Beitrag in der Basler Zeitung vom 17.11.2015, von Beni Gafner, Bern
Strategieprofessor und Sicherheitsexperte Albert A. Stahel fordert echte Kontrollen an der LandesgrenzeHier finden Sie das PDF des Beitrages: Download
In Paris sind die Anschläge auf die sechs französischen Einrichtungen beinahe synchron erfolgt. Die hauptsächlichen Ziele waren vor allem Orte mit grossen Menschenansammlungen. Während der Anschlag auf das Bataclan Theater mit einem Massaker endete, war dies beim Anschlag auf das State de France zum Glück nicht der Fall. Teilweise aufgrund der sorgfältigen Zutrittskontrolle zum Stadium, aber auch wegen des dilettantischen Vorgehens der Selbstmordattentäter ist dieser Anschlag gescheitert.
Zu den Anschlägen hat sich der Islamische Staat (IS) bekannt. Bis heute wird der Islamische Staat bezüglich Führung und Vorgehen unterschätzt. Dem Anführer des Islamischen Staates, Abu Bakr al-Baghdadi, ist es in den vergangenen Jahren gelungen die Jihadisten der früheren Organisation Al-Kaida im Irak (wurde bis zum 7. Juni 2006 durch den durch die Amerikaner getöteten Jordanier Abu Musab al-Zarqawi geführt) und die kriegserprobten Berufs- und Geheimdienstoffizieren der früheren Armee von Saddam Hussein zu einer einzigen Organisation zu vereinigen. Durch diese Vereinigung und Zusammenarbeit ist der Islamische Staat mit seiner Armee von rund 50‘000 bis 60‘000 Soldaten, von denen 30‘000 bis 40‘000 fremde Kämpfer sein dürften, als eine hochprofessionelle Organisation zu bezeichnen. Durch den Verkauf von geraubten Antiquitäten, den Schmuggel von Erdöl, den Raub der Devisenreserven aus der irakischen Staatsbank in Mossul, die Entführungen sowie die Steuern und Geldzuwendungen durch gläubige Moslems aus Saudi-Arabien, Katar und den Emirates verfügt der IS über genügend Einnahmequellen. Die Waffen sind von der kollabierten irakischen Armee erbeutet oder über Saudi-Arabien geliefert worden. Saudi-Arabien wirkt nebenbei nur in einem beschränkten Masse am Luftkrieg der USA gegen den Islamischen Staat mit. Aufgrund seiner Zugehörigkeit zum Stamm des Propheten, den Quraisch, ist al-Baghdadi zum Kalifen Ibrahim ernannt worden. Damit knüpft der IS an die glorreiche Zeit des Kalifats der Abbassiden an und erinnert die sunnitischen Gläubigen in der ganzen Welt an diese Zeit. Die Ausrufung des Kalifats ist Beweis für den geschickten Einsatz des Marketings durch den IS.
Der durch die Führung in Mossul mit der Planung und Durchführung beauftragte regionale Führungsstab in Europa dürfte sich in Belgien befinden.[1] Auch die Attentäter dürften über Belgien nach Frankreich eingeschleust worden sein. Gleiches gilt auch für die Logistik. Während die verwendeten Handgranaten und Kalaschnikows vermutlich in einem Balkanstaat beschafft worden sind, dürfte ihr Transport über Belgien oder Deutschland erfolgt sein. Alle bisherigen Informationen weisen darauf hin, dass auch die Logistik für diesen Anschlag ausserhalb Frankreich organisiert und gesteuert worden ist.
Was die sieben Attentäter betrifft, so dürften zu diesen drei französische Staatsangehörige islamischer Herkunft gehören aber auch belgische und syrische Staatangehörige könnten dabei gewesen sein. Ein in Paris aufgefundener Pass weist auf einen Syrer hin, der mit dem Flüchtlingsstrom über Griechenland nach Deutschland eingereist und von dort aus nach Frankreich infiltriert sein könnte. Dieser Missbrauch des Asylwesens durch das Eindringen von mutmasslichen IS-Mitgliedern in Europa hat Frau Merkel mit ihrer Willkommenskultur erleichtert.
Paris und damit Frankreich haben sich für den Islamischen Staat als Zielgebiet für diese Anschläge direkt aufgedrängt. Frankreich ist Teil der US-geführten Allianz des Luftkriegs gegen den IS. Die französischen Kampfflugzeuge sind bis jetzt über 1‘285 Einsätze gegen den Islamischen Staat im Irak geflogen.[2] Die offenen Grenzen von Schengen haben anhin die Infiltration des Landes durch Terroristen erleichtert. Was die Rekrutierung von Attentätern unter der Bevölkerung betrifft, so weist Frankreich eine grosse islamische Minderheit auf, die teilweise schlecht integriert ist, darunter viele Jugendliche, die arbeitslos und unzufrieden sind. Was zukünftige Zielländer für Anschläge betrifft, so könnten sich auch die Niederlande und Dänemark dafür anbieten. Diese Staaten weisen teilweise die gleichen Charakteristiken auf wie Frankreich. Dazu gehören eine grosse islamische Minderheit und die Mitwirkung dieser Staaten in der US-geführten Allianz gegen den Islamischen Staat.
Welche Folgerungen sind aufgrund der Anschläge in Paris abzuleiten? Viele europäische Staaten werden ihre Sicherheitsmassnahmen, so die Überwachung im Staat, überdenken und verschärfen müssen. Dazu gehört insbesondere die engere Überwachung durch ihre Geheimdienste und die Aufstockung ihrer Polizeikorps zwecks Kontrolle neuralgischer Punkte und Örtlichkeiten. Des Weiteren wird auch das Konzept der offenen Grenzen durch Schengen hinterfragt werden. Sehr bald könnten verschiedene Staaten entsprechend dem Modell von Ungarn ihre Grenzen wieder selbst sichern.
Was die Vernichtung des IS selbst betrifft, so kann diese nur durch den Einsatz hochausgerüsteter Bodentruppen erfolgen. Die Ereignisse im Irak sind die Folge der 2003 begangenen geopolitischen Dummheit der USA mit ihrer Invasion des Landes und dem Sturz von Saddam Hussein. Deshalb müssten sie konsequenterweise diesen Einsatz leisten. Dies würde allerdings bedeuten, dass der heutige Präsident Barack Obama seine Strategie des Nichteinsatzes von US-Truppen in Krisengebieten aufgeben müsste.
[1] Stratfor, France: Attack Explosives Identified, Suspects Arrested in Belgium, November 14, 2015.
[2] Stratfor, After Paris, France Contemplates a Reckoning, November 14, 2015.
Der Islamische Staat wird offiziell durch Abu Bakr al-Baghdadi angeführt, der als ein Mitglied des Stammes des Propheten, die Quraisch, zum Kalifen Ibrahim ernannt worden ist. Mit dieser Ernennung weist der Islamische Staat auf die glorreiche Zeit des Kalifats der Abbassiden (750-1258-1517) hin. Neben dem Einsatz dieses durchdachten Marketings, hat sich der Kalif durch die Vereinigung der kriegserfahrenen Berufsoffiziere der früheren Armee von Saddam Hussein und der Jihadisten von Al-Kaida im Irak (von Abu Musab al-Zarqawi) zur Führungsequipe des Islamischen Staates als ein geschickter Organisator erwiesen. Dank diesen Offizieren und der Rekrutierung der fremden Kämpfer aus Europa und der arabischen Welt ist es ihm gelungen, den Islamischen Staat im Mittleren Osten zu einer eigentlichen Militärmacht zu entwickeln. Mit dieser Streitmacht haben Ibrahim und seine Führungsgehilfen die durch die Briten und Franzosen nach dem Ersten Weltkrieg errichteten Grenzen im Mittleren Osten zerschlagen. Sowohl der Irak wie auch Syrien existieren heute nur noch auf dem Papier und damit in der Vorstellungswelt der christlichen Europäer und Amerikaner. Der Islamische Staat umfasst und beherrscht heute die sunnitischen Gebiete dieser beiden Kunststaaten.
Des Weiteren ist es dem Kalifen gelungen, das Finanzwesen seines Staatsgebildes dank dem Schmuggel von Erdöl, dem Raub von Devisen aus der irakischen Staatsbank in Mossul, den seinen Untertanen auferlegten Steuern, den durch Entführungen von Ungläubigen erzielten Lösegeldern und den Einnahmen aus dem Verkauf geraubter Antiquitäten zu organisieren und zu festigen. Gleichzeitig kann der Kalif auch weiterhin mit der finanziellen Unterstützung durch gläubige Moslems aus Saudi-Arabien, Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten rechnen.
Religiös besteht eine hohe Gemeinsamkeit der Salafisten des Islamischen Staates mit den Wahhabiten in Saudi-Arabien und Katar. Diese religiöse Einheit führt auch dazu, dass der Islamische Staat beinahe nicht durch saudische Kampfflugzeuge angegriffen und von den Saudis eigentlich geschont wird. Neben der religiösen Übereinstimmung besteht auch eine geopolitische Interessengemeinschaft, sind doch die eigentlichen Feinde des Islamischen Staates und Saudi-Arabiens die Schiiten und der Iran. In diesem Sinne führt der Islamische Staat im Interesse der Saudis Krieg gegen die Schiiten, aber auch im Interesse von Erdogan, der seinen erklärten Feind, den Alawiten (Nusairier) Assad, einen sogenannten Siebner-Schiiten[1], beseitigen will.
Kalif Ibrahim ist nicht nur ein charismatischer Religionsführer, sondern ist auch als ein ausgezeichneter Organisator und glänzender Kommunikator in der sunnitischen Welt anzusehen. Dank ihm dürfte der Islamische Staat nicht so bald besiegt werden.
[1] Fischer, R., Der Islam, Glaube und Gesellschaftssystem im Wandel der Zeiten, Eine Einführung, Edition Piscator, Oberdorf, 1992, S. 57/58.
Seit dem 6. Oktober 2001 kann Afghanistan als ein von den USA und ihrer Alliierten besetzter Staat bezeichnet werden. Seither werden Wirtschaft und Regierung des Landes durch den Subventionstropf der ausländischen Donors (Spenderstaaten) finanziert. 2014 hatte die Regierung ein Budget von 7.6 Milliarden US-$. Davon mussten 4.8 Milliarden US-$ durch ausländische Staaten finanziert werden.[1] Der grösste Teil dieser Subventionen diente mit über 4.0 Milliarden US-$ der Finanzierung der aufgeblähten Afghanistan Security Forces (Armee und Polizei), die eine Mannschaftsstärke von 352‘000 Mann aufweisen.[2] Für die Verteidigung des Landes gegen ausländische Aggression sind sie aber nicht ausgerüstet. So fehlt der Afghan National Army (ANA) schwere Waffen wie Artillerie, Kampfpanzer und Kampfflugzeuge weitgehend. Die ANA ist bewusst als Infanteriearmee für Counterinsurgency-Operationen gegen die Taliban konzipiert und aufgebaut worden, weil auf diese Weise verhindert werden soll, dass sich in Afghanistan wieder Al-Kaida einnisten und zu einer Bedrohung für die USA werden könnte.
Der eigentliche Aufbau des Landes ist während der vergangenen 14 Jahre sträflich vernachlässigt worden. An Infrastruktur ist mit Ausnahme einiger Strassen nichts aufgebaut worden. Nach wie vor ist die Energieversorgung mit Strom für Afghanistan ein gravierender Mangel.[3] Auch kann die Landwirtschaft das Land nach wie vor nicht mit eigenen Produkten versorgen. Afghanistan ist auf Importe angewiesen. 2013 importierte das Land Güter und Dienstleistungen für 12 Milliarden US-$ und exportierte lediglich für 3 Milliarden US-$.[4]
Die einzige Grösse, die regelrecht boomt, ist das Wachstum der Bevölkerung. Bezogen auf eine Bevölkerungsgrösse von 30 bis 32 Millionen (geschätzt für 2014/15), stellt die Kohorte der 0 bis 14-Jährigen (Mädchen und Knaben) 42% der Gesamtbevölkerung. An 15 bis 24-Jährigen gibt es 22.2%. Pro Jahr gelangen 392‘116 Männer und 370‘295 Frauen in den Arbeitsprozess (2010). [5] Dass Afghanistan diesen Zustrom nicht verkraftet, kann anhand der direkten Arbeitslosigkeit von 35% (2008) ermessen werden.[6]
Das entscheidende Problem des Landes ist der Drogenanbau und –handel, von denen beide trotz der Besetzung durch die Amerikaner und ihrer Alliierten ab 2001 regelrecht explodiert sind. Aufgrund der Tatsache, dass Afghanistan die Welt zu 85% mit Opium, Heroin und Morphin, aber auch mit Cannabis versorgt, muss das Land als ein echter Narcostate bezeichnet werden. Pro Jahr werden zwischen 5‘000 bis 8‘000 Tonnen Opium (2009 6‘900 Tonnen) auf rund 224‘000 Hektaren (2014) produziert.[7] Dieses Opium und das daraus raffinierte Heroin und Morphin wie auch das Cannabis sind die eigentlichen Exportgüter des Landes.[8] Die Hauptanbaugebiete waren 2013 die Provinzen Helmand und Nangarhar.[9] Mit dem Heroin, dem Morphin und dem Cannabis werden vor allem die Märkte der Russischen Föderation und Europas versorgt.[10] Der Transportweg nach Europa verläuft über den Iran, die Türkei, die Balkanroute und Italien. Der Transport nach Russland geht über die zentralasiatischen Staaten.[11] Die Sicherheitsbehörden dieser Staaten dürften über diese Transportwege im Bilde sein.
Für die Verarbeitung und den Transport von Heroin, Morphin und Cannabis ist die Organisierte Kriminalität (OK) Afghanistans zuständig, deren Führung eng mit der Regierung und der Bürokratie in Kabul verbandelt ist. Damit der Anbau und der Handel nicht gestört werden, werden Richter, Polizei und Behörden auf allen Stufen geschmiert. Auf dem Korruptionsindex stand Afghanistan 2014 auf Platz 172 aller 175 Staaten der Welt, die durch diesen Index erfasst werden. Die Korruption dominiert den gesamten Staat, dessen Gesellschaft und Wirtschaft.[12] Dazu kommt noch, dass die afghanische OK mit den OK-Banden der übrigen Welt eng vernetzt ist.
Die UNO schätzt, dass durch den afghanischen Drogenanbau und –handel pro Jahr zwischen 200 bis 300 Milliarden US-$ generiert werden. Diese ungeheure Summe, die über die bekannten Geldwaschanstalten am Persischen Golf und in Südostasien gereinigt wird, dürfte der eigentliche Grund sein, warum während den vergangenen 14 Jahren die Besatzungsmächte diesem Anbau und Handel keinen Einhalt boten. Am Ende dürfte dieses Geld in die Finanzinstitute von New York und London geflossen sein und dürfte immer noch dorthin fliessen.
[1] Cordesman, A. H., Afghanistan and „Failed State Wars“: The Need for a Realistic Transition, CIS, Washington DC, October 12, 2015, P. 50.
[2] Cordesman, A.H., P. 54.
[3] Cordesman, A.H., P. 60.
[4] Cordesman, A. H., P. 72.
[5] Cordesman, A.H., P. 10/11.
[6] Cordesman, A. H., P. 9.
[7] Cordesman, A. H., P. 108/109/119.
[8] Cordesman, A. H., P. 111/115/117.
[9] Cordesman, A. H., P. 113.
[10] Cordesman, A. H., P. 115.
[11] Cordesman, A. H., P. 117.
[12] Cordesman, H.H. P. 27.
Eine Analyse der von Russland und der USA im Mittleren Osten eingesetzten Kampfflugzeuge lässt erkennen, dass es sich dabei mehrheitlich um Waffensysteme handelt, deren ursprüngliche Versionen bereits zur Zeit des Kalten Krieges entwickelt und in Dienst gestellt worden sind.
Auf russischer Seite sind dies
Der Einsatz dieser Kampfflugzeuge und Kampfhelikopter erfolgt vom Fliegerstützpunkt Hmeimim bei Basil al-Assad nahe Latakia aus.
Die USA setzen folgende Typen an Kampfflugzeugen, die aus der Zeit des Kalten Krieges stammen, vom türkischen Fliegerstützpunkt Incirlik und von Stützpunkten im Persischen Golf gegen den Islamischen Staat im Irak und in Syrien ein:
Das von Russland in Syrien vermutlich am häufigsten eingesetzte Erdkampfflugzeug dürfte die Su-25SM sein.[1] Bereits Ende der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts setzte die Entwicklung dieses Kampfflugzeuges ein. Der Erstflug erfolgte 1975 und die Indienststellung 1981. Die Frontscheibe besteht aus Panzerglas und das Cockpit ist durch Titan gepanzert. Die ursprüngliche Version des Erdkampfflugzeuges erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von 970 km/h und eine maximale Reichweite von 1‘250 km. Neben der 30mm Kanone können an 10 Aussenaufhängern 4‘400 Kg Waffen (Luft-Luft-Lenkwaffen, Luft-Boden-Lenkwaffen, Freifallbomben) mitgeführt werden. Seit 2000 werden die Avionik und die Bewaffnung diese Erdkampfflugzeuge zum Su-25SM kampfwertgesteigert.
Zum ersten Mal waren Su-25 im Afghanistankrieg von 1980-89 im Einsatz. Dabei wurden Su-25 durch die Mujaheddin abgeschossen. Im Krieg gegen Georgien 2008 wurden Su-25SM eingesetzt. Seit September 2015 sind vom russischen Stützpunkt Hmeimim aus 12 Su-25SM im Einsatz.
Der zweite Flugzeugtyp, der im russischen Luftkrieg in Syrien entscheidend mitwirken dürfte, ist der Jagdbomber mit Schwenkflügel Su-24M2.[2] Dessen Erstflug erfolgte 1967 und 1974 wurden die ersten Su-24 in Dienst gestellt. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt Mach 2.18 und die maximale Reichweite über 2‘500 km. Neben der mehrläufigen 23mm-Gatlingkanone können an 8 Stationen 8‘000 kg Waffen mitgeführt werden (Luft-Luft-Lenkwaffen, Luft-Boden-Lenkwaffen, Freifallbomben, „gelenkte“ Bomben, nukleare Freifallbomben). Durch die Kampfwertsteigerung zum Su-24M2 wurden die Jagdbomber mit neuer Avionik versehen. Vom Fliegerstützpunkt Hmeimim aus bombardieren 12 Su-24M2 Ziele in Syrien.
Der Erstflug des russischen Kampfhelikopters Mi-24 erfolgte 1969 und 1972 die Indienststellung.[3] Der Mi-24 wird aufgrund seiner „schussfesten“ Frontscheibe und seiner Bewaffnung – so die 12.7mm- bzw. 30mm-Bugkanone und die externen Aufhänger für 1‘000kg Waffen (Luft-Luft-Lenkwaffen, Luft-Boden-Lenkwaffen, Freifallbomben) – sowie aufgrund der Transportkapazität von 8-10 Soldaten als „fliegender Schützenpanzer“ bezeichnet. Bekannt wurde der Mi-24 durch den Krieg in Afghanistan von 1979-89. Dabei wurden einige Mi-24 durch die Mujaheddin mit Raketenrohren RPG-7 abgeschossen. In Syrien dienen die stationierten Mi-24 der Sicherung und damit des Schutzes des Stützpunktes Hmeimim.
Das Erdkampfflugzeug A-10 Thunderbolt II (Warthog) ist das amerikanische Pendant zum russischen Su-25.[4] Der Anstoss zur Entwicklung dieses Erdkampfflugzeuges erfolgte 1969 aufgrund der Erfahrungen im Vietnamkrieg und der Biographie des deutschen Oberst Hans-Ulrich Rudel über seine Erlebnisse mit seinen Stuka-Kampfflugzeugen Junkers Ju 87G-1 (zwei 37mm-Kanonen) an der Ostfront.[5] Der Erstflug der A-10A fand 1972 statt und die Indienststellung 1975. 1984 wurde die Produktion nach 716 Flugzeugen eingestellt.
Das Cockpit und die wichtigsten Teile des Kampfflugzeuges sind mit Titanium gegen Treffer von 23mm-Kanonen geschützt. Auch nach Treffern von 57mm-Geschossen soll das Flugzeug weiterfliegen können. Die maximale Geschwindigkeit ist 720 km/h. Wichtigste Bewaffnung ist die siebenläufige 30mm GAU-8/A Avenger Gatlingkanone, um die herum der Rumpf der A-10 gebaut ist.[6] Die Feuergeschwindigkeit ist heute auf 3‘900 Schuss/Min eingerichtet. An den Aufhängern können Luft-Luft-Lenkwaffen und Luft-Boden-Lenkwaffen mitgeführt werden. 2005-2011 wurde die Flotte mit einem neuen Cockpit ausgerüstet und für den Einsatz von GPS-gelenkten Bomben zum A-10C kampfwertgesteigert. Anschliessend wurden 43 A-10 mit neuen Flügeln versehen.
Seit der Operation Desert Storm von 1991 wurden A-10A in allen durch die USA geführten Luftkriegen mit Erfolg eingesetzt, so in Bosnien-Herzegowina 1994-95, in der Operation Deliberate Force 1995, der Operation Allied Force 1999 gegen Serbien, in Afghanistan ab 2002 (Operation Anaconda) gegen die Taliban, in der Operation Iraqi Freedom 2003, in der Operation Odyssey Dawn gegen Gaddafi 2011 und seit kurzem in der Operation Inherent Resolve gegen den Islamischen Staat.[7]
Trotz der ausgewiesenen Leistung wollen die Verantwortlichen der US Air Force die A-10-Flotte seit 2012 sobald als möglich ausser Dienst stellen. Offiziell sollen die Erdkampfflugzeuge A-10 in ihrer Einsatzfunktion durch die neuen Kampfflugzeuge F-35 ersetzt werden. Gegen dieses Ansinnen leisten die Armed Services Committees des Senats und des Abgeordnetenhauses Widerstand. Es ist zu offensichtlich, dass bei den Jägerpiloten der US Air Force der wahre Grund der Ausmusterung die Unbeliebtheit des langsam fliegenden Erdkampfflugzeugs A-10 ist.
Seit einiger Zeit greifen die A-10C vom türkischen Fliegerstützpunkt Incirlik aus Stellungen und Ortschaften des Islamischen Staates in Syrien, wie das Dorf al-Hawl, an.[8] Die Zahl der A-10-Einsätze nimmt prozentual an der Gesamtzahl der Einsätze der amerikanischen Kampfflugzeuge zu.
Auch der Anstoss zur Umrüstung der Transportflugzeuge C-130 als Gunship geht auf den Einsatz von mit Geschützen ausgerüsteten Transportflugzeugen C-47 im Vietnamkrieg zurück. Der Erstflug der neuen Gunship erfolgte 1967 und im gleichen Jahr wurde die AC-130A, ausgerüstet mit vier M61-Vulcan-Gatlingkanonen und vier Minigun-Gatlingmaschinengewehren, in Dienst gestellt.[9] Bereits 1968 wurde eine Gunship mit einer neuen Bewaffnung ausgerüstet: zwei Miniguns, zwei Vulcan- und zwei 40mm-Boforkanonen. Bei den nachfolgenden AC-130E Spectre, die 1971 in Dienst gestellt wurden, wurde eine Boforskanone durch eine 105mm-Haubitze ersetzt. Diese Version, die immer noch im Einsatz ist, kam in der Operation Just Cause in Panama 1989 und in der Operation Desert Storm 1991 zum Einsatz.[10] Die verbesserte Version AC-130U Spooky II, ausgerüstet mit einer 25mm-Gatlingkanone, einer 40mm-Boforkanone und einer 105mm-Haubitze, wird seit 2001 in Afghanistan für die Gefechtsfeldunterstützung von Eliteeinheiten eingesetzt. Jetzt dienen AC-130E Spectre der Unterstützung von Erdkampfflugzeugen A-10C in der Operation Inherent Resolve.[11]
F-15E Strike Eagle ist eine Weiterentwicklung des Abfangjägers F-15 Eagle zum Jagdbomber.[12] Der Erstflug erfolgte 1986 und die Indienststellung 1988. Der Jagdbomber führt neben der 20mm-Kanone Luft-Luft-Lenkwaffen, laser- und GPS-gelenkte Bomben. F-15E wurden in der Operation Desert Storm von 1991, auf dem Balkan, so in der Operation Allied Force 1999, in der Operation Enduring Freedom 2001 und ab 2002 in verschiedenen Einsätzen gegen die Taliban, in der Operation Iraqi Freedom 2003 gegen Saddam Hussein, in der Operation Odyssey Dawn 2011 gegen Gaddafi und seit September 2014 in der Operation Inherent Resolve.
Die Einsätze dieser Kampfflugzeuge sind ein Hinweis darauf, dass auch in der Gegenwart Luftkriege nach wie vor durch Kampfflugzeuge bestimmt werden, deren Technologie noch aus der Zeit des Kalten Krieges stammt. Auch in sogenannten Hybriden Kriegen, wie er in der Ost-Ukraine geführt wurde, dürfte sich der Luftkriegseinsatz sogenannter High-Tech-Waffen wie Drohnen bis anhin nur bedingt bewährt haben.
[1] Berger, R. (Hrsg.), Weber, O. Chr. (Redaktor), Flugzeuge, Hersteller, Typen, Technik, Naumann & Göbel Verlagsgesellschaft, Köln, S. 209.
so auch Suchoi Su-25http://www.sukhoi.org/eng/planes/military/su25k/lth/ 05.11.2015.
[2] Suchoi Su-24http://www.sukhoi.org/eng/planes/military/su24k/lth/ 05.11.2015.
[3] Mil Mi-24http://www.russianhelicopters.aero/en/helicopters/military/mi-24m.html
[4] Bowman, M.W., The Encyclopedia of US Military Aircraft, Arms and Armour Press, A Bison Book, London, 1980, P. 176.
[5] Gunston, B., Technik und Einsatz der Kampfflugzeuge vom 1. Weltkrieg bis heute, Buch-Vertriebs-Gesellschaft, Zürich, 1977, S. 123.
[6] Morse, St. (General Editor), Gulf Air War Debrief, Described by the pilots that fought, World Air Power, Aerospace Publishing, London, and Airtime Publishing, Westport, USA, 1991, P. 176/177.
[7] Sisk, R., A-10 Gunship Attacks Critical to Taking Town from ISIS: Pentagon, Richard.Sisk@Military.com, November 04, 2015.
[8] Sisk, R.
so auch Harress, Chr., Amid Anti-ISIS Airstrikes In Syria, Thunderbolt Raids Islamic State Militant Group, c.harress@ibtimes.com, November 05, 2015.
[9] Drendel, L. (and D. Greer), Walk Around C-130 Hercules, Walk Around Number 31, squadron/signal publications, P. 54-71.
[10] Morse, St. (General Editor), P. 191.
so auch Drendel, L. (and D. Greer).
[11] Sisk, R.
[12] Geer, W.F., Hi-Tech Planes, The Latest in the Revolution in Air Warfare from Stealth to Anti-Missile Missiles, Chartwell Books Inc., Secaucus, New Jersey, 1992, P. 27-31.
Putin dürfte sich der Grenzen seiner Intervention in Syrien durchaus bewusst sein. Das Ziel seiner Bombardierungen könnte die Schaffung eines syrischen Restterritoriums für Assad sein, das von Damaskus bis Aleppo reichen würde. Damit könnte er für Russland auch die bisherige Machtstellung in der Levante erhalten. Zugleich erreicht er mit seinen Bombardierungen, dass die vom Assad-Regime nicht mehr kontrollierbaren Sunniten aus Syrien vertrieben werden.
Obama dürfte mit seinen begrenzten Bombardierungen im Irak und Syrien die Schwächung, nicht aber die Vernichtung des Islamischen Staates beabsichtigen. So könnte er mit seinem Luftkrieg, entsprechend dem Vorbild der Operation Allied Force von 1999 gegen Serbien, ohne grosse Verluste für die USA in den kommenden Jahren eine beschränkte Machtstellung im Irak und damit auch im Persischen Golf weiterhin erhalten.
Sowohl Putin wie auch Obama dürften mit ihren zynischen Strategien gleichsam die staatliche Auflösung des Iraks und Syriens in Kauf nehmen. Die durch das Sykes-Picot-Abkommen von Frankreich und Grossbritannien erreichte Grenzziehung des Mittleren Ostens nach dem Ende des Ersten Weltkrieges würde als Ergebnis dieses gemeinsam verfolgten Zynismus endgültig der Geschichte angehören und damit wäre auch der Einfluss Europas in dieser Region definitiv beendet.
Mit der Vertreibung der Sunniten und anderen Minderheiten aus Syrien und dem Irak wird Russland wie auch die USA einen weiteren erwünschten Nebeneffekt erreichen: Der Flüchtlingsstrom und die Aufnahme von über einer Million Menschen wird nicht nur Deutschland politisch und wirtschaftlich schwächen, sondern auch die gesamte EU zusammenbrechen lassen, was sowohl im Interesse von Russland wie auch der USA sein dürfte. Bei der Verfolgung dieses gemeinsamen Ziels haben Obama und Putin zwei aktive Mittäter. Der Erste ist der türkische Präsident Erdogan, der durch die Vertreibung der sunnitischen Syrer aus der Türkei unerwünschte Gäste los wird und gleichzeitig den Europäern die bisher erlittenen Demütigungen heimzahlen kann. Der, vielmehr die Zweite, ist die deutsche Bundeskanzlerin Merkel, die offenbar überzeugt ist, dass durch die Aufnahme der Flüchtlingsmassen Deutschland endlich von seiner Schuld an den Verbrechen des Nationalsozialismus befreit werden könnte. Dabei übersieht sie, dass die politischen Kräfte in Russland wie in den USA auch in diesem Jahrhundert dafür besorgt sein werden, dass dieses Ziel nie erreicht und Deutschland als Ergebnis ihrer Wahnvorstellungen wieder auf ein für alle Nachbarstaaten erwünschtes politisches und wirtschaftliches Mittelmass zurückgestuft werden wird.
Die Mitteilung des Weissen Hauses und des US-Aussenministeriums, dass die USA 20 bis 30 Elitesoldaten ins nördliche Syrien abkommandieren würden, wurde in den westlichen Medien als einen ersten Schritt zur Verlegung von US-Bodentruppen in den Mittleren Osten und als Änderung der US-Strategie interpretiert. Dabei wurde übersehen, dass der Auftrag an diese Elitesoldaten beschränkt sein wird. Erstens haben sie bei den syrischen Kurden die Fliegerleitung und damit einen Beitrag zum effizienteren Einsatz der Kampfflugzeuge der USA und ihrer Alliierten gegen den Islamischen Staat (IS) zu leisten. Zweiens sollen die Elitesoldaten die Ausbildung bei der syrischen Opposition gegen den IS übernehmen.
Auch die Information von Präsident Obama über die Verlegung von 8 Erdkampfflugzeugen A-10C Thunderbolt II[1] auf den türkischen Stützpunkt Incirlik wurde in den Medien als Novum und damit als einen weiteren Schritt zur Änderung der US-Strategie im Mittleren Osten bezeichnet. Auch hier wurde übersehen, dass bereits im September 2014 die US Air Force bekanntgab, dass in den nächsten Monaten bis zu 12 A-10C in den Mittleren Osten verlegt und diese im Rahmen der Operation Inherent Resolve gegen den Islamischen Staat eingesetzt würden. Die A-10C sind deshalb auch bereits seit 2 Monaten gegen Ziele des IS im Irak im Einsatz.
Dass die Obama-Administration nicht gewillt ist ihre Strategie im Mittleren Osten zu ändern, kann anhand eines weiteren Vorschlages des Pentagons an das Weisse Haus interpretiert werden. Gemäss diesem Vorschlag soll Obama eine begrenzte Zahl von Kampfhelikoptern Apache in den Irak verlegen.[2] Grundsätzlich werden einige wenige Kampfhelikopter das Kräftegleichgewicht im Irak zwischen dem IS und dessen Gegnern, die Kurden, die schiitischen Milizen und die irakische Armee, kaum entscheidend ändern können. Dass auch bei diesem allfälligen Entscheid von Obama keine Änderung der US-Strategie im Mittleren Osten zu erwarten ist, kann insbesondere anhand der technischen Merkmalen und der Kampfkraft der Kampfhelikopter Apache ermessen werden.
Die Entwicklung eines eigentlichen Kampfhelikopters durch die USA geht auf die Erfahrungen der US Army im Vietnamkrieg zurück. Für Kampfeinsätze stand den US-Streitkräften damals nur die Bell AH-1G Cobra zur Verfügung, die als Transport- und Aufklärungshelikopter konzipiert und deshalb für Kampfeinsätze ungeeignet war. Das Ergebnis der vielen Einsätze war auch der Verlust von beinahe 5‘000 Helikoptern in diesem Krieg. Der neue Helikopter sollte deshalb auch Kampfeinsätze sowohl im Tiefflug als auch in der Nacht ausführen können. Der Erstflug erfolgte am 30. September 1975, die Serienproduktion wurde 1982 aufgenommen und die Indienststellung der Apache Kampfhelikopter AH-64A erfolgte im April 1986.
Front- und Seitenscheiben des Cockpits wurden aus Panzerglas gefertigt und das Cockpit mit Panzerplatten verstärkt, die einen Schutz gegen die 12.7mm-Munition der russischen (früher sowjetischen) Maschinengewehre DSchK bieten sollten. Der Helikopter sollte auch nach Treffern durch die 23mm-Munition russischer (sowjetischer) Fliegerabwehrkanonen ZSU-23-2/4 weiterfliegen können. Der AH-64A, der heute noch von den Streitkräften verschiedener Staaten im Mittleren Osten eingesetzt wird, erreicht eine maximale Geschwindigkeit von 293 km/h und eine maximale Reichweite von 482 km. Als Hauptwaffe verfügt der Apache über eine schwenkbare 30mm Kanone. An den vier externen Aufhängern können Luft-Luft-Lenkwaffen, lasergesteuerte Luft-Boden-Lenkwaffen Hellfire und ungelenkten Raketen mitgeführt werden. Ein Kampfhelikopter Apache AH-64A ist auch mit Selbstschutzsensoren ausgerüstet.
1998 wurde in den USA der verbesserte Apache Longbow AH-64D eingeführt. Zur Verbesserung gehören ein neuer Radar, modernisierte Triebwerke und eine digitalisierte Avionik. Die maximale Geschwindigkeit beträgt beim Apache Longbow 265 km/h und die maximale Reichweite 407 km. Die US Army ist heutzutage nur mit dem AH-64D ausgerüstet. Bis heute wurden über 1000 AH-64 verschiedener Versionen gebaut.
Seit der Invasion Panamas 1989 sind die Kampfhelikopter Apache von den US-Streitkräften in allen ihren Kriegen eingesetzt worden. Dazu gehörten Operation Desert Storm von 1991, Operation Enduring Freedom gegen die Taliban von 2001, die Operation Iraqi Freedom von 2003 und die nachfolgenden Operationen bei der Besetzung des Iraks und Afghanistans. Während aufgrund der in Desert Storm erreichten Erfolge die Einsatzmöglichkeiten der Apache-Kampfhelikopter optimistisch beurteilt wurden, musste die US Army in den nachfolgenden Kriegen und Operationen die Schwächen der Apache zur Kenntnis nehmen. Die Kampfhelikopter erwiesen sich sehr bald aufgrund ihrer Verletzlichkeit gegenüber dem Feuer von Infanteriewaffen und Fliegerabwehrkanonen als ungeeignet für Einsätze in asymmetrischen Kriegen. In der Operation Anaconda,[3] die Eliteeinheiten der USA mit Unterstützung afghanischer Verbündeter im Februar/März 2002 im Grenzgebiet zu Pakistan gegen Taliban- und Al-Kaida-Kampfgruppen durchführten, mussten die eingesetzten Kampfhelikopter nach Treffern durch Raketen aus RPG-7-Raketenrohren gründlich repariert werden.
Warum könnte die Obama-Administration in Ergänzung zu den bereits verlegten Erdkampfflugzeugen A-10C auch Kampfhelikopter des Typ Apache Longbow, die sich in der unmittelbaren Vergangenheit als ungeeignet für Einsätze in asymmetrischen Kriegen erwiesen haben, genau für diese Art von Einsätzen gegen die Kampfgruppen des Islamischen Staates in den Irak verlegen? Im Gegensatz zu den Taliban dürften die IS-Kampfgruppen über funktionsfähige Fliegerabwehrlenkwaffen verfügen, die sie von der irakischen Armee erbeutet haben. Mit diesen könnten die IS-Kämpfer die amerikanischen Kampfhelikopter in Gefechten ohne weiteres abschiessen. Dazu kommt noch, dass die irakische Armee selbst über sehr wirkungsvolle russische Kampfhelikopter der Typen Mi-28NE Havoc und Mi-35M Hind verfügt.[4]
Die Antwort darauf ergeben die durch die Obama-Administration verfolgten Ziele und die Strategie gegen den Islamischen Staat im Irak und Syrien. Solange das Assad-Regime in Syrien existiert, werden die USA eine gemässigte und abgestimmte Kriegführung gegen den Islamischen Staat aufrechterhalten. Eine definitive Zerschlagung des IS würde der Festigung des unerwünschten Assad-Regimes dienen und gleichzeitig auch die mit Al-Kaida verbündeten Kampfgruppen wie die Jabhat al-Nusrah-Front stärken. Umgekehrt dürfte das Überleben des Islamischen Staates mit Sicherheit die definitive Auflösung des Iraks und Syriens mit anschliessendem Chaos im Mittleren Osten bewirken. Diese widersprüchlichen Ziele bestimmen sowohl die diffuse Strategie Obamas als auch die Taktik der US-Streitkräfte in Syrien und im Irak.[5] Dieses Diffuse dürfte auch bedeuten, dass die Obama-Administration gar keinen Einsatz der in den Irak verlegten Apache Kampfhelikopter beabsichtigen wird. Eine solche Verlegung dürfte nur der Beruhigung der irakischen Alliierten und des US-Kongresses sowie als denkbare Drohkulisse gegenüber der russischen Intervention in Syrien dienen. Eine ähnliche Absicht verfolgte übrigens auch der frühere US-Präsident Bill Clinton, als er während des Luftkrieges Allied Force 1999 gegen Serbien die Verlegung von Apache-Kampfhelikoptern nach Albanien befahl. Wie damals dürfte auch heute ein Einsatz der sehr verletzlichen und kostspieligen Kampfhelikopter für die direkt Betroffenen des Krieges lediglich eine durch Washington DC inspirierte Fata Morgana sein.
[1] Jedes Erdkampfflugzeug Fairschild Republic A-10C Thunderbolt II, mit der Bezeichnung „Warthog“, verfügt über die sehr wirksame 30mm GAU-8/A Avenger Gatlingkanone mit einer Kadenz von 3‘900 Schuss/Min.
[2] Lubold, G., and A. C. E. Lee, U.S. May Deploy Apache in Iraq, in: The Wall Street Journal, October 28, 2015, P. A1.
[3] Naylor, S., Not a Good Day to Die, The Untold Story of Operation Anaconda, Penguin Books, New York, 2006.
[4] The Military Balance 2015, The International Institute for Strategic Studies, London, 2015, p. 331.
[5] Blanchard, Chr. M., C. E. Humud, and M. B. D Nikitin, Armed Conflict in Syria: Overview and U.S. Response, Congressional Research Service, October 9, 2015, p. 19.
Specnaz (Speznaz) ist die russische Abkürzung für Besondere Einsatzkräfte (specialnogo naznacheniya). Bedeutung und Wirkung dieser Eliteeinheiten wurden im Westen vor allem aufgrund ihrer Einsätze im Afghanistankrieg der UdSSR von 1979-89 sowie durch verschiedene Publikationen des abgesprungenen GRU-Agenten Viktor Suworow[1] bekannt. In der UdSSR wurde die Bildung von Eliteeinheiten für die Sabotage hinter den feindlichen Linien sowie für die Liquidationen gegnerischer Kommandanten zum ersten Mal in den dreissiger Jahren des letzten Jahrhunderts angedacht. Bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges bildete der Generalstab der Roten Armee Einheiten für die Aufklärung und Sabotage, die im Einsatz den Frontkommandanten unterstellt wurden. Auch die Vorgängerorganisation des KGB, der NKWD, verfügte über solche Einheiten während des Krieges. Aber erst in den fünfziger Jahren wurden eigentliche SPEZNAZ-Kompanien gebildet, die dem Nachrichten- und Spionagedienst des Generalstabes GRU unterstellt wurden. In den 70er und 80er Jahren erhielten auch der KGB und der MWD (Innenministerium) SPEZNAZ-Einheiten für besondere Einsätze, wie Liquidationen, Sabotage und Aufklärung. Seit 2013 sind alle SPEZNAZ-Einheiten der Streitkräfte entsprechend dem amerikanischen Vorbild dem neugebildeten Kommando für besondere Operationen (SOCOM) unterstellt.[2] Jeder der vier Militärbezirke verfügt über SPEZNAZ-Brigaden.[3]
SPEZNAZ-Einheiten sind von Moskau in verschiedenen Kriegen eingesetzt worden. Der bekannteste Einsatz war die Liquidation des damaligen Präsidenten Afghanistans, Hafizullah Amin, und seiner Leibwache von 100-150 Mann Ende Dezember 1979 durch SPEZNAZ-Einheiten des KGB (Alpha) und des GRU (Zenith).[4] Während des gesamten Krieges setzte Moskau SPEZNAZ-Kommandos für die Liquidation von Mujaheddin-Kommandanten in Afghanistan ein. So wurde am 28.01.1985 in Siah Koh, Nangarhar-Provinz, der Kommandant Qari Abdus Samad getötet und zur gleichen Zeit im Kunar-Tal ein ganzes Dorf durch SPEZNAZ- oder Luftlandeeinheiten massakriert.[5] Die Entvölkerung der östlichen Provinzen Afghanistans und damit die Vertreibung von Millionen von Menschen aus Afghanistan nach Pakistan kann auf den Einsatz der sowjetischen SPEZNAZ und Luftlandetruppen zurückgeführt werden.
Im Zweiten Tschetschenienkrieg (ab 1999) wurden die Kommandanten der Tschetschenen durch SPEZNAZ des FSB (Nachfolgeorganisation des KGB), des MWD und des GRU liquidiert. Eine grosse Aktion von SPEZNAZ war die Befreiung von Geiseln in Beslan, Nord-Ossetien (2004), die zum Tod von 334 Menschen führte.
Für die Besetzung der Krim 2014 setzte Wladimir Putin SPEZNAZ des GRU (45. SPEZNAZ-Regiment)[6] ein. Der Einsatz dürfte auch in seinem hybriden Krieg in der Ost-Ukraine erfolgt sein. Der Einsatz von SPEZNAZ für die Liquidierung tschetschenischer und islamischer Kommandanten im nördlichen Kaukasus dauert nach wie vor an.
Moskau soll jetzt für die Unterstützung der syrischen Armee und für die Liquidation von Kommandanten der Opposition gegen Assad SPEZNAZ-Einheiten, die bis anhin in der Ost-Ukraine im Einsatz waren, nach Syrien abkommandiert haben.[7] Sehr bald dürfte die Wirkung ihrer Liquidierungsaktionen bekannt werden.
[1] Suworow, V., GRU, Die Speerspitze, Scherz Verlag, Bern, München, Wien, 1985, S. 199-223.
[2] Carlsson, M., Norberg, J., and F. Westerlund, The Military Capabilities of Russia’s Armed Forces in 2013, in: Hedenskog, J., and C.V. Pallin (eds), Russian Military Capability in a Ten-Year Perspective – 2013, FOI, Stockholm, December 2013, p. 30.
[3] Carlsson, M., et al, p. 26.
[4] Boltunow, M., Terror Profis, Geschichte der geheimsten KGB Einheit, Verlag Das Neue Berlin, Berlin, 1994, S. 57-107.
[5] Stahel, A.A., und P. Bucherer, Afghanistan 1984/85, Besetzung und Widerstand, ASMZ—Beilage, Dezember 1985, S. 6.
[6] Carlsson, M., et al, p. 30.
[7] Grove, Th., Russia Shifts Ukraine Units to Syria, in: The Wall Street Journal, October 26, 2015, p. A3.
Wladimir Putin und seine militärischen Informationsbeauftragten heben gegenüber den westlichen Medien immer wieder die angebliche Präzision der russischen Bombardierungen gegen die syrischen „Terroristen“ hervor.[1] Dabei verschweigen er und sein militärischer Stab wohlweislich, dass die vor allem eingesetzten 24 nicht mehr ganz modernen russischen Kampfflugzeuge Su-24 und Su-25 aus der Sowjetzeit nur zielungenaue Freifallbomben mitführen und abwerfen können[2], die mit Priorität die moderate Opposition gegen Assad treffen und auf die syrische Bevölkerung indiskriminierend wirken. So hat das britische Syrian Observatory for Human Rights festgestellt, dass durch diese russischen Bombardierungen bis anhin 151 Zivilisten, 189 Mitglieder der moderaten Free Syrian Army und lediglich 31 Jihadisten der Nusrah-Front und 75 Jihadisten des Islamischen Staates getötet worden sind.[3] Gemäss Human Rights Watch sollen durch zwei russische Angriffe am 15. Oktober auf Ter Ma’aleh und auf ein anderes Dorf im nördlichen Homs mindestens 59 Zivilisten getötet worden sein. Davon waren 46 Angehörige einer einzigen Familie.[4] Des Weiteren sollen die russischen Bombardierungen als Vergeltung für die Erfolge der Opposition ein Spital in Latamna zerstört haben. Dabei sollen ein Mitarbeiter des Spitals getötet und alle anderen Mitarbeiter des Spitals verletzt worden sein. Als Folge der russischen Bombardierungen sollen Tausende von Menschen aus den Provinzen Aleppo, Hama und Idlib auf der Flucht sein.[5]
Entgegen den Meldungen aus dem Kreml soll gemäss den Informationen der Opposition – so der Armee der Eroberung (Jaysh al-Fateh) und der Free Syrian Army – die durch die russischen Bombardierungen unterstützte Offensive auf Aleppo mindestens gestoppt, wenn nicht sogar gescheitert sein.[6] Die Rebellen hätten laut dieser Informationen die von der CIA gelieferten Panzerabwehrlenkwaffen BGM-71 TOW mit grosser Wirkung gegen die Truppen und Milizen von Assad, gegen die Kämpfer der libanesischen Hisbollah, gegen Angehörige der iranischen Revolutionsgarde und gegen die russischen Berater eingesetzt. Bei Latakia ist mindestens ein russischer Soldat getötet worden.[7] Innert 24 Stunden wurden nahe von Hama 3 Panzer des Regimes zerstört und 15 syrische Soldaten getötet. Auch sollen zwei Dörfer nahe von Aleppo zurückerobert worden sein.
Interessant an diesen Meldungen ist auch, dass, wie seinerzeit in Afghanistan, aufgrund der indiskriminierenden Bombardierungen der Russen, vor allem unter der moderaten Opposition eine Einheitsfront im Entstehen ist. Damit hätte Putin mit seinen Bombardierungen das Gegenteil von seinen ursprünglichen Zielen erreicht; Anstatt die Opposition zu schwächen, trüge er dazu bei, sie zu stärken.
[1] Isachenkov, V., New Russian military might on full display in Syria, Associated Press, October 24, 2015.
[2] Antidze, M., and J. Stubbs, Before Syria, Russia struggled to land air strikes on target, Reuters, October 26, 2015.
[3] Weiss, M., CIA-Armed Rebels March on Assad Homeland, The russian bombs were supposed to be helping Syria’s dictators. Instead, the rebels are advancing, in: TheDailyBeast.com, October 24, 2015.
[4] Fahim, K., and M. Samaan, In Huge Spike, Civilians Flee Syria Violence, in: New York Times, October 27, 2015, P. A1.
[5] Fahim, K., and M. Samaan.
[6] Weiss, M.
[7] Sonne, P., Russia Acknowledges Soldier’s Death in Syria, in: The Wall Street Journal, October 28, 2015, P. A3.
Von 09.30 bis 16.30
Universität Zürich – Hörsaal: KOL-E-13
Anmeldung erforderlich bis Montag den 9. November 2015
sekretariat@strategische-studien.com
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist die Russische Föderation in zwei verschiedenen Kriegsgebieten verwickelt.
Ukraine: Seit 2014 unterstützt Russland die Separatisten in der Ostukraine mit Waffen, Beratungen, Führungen und einzelnen Kampfverbände. Nachdem das Gebiet in den ukrainischen Provinzen Luhansk und Donezk mehr oder weniger abgerundet erscheint und Russland aufgrund seiner logistischen Probleme militärisch nicht weiter in die Ukraine vorstossen kann, ist der Kreml offenbar zu einem echten Waffenstillstand bereit. Vielleicht begnügt sich Moskau mit Hilfe eines eingefrorenen Konfliktes Kiew immer wieder politisch unter Druck zu setzen.
Syrien: mit der Stationierung und dem Einsatz von Kampfflugzeugen versucht Putin das Regime von Assad zu retten, dem Regime mindestens ein Minimum an Territorium zu erhalten und seinen Marinestützpunkt in Syrien zu schützen. Zu diesem Zweck bombardieren die russischen Kampfflugzeuge die nordwestlichen Gebiete Syriens, die vor allem unter der Kontrolle der gemässigten Opposition stehen. Durch diese Bombardierungen besteht die Gefahr, dass diese Opposition sich dem IS anschliessen könnte. Sollte Putin seinen Luftkrieg auf den Irak ausdehnen, dann wäre eine Konfrontation mit der durch die USA geführten Allianz durchaus denkbar.
Gemäss den Mitteilungen des russischen Verteidigungsministeriums sind die Kampfflugzeuge in Syrien seit dem 30. September über 800 Kampfeinsätze geflogen. Von diesen Einsätzen sollen, so die Aussagen von Reuters, lediglich 15% gegen den Islamischen Staat (IS) gerichtet gewesen sein.[1] Allein am 21. Oktober waren es 46 Kampfeinsätze gegen 83 Bodenziele.[2]
Eine Analyse der russischen Bilder über die durch die Jagdbomber Su-24 Fencer mitgeführten Bomben lässt erkennen, dass es sich dabei um ungenaue Freifallbomben des Typs OFAB-250-270 handeln dürfte. Abwürfe dieses Bombentyps über Städte wie Damaskus und Aleppo wirken, wie frühere Luftkriege auch bewiesen haben, auf die Zivilbevölkerung dieser Städte indiskriminierend. Die Wahrscheinlichkeit, dass unschuldige Zivilisten durch diese Bomben getötet werden, ist sehr hoch. Genau dieselbe Wirkung haben die ungelenkten Raketen, die durch die Erdkampfflugzeuge Su-25 Frogfoot und die Kampfhelikopter Mi-24 Hind auf Bodenziele abgefeuert werden.
Dieser Luftkrieg entspricht, was Zielsetzung und Einsatzweise betrifft, genau jenem Luftkrieg, den die Sowjetunion von 1979 bis 1989 in Afghanistan geführt hat. Damals wurden ganze Dörfer im Panjshirtal wie auch in der Nangarharprovinz im östlichen Afghanistan, die nicht willig waren, mit dem Regime in Kabul zu kooperieren, ausradiert, die Bevölkerung dabei massakriert oder in die Flucht getrieben. Für diese rücksichtslosen Bombardierungen aus der Luft wurden, wie jetzt auch in Syrien, Kampfhelikopter Mi-24 und Erdkampfflugzeuge Su-25 eingesetzt.
Die indiskriminierenden Bombardierungen der russischen Kampfflugzeuge gegen Ziele in den grösseren Städten dürften gemäss den Berichten aus Syrien bereits jetzt zu Opfern unter der Zivilbevölkerung, zur Vertreibung von Menschen und damit zu Fluchtbewegungen geführt haben. Durch die russischen Bombardierungen sollen, so Syrian Observatory for Human Rights, 370 Menschen getötet worden sein, davon waren ein Drittel Zivilisten. Diese Art des Luftkrieges widerspricht dem Kriegsvölkerrecht, wie er in den Genfer Konventionen kodifiziert worden ist.
[1] Stubbs, J., Fourth-fifths of Russia’s Syria strikes don’t target Islamic State – Reuters analysis, Reuters, October 21, 2915.
[2] Hodge, N., Schwartz, F., and R. Abdulrahim, Syria Conference Planned, in: The Wall Street Journal, October 22, 2015, P. A1/A2.
US-Präsident Barack Obama verfolgt im Mittleren Osten zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine sehr zurückhaltende Strategie, die teilweise durch diffuse Ziele bestimmt wird.[1] Dazu gehören vor allem die Beziehungen zum Iran. Während seine Administration durch den Nukleardeal mit dem Iran den engsten Verbündeten der USA im Mittleren Osten, das Königreich Saudi-Arabien, als Rivalen Teherans buchstäblich düpiert hat, unterstützen die Amerikaner bezüglich Logistik die Saudis bei ihren Angriffen auf die iranischen Verbündeten in Jemen, die Houthi. Gleichzeitig bekämpfen die USA im Irak beinahe Seite an Seite mit dem Iran und den schiitischen Milizen den Islamischen Staat (IS) durch Bombardierungen. In Syrien bombardieren die USA wiederum die Stellungen des IS, unterstützen aber durch Waffenlieferungen die sunnitische Opposition gegen den Alawiten Assad, der mit dem Iran eng verbündet ist und durch die Islamische Republik mit Beratern und Truppen unterstützt wird. Des Weiteren vermeidet offiziell die Obama-Administration jede Zusammenarbeit mit den Russen, deren Bombardierungen in Syrien primär auf die sunnitische Opposition gerichtet sind und weniger dem Islamischen Staat gelten. Bei ihren Bombardierungen in Syrien beschränken sich die USA auf den Einsatz ihrer Kampfflugzeuge und jener ihrer Alliierten gegen die Stellungen des Islamischen Staates.
Präsident Obama will unter keinen Umständen, dass die USA bei diesen Einsätzen Verluste erleiden. Deshalb werden auch keine Fliegerleitoffiziere zu den irakischen Truppen oder zu den kurdischen Verbündeten abkommandiert. Die Unterstützung der syrischen Kurden in ihrem Krieg gegen den IS wiederum liegt nicht im Interesse der Türkei, deren Luftwaffe nur sehr zurückhaltend Stellungen des IS im Irak angreift. Die Türkei selbst unterstützt die sunnitische Opposition gegen Assad. Ähnlich verhalten sich auch die Saudis, deren Kampfflugzeuge nur Ziele in Syrien angreifen. Auch Israel handelt nach dem Motto „der Feind meines Feindes ist mein Freund“, bombardiert Stellungen der schiitischen Hisbollah und auch der Armee Assads, aber nicht jene des IS.
Auf die Dauer dürften die USA mit dieser zwiespältigen und undurchsichtigen Strategie im Mittleren Osten, mit der nicht zwischen Feind und Alliierten unterschieden werden kann, scheitern. Obama oder sein Nachfolger wird in der Zukunft zwischen zwei Strategien mit eindeutigen Zielen wählen müssen. Wenn die USA weiterhin die geopolitische Lage im Mittleren Osten bestimmen wollen, müssen sie den Islamischen Staat durch einen massiven Einsatz von Bodentruppen im Irak vernichten. Mit dem Luftkrieg allein wird diese Organisation nicht besiegt werden können. Durch die Stationierung von 100‘000 bis 150‘000 Soldaten im Irak könnten die USA auch Russland zur Beendigung ihrer Unterstützung für Assad zwingen. Damit könnte vielleicht eine Voraussetzung für das Ende des Bürgerkrieges in Syrien erreicht werden.
Die zweite Strategie wäre der totale Rückzug der USA aus dem Mittleren Osten. Angesichts der Tatsache, dass die USA nicht mehr von der Versorgung mit Erdöl aus dem Mittleren Osten abhängig sind, könnten sie einen solchen Rückzug ohne weiteres durchführen. Nach diesem Rückzug würden sie die Region sich selbst überlassen und damit den Konflikten zwischen den Regionalmächten Saudi-Arabien, Türkei und Iran sowie den Einmischungen Russlands ausliefern. Den Preis dafür würden die Bewohner Syriens und des Iraks zahlen. Europa hätte eine Nachbarregion, die sich in einem ständigen Kriegszustand befinden würde, und würde weiterhin durch Flüchtlinge aus der Region überschwemmt werden. Angesichts dieses Chaos würden die USA in der Welt aber jegliche Glaubwürdigkeit verlieren. Die Folge wäre eine Destabilisierung weiterer Regionen.
[1] Trofimov, Y., and PH. Shishkin, Clashing Agendas Fuel Rise of Islamic State, Regional rivalries in Middle East trump fighting extremist group, in: the Wall Street Journal, October 19, 2015, P. A1/A6.
Die geostrategischen Fehlentscheidungen, die Obama in seiner zweiten Amtszeit getroffen hat, haben ganz offensichtlich zur Erosion der Machtstellung der USA in der Welt beigetragen. Dazu gehören Fehlentscheidungen wie der Rückzug aus dem Irak Ende 2011, der übereilte Beinahe-Abzug aus Afghanistan, der Abschluss des “Nukleardeals“ mit der islamischen Republik Iran inklusive der damit verbundenen Ankündigung der Aufhebung der Sanktionen ohne gesicherte Kontrolle der iranischen Leistungen, die ineffiziente Luftkriegsführung gegen den Islamischen Staat und die Abwesenheit von Reaktionen auf die Putin’sche Kriegführung in Syrien. Warum gelingt es Putin, Obama laufend zu überraschen und vorzuführen? Welches sind die Ursachen für das Handeln und Entscheiden der Obama-Administration in den verschiedenen Krisen? Es gibt dafür eine einfache Erklärung! Obama ist Anwalt, was bedeutet, dass er kein strategischer Denker ist. Sein Aussenminister Kerry, der Initiant des Nukleardeals mit dem Iran, ist auch Anwalt. Beide sind, wie alle Topanwälte, ausgezeichnete Rhetoriker, aber nicht in der Lage, strategisch zu analysieren und konzeptionell zu denken.[1] Des Weiteren verfügt Obama im Gegensatz zu seiner ersten Amtszeit in seiner zweiten über keinen ausgewiesenen strategischen Berater. Offenbar war er nicht willens, einen solchen anzuheuern. Seine engsten Berater für das Management von Krisen dürften Susan Rice, Samantha Power und Vizepräsident Joe Biden sein. Sowohl die beiden Damen wie auch Joe Biden glänzen aber in der strategischen Fachliteratur durch Abwesenheit.
Angesichts der Aggressionen von Putin in Europa und in Syrien hat Obama die Wahl zwischen zwei Alternativen. Entweder ergänzt er sein Team sehr schnell durch einen ausgewiesenen Vordenker in Strategie oder es bleibt ihm nichts anderes übrig, als weiterhin durch die Aggressionen von Putin überrascht zu werden.
[1] Trofimov, Y., America’s Fading Footprint, in: The Wall Street Journal, October 12, 2015, P. A10/A11.
Konflikte und Kriege
Der Sturz des damaligen Präsidenten Zine el-Abidine Ben Ali in Tunesien im Dezember 2010 löste im Mittleren Osten eine vermutlich auch durch ausländische Agitatoren geförderte Welle von Unruhen aus, die in verschiedenen arabischen Staaten zum Sturz von Potentaten führte. In Ägypten wurde der langjährige Machthaber Mubarak gestürzt, in Libyen wurde der Herrscher Gaddafi nach einem Monate dauernden Luftkrieg verschiedener europäischer Staaten und der USA durch einen Mob getötet und in Jemen wurde der Präsident Ali Abdullah Salih zum Rücktritt gezwungen. Der Versuch 2011 den Alawiten-Herrscher Assad in Syrien von der Macht zu verdrängen führte zu einem Mehrfrontenkrieg, der insbesondere durch die Jihadisten des Islamischen Staates (IS) und der al-Nusrah-Front für territoriale Eroberungen ausgenützt wurde. Durch den Abzug der US-Truppen aus dem Irak Ende 2011 zerfiel dieser Staat in drei Teile. Entgegen dem in den westlichen Medien ursprünglich besungenen Arabischen Frühling hat diese Entwicklung zu keinen Demokratien in den arabischen Staaten sondern in mehreren Staaten wieder zu Umstürzen und Kriegen geführt. Die Arabische Welt befindet sich nicht in einem Zustand des Frühlings sondern in der eines eisigen Winters.
Libyen
Der Sturz des Gaddafi-Regimes in Libyen hat nicht zu einer Stabilisierung dieses Staates geführt, sondern zu einem Zerfall in mehrere Teile. Zwei Regierungen kämpfen heute um die Macht, eine im Osten und eine im Westen des Landes. Daneben versuchen Stammeshäuptlinge ihre Interessen mit Gewalt durchzusetzen. Dis gilt auch für die Minderheit der Berber. Der Süden des Landes ist heute das Eldorado für die Schmuggler von Menschen aus dem westlichen und östlichen Afrika, so aus Eritrea, Somalia und Nigeria. Dieser Menschenschmuggel verläuft unkontrolliert über die Mittelmeerküste des Landes nach Italien. Im Prinzip ist Libyen zu einem echten failed state geworden, der ohne Führung ist.
Ägypten
In Ägypten hat der Sturz von Husni Mubarak zu Präsidentschaftswahlen geführt, die der Muslimbruder Mohammed Mursi gewann. Seine Partei versuchte nach dem Sieg schrittweise den Ägyptern und Ägypterinnen die Scharia aufzuzwingen und die Gesellschaft unter ihr Diktat zu zwingen. In Anbetracht des dadurch ausgelösten Chaos im Staat stürzte Feldmarschall Abd al-Fattah as-Sisi Mursi und übernahm die Macht. Die Armee verfolgt in Ägypten seither die Muslimbrüder und bekämpft auf dem Sinai die Jihadisten unter den Beduinen. Nachdem die USA zuerst die Waffenlieferungen an das neue Regime einstellten, wandte sich Ägypten für Waffenlieferungen an Russland. Auch Frankreich hat durch den Verkauf von Kampfflugzeugen des Typ Rafale an Ägypten die Situation ausgenützt und hat die beiden Mistral-Helikopterträger, die zuerst an Russland geliefert werden sollen, an Ägypten verkauft. Die USA haben die Lieferungen von Waffen an Ägypten wieder aufgenommen.
Gazastreifen und Westbank
Über den Gazastreifen herrscht immer noch die Hamas. Unter Mursi gab es aufgrund der Tatsache, dass die Hamas auch zu den Muslimbrüdern gehörte, eine Annäherung an Ägypten. Nach dem Sturz von Mursi hält Ägypten strikt am Friedensvertrag mit Israel fest. Nach wie vor wird die Hamas durch die Islamische Republik Iran mit Waffen versorgt. Über die Westbank herrscht die PLO, die im Gegensatz zur Hamas eine säkulare Haltung verfolgt. Trotzdem ist Israel nicht bereit die Zweistaatenlösung zu akzeptieren und verfolgt nach wie vor eine harte Politik im Westjordanland.
Jemen
In Jemen hat die Absetzung des früheren Präsidenten Ali Abdullah Salih einen Krieg zwischen mehreren Parteien ausgelöst. In diesem Jahr eroberten die Houthi, die der Sekte der Zaiditen und damit der Fünferschiiten anhängen, dank der Lieferungen von Waffen aus dem Iran weite Teile des ehemaligen Nordjemen mit der Hauptstadt Sana und stiessen anschliessend bis Aden vor. Dabei verjagten sie den amtierenden Präsidenten Abed Rabbo Mansur Hadi. Bei diesem Vorstoss wurden sie durch eine Koalition sunnitischer Staaten unter Führung von Saudi-Arabien gestoppt. Während die Saudis die Houthi-Verbände aus der Luft bekämpfen, haben Ägypten, Bahrain, Katar, Kuwait, die Vereinigten Arabischen Emirate, Jordanien, Marokko, der Sudan und Senegal Truppenkontingente nach Aden entsandt. Der Krieg ist zu einem Krieg zwischen Sunniten und Schiiten, zwischen Arabern und Persern degeneriert. Die sunnitische Allianz wird logistisch durch die USA, Grossbritannien und Frankreich unterstützt. Angesichts der Tatsache, dass der Südjemen sich vom Norden loslösen möchte, im Süden, so im Hadramaut Al-Kaida und der Islamische Staat mit Kampfgruppen herrschen, kann der Jemen wie Libyen als zerfallender Staat bezeichnet werden.
Irak
Seit der Invasion und Besetzung des Iraks am 20. März 2003 durch die USA und ihre Koalition der Willigen und des gleichzeitigen Sturzes des Baath-Regimes von Saddam Hussein, befindet sich das Land in einem ständigen Kriegszustand. Zu Beginn brach infolge der Entlassung der gesamten Armee des Iraks ein vor allem durch die Sunniten gestützter Aufstand gegen die Streitkräfte der USA und ihrer Alliierten aus. Dieser Aufstand bewirkte auch, dass ein Ableger von Al-Kaida unter der Führung des Jordaniers Abu Musab al-Zarqawi sich im Irak bilden konnte. Al-Zarqawi wurde durch die Anschläge und Ermordung von Schiiten im Irak berüchtigt. Nach seiner Liquidierung durch F-16-Kampfflugzeuge auf Befehl von General McChrystal am 7. Juni 2006[1] sah es eine Zeitlang danach aus, als ob die sunnitischen Stämme den Schutz der Amerikaner gegen die Jihadisten unterstützen würden.
Trotz des Todes von al-Zarqawi rief bereits am 15. Oktober 2006 Al-Kaida im Irak einen islamischen Staat aus. 2008 wurde zwischen Offizieren der ehemaligen Armee von Saddam Hussein und Al-Kaida eine Zusammenarbeit vereinbart, die nach dem vollständigen Abzug der Amerikaner und ihrer Alliierten am 18.12.2011 zu einem Zusammenschluss der beiden Parteien führte. Bereits 2013 erhielt die neue Organisation die Bezeichnung Islamischer Staat im Irak und in der Levante. Seit 2014 bezeichnet sich die Organisation als Islamischer Staat (IS). Offiziell steht der IS unter der Führung des Kalifen Ibrahim. Vermutlich steht aber an der Spitze eine Kollektivführung ehemaliger Geheimdienstoffiziere von Saddam Hussein.
Der IS rekrutiert aus verschiedenen Staaten Europas, des Arabischen Raumes und Russlands seine Kämpfer. Die Kampfkraft der IS-Armee wird auf 30‘000 is 50‘000 geschätzt. Die militärische Führung des IS wendet eine durchdacht operative und taktische Kampfführung an. Ist der Gegner aufgrund dessen Kampfkraft an einem Ort oder Raum dem IS überlegen, so weichen die IS-Verbände dem gegnerischen Angriff und schlagen dort zu, wo der Gegner schwächer ist. Dank diesem Vorgehen hat der IS eine Drittel des Iraks und die Hälfte Syriens erobert. Die Finanzierung erfolgt durch den Diebstahl von Antiquitäten, Entführungen, Erpressungen und den Schmuggel von Erdöl.
Der IS ist in der Lage seine eroberten Gebiete zu verwalten. In diesen Gebieten wird rücksichtslos die Scharia durchgesetzt. Die religiöse Haltung entspricht weitgehend jener in Saudi-Arabien, der Sekte der Wahhabiten. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist der Irak in drei Teile zerfallen. Der Regierung in Bagdad kontrolliert nur noch den durch die Schiiten besiedelten Teil des Iraks, der Nordosten wird durch die Kurden beherrscht und der Nordwesten ist das Territorium des IS. Die irakische Armee gilt als zerfallen. Nur die schiitischen Milizen, die unter dem Kommando der Iraner stehen, gelten noch als kampffähig. Die Kurden sichern ihr Gebiet mit ihren Peschmerga-Kämpfer ab.
Syrien
Seit 2011 herrscht in Syrien ein Krieg, der ursprünglich als Bürgerkrieg galt, der aber heute zu einem grösseren Krieg unter Mitbeteiligung der Regionalmächte Iran, Saudi-Arabien und der Türkei sowie Russlands und der USA geführt wird. Auf der Seite des Minderheitenregimes der Alawiten unter Führung von Assad kämpfen Verbände der libanesischen Hisbollah und der iranischen Revolutionsgarde. Trotz der Unterstützung durch den schiitischen Iran hat die Armee zunehmend die Kontrolle über die Kerngebiete Syriens verloren. Mitte dieses Jahres herrschte Assad beinahe nur noch über Damaskus und über die Küste am Mittelmeer bis nach Latakia. Damit blieb die Herrschaft Assads auf das Gebiet der Alawiten und anderer Minderheiten, wie Drusen und Christen, beschränkt. Mit dem durch die russischen Luftstreitkräfte in Syrien geleisteten Feuerunterstützung, sowie dem Abschuss russischer Marschflugkörper aus dem Kaspischen Meer versucht Assad mit den Hilfstruppen der Iraner und der Hisbollah das Zentrum von Syrien mit den Städten Homs, Hama und Aleppo zurück zu erobern.
Die Türkei, Saudi-Arabien, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate unterstützen ihrerseits die gemässigte Opposition der Free Syrian Army sowie der mit Al-Kaida liierten Verbände der al-Nusrah-Front. Die USA waren bis anhin bestrebt die Free Syrian Army mit Waffen auszurüsten. Aufgrund fehlender Informationen und Nachrichten über die wirkliche Lage in Syrien sind sie diesem Vorhaben gescheitert. Mit den Luftangriffen ihrer Allianz versuchen sie in Syrien wie im Irak den Islamischen Staat militärisch zu schwächen und zurückzudrängen.[2] Dabei erhalten sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt, was die Bodentruppen betrifft, von den syrischen Kurden Unterstützung. Da diese aber mit der türkischen PKK liiert sind, werden sie vom türkischen Präsidenten Erdogan mit Misstrauen verfolgt. Dieser wiederum lässt durch seine Luftwaffe die Stellungen der PKK im Nordirak bombardieren.
Nach wie vor ist der Islamische Staat in Syrien durch die Bombardierungen der USA und ihrer Alliierten nicht entscheidend geschwächt worden. Von der syrischen Stadt Raqqa führt der IS ein Schreckensregiment aus und zerstört gleichzeitig die die antike Stadt Palmyra, die zum UNESCO-Welterbe gehört.
Religions- und ethnische Kriege
Die Kriege im Jemen, im Irak und in Syrien sind zu Religionskriegen zwischen Schiiten und Sunniten, aber auch zu ethnischen Kriegen zwischen Persern und Arabern degeneriert. Gleichzeitig verfolgen die Regionalmächte ihre strategischen Interessen und die Grossmächte in diesen Kriegen ihre geopolitischen Ziele. Können diese Kriege nicht beendet werden, dann muss damit gerechnet werden, dass der gesamte Mittlere Osten vollständig destabilisiert werden könnte. Eine solche Destabilisierung würde gravierende politische, wirtschaftliche und strategische Auswirkungen auf Europa bewirken. Die Kriege in Syrien und im Irak könnten zu einer direkten Konfrontation zwischen Russland und den USA führen.[3] Es ist aber eher denkbar, dass Russland durch seine Interventionen in Syrien und im Irak in einen Abnützungskrieg à la Afghanistan verwickelt wird.
Völkerwanderung
Durch die Kriegführung von Assad und seiner Armee sind bis heute über 200000 Menschen in Syrien getötet worden. Die Zahl der Flüchtlinge wird auf 12 Millionen geschätzt, dies ist mindestens die Hälfte der syrischen Bevölkerung vor dem Krieg. Von diesen 12 Millionen befinden sich immer noch 7.6 Millionen Vertriebene in Syrien. Die Zahl der sunnitischen Flüchtlinge könnte durch die militärische Intervention von Russland noch mehr erhöht werden.
Der Krieg im Irak hat zu 2.6 Millionen Flüchtlingen geführt, die sich im Nordirak befinden.
Zusätzlich zu den Flüchtlingen aus den beiden Kriegsgebieten Syrien und Irak sind noch jene aus dem Jemen hinzuzurechnen. Des Weiteren verlassen zunehmend afghanische Jugendliche wegen der allgemeinen Unsicherheit und der Kriegführung zwischen der Regierung von Kabul und jener der Taliban sowie wegen den Kampfhandlungen des Ablegers des Islamischen Staates ihr Land. Wegen der Bevölkerungsgrösse Afghanistans von 30 bis 40 Millionen Menschen müsste in den nächsten 2 Jahren mit einer Völkerwanderung von 2 bis 3 Millionen Afghanen gerechnet werden.
Vermutlich wäre ein grosser Teil der Völkerwanderung aus dem Mittleren Osten, Zentralasien und Afrika früher durch den Despot Gaddafi aufgefangen worden. Gaddafi ist liquidiert worden und damit ist dieser Riegel eliminiert. Was das Abfangen durch die Türkei betrifft, so wartet der türkische Präsident Erdogan ab. Für seinen Befehl zum Auffangen der Flüchtlinge aus dem Mittleren Osten und Zentralasien hat er mit Sicherheit eine klare Bedingung an die Adresse Bruxelles gerichtet. Die Türkei will Mitglied der EU werden. Solange diese Bedingung nicht erfüllt ist, wird Erdogan nichts tun!
Die Völkerwanderung ist, dies muss festgehalten werden, schlussendlich erst richtig durch die Einladung der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel an die syrischen Flüchtlinge in Schwung geraten. Dieser Aufruf war wenig durchdacht und wirkt sich nun auf Europa und die EU fatal aus. Der Flüchtlingszustrom könnte in ein paar Jahrzehnten zur Auslöschung der europäischen Kultur führen.
Die Völkerwanderung wird solange anhalten, solange keine Stabilität im Mittleren Osten erreicht wird. In Anbetracht der abnehmenden Machtstellung der USA im Mittleren Osten könnte sich die Gefahr abzeichnen, dass diese herbeigesehnte Stabilität nie mehr erreicht werden könnte und der Mittlere Osten dadurch definitiv ins Chaos und in die Anarchie versinken würde.
[1] McChrystal, St., General, My Share of the Task, A Memoir, updated with a new Preface, Portfolio/ Penguin, 2014, P. 228-230.
[2] DeYoung, K., Putin’s action may force a choice on Obama: Act or yield, in: Washington Post, October 8, 2015, P. A1.
[3] Martin, P., Iraq after Russian Intervention in Syria, Institute for the Study of War, October 7, 2015.
Vom 11. auf den 12. Oktober haben die russischen Kampfflugzeuge in Syrien 53 Angriffe geflogen.[1] Vom 12. auf den 13. Oktober waren es 86 Angriffe.[2] Ziele der Angriffe dürften Hauptquartiere, Munitions- und Betriebsstofflager sowie Ausbildungslager der Opposition von Assad gewesen sein, insbesondere in den Provinzen Homs, Hama, Latakia und Idlib. In diesen Provinzen ist der Islamische Staat beinahe inexistent. Gemäss dem britischen Syrian Observatory for Human Rights wurden von den 53 erwähnten Angriffen 30 gegen Kfar Nabudeh geführt. Eine grosse Zahl dieser Angriffe führen die sechs in Latakia stationierten schweren Jagdbomber des Typs Su-34 (Nato-Bezeichnung Fullback). Dieser Jagdbombertyp ist nach einer langen Entwicklungszeit, die noch am Ende der UdSSR einsetzte, seit dem 20. März 2014 einsatzbereit und soll schrittweise die Kampfflugzeuge Su-24 ablösen. Die Mannschaft besteht aus dem Piloten und dem Operator (Waffenoffizier), die über ein geräumiges Cockpit verfügen und bis zu einer Höhe von 10‘000 Meter ohne Sauerstoffmaske auskommen.
Bei voller Zuladung erreicht ein Su-34 eine Reichweite von 4‘000 km und auf grosser Höhe die maximale Geschwindigkeit von Mach 1.8. Ein Su-34 kann neben der eingebauten 30mm Kanone auf den 12 Stationen 12‘000 kg an Waffen mitführen. Dazu gehören neben den Luft-Luft-Lenkwaffen und Luft-Boden-Lenkwaffen gelenkte Bomben und Freifallbomben. In Syrien setzen die Su-34 offenbar die durch GLONASS (russisches GPS-System) gelenkten Bomben des Typs KAB-500S ein, gegen gehärtete Ziele Bomben des Typs BETAB-500SHP, gegen Infanteriestellungen der Opposition Clusterbomben der Typen RBK-500 oder SPBE-D (so am 4. Oktober südwestlich von Aleppo[3]) sowie vermutlich auch zielungenaue Freifallbomben des Typs OFAB-250-270.
Mit den in Syrien einsetzbaren Kampfflugzeugen Su-34, Su-24M und Su-25SM führt Putin vor allem gegen jene Opposition von Assad, die von Saudi-Arabien und der CIA unterstützt wird, eine klassische Flächenbombardierung durch, wie sie während des Zweiten Weltkrieges, des Vietnamkrieges von 1964-73 und der Operation Desert Storm von 1991 mit hoher Intensität geführt wurde.[4] Auf die Zivilbevölkerung, die sich in den durch diese Opposition kontrollierten Gebieten aufhält, wird entsprechend der Meldungen von Syrian Observatory for Human Rights offenbar keine Rücksicht genommen. Bereits auch sollen Kinder durch die russischen Angriffe getötet worden sein.
Welche Art von Luftkrieg führt die Obama-Administration gegen den Islamischen Staat (IS) im östlichen Teil von Syrien und im Nordwesten des Iraks? Aufgrund der mageren Ergebnisse bei der Bekämpfung des IS wird die Operation Inherent Resolve (OIR: amerikanische Bezeichnung dieses Luftkriegs) Obamas durch Fachleute und Politiker in den USA vehement kritisiert. Verglichen mit früheren Luftkriegen der USA werde diese Operation sehr zögerlich geführt. Dies sei mit ein Grund für die fehlende Wirkung. So seien durch die USA und ihre Alliierten seit Beginn der Operation[5] bis zum 6. Oktober gegen den IS 7‘323 Angriffe geflogen worden, davon 4‘701 im Irak und 2‘622 in Syrien. Aufgerechnet auf ein Jahr bedeutet dies pro Tag einen Durchschnitt von 13 Angriffen im Irak und 7 Angriffen in Syrien.[6] Während der 42 Tage dauernden Operation Desert Storm von 1991 gegen Saddam Hussein hätten die Kampfflugzeuge und Bomber der Koalition insgesamt 48‘224 Angriffe und damit pro Tag 1‘100 Angriffe ausgeführt. Zwölf Jahre später seien in der 31-Tage dauernden Operation Iraqi Freedom pro Tag mehr als 800 Angriffe geflogen worden. In der Operation Allied Force von 1999 gegen Serbien seien 138 Angriffe und in der Operation Enduring Freedom von 2001 gegen die Taliban in Afghanistan 86 Angriffe pro Tag geflogen worden. Vor allem der frühere Stellvertretende Kommandant für den Nachrichtendienst, die Überwachung und die Aufklärung der US-Streitkräfte, Lt.General Dave Deptula (ret.), kritisiert den mangelhaften und wenig durchdachten Einsatz von Airpower in OIR. Deptula war auch jener Offizier, der den Luftkrieg in Desert Storm konzipiert hatte. Es sei auch lächerlich, so Deptula, dass der Einsatz von Airpower in OIR einem General des Heeres (US Army) anvertraut sei.
Die Obama-Administration versucht dieser Kritik mit zwei Argumenten zu entgegnen:
Für aussenstehende Beobachter erscheint der Luftkrieg der Obama-Administration gegen die Mörderbande des Islamischen Staates im Vergleich zum rücksichtslosen Luftkrieg von Putin nicht nur wenig durchdacht, sondern im wahrsten Sinne des Wortes dilettantisch und inkompetent. So zieht die Obama-Administration ausgerechnet zum Zeitpunkt der Intensivierung des Luftkrieges durch Putin den bisher während Monaten im Persischen Golf stationierten Flugzeugträger USS Theodore Roosevelt ohne Ersatz zurück, mittels dessen Kampfflugzeugen 1‘812 Angriffe gegen den IS geflogen wurden.[7] Dabei verfügen ausgerechnet die grossen US-Flugzeugträger mit dem F/A-18E/F Super Hornet über ein dem Su-34 bezüglich Leistung und Kampfkraft gleichwertiges Kampfflugzeug. Diese Mehrzweckkampflugzeuge, die seit September 2001 im Einsatz sind, können neben der Gatlingkanone an 11 Stationen 8‘050 kg Waffen mitführen. Dazu gehören Lenkwaffen, gelenkte Bomben und Freifallbomben. Die maximale Geschwindigkeit der Super Hornet erreicht wie beim Fullback Mach 1.8 und die maximale Reichweite beträgt 3‘330 km.
Gerade wegen dieses Fehlentscheides ist der Obama-Administration nicht nur Inkompetenz vorzuwerfen, sondern auch fehlendes Durchstehvermögen in einem gefährlichen Konflikt.
[1] Aji, A., and S. EL Deeb, Syria troops advance under Russian air cover, Associated Press, October 12, 2015.
[2] Stratfor, Syria: Russia Strikes 86 Targets in 24 Hours, October 13, 2015.
[3] EL Deeb, S., and L. Berry, Syrian troops gain as Putin defends strikes, Associated Press, October 11, 2015.
[4] Stahel, A.A., Luftverteidigung – Strategie und Wirklichkeit, mit einem Vorwort von Kaspar Villiger, Strategische Studien Band 4, vdf, Verlag der Fachvereine an der ETHZ, Zürich. 1993.
[5] Operation Inherent Resolve ist gegen Ziele des Islamischen Staates im Irak am 15. Juni 2014 und gegen Ziele des IS in Syrien am 22. September ausgelöst worden.
[6] Seligman, L., Fighting ISIS: Is Pentagon Using Air Power to its Full Potential? in: Defense News, October 12, 2015, P. 1.
[7] LaGrone, S., Carrier USS Theodore Roosevelt Leaves Middle East, No Firm Date on Replacement to Continue Anti-ISIS Strikes, in: US Naval Institute, October 13, 2015.