des Pariser Klimaabkommens gewachsen ist, kann die grüne Kanzlerkandidatin authentisch argumentieren, dass ihre Partei sich nicht erst seit gestern konsistent und glaubwürdig für erheblich mehr Klimaschutz einsetzt und dabei auch die internationale Verantwortung Deutschlands im Blick hat. Zugleich bleibt sie Antworten schuldig, wie die klimapolitischen Ansprüche ihrer Partei mit koalitionsfähigen Kompromisslinien und entwicklungspolitischen Herausforderungen in Einklang gebracht werden könnten. Dass mögliche Koalitionspartner die Klimapolitik uneingeschränkt den Vorreiter*innen überlassen, ist nicht zu erwarten.

Wie auch immer die Wahlen und die nachfolgenden Koalitionsverhandlungen ausgehen werden: die neue Bundesregierung kann sich dabei auch auf die überparteilichen Empfehlungen des Bürgerrats Klima stützen, der zwischen April und Juni 2021 unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten a.D. Horst Köhler tagte. Jede Bundesregierung wäre gut beraten, die Leitsätze des Bürgerrats ernst zu nehmen und schon im November in Glasgow zu gewährleisten, dass Deutschland „als globales Vorbild für klimaneutrales Leben und Wirtschaften“ vorangeht. Eine erneute innenpolitisch begründete Sprachlosigkeit wäre das Gegenteil davon – ungeachtet dessen, wer im Herbst Koalitionsverhandlungen und während der COP26 die Regierungsgeschäfte führen wird.

Klimapolitisch gibt es längst keine Zeit mehr zu verlieren: „You better start swimming or you’ll sink like a stone.“*

­

* Dieses Zitat sowie der Titel stammen aus „The times they are a-changin‘“von Bob Dylan, 1964.

Dieser Text ist im Rahmen der Reihe „Impulse zur Bundestagswahl“ erschienen.

Nach der Bundestagswahl ist vor der Klimakonferenz

Als im November 2017 die UN-Klimakonferenz COP23 in Bonn tagte, verpasste Deutschland die Gelegenheit, sich als Gastgeberstaat auch als klimapolitischer Vorreiter zu profilieren: infolge der zähen Koalitionsverhandlungen war die Bundesregierung nur eingeschränkt sprechfähig. Ähnliches ist zu befürchten, wenn in diesem November die COP26 in Glasgow zusammentritt, um die multilaterale Klimapolitik nach den Corona-bedingten Verzögerungen wieder zu beschleunigen. Dies ist umso misslicher, als es sich um die wichtigste Klimakonferenz seit der Verabschiedung des Pariser Abkommens im Dezember 2015 handelt. Kurz- und langfristige Ziele und Maßnahmen sollen dort in Einklang gebracht werden, in dem unter anderem die verbleibenden Verhandlungsfragen um klimapolitische Marktmechanismen gelöst werden.

Als 2018 in Berlin endlich wieder regiert wurde, bekannte die damals neue Bundesumweltministerin in ihrer Antrittsrede vor dem Bundestag, dass die deutsche Klimapolitik „wiederbelebt“ werden müsse. Tatsächlich kam aber die Große Koalition klimapolitisch kaum auf die Sprünge bis das Bundesverfassungsgericht im April 2021 qua höchstrichterlichem Urteil den Defibrillator ansetzte. Es zeugt also von einem hohen Maß an Chuzpe, wenn sich die amtierenden Regierungsparteien im laufenden Bundestagswahlkampf ungeniert als Klimaschutzparteien präsentieren.

Der Kanzlerkandidat der Unionsparteien hat als Ministerpräsident des Braunkohlelandes Nordrhein-Westfalen zugegebenermaßen einen schwierigen Balanceakt zu leisten. Die Selbstzuschreibung eines klimapolitischen „Machers“ wirkt dennoch sehr bemüht. Der Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten wiederum kann zwar für sich in Anspruch nehmen, als Bundesfinanzminister die Schatulle für einen erheblichen Zuwachs internationaler Klimafinanzierung geöffnet zu haben. Seine Partei wird aber ebenfalls bislang weder im Bund noch in den Ländern mit entschlossener Klimapolitik assoziiert.

Der Aufwuchs des deutschen Beitrags zur internationalen Klimafinanzierung ist dennoch nicht geringzuschätzen. Wiederholt konnte Deutschland dadurch in der multilateralen Klimapolitik das Gesicht wahren. Zugleich unterfüttert er den entwicklungspolitischen Anspruch deutscher Klimapolitik, fließen doch mehr als 80% der öffentlichen deutschen Klimafinanzierung direkt oder indirekt in die Partnerländer und -regionen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. So werden diese mithilfe des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und dessen kontextspezifischer Erfahrung darin unterstützt, ihre Entwicklungspfade klimagerecht und im Einklang mit der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung zu gestalten.

Dies ist schon deshalb bedeutsam und konsequent, weil die Treibhausgasemissionen auch kleiner und armer Entwicklungsländer infolge deren wachsenden Energiebedarfs und gekoppelt mit einer rasanten Urbanisierung absehbar weiter steigen werden. Nach gegenwärtigen Schätzungen werden allein die bilateralen Partnerländer der Bundesregierung in spätestens zehn Jahren in der Summe mehr Treibhausgase ausstoßen als die Europäische Union. Die klimapolitischen Anstrengungen dieser Länder hängen entscheidend von einer großzügigen und glaubwürdigen Unterstützung der Industrieländer ab, deren Wohlstand maßgeblich auf der fortwährenden Ausbeutung und Verbrennung fossiler Energieträger basiert.

Wer aber deshalb suggeriert, Deutschland und die Europäische Union könnten sich ihrer klimapolitischen Pflichten vorwiegend und vergleichsweise günstig im Ausland entledigen, der setzt die international so dringend benötigte Glaubwürdigkeit der deutschen und europäischen Klimapolitik leichtfertig aufs Spiel. Internationale Zusammenarbeit ist zur Erreichung der Ziele des Pariser Abkommens zwingend erforderlich und auch ethisch geboten. Sie kann aber das sprichwörtliche Kehren vor der eigenen Haustür niemals ersetzen.

Die Wahlchancen der Grünen profitieren davon, dass die Bewältigung der Klimakrise zu einem zentralen Wahlkampfthema avanciert ist. Ungeachtet dessen, ob das grüne Wahlprogramm den Anforderungen des Pariser Klimaabkommens gewachsen ist, kann die grüne Kanzlerkandidatin authentisch argumentieren, dass ihre Partei sich nicht erst seit gestern konsistent und glaubwürdig für erheblich mehr Klimaschutz einsetzt und dabei auch die internationale Verantwortung Deutschlands im Blick hat. Zugleich bleibt sie Antworten schuldig, wie die klimapolitischen Ansprüche ihrer Partei mit koalitionsfähigen Kompromisslinien und entwicklungspolitischen Herausforderungen in Einklang gebracht werden könnten. Dass mögliche Koalitionspartner die Klimapolitik uneingeschränkt den Vorreiter*innen überlassen, ist nicht zu erwarten.

Wie auch immer die Wahlen und die nachfolgenden Koalitionsverhandlungen ausgehen werden: die neue Bundesregierung kann sich dabei auch auf die überparteilichen Empfehlungen des Bürgerrats Klima stützen, der zwischen April und Juni 2021 unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten a.D. Horst Köhler tagte. Jede Bundesregierung wäre gut beraten, die Leitsätze des Bürgerrats ernst zu nehmen und schon im November in Glasgow zu gewährleisten, dass Deutschland „als globales Vorbild für klimaneutrales Leben und Wirtschaften“ vorangeht. Eine erneute innenpolitisch begründete Sprachlosigkeit wäre das Gegenteil davon – ungeachtet dessen, wer im Herbst Koalitionsverhandlungen und während der COP26 die Regierungsgeschäfte führen wird.

Klimapolitisch gibt es längst keine Zeit mehr zu verlieren: „You better start swimming or you’ll sink like a stone.“*

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* Dieses Zitat sowie der Titel stammen aus „The times they are a-changin‘“von Bob Dylan, 1964.

Dieser Text ist im Rahmen der Reihe „Impulse zur Bundestagswahl“ erschienen.

Nach der Bundestagswahl ist vor der Klimakonferenz

Als im November 2017 die UN-Klimakonferenz COP23 in Bonn tagte, verpasste Deutschland die Gelegenheit, sich als Gastgeberstaat auch als klimapolitischer Vorreiter zu profilieren: infolge der zähen Koalitionsverhandlungen war die Bundesregierung nur eingeschränkt sprechfähig. Ähnliches ist zu befürchten, wenn in diesem November die COP26 in Glasgow zusammentritt, um die multilaterale Klimapolitik nach den Corona-bedingten Verzögerungen wieder zu beschleunigen. Dies ist umso misslicher, als es sich um die wichtigste Klimakonferenz seit der Verabschiedung des Pariser Abkommens im Dezember 2015 handelt. Kurz- und langfristige Ziele und Maßnahmen sollen dort in Einklang gebracht werden, in dem unter anderem die verbleibenden Verhandlungsfragen um klimapolitische Marktmechanismen gelöst werden.

Als 2018 in Berlin endlich wieder regiert wurde, bekannte die damals neue Bundesumweltministerin in ihrer Antrittsrede vor dem Bundestag, dass die deutsche Klimapolitik „wiederbelebt“ werden müsse. Tatsächlich kam aber die Große Koalition klimapolitisch kaum auf die Sprünge bis das Bundesverfassungsgericht im April 2021 qua höchstrichterlichem Urteil den Defibrillator ansetzte. Es zeugt also von einem hohen Maß an Chuzpe, wenn sich die amtierenden Regierungsparteien im laufenden Bundestagswahlkampf ungeniert als Klimaschutzparteien präsentieren.

Der Kanzlerkandidat der Unionsparteien hat als Ministerpräsident des Braunkohlelandes Nordrhein-Westfalen zugegebenermaßen einen schwierigen Balanceakt zu leisten. Die Selbstzuschreibung eines klimapolitischen „Machers“ wirkt dennoch sehr bemüht. Der Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten wiederum kann zwar für sich in Anspruch nehmen, als Bundesfinanzminister die Schatulle für einen erheblichen Zuwachs internationaler Klimafinanzierung geöffnet zu haben. Seine Partei wird aber ebenfalls bislang weder im Bund noch in den Ländern mit entschlossener Klimapolitik assoziiert.

Der Aufwuchs des deutschen Beitrags zur internationalen Klimafinanzierung ist dennoch nicht geringzuschätzen. Wiederholt konnte Deutschland dadurch in der multilateralen Klimapolitik das Gesicht wahren. Zugleich unterfüttert er den entwicklungspolitischen Anspruch deutscher Klimapolitik, fließen doch mehr als 80% der öffentlichen deutschen Klimafinanzierung direkt oder indirekt in die Partnerländer und -regionen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. So werden diese mithilfe des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und dessen kontextspezifischer Erfahrung darin unterstützt, ihre Entwicklungspfade klimagerecht und im Einklang mit der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung zu gestalten.

Dies ist schon deshalb bedeutsam und konsequent, weil die Treibhausgasemissionen auch kleiner und armer Entwicklungsländer infolge deren wachsenden Energiebedarfs und gekoppelt mit einer rasanten Urbanisierung absehbar weiter steigen werden. Nach gegenwärtigen Schätzungen werden allein die bilateralen Partnerländer der Bundesregierung in spätestens zehn Jahren in der Summe mehr Treibhausgase ausstoßen als die Europäische Union. Die klimapolitischen Anstrengungen dieser Länder hängen entscheidend von einer großzügigen und glaubwürdigen Unterstützung der Industrieländer ab, deren Wohlstand maßgeblich auf der fortwährenden Ausbeutung und Verbrennung fossiler Energieträger basiert.

Wer aber deshalb suggeriert, Deutschland und die Europäische Union könnten sich ihrer klimapolitischen Pflichten vorwiegend und vergleichsweise günstig im Ausland entledigen, der setzt die international so dringend benötigte Glaubwürdigkeit der deutschen und europäischen Klimapolitik leichtfertig aufs Spiel. Internationale Zusammenarbeit ist zur Erreichung der Ziele des Pariser Abkommens zwingend erforderlich und auch ethisch geboten. Sie kann aber das sprichwörtliche Kehren vor der eigenen Haustür niemals ersetzen.

Die Wahlchancen der Grünen profitieren davon, dass die Bewältigung der Klimakrise zu einem zentralen Wahlkampfthema avanciert ist. Ungeachtet dessen, ob das grüne Wahlprogramm den Anforderungen des Pariser Klimaabkommens gewachsen ist, kann die grüne Kanzlerkandidatin authentisch argumentieren, dass ihre Partei sich nicht erst seit gestern konsistent und glaubwürdig für erheblich mehr Klimaschutz einsetzt und dabei auch die internationale Verantwortung Deutschlands im Blick hat. Zugleich bleibt sie Antworten schuldig, wie die klimapolitischen Ansprüche ihrer Partei mit koalitionsfähigen Kompromisslinien und entwicklungspolitischen Herausforderungen in Einklang gebracht werden könnten. Dass mögliche Koalitionspartner die Klimapolitik uneingeschränkt den Vorreiter*innen überlassen, ist nicht zu erwarten.

Wie auch immer die Wahlen und die nachfolgenden Koalitionsverhandlungen ausgehen werden: die neue Bundesregierung kann sich dabei auch auf die überparteilichen Empfehlungen des Bürgerrats Klima stützen, der zwischen April und Juni 2021 unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten a.D. Horst Köhler tagte. Jede Bundesregierung wäre gut beraten, die Leitsätze des Bürgerrats ernst zu nehmen und schon im November in Glasgow zu gewährleisten, dass Deutschland „als globales Vorbild für klimaneutrales Leben und Wirtschaften“ vorangeht. Eine erneute innenpolitisch begründete Sprachlosigkeit wäre das Gegenteil davon – ungeachtet dessen, wer im Herbst Koalitionsverhandlungen und während der COP26 die Regierungsgeschäfte führen wird.

Klimapolitisch gibt es längst keine Zeit mehr zu verlieren: „You better start swimming or you’ll sink like a stone.“*

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* Dieses Zitat sowie der Titel stammen aus „The times they are a-changin‘“von Bob Dylan, 1964.

Dieser Text ist im Rahmen der Reihe „Impulse zur Bundestagswahl“ erschienen.

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