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Stiftung Wissenschaft und Politik
Updated: 13 hours 7 min ago

Arktische Seewege

Thu, 23/07/2020 - 00:00

Das Eis im Nordpolarmeer schmilzt, wodurch die arktischen Seewege zunehmend schiffbar werden. Die Nordostpassage ist schon heute für längere Zeiträume im Sommer befahrbar, während die Nordwestpassage wohl in den 2030er Jahren, die Transpolare Route wiederum frühestens ab den 2040er Jahren für die Schifffahrt häufiger – und damit kommerziell – nutzbar, da »eisfrei« sein wird.

Neben den Klimaveränderungen wirken auch Ressourcennutzung und Großmachtkonkurrenz – jeweils unterschiedlich in Art, Ausmaß und Folgen – als Treiber für einen Wandel in der Arktis.

Die Erwärmung der Arktis ermöglicht es, bislang unzugängliche Lagerstätten von Rohstoffen zu nutzen, und eisfreie Seewege erleichtern deren Transport. Doch geht es dabei um kostenträchtige, riskante und lang­wierige Projekte, zumal bei der Öl- und Gasförderung auf See (offshore).

Die USA haben die Arktis als geopolitische »Arena« im Kampf um Macht und Einfluss identifiziert. Russland will über die Nördliche See­route maßgeblich seine Rolle als Energiegroßmacht bewahren.

Als neuer Akteur kann China in der Arktis an sein Seidenstraßen-Projekt anknüpfen, Transportwege diversifizieren und die eigene Versorgungs­sicherheit erhöhen. Im Konfliktfall lassen sich Versorgungsrouten militärisch nutzen, weshalb das Nordpolarmeer auch für Peking strategisch zunehmend wichtig ist.

Neben den negativen Auswirkungen des Klimawandels ist eine Verschlechterung der sicherheitspolitischen Lage im Norden festzustellen. Die widerstreitenden Ambitionen Chinas, Russlands und der USA machen einen Dialog über militärische Sicherheitsfragen nötig.

The Indian-Chinese Confrontation in the Himalayas

Tue, 21/07/2020 - 00:00

The confrontation between Indian and Chinese troops in the Himalayas, which has been ongoing since the beginning of May, has escalated into the most serious crisis in relations between the two countries in 45 years. On 15 June, for the first time since 1975, 20 Indian and an unknown number of Chinese soldiers were killed in an inci­dent. The current crisis, unlike previous ones, has wider territorial and political dimensions. It shakes the previous border regime and strains the relationship of trust that was laboriously built up between Prime Minister Narendra Modi and President Xi Jinping. The confrontation is also a test of India’s strategic autonomy. This corner­stone of Indian foreign policy also includes the claim to an independent role in the geostrategic tensions between China and the United States in the Indo-Pacific.

Reconstruction in Syria

Mon, 20/07/2020 - 00:00

Syria’s civil war has long since been decided in favour of the regime. There is no prospect of a negotiated settlement, reconciliation or lasting stabilisation.

Syria faces enormous challenges, well beyond the rebuilding of infra­structure and housing. It will also need assistance to restart its economy, stabilise its currency and renew its public services, in particular education, health, electricity and water.

The funds required for comprehensive reconstruction are extremely un­likely to become available, given the attitude of the Syrian leadership, the economic ramifications of the Covid-19 pandemic, and the geopolitical interests of regional and global powers. Nor are resources likely to be deployed in line with the needs of the population.

The EU and its member states have made engagement in Syria’s reconstruc­tion conditional on viable steps towards a negotiated conflict settle­ment and a political opening. They should adapt their approach to align better with the current realities and challenges on the ground.

That means in particular targeting humanitarian aid more effectively, dismantling certain sectoral sanctions and supporting the rehabilitation of basic infrastructure – even in areas controlled by the Syrian government. This would represent a more effective contribution to improving living conditions and avoiding further erosion of public services.

Lasting stabilisation will require fundamental reforms. In this vein, Brus­sels should spell out its “more for more” approach.

Europe should refrain from normalising relations with the top leaders of the Assad regime and instead step up its support for prosecution of war crimes, grave human rights violations and the use of internationally banned weapons.

 

 

»Auch Joe Biden müsste mit einem hochgradig polarisierten US-Kongress umgehen«

Mon, 20/07/2020 - 00:00

Herr Overhaus, Sie haben die Expertengruppe USA – »Jenseits der Wahlen – Langfristige Trends in der US-amerikanischen Innen- und Außenpolitik« ins Leben gerufen. Warum braucht es diese Expertengruppe?

Marco Overhaus: Die Motivation bestand darin, einen wichtigen Beitrag zur öffentlichen und politischen Debatte zu leisten, wie wir in Zukunft mit den USA umgehen. Gegenwärtig werden häufig einzelne Personen und hier insbesondere der US-Präsident Donald Trump sowie aktuelle Ereignisse wie die Proteste nach dem gewaltsamen Tod von George Floyd betrachtet. In der Expertengruppen widmen wir uns den langfristigen und strukturellen Trends dahinter, um Schlüsse für die Zukunft der transatlantischen Beziehungen zu ziehen.

Wie haben Sie die strukturellen und längerfristigen Trends ermittelt?

Marco Overhaus: Zunächst haben wir in der Expertengruppe im Rahmen eines Brainstormings Entwicklungen gesammelt, die wir als wichtig erachten. Anschließend haben wir anhand der beiden Kriterien Wahrscheinlichkeit und Wirkung entschieden, welche der insgesamt fünfzig Ergebnisse wir weiterverfolgen. Also: Wie wahrscheinlich ist es, dass das, was wir untersuchen wollen, die Innen- und Außenpolitik der USA auch in Zukunft prägen wird? Und wie gravierend könnten sich diese Faktoren und Trends auswirken? Am Ende haben wir sieben Trends bestimmt.

Christian Lammert: Wir haben die Trends nach festen Regeln bewertet, unabhängig von unseren eigenen Forschungsschwerpunkten. Da kam es zu einigen Überraschungen.

Können Sie ein Beispiel nennen? 

Marco Overhaus: Wir haben zum Beispiel das Thema Klima als besonders wichtig eingestuft, obwohl niemand aus der Gruppe Klimaexperte ist. Um diesen Bedarf zu decken, haben wir dann aber mit Susanne Dröge eine SWP-Expertin für Klimapolitik gewinnen können.

Welche Trends halten Sie darüber hinaus für besonders relevant – sowohl in der Innen- als auch in der Außenpolitik der USA?

Marco Overhaus: Wir haben vier Trends definiert, die in den Bereich Innenpolitik fallen. Dazu gehören die Entwicklung der Medienlandschaft, gesellschaftliche und politische Polarisierung, Zunahme gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Ungleichheit sowie die strukturellen Veränderungen in der Wirtschaft hin zu einer Digitalwirtschaft in den USA. Im Bereich der Außenpolitik haben wir uns für die wachsende Rivalität der USA mit China und die Zunahme internationaler Konflikte als Herausforderung für die USA entschieden.

Christian Lammert: Es hat sich schnell gezeigt, dass wir beide Perspektiven immer zusammendenken müssen. Denn die Trennlinie zwischen Außen- und Innenpolitik wird immer poröser. Die Handelspolitik hat Konsequenzen für den Arbeitsmarkt – auch in den USA. Und es ergibt keinen Sinn, Klimapolitik nur innenpolitisch zu betrachten, weil es ein globales Problem ist. Ebenso sind die Veränderungen in der Wirtschaft nicht rein innenpolitisch zu verstehen. Es geht dabei auch um den Einfluss globalisierter Finanzmärkte.

Der gewaltsame Tod von George Floyd hat in den USA eine heftige Debatte über strukturellen Rassismus aufgeworfen. Welche Rolle spielt das in der Arbeit der Expertengruppe? 

Christian Lammert: Wir haben gesehen, dass sich Polizeigewalt, struktureller Rassismus und jetzt die Black-Lives-Matter-Bewegung in vielen Schwerpunkten wiederfinden, vor allem in den innenpolitischen. Der politische Diskurs über die Legitimität des Protestes ist in den USA sehr polarisiert. Aus sozioökonomischer Perspektive sind Afroamerikaner und Hispanics immer noch benachteiligt. Die Unzufriedenheit darüber zeigt dieser Protest nun auch.

Wie wirkt sich die Corona-Krise auf diese Trends aus?

Christian Lammert: Die Corona-Krise führt dazu, dass sich einige Trends verschärfen oder neue Dimensionen sichtbar werden. Das wird am Beispiel Rassismus auf ganz dramatische Weise deutlich. Afroamerikaner sind überproportional von den Folgen der Pandemie betroffen. Das hängt neben dem mangelnden Zugang zum Gesundheitssystem auch mit ihrer schlechteren Situation auf dem Arbeitsmarkt zusammen. Diese Bevölkerungsgruppe ist deutlich häufiger in Berufen beschäftigt, in denen man sich leichter infizieren kann, darunter Pflege und Einzelhandel.

Marco Overhaus: Die Corona-Krise könnte auf längere Sicht auch zu einer Ressourcenverknappung in der amerikanischen Außenpolitik führen. Prognosen gehen davon aus, dass die USA im Jahr 2021 eine Schuldenlast von weit mehr als 100 Prozent gemessen am Bruttoinlandsprodukt haben werden.  2019, vor Corona, waren es noch 80 Prozent – auch dies schon ein beachtlicher Wert.

Welche Folgen hat das für die US-Außenpolitik?

Marco Overhaus: Die Kluft zwischen den außenpolitischen Ambitionen, international präsent zu sein und in allen Weltregionen Einfluss zu nehmen, und den innenpolitischen Möglichkeiten, diesen Ambitionen gerecht zu werden, ist in den vergangenen Jahren immer größer geworden. Und die Corona-Krise wird das verschärfen. Wenn die Arbeitslosigkeit steigt und die wirtschaftliche Ungleichheit in den USA weiter wächst, kann man davon ausgehen, dass auch die gesellschaftliche Unterstützung für außenpolitische Kosten abnehmen wird. Langfristig wird sich das auch auf die amerikanische Politik in ihren Allianzen, wie der NATO, auswirken.

Wie würden sich die transatlantischen Beziehungen unter einem Präsidenten Joe Biden entwickeln?

Marco Overhaus: Alle Trends, die wir identifiziert haben, würden auch eine Präsidentschaft von Joe Biden beeinflussen. Auch er müsste mit einem hochgradig polarisierten US-Kongress umgehen, der seinen Handlungsspielraum einschränkt. Ein anderes Beispiel ist China. In den vergangenen fünf bis zehn Jahren hat sich der Anti-China-Konsens in den USA stark verfestigt. Wir können nicht davon ausgehen, dass die USA unter Joe Biden eine Chinapolitik fahren, die deutschen Idealvorstellungen entspricht. Da sollten wir mehr Realismus an den Tag legen und nicht wie bei Obama hochfliegende Hoffnungen in einen neuen Präsidenten setzen.

Christian Lammert: Gerade deshalb ist die Trendanalyse so wichtig: weil sie über die jeweilige US-Administration hinausreicht. Sicherlich wäre es einfacher, mit einem Präsidenten Joe Biden zu reden, aber an den grundsätzlichen Problemen würde ein Wechsel im Weißen Haus nichts ändern.

Das Interview führte Cetin Demirci von der Online-Redaktion der SWP.

Political Implications of the Hagia Sophia Reconversion

Fri, 17/07/2020 - 00:10

On 10 July, Turkish President Tayyip Erdoğan issued a decree reconverting the Hagia Sophia Museum to a mosque, thus realizing a long-cherished dream of conservative currents in Turkish society. Originally built as a cathedral by the Romans, the Hagia Sophia functioned as Istanbul’s main mosque of throughout the Ottoman era. Its conversion into a museum in 1934 was one of a series of moves intended to distance Kemal Atatürk’s new secular republic from the Islamic heritage of the defunct Ottoman Empire – and became a totem of conservative resentment towards the Kemalist regime. Reconversion should therefore be considered a significant symbolic achievement for the conservative side and a settling of scores with the early republican period. Erdoğan is also seeking political gain by treating this issue as an identity battle between conservatives and secularists.

A Tactical Move?

According to a poll conducted in June, a majority of the Turkish population regards the Hagia Sophia controversy as an attempt by the government to divert attention from economic problems and reverse its declining support. Only 30 percent said they felt it was really just about a change of use from museum to mosque. This means that even among supporters of the ruling Justice and Development Party (AKP) and its ultranationalist junior partner, the Nationalist Movement Party (MHP), significant numbers consider the move to be more tactical than ideological – even if they ultimately agree with the outcome.

Erdoğan’s earlier statements also suggest that this is a tactical move. During local election campaigning in 2019, he responded angrily to a crowd that raised the topic of Hagia Sophia, pointing out that the adjacent Sultan Ahmad Mosque (Blue Mosque) is almost always empty during prayer times. He told his audience that he would consider reconverting the Hagia Sophia if they first filled the Sultan Ahmed Mosque. Given that this was consistent with previous remarks and little has changed since the exchange, political expediency now seems to have outweighed religious or ideological considerations. Erdoğan expects reconversion to produce three political benefits.

Erdoğan’s Political Expectations

The first benefit is to energize the more conservative segments of his power base by meeting one of their longstanding symbolic demands, in particular in light of the emergence of two splinter parties from the AKP with potential to appeal to this electorate. The prominence of the controversy suggests he has succeeded in this. The second benefit would be to distract the public from the country’s serious socioeconomic problems. Where the unemployment rate – including those who have given up seeking work – has reached 24.6 percent, the government would like to talk about anything but the economy. Here, Erdoğan has gained relief, but probably not to the extent he hoped.

The third and most important benefit would be to establish yet another identity battle between conservatives and secularists. This is the arena where Erdoğan feels most secure, and the Hagia Sophia issue appeared ideally suited for the AKP’s identity wars. Its symbolism is multi-layered. First of all, a fight over mosque versus museum slots easily into a religion/modernity binary. It can also be used to create an Islam/Christianity binary as Hagia Sophia was originally built as a church and functioned as such for nine centuries until the Ottoman conquest of Istanbul. Secondly, it awakens historical allusions and underlines the real or perceived dichotomy between the Ottoman Empire and the Republic. Reversing a decision taken by Atatürk also inflames existing debates over the early republican reforms. Finally, the move is also expected to provoke adverse international reactions, thus offering a perfect opportunity for Erdoğan to breathe new life into his narrative of Turkey encircled by enemies, with Western powers subverting its sovereignty.

Domestically Erdoğan would expect the reconversion to provoke uproar among secularist circles and lead the secularist People’s Republican Party (CHP) in particular to condemn the decision and mobilize public opposition. This would create another opportunity for him to stir the “culture wars”. In fact, however, the CHP and most of the other opposition parties avoided this ploy and either supported the reconversion or remained neutral. This approach is in line with the new strategy of CHP leader Kemal Kılıçdaroğlu, who has been careful to avoid such traps in recent years. While he has received much criticism from his party base – especially the secularist intelligentsia – for his calculated lack of interest in cultural conflicts, Kılıçdaroğlu seems to have been successful in preventing Erdoğan from picking his fights.

In light of the lack of domestic push-back, Erdoğan will focus on international condemnation to fan the flames of identity conflicts, presenting these reactions as interference in Turkey’s internal affairs – if not outright Islamophobia. Given that certain European countries have their own problems with accommodating Muslim places of worship, European criticisms can easily be framed as hypocritical and anti-Islamic. In that sense, Hagia Sophia is the perfect fight for Erdoğan: it is symbolic, emotionally charged, politically polarizing, and consolidates political camps. And all this is achieved with scant real-life consequences. European policymakers should follow the example set by the opposition parties in Turkey and deny Erdoğan the trivial rhetorical fights he clearly seeks.

This text has also been published at fairobserver.com.

Migration and the 2030 Agenda: Making Everyone Count

Fri, 17/07/2020 - 00:00

With the 2030 Agenda for Sustainable Development and its guiding principle, “Leave no one behind”, the international community has set itself the goal of improving the living conditions of poor and marginalised groups. In many cases, these groups include refugees and migrants. However, they are hardly taken into account in the Sustainable Development Goals (SDGs), which are decisive for the implementation of the 2030 Agenda. As a result, there is a growing danger that existing disadvantages will become more permanent or more pronounced. Five years after the adoption of the SDGs, the balance sheet is sobering: Disaggregated data is necessary to be able to understand and monitor changes in the living conditions of migrant population groups, but these data are still lacking in most countries. In line with its overarching commitment to the implementation of the SDGs, the German government should work to ensure that migrants and refugees are systematically taken into account in the follow-up and review of the 2030 Agenda.

Die EU-Energiediplomatie – Aufwertung und Neuausrichtung für eine neue Ära

Fri, 17/07/2020 - 00:00

Der Green Deal, den die Europäische Kommission 2019 auf den Weg gebracht hat, erfordert eine Neuausrichtung der Energiediplomatie der Europäischen Union (EU). Allerdings sollte die Energiediplomatie nicht auf die Außenkommunikation des Green Deal redu­ziert werden. Vielmehr wird sie sich mit den tief­greifenden und vielfältigen geoökonomischen und geopolitischen Veränderungen auseinander­setzen müssen, die die Energiewende mit sich bringt. Deswegen sollte der Aktionsplan der EU-Energie­diplo­matie von 2015 angepasst werden. Wenn die EU dabei neue Prioritä­ten setzt, wird sie ein realistisches Gleichgewicht zwischen ihren globalen Bestre­bun­gen und ihren begrenzten finanziellen Mitteln finden müssen. Die deutsche EU-Ratspräsi­dent­schaft sollte ihre Bemühungen um eine Aufwertung der EU-Energiediplomatie in drei Richtungen intensivieren. Erstens: die bestehenden Prio­ritäten entsprechend den neuartigen Herausforderungen überprüfen. Zweitens: den geographischen Aktions­radius über die direkte Nachbarschaft hinaus erweitern auf 12 Ankerpartner entlang der afro-euro-asiatischen Ellipse, denen besondere Aufmerk­samkeit zukommen sollte. Drittens: das energie-außenpolitische Instrumentarium passend zu fünf neuen Aktions­bereichen nachjustieren, wobei ein realistischer und auf das jeweilige Land zugeschnittener Ansatz einem normativ-ideologischen vorzuziehen ist.

 

Die Transformation Usbekistans

Thu, 16/07/2020 - 00:00

Der Regierungswechsel in Usbekistan stellt einen Präzedenzfall im post­sowjetischen Raum dar. Präsident Mirziyoyev, ein Regime-Insider, hat einen Kurswechsel initiiert und gleichzeitig eine Destabilisierung ver­mieden. Das von Mirziyoyev vertretene Reformprogramm zielt auf eine Liberalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft, lässt das politische System jedoch weitgehend unangetastet.

Die Reformen, deren Umsetzung wie früher zentral gesteuert und be­aufsichtigt wird, verlangen den Usbekinnen und Usbeken schmerzhafte Anpassungen ab. Sie werden aber akzeptiert, weil sich damit konkrete Hoffnungen auf eine bessere Zukunft verbinden. Zudem schaffen vor allem die wirtschaftlichen Reformmaßnahmen in einem Tempo Fakten, dass kaum Raum für Alternativen bleibt.

Obwohl Usbekistan wichtige Signale auch für eine politische Liberalisierung gesetzt hat, ist es nach wie vor ein autoritärer Staat mit einem Prä­sidialsystem, dessen institutionelle Grundlagen nicht zur Disposition ste­hen. Aus diesem Grund läuft die Transformation perspektivisch weniger auf Demokratisierung zu als vielmehr auf einen »aufgeklärten Autori­tarismus«, der von einer Allianz neuer und alter Eliten getragen wird.

Dennoch gibt es für Deutschland und Europa gute Gründe, den Reformkurs zu unterstützen. Der Schwerpunkt sollte dabei auf jenen Handlungsfeldern liegen, die für die Entwicklung hin zu einer offenen Gesellschaft von besonderer Relevanz sind: Förderung von politischem Wettbewerb, Ermutigung zu offener Debatte und unabhängigem gesellschaftlichem Engagement und Ermöglichung echter Teilhabe.

Saudi-Arabien, die Pandemie und das Öl

Wed, 15/07/2020 - 00:05

Im Juni 2020 sagte die saudi-arabische Regierung die jährliche »große Pilgerfahrt« (»Hajj«) nach Mekka für alle aus dem Ausland anreisenden Gläubigen ab. Schon Ende Februar hatte sie die »Umra« genannte »kleine Pilgerfahrt« ausgesetzt. Damit hat die Corona-Krise bewirkt, dass neben den Einkünften aus dem Ölexport auch die zweit­wichtigste Einnahmequelle der saudi-arabischen Regierung schwer getroffen ist, auf die sie selbst in Krisenzeiten meist bauen konnte. Das Jahr 2020 dürfte zum Epochenjahr der Geschichte Saudi-Arabiens werden, denn der zeitweilige dramatische Verfall der für seine Wirtschaft so wichtigen Erdölpreise seit Frühjahr reduzierte die Staats­einnahmen so drastisch, dass das Königreich zu Steuererhöhungen und Sparmaßnah­men griff, um die Krise abzufedern. Trotzdem setzt Kronprinz Muhammad Bin Salman auf Kontinuität, indem er sein immens teures wirtschaftliches Reformprogramm »Vision 2030« fort­führt, seine aggressive antiiranische Regionalpolitik weiterverfolgt – bisher ein­schließlich des Krieges im Jemen – und unvermindert moderne Waffensysteme für die saudischen Streitkräfte kaufen lässt. Diese Politik wird das Königreich rasch an die Grenzen seiner finanziellen Belastbarkeit bringen und dazu zwingen, Prioritäten zu setzen.

Indisch-chinesische Konfrontation im Himalaya

Wed, 15/07/2020 - 00:00

Die seit Anfang Mai andauernde Konfrontation zwischen indischen und chinesischen Truppen im Himalaya hat sich zur schwersten Krise in den Beziehungen beider Staa­ten seit 45 Jahren zugespitzt. Am 15. Juni wurden erstmals seit 1975 bei einem Zwi­schenfall 20 indische und eine unbekannte Zahl chinesischer Soldaten getötet. Die gegenwärtige Krise hat im Unterschied zu früheren weiter reichende territoriale und politische Dimensionen. Sie erschüttert das bisherige Grenzregime und belastet das mühsam aufgebaute Vertrauensverhältnis zwischen Premierminister Modi und Prä­sident Xi. Die Konfrontation ist aber auch eine Belastungsprobe für Indiens strate­gische Autonomie. Dieser Grundpfeiler der indischen Außenpolitik beinhaltet auch den Anspruch auf eine eigenständige Rolle in den geostrategischen Auseinander­setzungen zwischen China und den USA im Indo-Pazifik.

Der Kaukasus im Schatten der Pandemie

Tue, 14/07/2020 - 00:00

Die Corona-Krise überschattet politische und sozialökonomische Entwicklungen im Kaukasus. Im Südkaukasus, der zum Raum der Östlichen Partnerschaft der Euro­päischen Union (EU) gehört, verläuft die Infektionsdynamik höchst unterschiedlich. Während Armenien zu einem Epizentrum der Pandemie im Kaukasus geworden ist, zählt Georgien weltweit zu den Ländern mit den geringsten Covid‑19-Infektions- und ‑Todes­raten. Selbst wenn es für frühzeitige und konsequente Maßnahmen zur Eindämmung der Infektionsausbreitung gelobt wird, sind die wirtschaftlichen Folgen auch für Georgien erheblich. Die Pandemie trifft im Südkaukasus auf Länder mit schwachen Sozial- und Wirtschaftssystemen, hoher Armut und Arbeits­losigkeit sowie einer großen »informellen Wirtschaft«. Sie zwingt die Regierungen zu anspruchs­vollen Anti-Krisen-Plänen. In der Nachbarschaft des Süd­kaukasus liegt ein weiteres Epi­zentrum der Infektion: Russland. Dessen kaukasische Peripherie, der Nord­kaukasus, stellt dabei eine besondere Problemregion dar.

Modernisation of the EU–Turkey Customs Union

Tue, 14/07/2020 - 00:00
The German Debate on Modernisation of the Customs Union Considering Economic Interests, Prospects of Cooperation and Political Obstacles

Visegrád und die Pandemie: Zwischen­bilanz und europapolitische Folgen

Mon, 13/07/2020 - 00:00

Wie alle anderen europäischen Länder wurden auch die Visegrád-Staaten von der Covid-19-Pandemie erfasst. Anders als in Süd- und Teilen Westeuropas ließ sich hier aber eine explosionsartige Verbreitung des Virus verhindern. Mit diesem Erfolg im Rücken und den sozialökonomischen Konsequenzen der Pandemie vor Augen haben sich Polen, Tschechische Republik, Slowakei und Ungarn nun in der EU positioniert. Obwohl sie Differenzen hinsichtlich der Brüsseler Finanzpakete haben, werden sie durch die Kri­senbewältigung nicht strategisch auseinanderdividiert. Für Deutschland wird es weiter von Bedeutung sein, die vier Länder europapolitisch einzubinden und überdies gemein­sam Wege zu finden, um das wirtschaftliche Fundament der Beziehungen zu sichern.

Berlin und Prag: Europa pragmatisch zusammenhalten

Thu, 09/07/2020 - 00:00

Auch die Beziehungen zwischen Deutschland und der Tschechischen Republik wur­den von der Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus in Mitleidenschaft gezogen. Dominierendes Thema in den ersten Wochen der Pandemie war die Schließung der Grenzen durch die Tschechische Republik. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit wurde jäh unterbrochen, erst nach und nach konnten Lockerungen erreicht werden. Bald zeigte sich, dass die Corona-Krise auch ein bedeutendes Thema für die europapolitische Komponente des beiderseitigen Verhältnisses sein würde. In der Krise wurde auch sichtbar, dass die sicherheitspolitischen Verschiebungen der letzten Jahre und neue inter­nationale Entwicklungen in das deutsch-tschechische Verhältnis hineinspielen. Beide Länder sollten daher ihre Kommunikationsinstrumente, insbesondere den Strategischen Dialog der Regierungen nutzen, überdies aber auch drängende Herausforderungen wie den Umbau zentraler Industrien gemeinsam reflektieren.

Regional Power United Arab Emirates

Wed, 08/07/2020 - 00:00

Since the Arab Spring of 2011, the United Arab Emirates (UAE) have been pursuing an increasingly active foreign and security policy and have emerged as a leading regional power.

The UAE sees the Muslim Brotherhood as a serious threat to regime sta­bility at home, and is fighting the organisation and its affiliated groups throughout the Arab world.

The UAE’s preferred partners in regional policy are authoritarian rulers who take a critical view of political Islam and combat the Muslim Brother­hood.

The new Emirati regional policy is also directed against Iranian expansion in the Middle East. Yet the anti-Iranian dimension of Emirati foreign policy is considerably less pronounced than its anti-Islamist dimension.

The UAE wants to gain control of sea routes from the Gulf of Aden to the Red Sea. Since the Yemen conflict began in 2015, it has established a small maritime empire there.

The rise of the UAE to a regional power has made the country a more im­portant and simultaneously a more problematic policy partner for Germany and Europe.

The EU Budget As an Opportunity in the Crisis

Tue, 07/07/2020 - 00:00

In response to the socio-economic consequences of the corona pandemic, the Euro­pean Commission presented a comprehensive package of measures on 27 May 2020. It consists of two components. Firstly, the Commission’s original proposal of May 2018 for the Multiannual Financial Framework (MFF) 2021–2027 is to be increased to €1.8 trillion. Secondly, the Commission is proposing a temporary economic budget of €750 billion under the title “Next Generation EU”.

This far-reaching package, which the Commission drew up in just a few weeks, can have the effect of fundamentally reshaping European budgetary policy and redistributing competences and responsibilities between the EU and the member states. The result could be a significant deepening of European integration.

Corona Crisis and Political Confrontation in Brazil

Fri, 03/07/2020 - 00:00

During his election campaign, Jair Bolsonaro promised economic recovery, the fight against corruption, and an iron hand against violent crime – today, these tasks rep­resent the weak spots of the President: Brazil has become an epicentre of the Covid‑19 pandemic. Even though Bolsonaro downplays the situation and opposes containment measures, the virus and the chaotic crisis management are bringing about serious nega­tive health, social, and economic consequences for the citizens. Investigations, in­cluding those on corruption, and revelations about the Justice Minister who resigned are targeting the President and his family. While the homicide rate is on the rise again in 2020, Bolsonaro pleaded in a cabinet meeting for armed resistance from the population against the health protection policies in the federal states. Threatened by impeachment, the President is struggling for his political survival, challenging the rule of law and democratic principles.

Connectivity and Geopolitics: Beware the “New Wine in Old Bottles” Approach

Wed, 01/07/2020 - 00:10

With the Covid-19 pandemic, the fragility and vulnerability of the liberal international order became globally visible in an instant. Aspects of everyday life and especially our taken-for-granted views of connectedness have been disrupted in Asia, Europe, and beyond. The pandemic and, more importantly, the political reactions to it, in many ways again underpin the geopolitical significance of connectivity in world poli­tics. This link between geopolitics and connectivity becomes most obvious in a couple of successive initiatives in East Asia and the EU that illustrate the geopolitical turn of connectivity politics in the last decade. What different actors mean by con­nectivity matters more than ever; getting to the bottom of those meanings gives insights about what geopolitics contains today.

From Asia-Pacific to Indo-Pacific

Wed, 01/07/2020 - 00:05

More and more states and regional organisations employ the term “Indo-Pacific”. It is increasingly supplanting the previously common term, “Asia-Pacific”. In Europe, only France has so far presented its own “Indo-Pacific” concept.

The term “Indo-Pacific” is used to refer to various, sometimes divergent, concepts. These in turn are based on very different ideas on regional order. What they all have in common is the reference to the importance of a rules-based international order.

“Indo-Pacific” is a political term and therefore neither purely descriptive nor value-neutral. In particular, the Trump administration’s “Free and Open Indo-Pacific” concept aims to contain China and is thus an expression of the growing strategic rivalry between Washington and Beijing. In Beijing, “Indo-Pacific” is primarily understood as a U.S.-led containment strategy directed against China.

Other actors, for example ASEAN or India, emphasise aspects such as economic prosperity, connectivity and multilateral cooperation in their Indo-Pacific concepts.

The EU and its member states are under increasing pressure from Washington to commit themselves directly or indirectly to the “Indo-Pacific” – and thus, from a U.S. perspective, for Washington and against Beijing. In their deliberations, Europeans should not succumb to this zero-sum logic.

The EU and its member states have at their disposal three (ideal type) approaches: “equidistance”, “alignment” and “autonomy”. In order to be able to choose one option, Europeans must define their economic, security and normative interests in the region and provide the necessary resources for their advancement.

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