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Stiftung Wissenschaft und Politik
Updated: 15 hours 9 min ago

Die Krisen nach »Corona«

Thu, 04/06/2020 - 00:00

Politische Entscheidungsträger sind mit einer Vielzahl von hypothetischen Krisen kon­frontiert, für die der Staat gleichzeitig Vorsorge treffen soll. Die Kosten einer angemessenen Vorbereitung auf alle denkbaren Ereignisse übersteigen die zur Ver­fügung stehenden Ressourcen allerdings bei weitem. Daher müssen Entscheidungsträger auswählen, welche Krisen Vorsorge-Priorität genießen sollen. Für diese Ent­scheidung spielen Faktoren wie die öffentliche Sichtbarkeit und Eintrittswahrscheinlichkeit der Krise sowie das erwartete Ausmaß der von ihr verursachten Schäden eben­so eine Rolle wie analogiebasiertes Schlussfolgern und politische Intuition. Die Corona-Krise verdeutlicht, dass diese Zukunftsheuristiken mit Entscheidungsrisiken einhergehen. Trotz eindringlicher Warnungen vor den Folgen einer möglichen Pandemie war kaum ein Staat gut gerüstet. Fundierter ließen sich Vorsorge-Entscheidungen treffen, wenn die Erkenntnisse systematischer Vorausschau berücksichtigt würden.

The Great Carve-Up

Wed, 03/06/2020 - 00:00

The yearlong offensive on Tripoli by Khalifa Haftar’s forces has suffered fatal set­backs, and Libya’s conflicts are changing shape. Russia’s and Turkey’s attempts at carving out spheres of influence are bound to collide with the interests of other for­eign powers and with the fluidity of Libya’s political landscape. Haftar could face increasing challenges to his authority over eastern and southern Libya. Rivalries with­in the anti-Haftar alliance will also return to the fore. Foreign intervention and the deep rifts that the war has inflicted on Libyan society will be the key obstacles to a political settlement. Western states should focus on preserving Libya’s unity and countering Russian influence as a matter of priority.

Der Anstieg des Meeresspiegels als Thema für den VN-Sicherheitsrat

Wed, 03/06/2020 - 00:00

Deutschland wird im Juli 2020 den Vorsitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen übernehmen und den Blick der Staatengemeinschaft erneut auf die sicherheits­relevanten Folgen des Klimawandels lenken. Besorgniserregend ist besonders, dass der Meeresspiegel mit zunehmender Geschwindigkeit ansteigt. Dies birgt die Gefahr einer dauerhaften Überflutung niedrig gelegener Küstengebiete und kleinerer Inseln. Dar­aus ergeben sich auch schwierige völkerrechtliche Fragen, auf die das geltende Recht nur zum Teil Antworten liefert. Daher müssen einzelne Regelungsmaterien wie etwa das Seerecht oder der Individualschutz weiterentwickelt werden. Denkbar ist zum einen, dass etablierte Normen und Prinzipien im Lichte neuer Herausforderungen progressiv ausgelegt werden. Zum anderen ließen sich Lücken durch zusätzliche ver­tragliche Regelungen schließen. Damit politische Spielräume für eine Fortentwicklung des völkerrechtlichen Instrumentariums entstehen können, ist ein breiterer Dia­log unter den Staaten nötig. Der Sicherheitsrat könnte maßgebliche Anstöße liefern, um einen solchen Austausch in Gang zu bringen.

Die EU braucht eine digitale Binnenmarktaußenpolitik

Wed, 03/06/2020 - 00:00

Die in den digitalen Bereichen der Wirtschaft anfallenden riesigen Datenmengen werden derzeit fast ausschließlich von amerikanischen sowie zunehmend chinesischen, global agierenden Unternehmen verwaltet. Um ihre Eigenständigkeit behaupten zu können, wird die Europäische Union zukünftig noch deutlicher als bisher einen dritten Weg jenseits einer neoliberalen Marktlogik nordamerikanischer Globalunternehmen und eines chinesischen digitalen Autoritarismus finden müssen. Um diesem Ziel näherzukommen, sollte der Europäische Rat unter der deutschen Ratspräsidentschaft die EU-Kommission beauftragen, ihre Digitalagenda an klaren Prinzipien auszurichten und transatlantisch zu koordinieren. Denn der digitale Binnenmarkt ist zutiefst im transatlantischen Wirtschaftsraum verwurzelt, und nur gemeinsam mit den USA und Kanada erlangt die EU die nötige Marktmacht, um ihre Prinzipien global mit Nachdruck vertreten zu können. Auch sollte der Rat den Hohen Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik Josep Borrell, mandatieren, eine auf dieser Digitalagenda basierende Binnenmarktaußenpolitik zu vertreten.

Die Kompetenzen für Europas digitale Selbstbehauptung liegen derzeit fragmentiert bei den Mitgliedstaaten, ferner bei der EU-Kommission in der Verantwortung der Kommissare für den Binnenmarkt, Thierry Breton, für Wettbewerb- und Industriepolitik, Margarete Vestager, für Handel, Phil Hogan sowie beim Hohen Vertreter. Nun geht es darum, die Kräfte in der Kommission zu bündeln und international nachdrücklich für europäische Werte und Normen sowie technische Standards einzutreten.

Eine Selbstbehauptung der EU in der Digitalpolitik könnte, so eine vielfach formulierte Angst, zu geopolitischen Zerwürfnissen bzw. Gegenmaßnahmen der Vereinigten Staaten, etwa der Aufkündigung der militärischen Rückversicherung führen. Diese nicht ganz unrealistische Befürchtung bei der gegenwärtigen US-Administration unter dem Präsidenten Donald Trump sollte Grund genug für die EU sein, eine transatlantisch ausgerichtete Digitalagenda noch vor einem Regierungswechsel in Washington auszuarbeiten. Drei Schwerpunkte für eine solche Agenda bieten sich an.

Schaffung eines gemeinsamen Gesundheitsdatenraums

Aktuelle Herausforderungen wie die Bekämpfung der COVID-19-Pandemie können effektiver, weil vertrauenswürdiger, mit EU-zertifizierter Informationstechnologie gelöst werden, die europäischen Datenschutz- und Sicherheitsstandards gerecht wird. Die Schaffung einer europäischen Cloud, eines europäischen Gesundheitsdatenraums sowie die Entwicklung von DSGVO-konformen Applikationen stehen im Fokus aktueller EU-Politik. Die Konkurrenz schläft aber nicht: Apple und Google arbeiten gemeinsam an der Entwicklung von Applikationen zur Nachverfolgung von Corona-Infektionen und Immunitätsnachweisen. Damit sammeln diese Konzerne äußerst sensible Gesundheitsdaten. Der Hohe Vertreter sollte daher demokratische Länder vor allem des Europäischen Wirtschaftsraums, die Schweiz, Großbritannien und die USA und Kanada für die Teilnahme an einem europäischen Gesundheitsdatenraum gewinnen, der zugleich Patienten- und Datenschutz sowie Forschungsinteressen dient.

Verbraucherorientierung als Prinzip einer transatlantischen Digitalkooperation

Im transatlantischen Wirtschaftsraum kann eine Binnenmarktaußenpolitik weder die kompromisslose Durchsetzung bestehender europäischer noch die Übernahme US-amerikanischer Standards bedeuten. Vielmehr muss die EU sich darum bemühen, die USA auf das gemeinsame Prinzip der Verbraucherorientierung zu verpflichten. Standards auf beiden Seiten sollten in diesem Sinne sozial, ökologisch und datenschutzrechtlich nachhaltig formuliert werden. Die EU als eine Rechtsgemeinschaft steht bereits für hohe Ansprüche an die Einhaltung der Grundrechtecharta beispielsweise bei der Regulierung von künstlicher Intelligenz. Mit der DSGVO hat sie einen wichtigen Schritt zur informationellen Selbstbestimmung getan. Die Schweiz reguliert darüber hinaus die Blockchain-Technologie. Die EU-Kommission sollte die Regulierung dieser Technologie nicht nur mit den europäischen, sondern auch mit den transatlantischen Partnern koordinieren. Dabei sollten europäische und nordamerikanische Vergabekriterien so gestaltet werden, dass auf beiden Seiten des Atlantiks unter gleichen Wettbewerbsbedingungen in Forschung und Entwicklung investiert werden kann. Bei digitalen Schlüsselindustrien sollte die EU der bestehenden Monopolstellung von Internetkonzernen bei Betriebssystemen, im Browsermarkt oder bei Suchmaschinen entgegenwirken bzw. für faire und nachhaltige Teilhabechancen für alle Marktteilnehmer sorgen.

Prinzipiengebundene Cyberdiplomatie

Die EU, die Nato-Mitglieder und die G7-Staaten wollen sich seit mehreren Jahren auf koordinierte Reaktionen auf Cyberattacken verständigen. Der Hohe Vertreter sollte sich mit den USA und Kanada im diesem Sinne über Prinzipien der Cyberdiplomatie abstimmen und diese gemeinsam mit ihnen in den multilateralen Gremien der Vereinten Nationen und in den Foren der Internet Governance vertreten. Ziel sollte es unter anderem sein, für eine globale Anwendung der Budapest-Konvention zur Cyberkriminalitätsbekämpfung einzutreten. Die Schaffung einer Attributionsagentur zur Aufklärung von Cyberangriffen sollte nicht leichtfertig als Wunschdenken abgetan werden, sie gehört weiter auf die transatlantische Tagesordnung. Voraussetzung ist, dass die EU zunächst selbst die Fähigkeit aufbaut, Cyberangriffe aufzuklären. Der Europäische Auswärtige Dienst hat hierzu vorgeschlagen, dass das Zentrum für Informationsgewinnung und –analyse EU INTCEN in enger Kooperation mit der EU-Cybersicherheitsagentur (ENISA) die Attribution von Cyberangriffen in der EU unterstützen und dabei eigene Aufklärungsfähigkeiten nutzen kann. Schließlich sollten auch Cybersanktionen künftig transatlantisch stärker abgestimmt sein. Um hier als EU geschlossen auftreten zu können, sollten Entscheidungen über die Ahndung von Cyberangriffen mit qualifizierter Mehrheit möglich sein.

Digitale Binnenmarktaußenpolitik der EU verlangt heute eine nachdrückliche Ausrichtung der europäischen Außen(wirtschafts-)politiken an den Werten der offenen Gesellschaft und der Grundrechtecharta. Weder Abschottung noch naive Offenheit, sondern strategische Verflechtung mit den transatlantischen Partnern bleibt das Gebot der Stunde.

Grenzen des transnationalen Wassermanagements am Mekong

Fri, 29/05/2020 - 00:00

Asien gehört zu den vom Klimawandel besonders betroffenen Gebieten: Von den zehn Ländern, die von 1999 bis 2018 am meisten von Extremwetter geschädigt wurden, liegen sieben in Asien. Sehr schwer getroffen ist derzeit die Mekong-Region, die von einer Jahrhundertdürre geplagt wird. Ernteausfälle, Nahrungsmittelknappheit und Wassermangel sind nur einige Auswirkungen. Verschärft werden sie durch den Bau von Staudämmen am Oberlauf des Mekong, was oft lokale wie zwischenstaatliche Kon­flikte nach sich zieht. Daher ist es notwendig, ein nachhaltiges transnationales Wasser­management für den Mekong zu etablieren. Unter dem Gesichtspunkt einer globalen Klimapolitik sollte Deutschland sich weiterhin dafür engagieren.

Cascading of crises in East Africa

Fri, 29/05/2020 - 00:00

In East Africa, and particularly in the Horn of Africa, several crises are currently overlapping. For some time now, climate events such as droughts have been creating major food supply bottlenecks in addition to fuelling conflict and war. These events are being exacerbated by a locust swarm that originated in Yemen and has been growing exponentially since October 2019. One of the reasons for the phenomenon is the increasingly frequent climatic event the “India Ocean Drop”, which has led to high levels of humidity and flooding in recent years. By June 2020, locusts are expected to multiply a further 500 times, which poses a massive threat to the crops in the coming harvest, previously forecast to be profitable.

Covid-19 comes as an additional problem, and it is unclear how widespread the virus has already become in East Africa, as there has been little testing. But the official figures are rising, and the number of unreported cases is probably high. What is certain is that the confluence of the pandemic with other crises, as well as the responses to them, will lead to a cascade of problems – a dynamic known from the policy area of civil protection. As a result, a doubling of the number of people affected by extreme hunger has to be expected. 

Covid-19 measures exacerbate the food supply crisis

Health policy responses to Covid-19 are taking place within a frame of extremely limited medical capacities: In Somalia there are 0.028 doctors per 1,000 inhabitants; in Kenya it is just under 0.2 (Germany: 4.2). As in other countries, efforts are being made to expand health capacities and implement hygiene rules. However, the latter are often limited due to poor water infrastructure. In reaction to these limitations, countries in East Africa rely heavily on border closures, travel restrictions, and strict lockdowns to flatten the infection curve. However, it is precisely these measures that make securing the food supply and controlling the locust population more difficult, which in turn leads to further food shortages. This shows that an approach which focuses only on one crisis can exacerbate other crises. There are also different crisis dynamics in urban and rural areas, for which individual responses must be made. At the same time, they influence each other and must be considered together.

Covid-19 and the reactive measures to it reach the populations in cities first and fastest. Here, many of the people who work in the informal sector often live in very confined spaces. They are particularly hard hit by the mobility restrictions, as they are unable to generate income, build up food reserves, or provide for their families. In urban centres, however, it is in principle easier to deliver aid to the suffering populations than in the countrysides – even though Corona restrictions can disrupt the market connections to rural producers with limited mobility. The other heavily affected group is comprised of refugees – in East Africa there are more than 10 million internally displaced persons who are receiving hardly any support. Refugees living in camps are particularly vulnerable to Covid-19, but unlike the day labourers in the cities, they are supplied by external aid organisations.

The lower population densities in rural areas and the widespread subsistence economy tend to make the populations there less susceptible to health and supply risks than city dwellers. However, the majority of farmers still have to buy additional food because their own harvests are not sufficient. They are thus also affected by price increases and supply bottlenecks for food, but also for seeds and fodder, which can be due to the locusts as well as Corona-related border closures and mobility restrictions.

Reconciling health protection and security of supply

How should solutions be tailored to do justice to this complex situation with its many interdependent crises and problems? First of all, government agencies must find ways to connect towns and countrysides to supply markets in the towns and cities and enable providers in the countrysides to make a living. African experience in dealing with Ebola can also be drawn on, according to which health protection and security of supply could be well reconciled. In West Africa, for example, there were collection points for the domestic trade of food, in which only a few people – using personal protective equipment – were involved. East Africa and the Horn are also pioneers in cashless financial transactions. This makes it possible to provide direct financial support to endangered population groups instead of direct food aid. Aid is thus distributed more fairly, the population can decide for itself how best to use the money, depending on the local situation, and the domestic market is strengthened.

At the regional level, the Intergovernmental Authority on Development could provide coordination for the crisis response: Based on excellent networking, it has proven to be essential for information about Covid-19 in the region.

International efforts should be made to ensure the trade in food and feed, insecticides, and drones; trade restrictions on these essential goods in particular must be dismantled. It must also be ensured that aid workers can move freely on the ground. Rapid financial assistance is also needed to respond to the expected increase in locust swarms, something that has been decided now by donors such as the World Bank and the EU.

In all local, regional, and international approaches, the longer-term problem of climate change should be considered an underlying major driver for several crises.

This text was also published at fairobserver.com.

Turkey and Russia: No Birds of the Same Feather

Thu, 28/05/2020 - 00:05

Since Turkey’s controversial acquisition of the S-400 missile system from Russia, the narrative that the EU is facing a twin challenge from the East has been gaining currency in European capitals. Turkey and Russia are often portrayed as two authori­tarian regimes led by strong leaders who favour an omnipotent state at the expense of fundamental freedoms and liberal democratic institutions. Yet, putting these two countries into the same basket and formulating policies accordingly is problematic. The EU has separate sets of relations with Russia and Turkey. Ankara remains part of NATO and the EU’s Customs Union. That said, Turkey is quickly approaching a critical crossroad on its turbulent political journey: The country will either consolidate its authoritarian regime or return to democracy. The EU has a high stake in this matter, and thus it needs to take a proactive stance in favour of pro-democracy forces.

Deutschland, die Nato und die nukleare Abschreckung

Thu, 28/05/2020 - 00:00

∎ Deutschland ist über die »nukleare Teilhabe« in die atomare Ab­schreckungspolitik der Nato eingebunden. Die Fähigkeit, mit deutschen Flugzeugen die in Deutschland gelagerten amerikanischen Atombomben einzusetzen, soll nach den Vorstellungen des Bundesverteidigungs­ministeriums nahtlos gewährleistet bleiben.

∎ Für die Bundesrepublik Deutschland spielte die nukleare Teilhabe unter den Bedingungen des Ost-West-Konflikts eine wichtige Rolle. Aufgrund der geographischen Lage Deutschlands als primärem potentiellem Schlachtfeld gab es genuin deutsche Interessen, die in der Nato durch­gesetzt werden sollten.

∎ Nicht recht erkennbar ist, was über die Bewahrung des Status quo und die allianzpolitische Symbolik hinaus die spezifisch deutschen Interessen und Ziele sind, die unter heutigen Bedingungen im Rahmen der nuklearen Teilhabe geltend gemacht werden sollen.

∎ Deutschland wird sich auf Dauer schwerlich der nuklearen Debatte ent­ziehen können, die von den USA in die Nato ausstrahlt. Glaubwürdige Abschreckung beruht im amerikanischen Verständnis auf der Fähigkeit zur nuklearen Kriegsführung.

∎ Dies ist eine Herausforderung für die im deutschen sicherheitspolitischen Denken tradierte Trennung von Abschreckung und Kriegsführung. Deutsches Abschreckungsdenken ist nach wie vor geprägt von einer Sicht, in der Nuklearwaffen vor allem »politische Waffen« sind.

The stabilisation of the euro area through monetary policy and financial assistance is not sustainable

Thu, 28/05/2020 - 00:00

The current public health crisis has become a major challenge for European economies. It particularly affects countries in the southern part of the euro area, as they are still suffering from the effects of the euro crisis. In the absence of a convincing fiscal policy response from the European Union (EU) or the euro area, the European Central Bank (ECB) has once again stepped in to stabilise the common currency. An intervention by the ECB costs little politically: It does not require a decision by the heads of state and government, nor does it require the approval of the parliaments of the Member States. Without the rapid intervention of the ECB in this very volatile crisis, the single currency would most likely already have been seriously threatened.

Even in the euro crisis, the ECB’s expansive monetary policy had supported the affected economies. In the face of low interest rates, governments saved hundreds of billions of euros for debt servicing at the time. However, the ECB’s stabilisation policy had various undesirable side effects. Low interest rates hurt savers and inflated the real estate bubble. The purchase of Member States’ debt securities also led to the increased involvement of the ECB in their economic and fiscal policies. Pressure from the central bank on the Irish government in 2010 to bail out distressed banks with taxpayers’ money is evidence of this. Another example is the secret letters sent by the central bank to the Italian and Spanish governments in August 2011, giving them an ultimatum to initiate reforms. The recent large-scale purchases of government bonds in response to the pandemic could – if the ECB continues its policy in this way for a longer period of time – once again make the ECB a hostage of the economic policies of the affected countries.

Legally questionable commitment of the ECB

It is also problematic that such a massive engagement by the ECB goes beyond its designed role and raises legal questions, as shown by the recent ruling of the German Federal Constitutional Court (BVerfG). The central bank’s main weapon is its potential ability to intervene indefinitely in the financial markets, including the purchase of government bonds. However, the BVerfG has formulated conditions for the purchase of assets, including an upper limit per issuer and a time limit for these transactions. With these limitations, the Eurosystem’s ability to effectively stabilise public debt over the course of several years is brought into question.

The euro area countries should use the time given to them through the ECB intervention to reduce their dependence on the ECB’s monetary policy. First and foremost, they must address their structural problems.

However, the measures adopted so far to combat the consequences of the pandemic have primarily been limited to financial support. For example, the EU has approved various aid instruments for the countries affected by the pandemic totalling up to €540 billion, including the instrument for short-time working (SURE). The Commission’s new draft for the EU’s multiannual financial framework will also take greater account of the costs of the pandemic crisis, including a new huge €750 billion recovery instrument, higher than the one proposed jointly by France and Germany. The financial solidarity expressed here is important, but money alone is not enough to alleviate the structural problems in southern European countries. Even before the euro crisis, the economic models of many of these countries were unsustainable in the long term due to insufficient competitiveness, excessive debt, and unfavourable demographic changes. The current crisis provides an opportunity to reflect on how economic models can be reoriented, for example towards digitalisation, environmental sustainability, investment in human capital, and a reduction in bureaucracy for businesses.

Stabilisation of Italy essential for the single currency

Although these issues affect, to varying degrees, each euro area Member State, including France and Germany, the main challenge to euro area stability is the development of the EU-19’s third largest economy, Italy. The impact of the pandemic has further worsened the economic situation of the country, and ambitious responses are now needed at the EU and euro area levels. In addition to the generous provision of concrete grants – not loans – it is a matter of skilfully engaging in dialogue on the necessary structural reforms and exerting political pressure from various sides: from the European Commission and the Eurogroup, but also from Berlin and Paris. A new EU strategy for Europe’s economic recovery and development until 2030, which could be adopted at the end of the German EU Council Presidency, would make sense here. It would make it possible to move away from the short-term focus on the immediate consequences of a pandemic. The decisive factor for its success, however, would be the willingness of the political class in Rome to take responsibility for serious reforms.

The pandemic could be a defining moment for the euro area. If this economic crisis – the most severe in decades – can be used as an opportunity for structural change that will reduce the level of mistrust between northern and southern Europe, the next logical step is the permanent joint issuance of bonds to stabilise the enormous increase in debt after the crisis. If the euro area fails on the reform path today, we will wake up tomorrow with more debt and face the same problems as before – but with less time and fewer instruments to deal with them.

This text was also published on fairobserver.com.

Die Stabilisierung des Euroraums durch Geldpolitik und Finanzhilfen ist nicht nachhaltig

Tue, 26/05/2020 - 00:00

Die Krise der öffentlichen Gesundheit ist zu einer großen Herausforderung für die europäischen Volkswirtschaften geworden. Sie trifft insbesondere Länder im südlichen Teil des Euroraums, die noch immer unter den Auswirkungen der Eurokrise leiden. In Ermangelung einer überzeugenden fiskalpolitischen Reaktion vonseiten der EU bzw. des Euroraums ist erneut die Europäische Zentralbank (EZB) eingesprungen, um die gemeinsame Währung zu stabilisieren. Eine Intervention der EZB ist politisch vergleichsweise wenig anspruchsvoll: Sie erfordert weder einen Beschluss der Staats- und Regierungschefs, noch müssen Parlamente der Mitgliedstaaten zustimmen. Ohne die schnelle Intervention der EZB in dieser sehr dynamischen Krise wäre die Einheitswährung höchstwahrscheinlich bereits ernsthaft in Gefahr geraten.

Auch in der Eurokrise hatte die expansive Geldpolitik der EZB die betroffenen Volkswirtschaften gestützt. Angesicht der Niedrigzinspolitik sparten die Regierungen damals Hunderte Milliarden Euro für den Schuldendienst ein. Die Stabilisierungspolitik der EZB hatte jedoch verschiedene unerwünschte Nebenwirkungen. So trafen die niedrigen Zinsen die Sparer und blähten die Immobilienblase auf. Auch führte der Aufkauf von Schuldverschreibungen der Mitgliedstaaten zu einer verstärkten Verstrickung der EZB in die Wirtschafts- und Fiskalpolitiken der Mitgliedstaaten. Der Druck der Zentralbank auf die irische Regierung im Jahr 2010, notleidende Banken mit Steuergeldern zu retten, belegt dies. Ein weiteres Beispiel sind die heimlichen Briefe der Zentralbank an die Regierungen Italiens und Spaniens im August 2011, mit denen sie ihnen ein Ultimatum für die Initiierung von Reformen stellte. Die neuen Massenkäufe von Staatsanleihen als Reaktion auf die Pandemie könnten die EZB, wenn sie ihre Politik in dieser Weise länger fortsetzt, erneut zur Geisel der Wirtschaftspolitik der betroffenen Länder machen.

Rechtlich fragwürdiges Engagement der EZB

Problematisch ist zudem, dass ein solch massives Engagement der EZB rechtlich fragwürdig ist, wie zuletzt das Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und die Anhörung im Bundestag am Montag zeigte. Die Hauptwaffe der Zentralbank besteht darin, dass sie potenziell zu unbegrenzten Interventionen auf den Finanzmärkten einschließlich des Kaufs von Staatsanleihen in der Lage ist. Nun formulierte das BVerfG Bedingungen für den Ankauf von Vermögenswerten, darunter eine Obergrenze pro Emittent und eine zeitliche Befristung dieser Geschäfte. Mit dieser Einschränkung aber steht die Fähigkeit des Eurosystems, die Staatsverschuldung im Laufe einiger Jahre geldpolitisch wirksam zu stabilisieren, in Frage.

Die Staaten des Euroraums sollten die Zeit nutzen, die die EZB ihnen mit ihrer Intervention eingeräumt hat, um ihre Abhängigkeit von deren Geldpolitik zu verringern. An erster Stelle müssen sie dazu ihre strukturellen Probleme angehen.

Die bisher verabschiedeten Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemiefolgen beschränken sich aber in erster Linie auf finanzielle Unterstützung. So hat die EU verschiedene Hilfsinstrumente für die von der Pandemie betroffenen Länder in Höhe von insgesamt 540 Milliarden Euro genehmigt, darunter das Instrument für Kurzarbeit (SURE). Auch der neue Entwurf der Kommission für den mehrjährigen EU-Finanzrahmen wird die Kosten der Pandemiekrise stärker berücksichtigen. Schließlich gibt es den deutsch-französischen Vorschlag eines 500-Milliarden-Euro-Wiederaufbaufonds. Die finanzielle Solidarität, die hier zum Ausdruck kommt, ist wichtig, aber Geld allein reicht nicht aus, um die strukturellen Probleme des Südens zu mildern. Schon vor der Eurokrise waren die Wirtschaftsmodelle vieler dieser Länder aufgrund unzureichender Wettbewerbsfähigkeit, übermäßiger Verschuldung und ungünstiger demografischer Veränderungen langfristig nicht tragfähig. Die aktuelle Krise bietet die Gelegenheit, darüber nachzudenken, wie Wirtschaftsmodelle neu ausgerichtet werden können, zum Beispiel in Richtung Digitalisierung, ökologische Nachhaltigkeit, Investitionen in Humankapital oder Bürokratieabbau für Unternehmen.

Stabilisierung Italiens für gemeinsame Währung essenziell

Obwohl diese Fragen in unterschiedlichem Maße jeden Mitgliedstaat der Eurozone, einschließlich Frankreichs und Deutschlands, betreffen, ist die größte Herausforderung für die Stabilität des Euroraums die Entwicklung der drittgrößten Wirtschaft der EU-19, Italiens. Die Auswirkungen der Pandemie haben die wirtschaftliche Lage des Landes noch einmal massiv verschlechtert, daher braucht es nun eine ehrgeizige Reaktion auf Ebene der EU und des Euroraums. Zusätzlich zur großzügigen Bereitstellung konkreter Zuschüsse – nicht Kredite – geht es darum, geschickt über nötige Strukturreformen in den Dialog zu treten und politischen Druck von verschiedenen Seiten auszuüben: von der Europäischen Kommission und der Eurogruppe, aber auch von Berlin und Paris. Sinnvoll wäre hier eine neue EU-Strategie zur wirtschaftlichen Erholung und Entwicklung Europas bis 2030, die am Ende der deutschen EU-Ratspräsidentschaft verabschiedet werden könnte. Sie würde es ermöglichen, von der kurzfristigen Perspektive der unmittelbaren Folgen einer Pandemie abzurücken. Ausschlaggebend für ihren Erfolg wäre allerdings die Bereitschaft der politischen Klasse in Rom, Verantwortung für ernsthafte Reformen zu übernehmen.

Die Pandemie könnte ein entscheidender Moment für den Euroraum sein. Wenn diese schwerste Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten als Chance für einen Strukturwandel genutzt werden kann, der das Misstrauen zwischen Nord und Süd abbaut, ist der nächste logische Schritt die dauerhafte gemeinsame Ausgabe von Bonds, um den enormen Anstieg der Verschuldung nach der Krise zu stabilisieren. Wenn der Euroraum heute auf dem Reformweg scheitert, werden wir morgen mit mehr Schulden aufwachen und vor den gleichen Problemen stehen wie zuvor – aber mit weniger Zeit und Instrumenten, um sie zu bewältigen.

Dieser Text ist auch bei Euractiv.de erschienen.

Unkonventioneller Klimaschutz

Mon, 25/05/2020 - 00:00

∎ Wenn die EU bis 2050 Netto-Null-Emissionen erreichen will, wird es nicht genügen, konventionelle Klimaschutzmaßnahmen zur Emissionsvermeidung zu ergreifen. Um unvermeidbare Restemissionen auszugleichen, werden zusätzlich auch unkonventionelle Maßnahmen zur Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre notwendig sein – etwa mittels Aufforstung oder der Direktabscheidung von CO2 aus der Umgebungsluft.

∎ Nicht alle Mitgliedstaaten und Branchen werden im Jahr 2050 bereits Treibhausgasneutralität erreicht haben, manche werden 2050 schon unter Null liegen müssen. Die Option der CO2-Entnahme aus der Atmosphäre ermöglicht eine stärkere Flexibilisierung der Klimaschutzpolitik, wird aber auch neue Verteilungsfragen aufwerfen.

∎ Die Vermeidung von Treibhausgasemissionen sollte gegenüber der nach­träglichen Entnahme von CO2 politisch priorisiert werden. Netto-Null-Ziele sollten explizit in Emissionsminderungsziele und Entnahmeziele unterteilt werden, statt die Effekte beider Ansätze beliebig miteinander zu verrechnen.

∎ Die zukünftige Entwicklung einer EU-CO2-Entnahme-Politik sollte durch ein adäquates Policy-Design in produktive Bahnen gelenkt werden. Ob die EU mittelfristig einen proaktiven oder zurückhaltenden Einstiegspfad wählt, wird nicht zuletzt mit davon abhängen, welche Netto-Negativ-Ziele sie für die Zeit nach 2050 anstrebt.

∎ Die EU sollte ihren Fokus in den kommenden Jahren darauf richten, ver­stärkt in Forschung und Entwicklung von CO2-Entnahme-Methoden zu investieren und vermehrt praktische Erfahrungen mit deren Einsatz zu sammeln.

∎ Nur wenn es der EU und ihren Mitgliedstaaten auf dem Weg zu Netto Null tatsächlich gelingt, konventionelle Emissionsminderungen und unkonventionelle CO2-Entnahmen überzeugend miteinander zu verbinden, kann die EU ihrem Vorreiter-Anspruch in der Klimapolitik gerecht werden.

Vom Asien-Pazifik zum Indo‑Pazifik

Mon, 25/05/2020 - 00:00

∎ Immer mehr Staaten und Regionalorganisationen verwenden den Begriff »Indo-Pazifik«. Er verdrängt zunehmend das bisher übliche Konstrukt »Asien-Pazifik«. In Europa hat bisher nur Frankreich eine eigene »Indo-Pazifik«-Konzeption vorgelegt.

∎ Hinter der Verwendung des Begriffs »Indo-Pazifik« verbergen sich unter­schiedliche, teilweise divergente Konzeptionen. Diesen liegen wiederum sehr verschiedene ordnungspolitische Vorstellungen zugrunde. Allen gemein ist der Verweis auf die Wichtigkeit einer regelbasierten inter­natio­nalen Ordnung.

∎ »Indo-Pazifik« ist ein politischer Begriff und daher weder allein beschreibend noch wertneutral. Insbeson­dere das Konzept des »Free and Open Indo-Pacific« der Trump-Administration zielt auf die Eindämmung Chinas ab und ist somit Ausdruck der wachsenden strategischen Rivalität zwischen Washington und Peking. In Peking wird »Indo-Pazifik« primär als gegen China gerichtete, US-geführte Eindämmungs­strategie verstanden.

∎ Andere Akteure, zum Beispiel die ASEAN oder Indien, betonen in ihren Indo-Pazifik-Konzeptionen Aspekte wie wirtschaftliche Prosperität, Konnektivität und multilaterale Kooperation.

∎ Die EU und ihre Mitgliedstaaten sehen sich verstärkt Druck aus Washington ausgesetzt, sich direkt oder indirekt zum »Indo-Pazifik« zu be­kennen – und damit aus Sicht der USA für Washington und gegen Peking. Bei ihren Überlegungen sollten sich die Europäer nicht auf diese Nullsummen-Logik einlassen.

∎ Der EU und ihren Mitgliedstaaten stehen drei idealtypische Handlungs­optionen offen: »Äquidistanz«, »Alignment« und »Autonomie«. Um sich für eine Option entscheiden zu können, müssen die Europäer ihre wirtschaft­lichen, sicherheitspolitischen und ordnungspolitischen Interessen in der Region klären und die not­wendigen Ressourcen zu ihrer Umsetzung bereitstellen.

Neue Freunde in der Not

Mon, 25/05/2020 - 00:00

Die Corona-Pandemie und ihre wirtschaftlichen wie sozialen Folgen stellen den Zu­sammenhalt der EU, aber auch die Machtbalance in der Union vor eine neue Bewährungsprobe. Die (Nicht-)Reaktion der EU zementiert die nationale Souveränität der Mitgliedstaaten und die Dominanz des Intergouvernementalen in der Krise. Zwischen den Staaten verschiebt sich der Spalt zwischen Nord und Süd: Folge einer europa­politischen Offensive Spaniens und Italiens, einer stärkeren »Südorientierung« Frank­reichs und eines gleichzeitigen Zerbröckelns der »Neuen Hanse«. Konjunktur haben vor allem Gruppen als Interessenverbände, die Differenzen in der EU verschärfen statt sie zu überwinden. Deutschland, ab dem 1. Juli 2020 als Ratsvorsitz in beson­derer Vermittlungsrolle, ist als Brückenbauer gefragt.

Annexations in the West Bank: Europeans need to punch their weight

Wed, 20/05/2020 - 00:10

In the coming weeks, crucial decisions on the Israeli-Palestinian conflict are likely to be made. After three rounds of elections and difficult tactical manoeuvres, a coalition government under Benjamin Netanyahu was sworn in last week. The coalition agreement between the main partners – Likud, and Blue and White – stipulates that, as of 1 July, a bill on the “application of Israeli sovereignty” to parts of the West Bank can be put to the vote, provided the US government gives its approval. The agreement attests to the fundamental change that has taken place in Israel within the last few years. Former Knesset spokesman Yuli Edelstein (Likud) stressed that when he called for annexations in 2015, people thought he was crazy. Today, this would no longer be the case.

It looks as if the US administration will support the move. US Secretary of State Mike Pompeo recently stated that the decision lies solely with Israel. Already in January of this year, US President Donald Trump revealed his “deal of the century”, which allows Israel to annex about 30 per cent of the West Bank. Subsequently, an Israeli-American committee was established to work out the territorial details of annexation. Representatives of the US government emphasise that Israel has to also negotiate with the Palestinians on the implementation of the “Trump Plan”. But this does not necessarily mean that annexations would be postponed during the negotiation phase.

As Trump's victory in the November election is anything but certain, and presidential candidate Joe Biden has already signalled his opposition to annexations, there is great pressure on the Israeli side to proceed with implementation before the US elections later this year.

If the Knesset were to decide to annex the Jordan Valley and all settlements in the West Bank, this would render impossible a viable Palestinian state as well as a negotiated settlement of the conflict between Israel and the Palestinians. Already, the civil and political rights of the Palestinians are severely restricted by the reality of occupation, and the territory available to the Palestinians is highly fragmented. An annexation would further restrict Palestinian access to the West Bank’s resources. It would also make it easier for Israel – as sovereign of the annexed territory – to expropriate Palestinian privately owned land; the 2017 Regularization Law already prepared the ground for this.

Annexations endanger Israel's security

As Israeli security experts and former military officers stress, such an annexation would not serve Israel's security. On the contrary, it would create a long and difficult-to-control border with the Palestinian enclaves. It would also undermine joint conflict management with the Palestinian Authority (PA) and the peace agreements with Jordan and Egypt. Last but not least, it would increase the risk of violent confrontations, a collapse of the PA, and destabilisation of the Jordanian monarchy. 

What is more, annexations and the reactions to it are likely to set a precedent that will be viewed with great attention internationally.

The EU and its Member States should therefore decide – in coordination with the United Kingdom – to use their weight to influence the cost-benefit calculations of political actors in Israel, and thus prevent the announced annexation.

Europe does have instruments at its disposal to defend one of the fundamental principles of international law – the inadmissibility of acquisition of territory by force. To give but one example, the Europeans have imposed drastic sanctions on Russia in response to the annexation of the Crimean Peninsula. For some European states, such as Germany, sanctions against Israel are out of the question. Instead, they could, for example, suspend the EU-Israel Association Agreement until tangible progress towards a negotiated settlement is achieved. The normative basis of the Association Agreement, enshrined in Article 2 of the agreement, would be fundamentally violated by annexations – as would the spirit in which it was signed, i.e. the expectation that the Oslo peace process would lead to a negotiated two-state conflict settlement.

Clear signals to Israel and the Palestinian Authority

Yet, the Europeans should emphasise not only their rejection of unilateral border changes, but also their expectations of Israel in the event of annexations. These include the demand that Israel grant civil and political rights to all inhabitants of not only annexed territories, but also the isolated Palestinian enclaves that it will continue to control as a consequence of annexations, and that it assume responsibility for their well-being.

At the same time, Europeans should clearly spell out what their expectations of the PA are: overcoming internal divisions, a democratic renewal of Palestinian institutions, and a constructive engagement in conflict resolution. European support must not be lent without conditions for the PA either. Yet, the EU and its Member States must reconsider where they themselves stand on the issue of implementing these demands.

The more united Europe acts and the better these signals are explained, the better they will be understood. But even if it is only larger Member States that coalesce around them, they will have an impact. A veto by one or two Member States should thus not prevent others from taking a strong stance. Indeed, this will be seen by many pundits as a litmus test of EU foreign policy to go beyond declarations.   

Europeans should also build on the pioneering role they played in the past, for example with their 1980 Venice Declaration. For it is not only a matter of preventing annexations, but also of promoting a settlement of the conflict. This settlement must take into account the right of self-determination of both peoples, guarantee individual human rights as well as the security of all, and regulate the refugee question in such a way that both the individual choices of Palestinian refugees and the interests of current and potential host states, including Israel, are recognised. In this sense, Europeans should work towards an appropriate multilateral framework for negotiations in a period after Trump's presidency. In doing so, they should avoid anything that might give legitimacy to the “deal of the century”.

This text was also published at euractiv.com.

This text was also published at fairobserver.com.

This text was also published by Africa Daily in a French translation (unauthorized): Les Européens doivent peser leur poids

This text was also published by esdelatino.com in a Spanish translation (unauthorized): Los europeos necesitan golpear su peso

Krisenkaskade in Ostafrika

Wed, 20/05/2020 - 00:05

In Ostafrika und insbesondere am Horn von Afrika überlappen sich derzeit mehrere Krisen. Schon länger sorgen dort neben Konflikt und Krieg auch Klimaereignisse wie Dürren für große Versorgungsengpässe. Diese verschärfen sich durch eine aus Jemen kommende Heuschreckenpopulation, die sich seit Oktober 2019 exponentiell vermehrte. Eine der Ursachen hierfür ist das immer häufiger auftretende Klimaereignis »Indien Ocean Drop«, das in den letzten Jahren große Feuchtigkeit und Überschwemmungen mit sich brachte. Bis Juni 2020 dürften sich die Heuschrecken noch einmal um das 500-fache vermehren, was die dann anstehenden, bisher als ertragreich prognostizierten Ernten massiv gefährdet.

Auf diese Krisen-Gemengelage trifft zusätzlich Covid-19. Es ist unklar, wie stark sich das Virus in Ostafrika bereits ausgebreitet hat, da wenig getestet wird. Aber die offiziellen Zahlen steigen, und die Dunkelziffer ist vermutlich hoch. Sicher ist, dass das Zusammentreffen der Pandemie mit weiteren Krisen und auch den Reaktionen darauf einen aus dem Katastrophenschutz bekannten Kaskadeneffekt sich gegenseitig aufschaukelnder Problemlagen bewirkt. Im Ergebnis ist mit einer Verdopplung der Menschen zu rechnen, die von extremem Hunger betroffen sind.

Covid-19-Maßnahmen verschärfen die Versorgungskrise

Die gesundheitspolitischen Reaktionen auf Covid-19 finden im Rahmen extrem begrenzter medizinischer Kapazitäten statt: In Somalia kommen 0,028 Ärzte auf 1000 Einwohner, in Kenia knapp 0,2 (Deutschland: 4,2). Wie in anderen Staaten der Welt versucht man, Gesundheitskapazitäten auszuweiten und Hygieneregeln umzusetzen. Letztere sind aber oft durch schlechte Wasseranbindung begrenzt. Wegen dieser Einschränkungen setzen die Länder in Ostafrika vornehmlich auf Grenzschließungen, Reise- und Ausgangsbeschränkungen sowie strikte Lockdowns, um die Infektionskurve abzuflachen. Gerade diese Maßnahmen erschweren aber die Nahrungsmittelversorgung und auch die Heuschreckenbekämpfung, was wiederum zu weiteren Nahrungsmittelengpässen führt. Hier zeigt sich, dass ein Vorgehen, das nur eine Krise in den Blick nimmt, andere Krisen weiter verschärfen kann. Auch herrschen in Städten und auf dem Land unterschiedliche Krisendynamiken vor, auf die individuell reagiert werden muss. Zugleich beeinflussen sie sich gegenseitig und müssen zusammengedacht werden.

Covid-19 und reaktive Maßnahmen erreichen zunächst und am schnellsten die Bevölkerung in Städten. Hier leben viele Menschen, die sich durch Gelegenheitsarbeit verdingen, auf engstem Raum. Durch die Ausgangsbeschränkungen sind sie besonders hart getroffen, da sie keine Einkünfte erzielen, keine Nahrungsreserven anlegen und ihre Familien nicht versorgen können. Dafür ist es aber in urbanen Zentren prinzipiell leichter, der notleidenden Bevölkerung Hilfslieferungen zukommen zu lassen, als auf dem Land – wenn auch die Marktanbindung an ländliche Produzenten bei beschränkter Mobilität durch Corona gestört sein kann. Die andere stark betroffene Gruppe sind Flüchtlinge – in Ostafrika gibt es mehr als zehn Millionen Binnenvertriebene, die kaum Unterstützung erhalten. Flüchtlinge, die in Flüchtlingslagern leben, sind zwar besonders anfällig für Covid-19, werden aber anders als die Tagelöhner der Städte durch externe Hilfsorganisationen versorgt.

Die geringere Bevölkerungsdichte auf dem Land und die weit verbreitete Subsistenzwirtschaft machen die Bevölkerung dort zwar tendenziell weniger anfällig für Gesundheits- und Versorgungsrisiken als Stadtbewohner. Ein Großteil der Bauern und Bäuerinnen müssen aber dennoch Lebensmittel hinzukaufen, da die eigene Ernte nicht ausreicht. Damit sind sie ebenfalls von Preissteigerungen und Versorgungsengpässen bei Nahrungsmitteln, aber auch bei Saatgut und Futter betroffen, die durch Heuschrecken selber, aber auch durch Corona-bedingte Grenzschließungen und Mobilitätsbeschränkungen entstehen können.

Gesundheitsschutz und Versorgungssicherheit in Einklang bringen

Wie also können Lösungen aussehen, die der komplexen Situation mit vielfältigen voneinander abhängigen Krisen und Problemlagen gerecht werden? Zunächst müssen staatliche Stellen eine Brücke für die Anbindung zwischen Stadt und Land schaffen, um die Märkte in den Städten zu versorgen und den Anbietern auf dem Land ein Auskommen zu ermöglichen. Auch kann auf afrikanische Erfahrungen im Umgang mit Ebola zurückgegriffen werden, nach denen Gesundheitsschutz und Versorgungssicherheit gut miteinander in Einklang gebracht werden konnten. So gab es in Westafrika etwa kollektive Sammelstellen für den inländischen Handel von Nahrungsmitteln, durch die nur wenige und durch Ausrüstung geschützte Menschen am Handel beteiligt waren. Ostafrika und das Horn sind zudem Vorreiter im bargeldlosen Zahlungsverkehr. Dieser erlaubt es, gefährdeten Bevölkerungsgruppen statt direkter Nahrungshilfen eine unmittelbare finanzielle Unterstützung bereitzustellen. Hilfen werden auf diese Weise gerechter verteilt, die Bevölkerung kann selbst entscheiden, wie sie das Geld je nach Problemlage vor Ort am besten einsetzt, und der inländische Markt wird gestärkt.

Regional könnte die Intergovernmental Authority on Development (IGAD) die Koordinierung der Krisenreaktion leisten: Sie hat sich auf der Grundlage einer hervorragenden Vernetzung als elementar für die Covid-19-Informationsversorgung der Region herausgestellt.

International sollte darauf hingewirkt werden, den Handel mit Nahrungs- und Futtermitteln, Insektiziden und Drohnen sicherzustellen; Handelsbeschränkungen gerade für diese essentiellen Güter müssen abgebaut werden. Auch muss gewährleistet werden, dass Hilfskräfte sich frei vor Ort bewegen können. Zudem sind schnelle finanzielle Hilfen nötig, um auf die erwartete Vergrößerung der Heuschreckenschwärme zu reagieren.

Bei allen lokalen, regionalen und internationalen Ansätzen sollten Antworten auf das längerfristig wirkende Problem des Klimawandels mitgedacht werden.

Implementing and Enforcing UN Arms Embargoes

Wed, 20/05/2020 - 00:00

The Berlin Conference on Libya in January 2020 was held to support United Nations (UN) conflict-resolution efforts. The participating states’ commitment to the existing arms embargo garnered particular attention. But hopes of meaningful progress were quickly dashed, with the embargo violated yet again shortly after the conference. Indeed, the implementation and enforcement of UN arms embargoes is fraught with challenges, especially prominently in the case of Libya. But closer examination of existing embargoes in the context of armed conflict also reveals opportunities for mak­ing better use of the measure, which is the most frequently used form of UN sanc­tions. It goes without saying that no arms embargo can save a peace process on its own, however tightly it is monitored. But the instrument can be applied to greater effect as part of an overall package of conflict resolution measures.

Angriff auf den Open-Skies-Vertrag

Wed, 20/05/2020 - 00:00

Die Wahrscheinlichkeit steigt, dass die USA den multilateralen Vertrag über den Offenen Himmel (OH) verlassen werden und Russland bald folgen könnte. Damit würde Präsident Trump den Rückzug der USA aus der regelbasierten Sicherheits­ordnung fortsetzen und eine weitere Bresche in die Rüstungskontrollarchitektur schlagen. Deren kontinuierlicher Abbau, ein neuer Rüstungswettlauf sowie die Rück­kehr bewaff­neter Konflikte und von Szenarien nuklearer Kriegsführung gefährden die europäische Sicherheits­ordnung und die strategische Stabilität. Der OH-Vertrag gestattet kooperative Beobachtungsflüge über den Territorien der Vertragsstaaten. Damit lässt sich ein Mindestmaß an militärischer Transparenz und Vertrauensbildung auch in Krisenzeiten bewahren. Dies kann nicht durch nationale Satellitenaufklärung ersetzt werden, zumal sie nur wenigen Staaten zur Verfügung steht. Eigenständige Beobachtungsoptionen sind gerade für Bündnispartner in Spannungsregionen wichtig. Deutsch­land muss sich gemeinsam mit den europäischen Partnern nachdrücklich dafür einsetzen, den OH-Vertrag zu erhalten.

Die internationalen Dimensionen deutscher Wasserstoffpolitik

Tue, 19/05/2020 - 00:00

Wasserstoff ist ein vielfältig einsetzbarer Energieträger, der in Politik und Wirtschaft im Kontext der Energie- und Klimapolitik gesteigertes Interesse geweckt hat. Die Bundesregierung will mit einer eigenen Strategie dessen künftige Verwendung in verschiedenen Wirtschaftsbereichen vorantreiben. Allerdings kann eine deutsche Wasserstoffpolitik nicht getrennt von Entwicklungen auf EU-Ebene und in anderen Mitgliedstaaten konzipiert, sie muss vielmehr europäisch ausgestaltet werden. Da Deutschland heute mehr als 70 Prozent seines Energiebedarfs importiert, hat eine solche energiepolitische Neuausrichtung zwangsläufig eine internationale Dimension. Insofern gilt es, sie entsprechend zu verankern. Die EU und Deutschland sollten bilaterale Partnerschaften und die multilaterale Governance voranbringen, um schritt­weise einen Markt für Wasserstoff zu schaffen.

New Political Parties and the Reconfigu­ration of Turkey’s Political Landscape

Mon, 18/05/2020 - 00:00

The recent emergence of two splinter parties from the Justice and Development Party (AKP) points to a deepening crisis within the party and growing discontent toward party leader and president, Recep Tayyip Erdoğan. Although the leaders of the two new parties, Ali Babacan and Ahmet Davutoğlu, are both former high-ranking AKP politicians, they differ significantly in their style of politics and ideological leanings. Babacan is trying to position himself at the center of Turkey’s ideological spectrum and emphasize issues of good governance and the rule of law. Davutoğlu is aiming for the more conservative voters, focusing on the moral shortcomings of the current regime. Davutoğlu’s strategy has better chances in the short term, whereas Babacan is poised for a long game. The importance of both parties relies on their potential to attract votes from the AKP base. In a country that is deeply divided into two almost equal-sized camps that support Erdoğan and oppose him, even a small fraction of votes shifting from the AKP to the opposition can be a game changer.

»Es müssen rote Linien für den Einsatz bewaffneter Drohnen definiert werden«

Mon, 18/05/2020 - 00:00

Bewaffnete Drohnen können helfen, Soldatinnen und Soldaten im Einsatz zu schützen – so lautet das meist genannte Argument derjenigen, die eine Bewaffnung von Drohnen befürworten. Wie kann man sich diesen Schutz vorstellen? 

Dominic Vogel: Patrouillen oder Konvois, die sich außerhalb von gesicherten Lagern bewegen, könnte man mit bewaffneten Drohnen von oben überwachen. Die Drohne wäre dann eine Art fliegendes Auge, das Hinterhalte erkennt. Die Drohnen, die wir bis jetzt haben, sind unbewaffnet, das heißt, sie beobachten und erkennen nur – Maßnahmen müssen andere ergreifen. Die bewaffneten Drohnen können selbst reagieren.

Das Schutzargument ist also schlüssig? 

Dominic Vogel: Schon. Man darf aber nicht erwarten, dass jetzt jede Patrouille von einer Drohne begleitet wird. Das ist in jedem Einzelfall eine taktische Entscheidung. Da fragt man, wie die Bedrohungslage ist, welche Systeme hier sinnvollerweise zum Einsatz kommen, aber auch nach den Ressourcen. Es wird letztlich erstmal nur fünf bewaffnete Drohnen geben, die können nicht an jedem Einsatzort sein. Dennoch: Die Situation würde sich grundsätzlich verbessern, wenn eine solche Drohne zum Schutz von Soldaten zur Verfügung stünde.

Die Gegner der Beschaffung fürchten, dass die – von Menschen gesteuerten – bewaffneten Drohnen der Einstieg in automatische Waffensysteme sein könnten. Was ist dran an dieser Befürchtung?

Anja Dahlmann: Zunächst muss man ganz klar unterscheiden zwischen von Menschen ferngesteuerten Drohnen wie der Heron TP, um die es in der Debatte geht, und solchen mit Funktionen, die Ziele autonom auswählen und bekämpfen können. Letztere sind problematisch. Dennoch könnte die Heron TP ein erster Schritt zur Autonomisierung sein, denn die Fernsteuerung ist anfällig: Die Übertragung kann gestört oder unterbrochen, das System kann gehackt werden. Da ist es naheliegend, über Weiterentwicklungen nachzudenken, die eine solche Übertragung überflüssig machen. Insofern ja: Langfristig könnte die Drohne ein Einstieg in autonome Systeme sein.

Kritiker sprechen im Zusammenhang mit bewaffneten Drohnen auch vom „Joystick“-Töten, weil die Drohnen aus der Ferne gesteuert werden. Inwiefern verändert dieser Umstand das Verhalten im Einsatz? 

Anja Dahlmann: Es gibt durchaus Hinweise aus den USA, die auf eine solche hochproblematische Entfremdung vom Kampfgeschehen hindeuten. Ob dies nur anekdotisch ist oder ein strukturelles Problem, ist ungeklärt. Die aufwändigen Entscheidungsprozesse bei der Zielauswahl, die es in der Bundeswehr gibt, sollten die Leichtigkeit dieser potenziellen Joystick-Mentalität aber ausbremsen. Da sprechen viele Menschen mit und klären, was legitime Ziele sind und wofür welche Systeme eingesetzt werden sollen.

Dominic Vogel: Es ist sogar so, dass man mit Drohnen das Zielgebiet länger beobachten und sich ein genaueres Bild von der Lage machen kann als bei schnellen Überflügen mit anderen Systemen. Dadurch sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass wahllos getötet wird. Wichtig zu wissen ist auch, dass die Drohnenpiloten der Bundeswehr mit am Einsatzort sind, also zum Beispiel in Afghanistan. Die sitzen nicht in irgendeinem Büro im friedlichen Deutschland, sondern kriegen die Einsatzrealität hautnah mit. Etwas, das ihre Haltung zum Geschehen prägt.

Wir wissen, dass die USA bewaffnete Drohnen für völkerrechtswidrige Maßnahmen, etwa zum Töten von Terroristen in nicht mandatierten Einsätzen verwenden. Wie können wir sicher sein, dass deutsche Drohnen nicht ebenso verwendet werden?

Anja Dahlmann: Drohnen begünstigen Aktionen wie gezieltes Töten tatsächlich eher als andere Systeme. Der »War on Terror« der CIA hätte sicher ohne Drohnen anders ausgesehen, und ihr Effekt auf die Zivilbevölkerung vor Ort war verheerend. Diese Waffen führen aber nicht zwangsweise zu einem völkerrechtswidrigen Einsatz, man kann sie auch anders nutzen. So lange der Deutsche Bundestag solche Einsätze nicht mandatiert, wird es sie in Deutschland hoffentlich nicht geben.

Für welche Szenarien könnte ein Einsatz bewaffneter Drohnen aus Ihrer Sicht sinnvoll sein?

Dominic Vogel: Sinnvoll ist er sicher im Bereich der bereits angesprochenen bewaffneten Überwachung von oben, also im Sinne des Schutzes von Soldaten im Einsatz – das ist das zentrale Argument für eine Beschaffung. Zusätzlich können Drohnen überall dort die Luftaufklärung übernehmen, wo es keine feindlichen Luftstreitkräfte gibt, also zum Beispiel in Afghanistan oder Mali. Denn die Drohne ist ein leichtes Opfer: Sie hat keinen eigenen Schutz und ist nicht besonders schnell.

Anja Dahlmann: Das Schutzszenario kommt in der Realität nur begrenzt zum Tragen. Und wie Dominic sagt, wäre der Nutzen der Heron TP in symmetrischen Konflikten – also gegen gleichwertig gerüstete Gegner – gering. Sie ist darum wohl eher ein erster Schritt hin zu leistungsfähigeren Modellen; Deutschland würde hier erste eigene Erfahrungen sammeln.

Worauf sollte geachtet werden, wenn es tatsächlich zu der Bewaffnung kommt? 

Dominic Vogel: Wir müssen politisch festlegen, wofür wir die bewaffnete Drohne einsetzen wollen. Man könnte auch in Mandaten für Auslandseinsätze klar die Regeln für den Einsatz unbemannter Systeme festlegen. Das wäre zwar ein Novum, aber auch ein deutliches Signal: Hier setzen wir eine aus unserer Sicht sensible Technik ein, und wir sind uns dessen auch politisch bewusst.

Anja Dahlmann: Diese klaren Grenzen sind aus zwei Gründen nötig: Zum einen darf es nicht zu Einsatzszenarien in völkerrechtlichen Grauzonen kommen. Zum anderen sollte die Beschaffung nicht den Schritt zu autonomen Waffensystemen erleichtern, was auch bei der Entwicklung der Eurodrohne und des Future Combat Air System zu beachten ist – beides sind Kampfsysteme, an deren Entwicklung sich Deutschland beteiligt. Hilfreich wäre ein Strategiedokument des Bundesverteidigungsministeriums, in dem es klar formuliert, wie viel Kontrolle der Mensch über den Gewalteinsatz behalten sollte. Es braucht auch rote Linien: An welchen Einsatzszenarien würde sich Deutschland noch beteiligen und an welchen nicht? Im Koalitionsvertrag steht, dass Deutschland autonome Waffen ablehnt, und das Auswärtige Amt setzt sich deutlich für ein internationales Verbot ein. Allerdings haben sich weder das Verteidigungsministerium noch der Bundestag klar positioniert, und gerade da wäre es wichtig.

Das Interview führte Candida Splett von der Online-Redaktion.

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