You are here

SWP

Subscribe to SWP feed
Stiftung Wissenschaft und Politik
Updated: 2 days 12 hours ago

The United States and Israel: The Risk of Growing Apart

Tue, 10/12/2019 - 00:00

United States Secretary of State Mike Pompeo’s assertion that “the establishment of Israeli civilian settlements in the West Bank is not per se inconsistent with inter­national law” is merely the latest example of how US and Israeli policies have marched almost in lockstep since Donald Trump’s inauguration as president. However, the United States and Israel have shared an intense and intimate relationship that long predates the Trump Administration and goes beyond the chemistry of individual leaders. In many respects, in fact, that relationship is unique in American foreign rela­tions and uniquely critical to Israeli security. It is grounded in a shared narra­tive of biblically inspired frontier societies that have gathered in immigrants and refu­gees, tamed the wilderness, and built liberal democracy. This explains the broadly recep­tive environment in the United States for the message of US-Israeli commonality. Never­theless, the durability of the relationship is not guaranteed. If the societies and politi­cal cultures of the two countries either continue to develop along parallel, illiberal lines or shift simultaneously in a more liberal direction, the connection be­tween them will be preserved, or even strengthened. However, if they diverge, and especially if Israel maintains its rightward drift while America moves in an opposite direction, the normative foundation of the relationship will erode, with ominous implications for Israel.

Alternatives to Refugee Camps

Mon, 09/12/2019 - 00:00

More and more people are forcibly displaced for longer and longer. An increasingly large number of them find refuge in cities instead of camps. Although this offers opportunities for local integration, it places a heavy burden on city administrations and rarely corresponds to the wishes of host governments, who usually prefer for­cibly displaced people to stay in camps outside cities. Even humanitarian organisations, such as the United Nations High Commissioner for Refugees (UNHCR), are often overwhelmed by urban refugee situations. In view of this, at the first Global Refugee Forum in Geneva on 17–18 December 2019, the German government should work to ensure that good practices for supporting affected cities are adapted and that new approaches are created.

Was hat organisierte Kriminalität mit Terrorismus zu tun?

Fri, 06/12/2019 - 00:00

Der amerikanische Präsident Donald Trump will mexikanische Drogenkartelle als terroristische Organisationen einstufen lassen. Der entsprechende Prozess sei bereits eingeleitet, verkündete er vergangene Woche in einem Interview. Zur Begründung verwies Trump auf die große Zahl an Drogentoten in den USA und die Gewaltopfer der Kartelle, darunter die kürzlich in Mexiko getöteten neun amerikanischen Mitglieder einer Mormonengemeinde.

Einige kriminelle Organisationen wenden gewalttätige Methoden an, die denen von Terrorgruppen ähneln. Gewaltakte wie Bombenanschläge machen kriminelle Vereinigungen aber nicht automatisch zu Terrororganisationen. Sie gleichzusetzen, ist vor allem aus drei Gründen nicht nur fragwürdig, sondern kontraproduktiv.

Kriminelle und terroristische Motive bleiben unterschiedlich

In der Debatte um einen Nexus von organisierter Kriminalität und Terrorismus spielen die Methoden und Motive der Täter eine zentrale Rolle. Besonders nach 9/11 verstärkte sich die Befürchtung, dass kriminelle und terroristische Organisationen schlagkräftige Verbindungen eingehen könnten, gerade dort, wo Staaten schwach sind. Tatsächlich finden sich aber kaum länger andauernde, »strategische« Allianzen. Dagegen zeigen sich Schnittstellen in der Logistik und Finanzierung islamistischer Terrororganisationen, wenn kriminelle Netzwerke ihnen beispielsweise Waffen liefern oder gefälschte Pässe bereitstellen. Seit dem Ende des Kalten Krieges finanzieren sich nichtstaatliche Gewaltakteure verstärkt aus dem illegalen Handel, seiner »Besteuerung« oder durch Kidnapping in den von ihnen kontrollierten Gebieten. Auch von den USA als terroristisch eingestufte Organisationen wie Al Qaida, der sogenannte Islamische Staat und ihre regionalen Ableger haben von Aktivitäten wie Ölschmuggel und Drogenhandel profitiert.

Solche Bezüge sind mit Blick auf mögliche Gegenmaßnahmen relevant, verändern aber nicht die Ziele und Motive terroristischer Organisationen. Umgekehrt mögen kriminelle Gruppen wie die Kartelle in Mexiko politischen Einfluss anstreben, wollen damit aber in der Regel ihre Geschäfte sichern. Ihr grundlegendes Motiv ist die Profitmaximierung, nicht eine politische Agenda. In einigen sehr gewaltsamen Kontexten, wie etwa in Mali, finden sich zwar Gruppierungen, bei denen kaum noch zwischen politisch motiviertem Terrorismus und profitgetriebener organisierter Kriminalität unterschieden werden kann. In Mexiko dürfte das aber weniger eine Rolle spielen und wird auch nicht zur Begründung des amerikanischen Vorhabens angeführt. Trumps geplanter Schritt scheint einem anderen Kalkül zu folgen.

Das  »Etikett« bestimmt die Gegenmaßnahmen

Organisierte Kriminalität und Terrorismus unterscheiden sich nicht nur semantisch, sondern die Kategorisierung als das eine oder das andere zieht bestimmte Maßnahmen nach sich. Auch wenn Präsident Trump, wie einige Beobachter vermuten, mehr an seiner Wiederwahl als an einer echten Lösung interessiert ist, geht es bei dem angestrebten Schritt nicht nur um Symbolik.

Schon frühere US-Administrationen hatten erwogen, die Drogenkartelle als Terrororganisation einzustufen, um mit größeren Ressourcen gegen sie vorgehen zu können. Darüber hinaus lässt sich gegenüber Terrorgruppen ein robusteres, oft militärisches Vorgehen leichter rechtfertigen. Unter dem Schlagwort des amerikanischen »War on Drugs« (Krieg gegen Drogen) erwies sich ein solches zwar bereits als eher kontraproduktiv. Dennoch hat es Präsident Trump explizit ins Gespräch gebracht und so die Furcht vieler Beobachter in Mexiko vor einer Intervention des amerikanischen Militärs verstärkt.

Ansätze zur Bekämpfung von Terrorgruppen wie auch von organisierter Kriminalität, beispielsweise die gezielte Verfolgung von Führungspersonen, wurden ohnehin auch in Mexiko bereits genutzt. Und so ist es unwahrscheinlich, dass neue Ansatzpunkte, die mit einer Umetikettierung der Drogenkartelle in terroristische Organisationen einhergehen, sowohl den grenzüberschreitenden Drogenhandel als auch die massive Gewalt in Mexiko wirklich eindämmen können.

Das Umfeld ist entscheidend

Kriminelle Akteure, die Gewalt und teilweise auch territoriale Kontrolle ausüben, sind besonders sichtbar. In der Regel sind sie aber in eine weit verzweigte politische Ökonomie eingebettet, in der mitunter auch Behörden und Sicherheitskräfte mit kriminellen Interessen verflochten sind — so auch in Mexiko. Der alleinige Fokus auf die Organisationen, ob als kriminell oder terroristisch eingestuft, kann den Blick auf dieses Umfeld verstellen. Zwar sind gezielte Maßnahmen der Strafverfolgung gegen konkrete Personen und Organisationen wichtig, in Kontexten mit starker Gewalt aber oftmals schwierig. Es gilt, beim Umfeld und den Bedingungen von organisierter Kriminalität anzusetzen. Den sichtbaren Teilen problematischer lokaler Macht- und Geschäftsstrukturen einfach das Label des Terrorismus anzuheften, greift zu kurz.

Bei transnationaler Kriminalität, wie im Fall von Mexiko, bedarf es ohnehin Maßnahmen über einzelne Länder hinaus. Denn zum einen werden Angebot und Nachfrage nach Drogen wie Kokain überwiegend anderswo bestimmt. Zum anderen ist der Drogenhandel mit weiteren Straftaten wie illegalen Waffengeschäften und Finanztranskationen verbunden. So übersieht auch Präsident Trump, dass nicht nur Drogen über die US-mexikanische Grenze gelangen. Für eine wirkungsvolle Bekämpfung verschiedener krimineller und auch terroristischer Aktivitäten über Staatsgrenzen hinweg kommt es letztlich auf das Zusammenwirken der Politik und Behörden aller betroffenen Seiten an. Daran ändert auch eine Umbenennung des Problems nichts.

The European Commission’s Enhanced Rule of Law Mechanism

Thu, 05/12/2019 - 00:00

The new European Commission has signaled its commitment to advance the work of its predecessor in asserting European Union (EU) authority to prevent – and, if necessary, respond to – breaches in the rule of law by member states. A new toolbox of measures to accomplish this aim would build upon the Rule of Law Framework, adopt­ed in 2014, and rulings by the Court of Justice of the European Union (CJEU) requiring compliance by member country courts and judicial systems with EU legal principles of judicial independence and separation of powers. The first two principal aims of the reinforced toolbox of measures are to foster, through public outreach, a rule of law culture across the EU, and to expand the scope of monitoring and report­ing to all member countries while deepening the Commission’s institutional expertise to achieve a timely and detailed understanding of developments. The third aim is to reinforce the leverage of the EU to respond in cases where there is serious deviation from rule of law norms. This latter aspect of the reinforced “toolbox” includes adopt­ing a strategic approach to bringing anti-infringement cases to the CJEU and the intro­duction of rule of law conditionality to EU funding in member countries.

The Expansion of Frontex

Thu, 05/12/2019 - 00:00

Strengthening external border management remains the lowest common denomina­tor among Member States of the European Union (EU). Plans to expand the European Border and Coastguard Agency (Frontex) were formally adopted at the beginning of November. However, they will do little to meet the most pressing challenges of the EU’s migration policy. The goal of placing 10,000 border guards under the command of Frontex can only be achieved in the medium term. While some EU Member States currently use illegal practices to secure their national borders, Frontex is increasingly subject to legal controls; operational missions are only possible by invitation from the country of deployment. Without violating legal principles, Frontex alone will not be able to accelerate the return of those who are the subject of removal orders from the EU. Nevertheless, the forthcoming Frontex reform will provide some additional tech­nical value for securing the EU’s external borders. Under changed political circumstances, the agency may be a pioneer for more European and operational security cooperation.

Ways Out of the WTO’s December Crisis

Wed, 04/12/2019 - 00:00

The World Trade Organization (WTO) is facing the biggest crisis since its inception in 1995. From 11 December, the committee that deals with WTO members’ appeals, the Appellate Body, will be left with only one judge. New appointments have been blocked by the United States. This will incapacitate the Body because the minimum require­ment for any decision is three judges. What seems to be a mere procedural issue will result in major disruptions for international trade relations and might ultimately lead to the unravelling of the existing global trade order. The EU and like-minded part­ners have three options to cope with the situation and to safeguard the WTO’s role in trade dispute settlement. The EU and its partners could either endure the stale­mate while aiming for a broader WTO reform. Or the EU could strive for an alter­native appeals mechanism within the WTO, as an interim solution. The third option would be to seek dispute settlements outside of the WTO. None of the options comes without risk of failure since there is uncertainty about the US endgame, and each move could deliver proof for the US that the WTO no longer serves its interests.

Kein lateinamerikanischer Frühling

Mon, 02/12/2019 - 00:30

Friedliche Demonstrationen und gewaltsame Ausschreitungen in mehreren Ländern der Region machen Schlagzeilen in den nationalen und internationalen Medien. Schnell ist vom »Aufruhr in ganz Lateinamerika« die Rede; oft werden Parallelen gezogen zu den Aufständen in der arabischen Welt, die Ende 2010 einsetzten. Über­generalisie­run­gen und vorschnelle Analogien lenken indes von einem differenzierten Verstehen ab. Eine Einordnung der Fälle und die Suche nach einem Ausweg aus den verschiedenen Krisen erfordern, dass nicht nur (gemeinsame) sozioökonomische Pro­bleme, sondern auch (unterschiedliche) gesellschaftliche und politische Faktoren in die Analyse ein­bezogen werden. Ein systemischer Blick auf die aktuellen Konflikte, insbesondere der Vergleich zwischen Bolivien und Chile, zeigt, wie aus unterschied­lichen Gründen politische Stabilität zur Starre werden und dann explosionsartig zerbrechen kann.

Die Evangelikalen und die Politik in Brasilien

Mon, 02/12/2019 - 00:00

∎ Seit den 1970er Jahren vollzieht sich in Lateinamerika ein religiöser Wandel: Der Anteil der Bevölkerung katholischen Glaubens geht stark zurück, der evangelikalen Glaubens nimmt rasant zu. Beide Entwick­lungen sind miteinander kausal verknüpft.

∎ Im Zuge dieser demographischen Transformation büßt die katholische Kirche ihre besondere Stellung in der Gesellschaft und ihren privilegierten Zugang zur Politik ein. An ihre Stelle tritt eine Großzahl vielfältiger und autonomer evangelikaler, vor allem pfingstkirchlicher und neo-pfingst­kirchlicher Kirchen.

∎ Dass die evangelikalen Kirchen ein so großes soziales Gewicht bekommen, hängt unter anderem mit ihrer Bedeutung als »Problemlöserinnen« in prekären Gesellschaftssektoren zusammen. Dieses Engagement dehnen die Glaubensgemeinschaften in wachsendem Maße auf den Bereich der Politik aus.

∎ In Brasilien kommt die Steigerung sozialer Relevanz und politischer Macht der evangelikalen Kirchen in besonders markanter Weise zum Vorschein: Seit dem 1. Januar 2019 führt mit Jair Messias Bolsonaro ein ehemaliger Militär die Regierungsgeschäfte, der sich von einem evangelikalen Pastor im Jordan taufen ließ.

 

Russland und die VN-Agenda »Frauen, Frieden, Sicherheit«

Thu, 28/11/2019 - 00:00

Am 29. Oktober 2019 fand im VN-Sicherheitsrat die jährliche offene Debatte über die VN-Agenda 1325 zu Frauen, Frieden und Sicherheit statt. Ziel der Agenda ist es unter anderem, Frauen an Friedens- und Sicherheitsmaßnahmen stärker zu beteiligen, ihre Rechte zu schützen und ihre Sichtweisen systematisch in die Bearbeitung von Konflik­ten einzubeziehen. Die Russische Föderation, ständiges Mitglied des Sicherheitsrats, hat sich als 1325-Skeptikerin erwiesen. Dabei ist sie in viele internationale Konflikte involviert; folglich gäbe es zahlreiche Anknüpfungspunkte, die Agenda umzusetzen. Deutschland stehen Möglichkeiten offen, die Implementierung in Russland zu unter­stützen und so den geschlechtsspezifischen negativen Auswirkungen der Konflikte entgegenzuwirken, an denen der Kreml beteiligt ist.

Alternativen zu Flüchtlingslagern

Thu, 28/11/2019 - 00:00

Immer mehr Menschen sind immer länger auf der Flucht. Dabei findet eine zunehmend größere Zahl von Menschen in Städten statt in Lagern Zuflucht. Das birgt zwar Chancen für lokale Integration, belastet aber die Stadtverwaltungen stark und entspricht selten den Wünschen der Regierungen von Aufnahmeländern, die meist eine Unterbringung in Lagern außerhalb von Städten bevorzugen. Auch humanitäre Orga­nisationen – wie das Hohe Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) – sind mit urbanen Fluchtsituationen häufig überfordert. Angesichts dessen sollte sich die Bundesregierung anlässlich des ersten Globalen Flüchtlingsforums am 17./ 18. Dezember 2019 in Genf dafür einsetzen, dass bewährte Ansätze zur Unter­stützung betroffener Städte angepasst und neue Ansätze geschaffen werden.

International Schemes, Libyan Realities

Mon, 25/11/2019 - 00:00

Almost eight months into the offensive on Tripoli by Khalifa Haftar’s “Libyan Arab Armed Forces” (LAAF), the war shows no signs of abating. Ongoing diplomatic efforts are divorced from realities on the ground. The current balance of forces rules out any possibility for a return to a political process. This would require either robust inter­national guarantees or a fragmentation of both opposing camps. As long as Haftar has the chance to advance in Tripoli, he and his foreign supporters will view negotia­tions as a tactic to divide his opponents and move closer to seizing power. To create the conditions for negotiations, Western states should work to weaken Haftar’s alliance – and ultimately to prepare the post-Haftar era.

Der Ausbau von Frontex

Fri, 22/11/2019 - 00:00

Die Stärkung des Außengrenzschutzes bleibt in der Migrationspolitik der kleinste gemeinsame Nenner der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU). Der Ausbau der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex) ist Anfang November formell verabschiedet worden. Er wird jedoch nur wenig dazu beitragen können, die drängenden Herausforderungen in der europäischen Migrationspolitik zu meistern. Das Ziel, Frontex 10 000 Grenzschutzkräfte zu unterstellen, kann nur mittelfristig eingelöst werden. Während einige Außengrenzstaaten der EU zum Teil rechtswidrige Praktiken bei der nationalen Grenzsicherung anwenden, wird Frontex zunehmend recht­lich kontrolliert; operative Missionen sind nur mit einer Einladung der jeweiligen Einsatzstaaten möglich. Ohne rechtsstaatliche Prinzipien zu verletzen, wer­den sich durch Frontex allein die Rückführungen ausreisepflichtiger Personen nicht beschleunigen lassen. Dennoch bietet die kommende Frontex-Reform einen technischen Mehrwert für die Sicherung der EU-Außengrenzen. Unter geänderten politischen Um­ständen kann sie Vorreiter sein für eine echte operative Sicherheits­zusammenarbeit in der EU.

Internationale Pläne, libysche Realitäten

Fri, 22/11/2019 - 00:00

Vor fast acht Monaten begann der Angriff der »Libysch-Arabischen Streitkräfte« Khalifa Haftars auf Tripolis. Ein Ende der Kampfhandlungen ist nicht in Sicht. Die laufenden diplomatischen Bemühungen ignorieren die Realitäten vor Ort. Die derzeitigen Kräfte­verhältnisse bieten keine Chance, zu einem politischen Prozess zurückzukehren. Dafür bedürfte es entweder robuster internationaler Sicherheitsgarantien oder die beiden sich bekämpfenden Lager müssten zerfallen. Solange Haftar in Tripolis vorrücken kann, werden er und seine externen Unterstützer Verhandlungen nur als Taktik nutzen, um ihre Gegner zu spalten und die Macht zu ergreifen. Wollen Deutschland und andere westliche Regierungen eine Verhandlungslösung herbeiführen, sollten sie auf die Schwächung von Haftars Allianz hinarbeiten – und letztlich auf die Zeit nach Haftar.

»Handelspolitik kann nur begrenzt Fluchtursachen bekämpfen«

Thu, 21/11/2019 - 00:30

Frau Schmieg, was zeichnet eine erfolgreiche Handelspolitik aus?

Evita Schmieg: Soziale und Umweltgesichtspunkte müssen neben ökonomischen Zielen stehen. Mögliche Probleme durch Zollsenkungen müssen vorher geprüft werden, wie etwa Arbeitslosigkeit oder Ernährungsunsicherheit durch Agrarimporte. Am erfolgreichsten waren Abkommen, die von ergänzenden Reformen wie Weiterbildung, Sozialversicherungsreformen oder Investitionen in Infrastruktur begleitet wurden. Es muss auch möglich sein, flexibel zu reagieren, falls doch größere Probleme auftreten – durchaus auch damit, Zölle wieder zu erhöhen.

Welche Rolle spielt das Thema Migration in der EU-Handelspolitik?
Bisher eine sehr geringe. Handelspolitik ermöglicht bisher kaum legale Migration, obwohl es das Welthandelsabkommen zum Handel mit Dienstleistungen vorsieht. Allerdings unter einem anderen Namen: Dienstleistungserbringung durch natürliche Personen. Weil das Thema in allen Ländern politisch sehr sensibel ist, spielt dieser Handel bisher kaum eine Rolle. Als eigenes Thema ist Migration in Handelsabkommen bisher nicht verankert. In der EU ändert sich das momentan: Parallel zu Handelsabkommen werden nun Mobilitätsvereinbarungen geschlossen. Einwanderungs-, Visa- und Handelspolitik sollen künftig besser koordiniert und Berufsqualifikationen leichter anerkannt werden. Das könnte sehr hilfreich sein. Es wäre allerdings ein falscher Weg, Handelsabkommen mit migrationspolitischen Konditionalitäten zu verbinden; eine solche Instrumentalisierung der Handelspolitik für migrationspolitische Zwecke würde die Stabilität und Vorhersehbarkeit der Rahmenbedingungen für Außenhandel untergraben.

Für die EU sehen Sie in der Handelspolitik einen Ansatz, Pflegepersonal für ihre alternden Gesellschaften zu sichern. Wie müsste solch eine Handelspolitik gestaltet sein?
Pflege, aber auch Handwerk und technische Ausbildungsberufe sind gute Beispiele, wie zirkuläre Migration im Interesse von Entsende- und Empfängerländern gestaltet werden kann. Deutschland könnte sich in der Ausbildung in Entwicklungsländern engagieren – am besten gemeinsam mit Unternehmen, die Fachleute brauchen. Nach einem zeitlich begrenzten Einsatz hier müssten diese nach ihrer Rückkehr dabei unterstützt werden, in ihrem Heimatland wieder Fuß zu fassen und dort zur Entwicklung beizutragen. So kommt es nicht zum Braindrain.

Bringt die zirkuläre Migration nicht auch gesellschaftliche Herausforderungen mit sich?
Ja, durchaus. Allerdings stehen wir mit alternden Gesellschaften und Fachkräftemangel vor mindestens ebenso großen Herausforderungen. Nichts tun ist daher keine gute Alternative. Im Übrigen ist die deutsche Wirtschaft mit ähnlichen Instrumenten bereits unterwegs – so mit dem Programm »Afrika Kommt!«. Es räumt afrikanischen Nachwuchsführungskräften zeitlich begrenzt die Möglichkeit ein, deutsche Unternehmen kennenzulernen. Meine Anregung ist, solche Ansätze auszubauen und die Handelspolitik dafür stärker zu nutzen.

Und auch mit Handelsabkommen zu verknüpfen?

Zirkuläre Migration in Handelsabkommen einzubeziehen, hätte den Vorteil eines breiteren Interessenausgleichs, weil mehr Themen einbezogen würden. Reine Handelsabkommen verbessern meist vor allem die Investitionsbedingungen für Unternehmen; Arbeitnehmer profitieren in erster Linie indirekt. Bezieht man die zirkuläre Migration ein, so schlagen sich die Interessen der Arbeitnehmer unmittelbarer nieder.

Der Zusammenhang zwischen Handelspolitik und Migration ist komplex. Warum lässt sich dennoch eindeutig sagen, dass sich Migration immer positiv auf Handelsströme auswirkt?
Migrierende versuchen, auch im Zielland ihre Konsumgewohnheiten aufrechtzuerhalten. Das führt zunächst zu steigenden Importen, vor allem von Lebensmitteln. Wenn die Zuwandernden gut integriert wurden, können sie helfen, den Zugang zu ihren Herkunftsmärkten zu vereinfachen. Das führt dann mittel- und langfristig zu steigenden Exporten des Ziellandes. Dieser Effekt ist besonders stark, wenn die Zuwandernden eine seltene Sprache sprechen oder ihre Herkunftsmärkte institutionell oder kulturell schwer zugänglich sind.

Inwieweit greifen Handels- und Migrationspolitik bereits ineinander?

Es ist interessant, dass die Diskussionen um diese beiden Politikfelder bisher kaum verbunden sind. So kommt es auch, dass sich die Diskussion um Migration sehr auf die Bedingungen, unter denen Migrierende leben, und damit einhergehende rechtliche und soziale Fragen konzentriert, also Handelsaspekte ausklammert. Die Handelspolitik ignoriert diese Bedingungen bisher gänzlich. Sie gibt ja vor, sich nur mit Handel und nicht mit Migration zu befassen. Aber natürlich hat man es bei der »Dienstleistungserbringung durch natürliche Personen« mit Menschen zu tun. Es wäre deshalb wichtig, beides besser zusammenzubringen und in Handelsabkommen beispielsweise Formulierungen aus Migrationsabkommen aufzunehmen.

Kann denn Handelspolitik letztendlich Fluchtursachen bekämpfen?

Handelsabkommen können nur unter bestimmten Bedingungen zu Wachstum und Entwicklung beitragen – und damit Fluchtursachen bekämpfen: Arme Länder haben schlechtere Voraussetzungen, im Wettbewerb mit Importen zu bestehen. Sie müssen ihre Märkte deshalb vorsichtiger öffnen als die EU. Und sie brauchen echte Marktchancen. Zum Beispiel über Abkommen, die den EU-Markt für Produkte öffnen, die sie tatsächlich exportieren können. Zum Glück hat die EU das frühere Motto ihrer Handelspräferenzen gegenüber AKP-Staaten (Afrika, Karibik, Pazifik) über Bord geworfen, das zugespitzt lautete: Flugzeuge aus Burkina Faso sind zollfrei, aber Ananas in Dosen muss verzollt werden. Die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit AKP-Staaten und -Regionen räumen jetzt vollkommen freien Zugang zum EU-Markt ein. Um diesen zu nutzen, brauchen ärmere Länder aber auch Unterstützung durch handelsbezogene Wirtschaftspolitik, da es ihnen für die Wettbewerbsfähigkeit oft an Kapazitäten und Geld fehlt.

Das Interview führte Cetin Demirci von der Online-Redaktion der SWP.

A Geopolitically Aware EU and Its Eastern European Neighbours: More Realism, More Investment

Tue, 19/11/2019 - 00:00

The future European Commission under President Ursula von der Leyen claims to be a geopolitical Commission. Sceptics note that this ambition will only further broad­en the well-known gap between the capabilities of the EU and the expectations about its ability to shape foreign policy. Others welcome the fact that the “geopolitical commission” wants to emerge from the shadow of technocratic politics. However, the postponement by EU member states in starting accession negotiations with North Macedonia in October 2019 is being viewed from this perspective as strategic blind­ness. The EU should not jeopardise its strategic opportunities in the neighbourhood, which will soon include the United Kingdom, by sticking to its established enlarge­ment and neighbourhood policy. Instead, it should create new structures and invest more, both in political and material terms. One could imagine a European Political and Economic Area (EPEA) consisting of the EU and Eastern European countries of the Eastern Partnership (EaP).

Israel’s Contradictory Gas Export Policy

Tue, 19/11/2019 - 00:00

In order to market its gas reserves, Israel has until now relied on exports to Egypt and Jordan. Through regional networking in the energy sector – for example, within the framework of the Eastern Mediterranean Gas Forum (EMGF), which was founded at the beginning of 2019 – the Israeli government hopes to improve its political relations in the region. At the same time, Israel is investing hope in the building of the EastMed gas pipeline. Its construction would create a direct export link to Europe, but it would thereby also undermine energy cooperation with its Arab neighbours. The Euro­pean Union (EU) should promote regional energy cooperation, as this could pro­mote part­nerships in other areas. Accordingly, the EU should not support the con­struction of the EastMed pipeline.

Regenbogen über Taiwan

Tue, 19/11/2019 - 00:00

Am 26. Oktober 2019 nahmen rund 200 000 Menschen am »Taiwan LGBT 2019 Pride« in Taipeh teil. Der größte Pride Asiens stand in diesem Jahr unter dem Motto »Together, Make Taiwan Better«. Gefeiert wurde, dass Taiwan am 17. Mai 2019, dem Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie, als erstes Land in Asien die Ehe für alle eingeführt hat. Deutschland und die EU sollten vor diesem Hintergrund den Austausch mit Taiwan suchen, um LGBTI*-Rechte in Asien effektiver zu fördern. Ein Blick in die asiatischen Nachbarstaaten zeigt, dass dort zum Teil ähn­liche Hürden bestehen, wie Taiwan sie auf dem Weg zur Ehe für alle überwunden hat.

Connections between Trade Policy and Migration

Mon, 18/11/2019 - 00:00

∎ Trade agreements can contribute to long term development – and thus to addressing the causes of flight and migration – as long as they consistently pursue sustainable development and real market opening.

∎ The latest theoretical and empirical findings highlight the enormous complexity of the relationship between trade and migration. Other factors (such as war, economic crisis etc.) often play a larger role as triggers of migra­tion than trade policy and trade agreements.

∎ One aspect is incontestable: Migration always has a positive effect on trade flows.

∎ Conversely, the effect of trade agreements on migration is sometimes positive, sometimes negative: If they lead to increasing per capita income they may temporarily stimulate migration. A certain level of income is required before people are able to emigrate at all.

∎ Using trade agreements to create legal migration opportunities in the area of services reduces the incentive for irregular migration. This question is especially relevant for the EU, as it faces the looming problem of labour shortages in the ageing societies of its member states.

∎ Ecological and social aspects of investment and trade should be better integrated in all free trade agreements. South Africa and the countries of North Africa offer the greatest potential to expand market access. The EU has already completely opened its markets to most sub-Saharan countries.

∎ The respective policy instruments for trade and migration need to be better coordinated in order to reduce the contradictions between them and to address justified concerns about uncontrolled immigration.

Wendezeiten in Lateinamerika

Mon, 18/11/2019 - 00:00

Seit Wochen rollt eine Welle von Protesten über verschiedene Länder Lateinamerikas. Sie weist auf einen Umbruch historischen Ausmaßes hin, den die Region seit langem nicht erlebt hat. Die Bürger artikulieren ihren Unmut auf der Straße und treiben die Amtsinhaber jedweder politischen Couleur vor sich her. Personelles und institutionelles Versagen in den Regierungen greifen ineinander. Der Widerstand richtet sich gegen Preiserhöhungen, Subventionskürzungen und Wahlfälschung ebenso wie gegen die Korruptheit der politischen Klasse. Strukturelle Defizite wie soziale Ungleichheit und mangelnde Verteilungsgerechtigkeit können den Aufruhr allein nicht erklären. Hinzu kommt die Frustration der einkommensschwachen Bevölkerungsgruppen über die ausbleibende Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse. Das Vertrauen in die Politik ist erschüttert, ihre Ideenarmut steigert noch den Druck in Richtung einer politischen Neuordnung jenseits der bestehenden Institutionen und Elitenpakte. Doch die Er­wartung, ein Konsens zwischen Protestierenden und den etablierten Eliten über neue Grundlagen des Zusammenlebens ließe sich schnell finden oder eine Verständigung auf ein neues Entwicklungsmodell erzielen, könnte enttäuscht werden. Mit kurzfristigen Zugeständnissen wird sich dies nicht bewerkstelligen lassen.

Pages