You are here

SWP

Subscribe to SWP feed
Stiftung Wissenschaft und Politik
Updated: 2 days 17 hours ago

Die Rolle der Nato für Europas Verteidigung

Fri, 15/11/2019 - 00:00

∎ Die Nato ist mehrfach gefordert: von außen durch die externen Sicherheitsbedrohungen im Osten und Süden; von innen durch Spannungen unter den Alliierten (vor allem transatlantisch) sowie durch die unzureichende Ausstattung der meisten europäischen Streitkräfte.

∎ 2014 hat die Nato einen umfassenden Anpassungsprozess eingeleitet, um ihre Aufgaben als Verteidigungsbündnis unter veränderten Rahmen­bedingungen wahrnehmen zu können. Trotz Fortschritten besteht Nachholbedarf (z.B. bei Readiness) und existiert Konfliktpotential (z.B. Russland).

∎ Die USA spielen eine Schlüsselrolle für die Handlungsfähigkeit der Nato: Ohne ihre politischen, konventionellen und nuklearen Beiträge sind bis auf Weiteres weder eine glaubwürdige Abschreckung noch die militä­rische Verteidigung Europas möglich.

∎ Eine eigenständige Handlungsfähigkeit der Europäer im Verteidigungssektor, ob bewusst angestrebt oder aufgrund transatlantischer Veränderungen erzwungenermaßen akzeptiert, ist kurzfristig ohne die USA nicht zu erreichen.

∎ Es liegt im Interesse Deutschlands, die politischen und militärischen Funktionen der Allianz langfristig zu sichern und eine Schwächung oder gar Auflösung zu verhindern. Angesichts der Veränderungen in der US-Politik müssen die europäischen Alliierten aber über eine künftige Form der Nato und der europäischen Verteidigung nachdenken, an der die USA in geringerem Maße beteiligt sind.

∎ Zu empfehlen ist ein Doppelansatz: eine Stärkung des europäischen Pfei­lers in der Allianz bei gleichzeitigem Bemühen, die transatlantischen Be­ziehungen zu stabilisieren und die US-Zusagen für Europas Verteidigung langfristig zu sichern.

 

Cracks in the Internet’s Foundation

Fri, 15/11/2019 - 00:00

The foundation of the Internet is showing cracks. Central elements of the Internet’s infrastructure are the result of decisions made decades ago. Since then, however, the technical context has changed dramatically, as has the political significance of the Internet.

Three conflicts over the future development of the Internet infrastructure are particularly important for German policy-makers. The first is about secu­rity and privacy in the Internet’s addressing system, the so-called Domain Name System (DNS). Second, a conflict is building up over the security of the Border Gateway Protocol (BGP) – the protocol used to coordinate data traffic on the Internet. Third, the security and availability of submarine cables, which form the physical backbone of the global Internet, are proving in­creasingly problematic.

If these conflicts remain unresolved, while at the same time the demands on the Internet continue to rise worldwide, the consequences for security, privacy, and economic development will be increasingly negative. Moreover, the Internet is in danger of being split, all the way to the infrastructure level.

This multifaceted field of conflict demands a clear strategic approach from German policy-makers. In accordance with their own digital policy demands, they should at the same time pursue the goal of worldwide inter­operability and address the issues described within a European framework. The challenge here is to shape the further development of the Internet infra­structure in Europe in such a way that it complements – and does not fur­ther jeopardise – the shared global foundation of the Internet.

 

 

Eine geopolitisch wachgerüttelte EU und ihre osteuropäischen Nachbarn: mehr Realismus, mehr Investitionen

Thu, 14/11/2019 - 00:30

Die künftige Europäische Kommission unter Präsidentin Ursula von der Leyen tritt mit dem Anspruch an, eine geopolitische Ausrichtung einzuschlagen. Skeptiker werden anmerken, diese Am­bition vergrößere nur die bekannte Kluft zwischen den Fähig­keiten der Europäischen Union (EU) und den Erwartungen an ihre außenpoli­tische Gestaltungskraft. Andere begrüßen es, wenn die »geopolitische Kommission« aus dem Schatten technokratischer Politik heraustreten will. Dass die EU-Staaten im Oktober 2019 erneut die Eröffnung von Beitrittsverhandlungen mit Nord­mazedonien aufgeschoben haben, wird allerdings aus dieser Warte als strategische Blindheit gewertet. Die EU sollte sich ihre strategischen Möglichkeiten in der Nachbar­schaft, zu der bald auch das Vereinigte Königreich (VK) gehört, nicht verbauen, indem sie an der etablierten Erweiterungs- und Nachbarschafts­politik festhält. Stattdessen sollte sie neue Strukturen schaffen und politisch wie materiell mehr investieren. Zu denken wäre an einen Europäischen Politik- und Wirtschafts­raum (EPWR), bestehend aus der EU und osteuropäischen Ländern der Östlichen Partnerschaft (ÖP).

Russlands soziale Schieflage

Thu, 14/11/2019 - 00:00

Die zaghafte wirtschaftliche Erholung 2017 und 2018 hat den Großteil der Bevölkerung in Russland nicht erreicht. Noch immer liegen die real verfügbaren Einkommen deutlich unter dem Niveau von 2014. Dafür ist auch der strikte Sparkurs verantwort­lich, an dem Moskau weiter festhält. Die langjährige Misere der Privathaushalte hat einen Boom von Konsumkrediten ausgelöst und merkliche Spuren in der Armuts­statistik und der Geburtenrate hinterlassen. Doch die politische Antwort des Kremls, eine Neuauflage der »Nationalen Projekte«, verhallt bislang wirkungslos. Immer klarer zeigt sich, wie wenig die russische Führung der wirtschaftlichen Stagnation entgegenzusetzen hat. Gleichzeitig ist der Kreml nicht zu einer großzügigeren Sozialpolitik bereit. Das erzeugt Unmut in der Bevölkerung, auch weil außenpolitische Erfolge die Stimmung im Land kaum noch beeinflussen.

Die Tragik Hongkongs und Schwierigkeiten der deutschen Chinapolitik

Wed, 13/11/2019 - 00:30

Der 22-jährige Chow Tsz-lok ist nach seinem tödlichen Sturz von einem Parkhaus am vergangenen Freitag der erste Märtyrer der Protestbewegung in Hongkong. Seit mehr als fünf Monaten demonstrieren die Menschen gegen die Regierung. Gemessen an den zeitweise Millionen von Demonstranten war die Zahl der Schwerverletzten oder Verhafteten bislang gering. Die Polizeigewalt gehe auf Agenten aus dem Festland zurück, so die Demonstranten. Peking wirft der Bewegung wiederum vor, sie zerstöre die friedliche Gesellschaft. Was kann die deutsche Politik in solch einer konfrontativen Situation erreichen?

In der Zwickmühle des »Einen Landes mit den zwei Systemen«

Mehr als 5000 Deutsche leben in Hongkong, 97 deutsche Unternehmen haben dort Niederlassungen. Die britisch-chinesische Vereinbarung, auf deren Grundlage die Kolonie Hongkong im Jahr 1997 an die Volksrepublik gegeben wurde, war für beide Seiten eine Art Wette. Das Prinzip »Ein Land, zwei Systeme« sollte bis 2047 gelten. Bis dahin sollte Hongkongs gesellschaftliches System unter der Oberherrschaft Pekings erhalten bleiben. Deng Xiaoping, damals de-facto-Machthaber Chinas, dürfte angenommen haben, dass bis 2047 die Anpassung Hongkongs an das kommunistische China vollzogen sein würde. Großbritannien wiederum hoffte, dass sich China bis zum Stichtag demokratisiert haben würde. Für die internationale Gemeinschaft eine bequeme vorläufige Lösung. So konnte Hongkong Chinas finanzielle Drehscheibe und Sitz aller westlichen Unternehmen bleiben, die die Rechtssicherheit und strengen Regeln des dortigen Finanzmarkts einem Standort im Willkürstaat China vorzogen.

Beide Seiten lagen falsch. Heute macht sich in Hongkong die Erkenntnis breit, dass es die Bevölkerung ist, die die Wette verliert. Denn Hongkong ist keine Demokratie – und war auch unter der Kolonialherrschaft nie eine. Es ist aber eine freie Gesellschaft in Kultur, Bildung, Kommerz und der Herrschaft des Rechts. Jungen Hongkongern wird vor Augen geführt, was es für ihr Leben bedeutet, wenn sie mit 40 oder 50 Jahren in einem System wie dem der Volksrepublik leben müssen. Und so reagierten sie empfindlich, als Peking begann, die Angleichung an das politische System der Volksrepublik mit der Brechstange durchzusetzen, die Wahlerfolge demokratischer Parteien in den Distrikten bei der Besetzung der Regierungsposten ignorierte und sich über die britisch-chinesische Abmachung hinwegsetzte, ab 2017 freie Wahlen zuzulassen. Der Sprecher des chinesischen Außenministeriums erklärte die Vereinbarung zu einem »wertlosen Stück Papier«.

Hier war die Bundesregierung bereits einmal gefordert. Ray Wong und Alan Li, zwei Aktivisten der »Regenschirmbewegung« der Jahre 2014 und 2016, wurden wegen ihrer Forderung nach einem von China unabhängigen Hongkong angeklagt und setzten sich nach Deutschland ab. Die Bundesregierung gewährte ihnen Bleiberecht, sehr zum Missfallen Pekings, dessen Anhänger vor dem deutschen Generalkonsulat in Hongkong protestierten.

Hongkong, das Westberlin Asiens?

Im Jahr 2015 wurden fünf Hongkonger Buchhändler, deren kritisches Sortiment Pekinger Missfallen erregte, entführt und anschließend im Festlandsfernsehen mit »Geständnissen« ihrer »Schuld« vorgeführt. Vier Jahre später brachte die Regierungschefin Hongkongs, Carrie Lam, einen Gesetzentwurf ein, der dafür eine gesetzliche Grundlage schaffen sollte: Von den Behörden der Volksrepublik wegen dort strafbarer Vergehen gesuchte Hongkonger Bürger sollten künftig ausgeliefert werden können. Das war im Juni der Anstoß für die derzeitigen Proteste. Als Carrie Lam es ablehnte, den Gesetzentwurf auch nur zu diskutieren, fanden die Demonstrationen immer häufiger statt — selbst nachdem die Regierungschefin den Gesetzentwurf zurücknahm.

Als Angela Merkel Anfang September zu Regierungskonsultationen nach Peking reiste, blieb ihr nur der Appell, eine friedliche Lösung zu finden. Im selben Monat kam der Hongkonger Aktivist Joshua Wong auf Einladung der »Bild«-Zeitung zur Feier der Maueröffnung nach Berlin. Er stellte den Bezug zum blutigen Ende der Pekinger Protestbewegung vor 30 Jahren her und sagte: »Wenn wir in einem neuen Kalten Krieg sind, dann ist Hongkong das neue Berlin«. Die Kanzlerin empfing ihn nicht. Ignorieren konnte ihn die Regierung aber auch nicht. Die Lösung: Außenminister Heiko Maas schüttelte Wong am Rande einer Veranstaltung die Hand. Es war eine sorgfältig kalibrierte Wahrnehmung der Bedeutung der Proteste in Hongkong, ohne aber protokollarischen Aufwand damit zu verknüpfen. Peking verstand und protestierte nur verhalten gegen die »Respektlosigkeit«.

Erst als die gewalttätigen Aktivisten die Hongkonger Büros der staatlichen chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua stürmten, äußerte sich Staats- und Parteichef Xi Jinping zum ersten Mal persönlich. Im Gespräch in Shanghai versicherte er Carrie Lam seines Vertrauens darauf, dass sie Recht und Ordnung wiederherstellen werde. Damit machte er deutlich, wer letzten Endes der geeignete Sündenbock sein würde.

Abwarten ist keine Lösung

»Die deutsche Wirtschaft wird unruhig«, kommentierte der Geschäftsführer der deutschen Auslandshandelskammer in Hongkong, Wolfgang Niedermark. Wenn es schlimmer wird, würden die deutschen und andere westliche Firmen wegen der fehlenden Rechtssicherheit in der Volksrepublik nach Singapur ziehen. Also kein Grund zur Sorge für Deutschland? Im Gegenteil, und Schweigen ist nicht nur für Xi Jinping keine Lösung.

Für die Bevölkerung Festlandchinas mag es unvorstellbar sein, dass man sich in Hongkong Peking so geradeheraus widersetzt. Der Gedanke ist fremd, dass die Hongkonger, die nicht dem tagtäglichen Trommelwirbel staatlicher Propaganda Pekings ausgesetzt sind, völlig anders empfinden als Chinesen in der Volksrepublik. Alarmierend wäre es, wenn auch die Führung in Peking so wenig in der Lage wäre, Hongkong zu verstehen. Sollte die chinesische Volksbefreiungsarmee in einer Großstadt mit mehr als sieben Millionen Einwohnern so vorgehen wollen, wie seinerzeit auf dem Platz des Himmlischen Friedens, wäre ein langanhaltender Bürgerkrieg zu erwarten.

Das wäre fatal: für die Menschen in Hongkong, für China, für die Region und für alle Staaten, die an einem positiven Verhältnis zur Volksrepublik Interesse haben. Hier läge eine Chance für die chinaerfahrene Bundeskanzlerin, Xi Jinping davon zu überzeugen, dass Verständnis für Hongkong überlebenswichtig für alle Seiten ist.

Growing Needs, Insufficient Resources

Wed, 13/11/2019 - 00:00

∎ The December 2018 Global Compact on Refugees reaffirmed the inter­national community’s commitment to refugee protection – yet willing­ness to accept refugees is in decline globally.

∎ No progress has been seen in the search for viable modes of responsibility-sharing. With the exception of Germany, all the main host countries are middle-income or developing countries.

∎ In a situation where more people are forced to leave their homes than are able to return every year, the more affluent countries must shoulder more responsibility. That would mean pledging more resettlement places and increasing public and private funding to relieve the poorer host countries.

∎ Aid organisations regularly find themselves faced with funding shortfalls. As the second-largest donor of humanitarian and development funding, Germany should campaign internationally to expand the available finan­cial resources and improve the efficiency of their use.

∎ None of the new funding ideas will master the multitude of demands on their own. New and pre-existing financing instruments should therefore be combined.

∎ The German government should collect experiences with the different funding approaches in its new Expert Commission on the Root Causes of Forced Displacement (Fachkommission Fluchtursachen). The Global Refugee Forum, which meets for the first time in December 2019, pro­vides an opportunity to start a discussion on new ways of mobilising the required funds for international refugee protection.

Europas dritter Weg im Cyberraum

Wed, 13/11/2019 - 00:00

Cybersicherheit ist für Europa zu einer Schlüsselfrage in der globalen digitalen Trans­formation geworden. Mit dem Cybersecurity Act, also der Cybersicherheitsverordnung, hat die EU einen rechtlichen Rahmen mit dem Anspruch globaler Ausstrahlung vorgelegt. Eingebettet in eine Politik, die digitale Souveränität mit strategischer Ver­flechtung kombiniert, kann die Verordnung das Tor zu einem dritten Weg Europas im Cyberraum sein, der zwischen dem US-amerikanischen Modell der Marktfreiheit und dem chinesischen Modell des autoritären Staatskapitalismus verläuft. Der Cyber­security Act wird verbindlicher Handlungsrahmen und Rückenwind für die bundes­deutsche Cybersicherheitspolitik sein.

Stabiles Land durch stabile Landwirtschaft in Tunesien?

Tue, 12/11/2019 - 00:00

∎ Der Agrarsektor besitzt hohe Bedeutung für Tunesiens wirtschaftliche und gesellschaftliche Stabilität. Das neu verhandelte vertiefte und um­fassende Handelsabkommen (DCFTA) mit der EU bietet Chancen für die Landwirtschaft, birgt aber auch Risiken für das gesamte Land.

∎ In Tunesien bestehen starke emotionale Widerstände gegenüber dem DCFTA. Sie sind ähnlich massiv wie die Vorbehalte, die in Deutschland dem Transatlantischen Freihandelsabkommen (TTIP) entgegengebracht wurden.

∎ Jenseits der Kritik an konkreten Verhandlungsinhalten speist sich die pauschale Ablehnung aus mehreren Quellen. Das sind die Angst vor euro­päischer Dominanz, schlechte Erfahrungen mit Transformationen im Agrarsektor, vor allem beim Landeigentum, sowie die in ganz Nordafrika vorherrschende Tradition, die Nahrungsversorgung durch protektio­nistische Handelspolitik zu sichern.

∎ Die vorliegenden Wirkungsanalysen weisen positive Wohlfahrtseffekte aus. Dennoch erscheinen viele Bedenken wegen ökologischer und sozialer Auswirkungen des DCFTA berechtigt. Die befürchteten negativen Effekte ließen sich aber durch konkrete Lösungen im Abkommen und besonders durch begleitende tunesische Politiken vermeiden.

∎ Dem pauschalen Widerstand nahezu aller Akteursgruppen in Tunesien kann die EU mit besserer Verhandlungskommunikation begegnen. Dabei sind Sensibilität und Respekt im Umgang mit tunesischen Befindlich­keiten ebenso wichtig wie der Appell an Verbindlichkeit und Eigen­verantwortung auf tunesischer Seite.

∎ Vor allem sollten tunesische Wissenschaftler verstärkt an Wirkungs­analysen zum DCFTA beteiligt werden und sich dabei einem öffentlichen Austausch stellen.

∎ Unabhängig vom Erfolg oder Misserfolg der Verhandlungen ist ohnehin geboten, die tunesische Landwirtschaft intensiver zu fördern. So eröffnet der Bio-Sektor große Absatzchancen für Tunesien und attraktive Beschäftigungsmöglichkeiten für junge Menschen.

Das Internet Governance Forum auf dem Prüfstand

Fri, 08/11/2019 - 00:00

Das Internet Governance Forum (IGF) wurde 2005 eingerichtet, um den globalen Austausch über die politischen Herausforderungen des Internets zu vertiefen. Inspiriert vom Ideal der »Multistakeholder Governance«, bringt das IGF dazu Ver­treterinnen und Vertreter der Staaten, aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zusammen. Wie andere Institutionen der globalen Internet Governance ist jedoch auch das IGF davon betroffen, dass die politischen Konflikte im und über das Internet an Schärfe zunehmen. Ein vom UN-Generalsekretär eingesetztes Panel hat nun einen Bericht zur Zukunft des IGF vorgelegt – und darin grundsätzliche Reformen zum 75. Jahrestag der UN-Gründung 2020 angemahnt. Die so angestoßene Debatte dürfte beim IGF 2019 in Berlin einen vorläufigen Höhepunkt erleben. Bei aller berechtigten Kritik im Detail gilt es, das IGF vor überhöhten Erwartungen zu bewahren. Es kann globale politische Konflikte nicht lösen, doch bietet es eine ein­malige globale Plattform, um befreit von Entscheidungszwängen ebendiese Konflikte zu diskutieren.

Polar Power USA: Full Steam Ahead into the Arctic

Fri, 01/11/2019 - 00:00

The Arctic’s melting ice not only acts as an early warning system for the world’s climate, but also makes this region an indicator of change for international security policy. The Trump administration sees the Arctic primarily as an arena of competi­tion between great powers. This could both benefit and harm the region. A greater engagement on the part of the USA would be welcome, but if it comes with an at­tempt to exclude other states, this would damage the high level of cooperation that has held sway in the Arctic thus far. US Arctic policy has become a variable that is dependent on great-power rivalry. The resulting polarisation of relations makes it difficult to find the necessary common solutions for coping with the changes caused by global warming.

Strategic Foresight for Multilateral Policy

Thu, 31/10/2019 - 00:00

Increasingly, states are openly and assertively pursuing their national interests in international politics. The US, for instance, is revoking important international agree­ments on disarmament, trade and climate change. Other countries with a claim to global power, such as China and Russia, are pursuing an aggressive territorial policy. The withdrawal of the UK from the European Union (EU) would mean the loss of an im­portant partner, undermining its ability to implement a strategic and self-confi­dent course of action at the international level. This is all the more worrying since any erosion of the rules-based international order requires a forward-looking and effective policy for shaping the future. Every time a binding international agreement is called into question or revoked, the threshold for uncoordinated unilateral action is lowered. Unexpected crises and conflicts might therefore occur more frequently in the future. Consequently, governments wanting to promote multilateralism should invest in joint strategic foresight. A multiperspective approach appears to be prom­ising for identifying situations in which coordinated action with like-minded part­ners offers opportunities to proactively shape international affairs.

Israels widersprüchliche Gasexportpolitik

Wed, 30/10/2019 - 00:50

Um seine Gasvorkommen zu vermarkten, setzt Israel bislang auf Exporte nach Ägyp­ten und Jordanien. Durch regionale Vernetzung im Energiebereich, etwa im Rahmen des Anfang 2019 gegründeten Eastern Mediterranean Gas Forums (EMGF), verspricht sich die israelische Regierung bessere politische Beziehungen mit der Region. Gleich­zeitig hofft Israel auf den Bau der EastMed-Pipeline. Sie würde einen direkten Export­link nach Europa schaffen, damit aber die Energiekooperation mit den arabischen Nach­barn unterminieren. Die Europäische Union (EU) sollte die regionale Energie­koopera­tion befördern, da diese die Zusammenarbeit auf anderen Gebieten begünstigen könnte. Ent­sprechend sollte die EU den Bau der EastMed-Pipeline nicht unterstützen.

Eine internationale Sicherheitszone in Syrien – Versuch einer Klärung

Wed, 30/10/2019 - 00:30

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hat mit ihrer Forderung aus der vergangenen Woche nach Einrichtung einer internationalen Sicherheitszone in Nordsyrien eine kontroverse Debatte in Deutschland ausgelöst. Bezüglich der Details ihres Vorschlages ist sie allerdings vage geblieben. Auch wenn es scheint, als sei der Vorschlag zunächst einmal obsolet geworden, lohnt sich doch eine Analyse der Optionen sowie der politischen und militärischen Herausforderungen, vor denen eine etwaige Mission stünde.

Vier Leitfragen sollten beantwortet sein, wenn ein militärisches Engagement Deutschlands und Europas in Nordsyrien erwogen wird.

Um welche Art von Einsatz geht es in (Nord-) Syrien?

Erstens, was soll eine internationale Militärkoalition in (Nord-) Syrien militärisch leisten? Hier werden zum Teil widersprüchliche Ansätze diskutiert. Bei einer »Sicherheitszone« geht es in der Regel darum, nach dem Ende einer militärischen Auseinandersetzung den zwischen den Kriegsparteien erzielten Waffenstillstand zu überwachen und dadurch Raum für politische Verhandlungen zu ermöglichen. Konkret hieße dies etwa, demilitarisierte Zonen einzurichten, Truppen zu entflechten und ggf. Kriegsparteien zu entwaffnen. Dies alles ist jedoch nur mit Zustimmung der Kriegsparteien möglich. Eine solche internationale Truppe müsste neutral sein und wäre nur leicht bewaffnet. Im derzeitigen Umfeld in Nordsyrien ist ein solcher Einsatz kaum vorstellbar: Zwischen den Truppen der Türkei und den Milizen der Kurden existierte zwar vorübergehend eine befristete Waffenruhe, diese war aber von Anfang an brüchig; ein langfristiger Waffenstillstand ist noch nicht ausgehandelt. Zusätzlich sind nach wie vor Kämpfer des sogenannten Islamischen Staates aktiv. Eine Zustimmung Damaskus‘ zu einer internationalen Präsenz auf syrischem Territorium kann zudem ausgeschlossen werden.

Andere Vorschläge zielen auf die Einrichtung einer »Schutzzone«, wie sie etwa in Kroatien und Bosnien-Herzegowina von den Vereinten Nationen (VN) mit begrenztem Erfolg eingerichtet worden ist. Dabei würden internationale Truppen auch gegen den Willen der Kriegsparteien Gebiete besetzen und langfristig gegen Beschuss sichern, um eine Versorgung der Zivilbevölkerung und eine Rückkehr von Flüchtlingen und Vertriebenen zu ermöglichen. Hinzu kämen Verbände der Luftwaffe, da die Schutzzone konsequenterweise von einer Flugverbotszone überwölbt werden müsste, um Angriffe aus der Luft abzuwehren. Dies wäre eine umfangreiche militärische Operation, für die mehrere Tausend Soldaten in einem weitgehend feindlichen Umfeld nötig wären. Es bestünde eine hohe Wahrscheinlichkeit von Gefechten und Verlusten.

Wie wäre ein Einsatz mandatiert?

Zweitens ist die Frage der Mandatierung eines solchen Einsatzes zu klären, wie sie das Bundesverfassungsgericht 1994 für alle Auslandseinsätze gefordert hat. Eine entsprechende Ausnahme vom völkerrechtlichen Gewaltverbot kann nur der VN-Sicherheitsrat mit der Zustimmung aller fünf ständigen Mitglieder genehmigen. Die Trump-Regierung dürfte keine Einwände gegen einen europäischen Einsatz vorbringen. Hingegen wäre die Zustimmung Moskaus unwahrscheinlich. Da Russland zusammen mit der Türkei und Iran im Begriff ist, eine politische wie territoriale Nachkriegsordnung für Syrien zu schaffen, dürfte eine Internationalisierung des Konfliktes nicht im Interesse Moskaus und ein VN-Mandat damit in weiter Ferne liegen. Damit bliebe nur die völkerrechtswidrige Option eines Vorgehens ohne ein VN-Mandat. Deutschland hat diesen Weg 1999 mit der Beteiligung am Kosovo-Krieg beschritten, aber damit einer Erosion des Gewaltverbotes in der internationalen Politik ungewollt den Boden bereitet.

Wer wäre Träger des Einsatzes?

Drittens wäre die Frage nach der multilateralen Organisation zu stellen, die diesen Einsatz durchführen soll. In der vergangenen Woche haben sich die Verteidigungsminister der NATO mit dem deutschen Vorstoß befasst. Angesichts des schlechten Bildes, das die russische Führung von der nordatlantischen Allianz zeichnet, verwundert dieser Schritt. Denn Moskau wird sicherlich keiner NATO-Operation in Nordsyrien zustimmen, welches Ziel auch immer diese verfolgt. Auch Präsident Assad würde ein militärisches Kontingent der NATO oder der EU nicht als neutral, sondern als Koalition der Feinde Damaskus‘ auffassen – und einen Einsatz als späten Versuch des Westens werten, das Ruder im syrischen Bürgerkrieg herumzureißen.

Andere Stimmen in der deutschen Debatte bevorzugen eine Koalition der Willigen aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Solche Ad-hoc-Koalitionen haben jedoch Nachteile gegenüber formalen multilateralen Kooperationen. So ist ihr Vorgehen in der Regel weniger transparent. Auch zwingt eine formale Kooperation die Beteiligten eher dazu, ihre politischen Ordnungsvorstellungen abzustimmen. Schließlich gibt es für derartige Fälle keine vereinbarten Verfahren zur finanziellen Lastenteilung und zur Bereitstellung militärischer Kapazitäten. Im Sinne der angestrebten strategischen Autonomie Europas würde es sich stattdessen anbieten, die Verfahren und Institutionen nutzbar zu machen, die die EU mit ihrer Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik entwickelt hat. Hier sind alle Strukturen vorhanden, die für derartige Operationen notwendig sind. Bislang hat es allerdings am politischen Willen der EU-Mitglieder für größere Einsätze gefehlt.

Welche politischen Ziele würde ein Einsatz verfolgen?

Schließlich muss das politische Ziel eines Einsatzes definiert werden. Die Verteidigungsministerin hat ihr Anliegen einer Sicherheitszone mit der Fortsetzung des Kampfes gegen den »Islamischen Staat« und der Unterstützung des Verfassungsprozesses in Syrien verknüpft. Beides hat aber mit der Einrichtung von Sicherheits- oder Schutzzonen nichts zu tun. In der internationalen Koalition gegen den »Islamischen Staat« ist Deutschland zudem bereits engagiert. Grundsätzlich sollten Militäreinsätze einem erreichbaren politischen Ziel dienen, um überhaupt erfolgreich sein zu können. Je präziser dieses formuliert ist, desto besser lässt sich einschätzen, wie sinnvoll eine solche Militäroperation sein kann, welche Ressourcen und Partner notwendig sind und wann sie auch wieder beendet werden kann. Für die Entscheidungsprozesse innerhalb wie außerhalb Deutschlands ist das unabdingbar.

Return and Reintegration

Wed, 30/10/2019 - 00:00

In Germany there is broad agreement that rejected asylum seekers and other persons obliged to leave the country should do so as soon as possible. Deportations, however, are complex, expensive and particularly controversial when the country of origin’s political and security situation is fragile and unsafe. To incentivise voluntary return, the German government has expanded its programmes that facilitate return and com­plemented them with local reintegration measures, to be implemented by development actors. Non-governmental organisations have criticised this blending of migra­tion and development policy objectives. Aside from this normative debate, however, there is too little discussion of the extent to which development programmes are suit­able for meeting the individual and structural challenges of return, if at all.

Russland und der Astana-Prozess zur Beilegung des Syrien-Konflikts

Wed, 30/10/2019 - 00:00

Mit dem »Astana-Format« haben Russland, Iran und die Türkei nicht nur eine Platt­form für Verhandlungen über Syriens Zukunft geschaffen. Das Gesprächsforum hat auch dazu gedient, Streitthemen unter den drei »Garantiemächten« zu kanalisieren. Mit einem zukünftigen Ende der Kampfhandlungen in Syrien könnte sich jedoch die Funk­tion dieses Formats verändern, zumal dann Fragen des politischen Übergangs in einem Verfassungskomitee unter VN-Vermittlung behandelt werden sollen. Deutschland sollte daher mit EU-Partnern Politikansätze formulieren, die einen Übergang des Astana-Prozesses in andere Strukturen einleiten können. Die Entwicklung solcher Ansätze ist umso dringlicher, als der Handlungsdruck für Europa nach dem Truppen­abzug aus Syrien, den US-Präsident Trump am 6. Oktober angekündigt hat, und dem folgenden Einmarsch der Türkei im Nordosten des Landes gestiegen ist.

Ende der Feuerpause: Wie geht es weiter in Nordsyrien?

Wed, 30/10/2019 - 00:00

In zähen Verhandlungen hatte der russische Präsident Wladimir Putin den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan Anfang vergangener Woche in Sotschi dazu bewegen können, eine zuvor mit den USA mühsam errungene Feuerpause noch einmal um 150 Stunden zu verlängern. Mehr noch: Das türkische Verteidigungsministerium teilte mit, die türkische Militäroperation werde nicht ausgeweitet und die Kämpfe fänden ein Ende, sollten sich die von den syrischen Kurden dominierten Verbände der Syrisch-Demokratischen Kräfte (SDF) zwischen der irakisch-syrischen Grenze und dem Euphrat in einer Tiefe von 30 km zurückziehen.

Dies ist geschehen, wie der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu am Dienstagabend noch vor Ablauf der Frist bekanntgab. Auch die Türkei zeigte sich zufrieden. Selbst wenn der Rückzug nicht vollständig erfolgt sei, würden die in Sotschi vereinbarten russisch-türkischen Patrouillen beginnen, sagte Fahrettin Altun, Sprecher des türkischen Staatspräsidenten Erdoğan.

Die Kurden hatten keine andere Wahl. Die USA sind ihnen kein verlässlicher Partner mehr. Und Russland drängt sie dazu, sich mit Damaskus zu arrangieren. Nach dem Treffen in Sotschi wurde die Stabilisierung der Lage in Nordost-Syrien und die damit verbundene Aussicht, die Kämpfe zu begrenzen, nicht nur von den USA begrüßt. Auch die NATO-Verteidigungsminister zeigten sich bei ihrem Treffen in Brüssel vergangene Woche erleichtert. So verurteilten sie Ankara nicht, sondern betonten stattdessen die Bedeutung der Türkei als Bündnispartner.

Die Europäer können nicht im Alleingang handeln

Die schnelle Einigung zwischen Moskau und Ankara hat der deutschen Politik viel von ihrem Spielraum genommen. Der Vorstoß der Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, in Nordsyrien eine internationale Sicherheitszone unter Führung der Europäer einzurichten, fand keine nennenswerte Unterstützung. Und Außenminister Heiko Maas reiste gar nach Ankara, um zu verhindern, dass die scharfe Kritik aus Deutschland am türkischen Vorgehen in Nordsyrien das Verhältnis zu sehr belastet. Doch heißt das Scheitern des deutschen Vorstoßes auch, dass eine gemeinsame Initiative der Europäer unmöglich geworden ist? Nein.

Es gilt, sich über die gegebenen Machtverhältnisse und über die dadurch begrenzten Möglichkeiten und Ziele einer europäischen Initiative klar zu sein: Ganz offensichtlich sind weder die Türkei noch Russland bereit, die Kontrolle über die Region, die sie den USA und den Kurden gerade erst abgerungen haben, mit europäischen Staaten zu teilen. Weder die USA noch die NATO wollen sich einer militärischen Initiative Europas anschließen. Fest steht auch, dass es für eine solche Initiative kein Mandat des UN-Sicherheitsrats geben wird. Was also kann Europa im eigenen Interesse tun?

Als erstes muss sich wohl die bittere Einsicht durchsetzen, dass die Europäer nach dem faktischen Abzug der USA in Syrien nur in Kooperation mit Russland und – in zweiter Linie – der Türkei handeln können. Mit dem Abzug der USA wurde Ankara in Syrien zum Juniorpartner Moskaus. Ohne mit Russland zu kooperieren, können die Europäer Zwangsumsiedlungen im syrischen Nordosten nicht verhindern – oder auch nur begrenzen. Auch kann Europa ohne Russland und die Türkei keinen Einfluss darauf nehmen, wie in Nordsyrien gefangen gehaltene Dschihadisten behandelt werden. Das syrische Regime kann nur über Russland und die Türkei zu einer Politik der Mäßigung gezwungen werden. Dies braucht es, wenn überhaupt zu irgendeinem Zeitpunkt Flüchtlinge nach Syrien zurückkehren können sollen.

Ein Engagement Europas wäre im Interesse Russlands

Warum aber sollten Russland und die Türkei Interesse daran haben, die Europäer einzubinden? Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Zwar ist Moskau durch den Rückzug der USA und den darauffolgenden Einmarsch der Türkei endgültig zum entscheidenden Akteur in Syrien geworden. Doch ist es damit gleichzeitig vor neue Aufgaben gestellt. Es hat den Krieg gewonnen, aber wie gewinnt es den Frieden? Ohne Kooperation mit Europa kann Russland den Wiederaufbau Syriens nicht vorantreiben. Den braucht es genauso wie die Europäer – wenn sich das Land nicht erneut zum Nährboden für den »Islamischen Staat« und andere dschihadistische Organisationen entwickeln soll.

Eine Einbindung des Westens macht es für Russland leichter, den Einfluss des Iran zu begrenzen und Baschar al-Assad zu einer gemäßigteren Politik zu zwingen. Dies wiederum ist die Voraussetzung dafür, dass das syrische Regime international an Legitimität gewinnt. Auch mag die Kooperation mit Europa Russland dabei helfen, die Türkei davon zu überzeugen, nicht erneut mit dem Gedanken der Unterstützung dschihadistischer Kräfte zu spielen.

Hat Russland Interesse an einer Stabilisierung Syriens, wird es auch Forderungen der europäischen Länder entgegenkommen, die diese als Bedingung für ein Engagement in Syrien stellen müssen: auf Zwangsvertreibung und Umsiedlung im großen Stil verzichten, keine erzwungene Rückführung von syrischen Flüchtlingen aus der Türkei, Schutz ethnischer und religiöser Minderheiten sowie ein Mindestmaß an lokaler Selbstverwaltung. Mehr als dies kann Europa in Syrien realiter nicht erreichen.

Für eine solche europäische Initiative zur Kooperation bräuchte es wohl eine begrenzte Zahl ziviler und militärischer Beobachter aus Europa. Darüber ließe sich mit Moskau und Ankara jedoch sicher leichter sprechen, als über eine von europäischen Mächten kontrollierte Zone.

Turkey’s Nuclear Onset

Tue, 29/10/2019 - 00:00

President Recep Tayyip Erdoğan has recently stated that there is no reason why Tur­key should not have nuclear warhead-tipped missiles, at a time when other nations also possess such a deterrent. The Turkish president’s remarks sparked heated debates as to Ankara’s possible military policy shifts and related nuclear objectives. In the 2010s, Turkey accomplished a number of outstanding achievements in the defence sector, especially in unmanned systems development. Ankara is also pursuing a ballistic missile programme (the Bora missile) which saw its operational debut back in May 2019. However, in the short term, the Turkish defence technological and in­dus­trial base (DTIB) lacks the capacity to support military-grade nuclear proliferation, nuclear warhead design and strategic ballistic missile production. More importantly, present indicators suggest no backtrack from Turkey’s non-proliferation commitments. Rather, the ‘nuclear missile’ rhetoric essentially highlights Ankara’s geo­political worldview.

 

Zum Tod von Abu Bakr al-Baghdadi

Mon, 28/10/2019 - 00:40

Am Sonntag verkündete US-Präsident Trump, dass amerikanische Spezialkräfte den Anführer des Islamischen Staates (IS) bei einer Operation in der nordwestsyrischen Provinz Idlib getötet hätten. Bei der Liquidierung von Abu Bakr al-Baghdadi alias Kalif Ibrahim handelt es sich um den vielleicht größten Erfolg westlicher Terrorismusbekämpfung seit dem Tod von al-Qaida-Chef Usama Bin Laden im März 2011 im pakistanischen Abottabad.

Baghdadi war seit 2010 Anführer der irakischen Organisation Islamischer Staat im Irak (ISI), die damals nicht einmal mehr tausend Kämpfer zählte und kurz vor der Zerschlagung stand. Infolge des amerikanischen Abzugs aus dem Irak, der im Dezember 2011 beendet wurde, schaffte er es innerhalb von nur drei Jahren, aus der arg gebeutelten Gruppe eine terroristische Armee zu formen, die weite Teile Ostsyriens und des Nordwestirak einnahm und dort einen Dschihadistenstaat aufbaute. Spätestens als Baghdadi sich im Juni 2014 zum Kalifen ernannte und den »Islamischen Staat« ausrief, machten sich zehntausende Freiwillige aus aller Herren Länder auf den Weg, um sich ihm anzuschließen. Nie vorher hatte eine dschihadistische Organisation einen solchen Zulauf aus so vielen verschiedenen Ländern. Auch wenn der IS mit dem Tod seines Kalifen nicht geschlagen ist, wird es ihm schwerfallen, seinen Anführer durch eine ähnlich starke Persönlichkeit zu ersetzen und seine Attraktivität für junge Rekruten zu bewahren.

Die US-Operation diente vor allem der inneren Sicherheit in Europa

Die Tötung des Terrorkalifen zeigt zum wiederholten Male, wie wichtig die USA für die Bekämpfung von islamistischen Terroristen weltweit sind und wie verlässlich das US-Militär, die CIA und die NSA agieren. Dies gilt auch dann, wenn – wie im Falle Baghdadis und des IS – die Terroristen weniger für die USA als für ihre Verbündeten eine Bedrohung darstellen. In Europa gelangen der Organisation große Anschläge wie die von Paris am 13. November 2015, als ein aus Syrien entsandtes IS-Kommando 130 Menschen tötete. In den USA hingegen schaffte es die Organisation gerade einmal, einige wenige Einzeltäter zu überzeugen, in ihrem Namen zu operieren.  Die Operation in Idlib diente deshalb weit mehr der europäischen inneren Sicherheit als der der Vereinigten Staaten; die in Deutschland verbreitete These von der neuen Unzuverlässigkeit der Amerikaner trifft zumindest für die Terrorismusbekämpfung nicht zu. Als unzuverlässig hat sich vielmehr Deutschland erwiesen, das sich nicht nennenswert am Kampf gegen den IS im Irak und Syrien beteiligt hat und nicht einmal bereit war, einige deutsche IS-Kämpfer aus syrisch-kurdischer Haft zu übernehmen und in ihrer Heimat vor Gericht zu stellen.

Dass die Tötung von Baghdadi offenbar unter Zeitdruck erfolgte, ist bedenklich. Es zeigt, dass die US-Geheimdienste erwarten, dass sie infolge des Rückzugs der amerikanischen Truppen aus Syrien schon bald weniger Informationen aus dem Land erhalten. Das ist vor allem für Europa gefährlich, denn in Syrien operieren immer noch tausende Dschihadisten in den Reihen von IS, Nusra-Front und kleineren Formationen, die noch dazu viele europäische Kämpfer in ihren Reihen haben. Zwar können sich die meisten Gruppierungen noch in der Provinz Idlib halten, doch zeichnet sich die Einnahme der Gegend durch Regimetruppen und ihre russischen Unterstützer bereits seit langem ab. Sollten die Militanten von dort vertrieben werden, bleibt vor allem die Flucht in die Türkei, von wo es nicht allzu schwierig ist, nach Europa zu gelangen. Ohne nachrichtendienstliche Informationen aus den USA werden die Europäer große Probleme haben, die Reisebewegungen der Dschihadisten rechtzeitig aufzuklären. Denn insbesondere Deutschland hat seine Auslandsaufklärung weitestgehend an die US-Dienste ausgelagert.

Die Türkei unterstützte den IS mindestens passiv

Das wichtigste Problem der europäischen Terrorismusbekämpfung bleibt aber die Türkei. Dies zeigt sich an dem Ort der Operation in Idlib, der sich nahe Barisha und damit nur rund fünf Kilometer von der türkischen Grenze entfernt befand. Das türkische Militär unterhält Beobachtungsposten in der Provinz und pflegt enge Beziehungen zu den syrischen Aufständischen dort, so dass es türkischen Diensten leicht möglich gewesen wäre, von der Präsenz Baghdadis und seines Gefolges zu erfahren. Sogar in irakischen Sicherheitskreisen in Bagdad wurde seit Monaten kolportiert, Baghdadi halte sich in Idlib auf, während die Türkei angeblich nichts wusste. Dies fügt sich in das Bild türkischer Politik seit 2013, die den IS nicht nur nie entschlossen bekämpft hat, sondern ihn auch zumindest passiv unterstützt hat. Der Nachschub des IS an Kämpfern und Versorgungsgütern lief seit 2013 ganz ohne Probleme über das Nachbarland, das auch die Nutzung seines Staatsgebiets als Ruheraum zuließ. Außerdem gestattete Ankara einen regen Handel mit dem IS-Territorium. Dies erklärt, warum sich Baghdadi nahe der türkischen Grenze in Idlib sicherer fühlte als in seinem Heimatland Irak oder im syrischen Osten.

Gelingt es den Europäern nicht, die Türkei von der Notwendigkeit einer entschlossenen gemeinsamen Bekämpfung des IS und anderer Dschihadisten zu überzeugen, wird es nach dem amerikanischen Abzug aus Syrien auch für Europa gefährlicher. In den nächsten Monaten und Jahren gilt es deshalb, die Beziehungen zur Türkei soweit möglich auf eine neue Grundlage zu stellen, die Kontrolle der EU-Außengrenzen zu gewährleisten und die Arbeit der europäischen Nachrichtendienste in Syrien und seinen Nachbarländern (einschließlich der Türkei) zu intensivieren. Die militärische Niederlage des IS und der Tod von Baghdadi sind auch für die Europäer der Beginn einer neuen Phase in der Bekämpfung des islamistischen Terrorismus. Sie wird vor allem von dem Rückzug der USA aus Syrien geprägt werden und die Europäer zwingen, mehr für ihre eigene Sicherheit zu tun.

Dieser Text ist auch unter Tagesspiegel.de und Zeit.de erschienen.

Ein Sachverständigenrat für strategische Vorausschau: Worauf geachtet werden müsste

Mon, 28/10/2019 - 00:30

In der Bundespolitik wächst die Frustration darüber, immer wieder mit Ereignissen auf internationaler Ebene konfrontiert zu werden, die strategische Interessen berühren, ohne strategisch durchdacht zu sein. Jüngstes Beispiel ist der Rückzug der US-Truppen aus Nordsyrien, der mit der militärischen Intervention der Türkei im Nachbarland einherging. Regierung und Parlament in Berlin befürchten eine erneute Destabilisierung Syriens, die sich auf die gesamte Region auswirken könnte.

Solche Ereignisse drohen sich zu häufen, weil die Erosion der regelbasierten internationalen Ordnung Staaten dazu anspornt, ohne Abstimmung mit anderen zu handeln. Vor diesem Hintergrund fordern Wissenschaftler und Politiker in Deutschland mehr strategische Vorausschau. Mit deren Hilfe sollen sich Bundesregierung und Bundestag besser auf denkbare künftige Herausforderungen vorbereiten, um im Falle ihres Eintretens strategischer, schneller und effektiver handeln zu können.

Wie strategische Vorausschau in der Politik verankern?

Dass Berlin mehr Vorausschau-Kompetenz benötigt, ist in der deutschen Wissenschaft und Politik weitgehend unstrittig. Unterschiedliche Vorstellungen gibt es jedoch darüber, welches Modell dabei zugrunde gelegt werden sollte. Die vorgeschlagenen Varianten reichen von einem strategischen Zentrum der Regierung, das ähnlich dem amerikanischen »National Security Council« die auswärtigen Interessen Deutschlands bündelt und gesamtstaatlich koordiniert, bis hin zu einem Parlamentsausschuss, der angelehnt an das finnische Vorbild des »Ausschusses für die Zukunft« gesellschafts- und staatspolitisch relevante Zukunftsfragen behandelt.

Beide Varianten lassen sich indes nur eingeschränkt auf die deutsche politisch-institutionelle Landschaft übertragen. Würde das »National Security Council«-Modell etabliert, ließe sich kaum vermeiden, dass die bislang mit der Wahrnehmung der auswärtigen Angelegenheiten Deutschlands betrauten Ressorts Kompetenzen, Macht und Ressourcen abgeben müssten. Entsprechend hartnäckig fällt der Widerstand gegen Vorschläge aus, die eine Zentralisierung fordern – nicht zuletzt, weil dadurch das Ressortprinzip verletzt würde, das die Eigenständigkeit der Ministerien festschreibt.

Ein Parlamentsausschuss wie der finnische »Ausschuss für die Zukunft«, der kein Ministerium unmittelbar spiegelt, steht dem Regierungshandeln zwar ferner; er bietet damit aber die Möglichkeit, sich unabhängiger von der Tagespolitik mit langfristigen Entwicklungen und Herausforderungen auseinanderzusetzen. Dennoch bildet er die vielfältigen Strömungen der Politik ab und wäre damit dem demokratischen Wettbewerb um Themensetzung und Profilierung ausgesetzt. Das mag im finnischen Fall aufgrund einer vergleichsweise stark ausgeprägten Konsensorientierung eine geringere Rolle spielen. Im deutschen politischen Umfeld, das deutlich kompetitiver ausfällt, ließe sich die parteipolitische Vereinnahmung von Zukunftsfragen wohl nur schwerlich vermeiden. Beobachten lässt sich dies bei der Expertenbenennung zu Sachverständigenanhörungen: Selten erfolgt diese ohne Berücksichtigung des politischen Proporzes.

Ein Sachverständigenrat für strategische Vorausschau stellt eine dritte Variante dar, die diskutiert wird. Er könnte ein vom Bundestag mandatiertes Gremium sein, das von der Nähe zum politischen Prozess profitiert, ohne den Widrigkeiten parteipolitischer Abgrenzungskämpfe zu unterliegen.

Politisch relevant, aber nicht politisiert

Für dieses Modell spricht einiges. Ein unabhängiges Gremium könnte sich ungebundener mit heiklen Fragen befassen, als dies der Regierung möglich ist. Wolfgang Schäuble hat das politische Dilemma mit Blick auf den Mauerfall 1989 kürzlich in einem Interview auf den Punkt gebracht: Die damalige Bundesregierung konnte auf eine solche Entwicklung gar nicht vorbereitet sein. Denn wären Überlegungen über ein mögliches Ende der DDR bekannt geworden, hätte dies gravierende Auswirkungen auf die innerdeutschen Beziehungen und darüber hinaus haben können.

Dennoch sind Entscheidungsträger gut beraten, auf denkbare Entwicklungsszenarien zugreifen zu können. Würden strategische Überlegungen etwa über die Implikationen einer weitergehenden Erosion der EU, militärischer Auseinandersetzungen am Persischen Golf oder von staatlich veranlassten Cyberattacken auf die nationale Infrastruktur in einem unabhängigen Sachverständigenrat thematisiert, hätte die Regierung diese potenziellen Ereignisse im Blick und zugleich die Möglichkeit, sich glaubhaft davon zu distanzieren – in der Politik ist »Deniability« eine wichtige Option.

Ein dem Parlament verbundener Sachverständigenrat bietet einerseits hinreichend Distanz zur Regierung, um heikle strategische Überlegungen als vielleicht interessante, aber politisch irrelevante Gedankenexperimente hinstellen zu können. Andererseits ist der Bundestag dicht genug am operativen Geschäft, so dass solche Überlegungen mit größerer Aufmerksamkeit rechnen können, als dies den meisten außerhalb der Politik entstandenen Vorausschau-Produkten gelingt.

Ein weiteres Argument für eine gewisse Parlamentsnähe besteht darin, dass sich der Sachverstand des Bundestages für strategische Vorausschau nutzen ließe. Die thematisch arbeitenden Ausschüsse konsumieren und produzieren eine ganze Menge Wissen über strategisch relevante Politikfelder. Auch die Kompetenz der Parlamentariergruppen, die den Bundestag mit praktisch allen Ländern und Regionen weltweit vernetzen, ließe sich dafür nutzen, strategische Vorausschau zu bereichern.

Wie sollte ein solcher Sachverständigenrat zusammengesetzt sein, um seiner Aufgabe nachkommen zu können? An erster Stelle ist hier eine Vielfalt der Perspektiven anzustreben. Dabei geht es um fachspezifische Merkmale wie unterschiedliche wissenschaftliche Disziplinen, die berücksichtigt werden sollten. Ebenso geht es um soziokulturelle Eigenschaften wie Alter, Gender, ethnischer, kultureller und sozialer Hintergrund. Und nicht zuletzt geht es auch um unterschiedliche kognitive wie auch emotionale Charakterzüge und politische Einstellungen, die bei der Besetzung eine Rolle spielen sollten. Diese Faktoren müssten angemessen berücksichtigt werden, um ein facettenreiches Bild von denkbaren künftigen Entwicklungen und ihren strategischen Implikationen entwerfen zu können.

Pages