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Stiftung Wissenschaft und Politik
Updated: 15 hours 15 min ago

Unpacking the Global Campaign to Delegitimize Israel

Mon, 22/06/2020 - 00:00

In the last two decades, international delegitimization of Israel has become a new mode of operation for those denying Israel’s right to exist. It encompasses a wide range of civil-society and grassroots organizations.

The campaign attempts to imitate the logic of the struggle against the South African apartheid regime – hence to undermine Israel’s inter­national legitimacy in a manner that would lead to its isolation and even­tually cause it to collapse.

In its current phase, the campaign functions as a long-term effort to grad­ually change the discourse and mindset of Israel’s critics in the West. Its main goal is to mainstream delegitimization – hence to reposition anti-Zionism from the radical margins into the mainstream of Western liberal-progressive circles, with specific emphasis on critics of Israel’s policies.

A key strategy to mainstream delegitimization is to blur the differences between criticism of Israeli policy and challenges to Israel’s basic legiti­macy. This includes efforts to turn items of the delegitimization agenda into an integral part of the political debate about Israel.

As a result, many critics of Israel’s policies end up supporting efforts that are led by the delegitimization campaign. The discussion in the West on the Israeli-Palestinian conflict is gradually developing into a dichotomous encounter between supporting Israel and its policies unquestioningly or supporting anti-Zionism.

The international delegitimization campaign negates two core principles of European foreign policy. First, it stands in direct contradiction to Europe’s core commitment to Israel’s right to exist. Second, it promotes rejectionism in Palestinian society as an alternative paradigm to the long-standing European approach of negotiated solution with Israel.

The key to confronting delegitimization while providing latitude for criti­cism is the application of constructive differentiation between criticism of Israel and delegitimization. Critics of Israel should apply responsibility in discourse and action by addressing both their associative context and organizational affiliations with these campaigns of criticism. European civil-society and political actors should differentiate between different types of critics and adjust their engagement policy accordingly.

Eine Korona-Präsidentschaft in Corona‑Zeiten?

Mon, 22/06/2020 - 00:00

Laut Duden ist die Korona der sichtbare Strahlenkranz der Sonne im Falle einer totalen Sonnenfinsternis. Die Finsternis der Corona-Pandemie ist nicht total, aber die menschlichen Opfer und wirtschaftlichen Folgen, die sie mit sich bringt, sind un­ge­mein verheerend. Das stellt auch die EU »vor die größte Bewährungsprobe« ihrer Geschichte (Bundeskanzlerin Merkel). In dieser Lage übernimmt Deutschland am 1. Juli 2020 die EU-Ratspräsidentschaft – im Spannungsfeld zwischen hohen Erwartungen auf der einen und geschrumpften Möglichkeiten einer Präsidentschaft auf der anderen Seite. Dabei geht es neben Kriseneindämmung auch um nachhaltige Weiterentwicklung der EU. Denn darin liegt die größte Chance und Herausforderung: die Lehren der Pandemie zu beherzigen und sie zu nutzen, um eine dauerkriselnde EU zu revitalisieren. Das können die EU-Mitglieder nur zusammen erreichen, die deutsche Prä­sidentschaft kann aber viel dazu beitragen, indem sie Kompromisse schmiedet, Impulse liefert und sich am Leitbild eines solidarischen und autonomen Europa orientiert – auch über die Ratspräsidentschaft hinaus.

Addressing the Risks of Climate Change

Fri, 19/06/2020 - 00:00

The Small Island Development States (SIDS) and other developing coun­tries affected by climate change are demanding more attention be given to climate-related losses and damages. The issue of “loss and damage” is being addressed in UNFCCC negotiations; however, the SIDS regard the Security Council as another key place for related debates.

The Security Council can sound out climate policy interests to increase knowledge and improve the means of early warning. Moreover, its role can be to focus on the security aspects of climate risks and highlight im­portant preventive approaches. These include, above all, development policy and the implementation of the Sustainable Development Goals (the UN 2030 Agenda).

The demands on the Security Council are strongly linked to the inter­national climate negotiations. Thus, Germany’s commitment to climate policy has to be broad and long-term in times of dwindling multilateralism.

Due to the Corona pandemic, short-term national and international policy agendas have readjusted to address the crisis situation, which has been detrimental to the climate policy agenda. A debate at the Security Council should nevertheless keep the focus on climate-related risks as such.

Die neuartige Rolle der Bundeswehr im Corona-Krisenmanagement

Thu, 18/06/2020 - 00:00

Die Corona-Pandemie fordert die deutschen Streitkräfte in mehrfacher Hinsicht: Die Bundeswehr muss unter den erschwer­ten Bedingungen internationale Einsätze fort­führen, zum Beispiel in Mali. Zudem muss sie die seit 2016 begonnene Refokussierung auf Landes- und Bündnisverteidigung voranbringen. Gleichzeitig unterstützt sie in der akuten Krise die zivi­len Behörden in einem bislang unbekannten Ausmaß mit Perso­nal, Material und logis­tischen Dienstleistungen. Dabei hat sich schnell gezeigt, dass ihre Möglichkeiten bei sol­chen Katastrophenfällen begrenzt sind. Die Pandemie offenbart vorhandene Pro­bleme, etwa bei Führungsstrukturen, wirft aber auch neue Fragen auf, etwa über den Umgang mit biologischen Bedrohungen. Es ist bereits jetzt absehbar, dass sich die Rahmenbedingungen für die Bundeswehr lang­fristig ver­ändern werden, von den internationalen sicherheitspolitischen Heraus­forderungen bis hin zu den politischen und wirtschaftlichen Folgen. Daher sollte die Krise genutzt werden, um notwendige interne Reformen anzustoßen.

Großmächte in der Arktis

Thu, 18/06/2020 - 00:00

Im Rahmen der »Murmansk-Initiative« rief Michail Gorbatschow gegen Ende des Kalten Krieges dazu auf, die Arktis in eine »Zone des Friedens« zu verwandeln. Bis vor einigen Jahren prägte eine solche Sichtweise die Politik aller Anrainerstaaten. Gemäß der Vorstellung vom »arktischen Exzeptionalismus« galt die Region als frei von geo­politischen Spannungen. Doch zunehmend entwickelt sich auch hier zwischen den USA, Russland und China ein strategischer Wettbewerb um Macht und Einfluss. Der bessere Zugang zum hohen Norden, verursacht durch steigende Temperaturen und schmelzendes Eis, verschafft der Arktis sicherheitspolitisch eine größere Bedeutung – was auch neue Akteure wie China betrifft. Moskau plädiert zwar weiterhin für Koope­ration, hat in der russischen Arktis aber seine militärischen Aktivitäten erheblich verstärkt. China bezeichnet sich als »Fast-Arktisstaat« und legt in seiner jüngsten Arktispolitik einen Schwerpunkt auf das Thema Sicherheit. Für die USA erwächst so ein Sicherheitsdilemma; sie stehen vor der Frage, ob sie ihr militärisches Engagement in der Arktis erhöhen oder den fragilen Status quo bewahren sollen. Angesichts dieser prekären Lage gilt es, ein Forum zu etablieren, das einen Dialog über militärische Sicherheit in der Region ermöglicht.

Die Europäische Union sollte Gesundheitsdaten zentral erfassen

Thu, 18/06/2020 - 00:00

Als sich Covid-19 in Europa zu verbreiten begann, verboten Frankreich und Deutschland den Export von Atemschutzmasken, während Italien vergeblich um Zulieferungen von Schutzausrüstung im Rahmen des EU-Katastrophenschutzverfahrens bat. Weder das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) noch die Mitgliedstaaten selbst hatten einen Überblick über die verfügbaren Kapazitäten der europäischen Gesundheitssysteme. Allen Beteiligten wurde durch Covid-19 schmerzhaft bewusst: Es fehlt an europäischer Koordination.

Aktuell wird daher vielfach die Stärkung des ECDC gefordert, das als EU-Agentur die Mitgliedstaaten durch das Sammeln, Aufbereiten und Analysieren von Daten zu Krankheitsausbrüchen und bei der Überwachung und Früherkennung von Gesundheitsrisiken unterstützt. Auch die Krankheitsprävention gehört laut Mandat zu den Aufgaben der Agentur; Kapazitäten in diesem Bereich werden zurzeit aufgebaut. Im Idealfall würde das ECDC die Mitgliedstaaten bei der Erfassung verlässlicher Gesundheitsdaten unterstützen und ihnen zugleich Wissen über die Situation bei den europäischen Nachbarn bereitstellen. So wäre etwa bekannt, wie viel Schutzausrüstung und Gesundheitspersonal in den jeweiligen Mitgliedstaaten vorhanden ist und angesichts der Krankheitsentwicklung mutmaßlich benötigt wird. Die EU und ihre Mitgliedstaaten würden von einem besseren Überblick über Kapazitäten und die Verteilung von Krankheitslasten in Europa profitieren, solidarisches Handeln in der Krise wäre auf der Grundlage einer gemeinsamen Datenbasis möglich. Neben dieser Stärkung nach innen würde die EU auch handlungsfähiger als Partner weltweit: Im Austausch mit dem Regionalbüro der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für Europa könnte das ECDC verlässliche und standardisierte Daten liefern und so zur globalen Eindämmung von Pandemien beitragen.

Berechtigte Kritik am ECDC?

Dieser Idealfall ist bisher nicht in Sicht: Das ECDC wird insbesondere für seine mangelnde Sichtbarkeit, Unterstützungsleistung und Fehlinterpretationen kritisiert. So habe das vom ECDC betriebene Frühwarn- und Reaktionssystem (EWRS) nicht funktioniert, wodurch das Infektionsrisiko durch Covid-19 noch Ende Februar als »gering bis moderat« bewertet wurde. Ferner seien die Laborkapazitäten zur Diagnose des Virus in den Ländern falsch eingeschätzt worden. Bei all dieser Kritik wird jedoch vergessen, dass das ECDC die Situation nur dann akkurat einschätzen kann, wenn die Mitgliedstaaten ihre Daten übermitteln.

Allerdings hat die Agentur bislang keinerlei regulatorische Kompetenzen und kann daher die Länder nicht verbindlich verpflichten, die nötigen Daten zu erfassen und zu übertragen. Zudem ist das ECDC für eine ernsthafte Koordinierung und Harmonisierung von Gesundheitsdaten weder personell noch finanziell ausreichend ausgestattet. Zur Einordnung: Während die US-Behörde CDC 2018 10 796 Beschäftigte und ein Budget von $8.25 Milliarden zählte, standen dem ECDC im selben Jahr nur 271 Beschäftigte und rund €58 Millionen zur Verfügung. Der Covid-19-Ausbruch legt den Finger in eine längst bekannte Wunde: Die Mitgliedstaaten haben das ECDC für die Erfüllung seines Mandats nicht angemessen mit Kompetenzen und Ressourcen ausgestattet. Das muss sich ändern.

Datenerfassung harmonisieren und ausbauen

Künftig sollte das ECDC dafür sorgen können, dass die Mitgliedstaaten qualitativ hochwertige und zuverlässige Daten an die Agentur übermitteln. Dafür muss es zunächst mandatiert werden. Die Agentur sollte sich dann darauf konzentrieren, Monitoring-Mechanismen zu entwickeln, mit denen sie für verlässliche, einheitliche Daten sorgt. Diese müssen zeitnah und nahtlos an die WHO weitergegeben werden können. Die digitale Infrastruktur muss daher mit der WHO-Datenerfassung kompatibel sein.

Dabei sollte die Datensammlung neben den übertragbaren Krankheiten auch nicht-übertragbare Krankheiten wie Krebs sowie Fälle antimikrobieller Resistenzen mit einschließen. Dies würde nicht nur die gesundheitspolitischen Schwerpunkte der Europäischen Kommission widerspiegeln, sondern auch Wechselwirkungen zwischen übertragbaren Krankheiten wie Covid-19 und nichtübertragbaren Vorerkrankungen bzw. Resistenzen in Europa besser sichtbar machen.

Neben den Krankheitsdaten, die bereits zentral erfasst werden und in der Covid-19-Krise eine besondere Bedeutung haben, sollte das ECDC zusätzlich Daten über die Kapazitäten der nationalen Gesundheitssysteme stärker im Blick haben. Damit könnte es seinem Mandat zur Krankheitsprävention besser gerecht werden und die Widerstandsfähigkeit europäischer Gesundheitssysteme fördern – ein Interesse, das zurzeit wohl alle Mitgliedstaaten teilen.

Ressourcen als Schlüssel zur Leistungsfähigkeit

Die Stärkung des ECDC in diesen Bereichen muss mit einer Aufstockung von Ressourcen einhergehen. Personal wird auf drei Ebenen benötigt: Erstens muss auf Seiten der nationalen Public-Health-Institute, wie dem deutschen Robert-Koch-Institut, die hinreichende Ausstattung der für die Kommunikation mit dem ECDC zuständigen Kontaktstellen sichergestellt werden. Zweitens ist eine Vergrößerung der Kernbelegschaft des ECDC essentiell, damit die Agentur auf der Grundlage eigener Expertise gemeinsam mit dem europäischen WHO-Regionalbüro Normen und Standards zur Datensammlung setzen kann. Schließlich braucht es im ECDC Mittler für die Kommunikation mit den einzelnen Mitgliedstaaten, die dafür sorgen, dass diese ihre Verpflichtungen erfüllen.

Finanzielle Stärkung braucht es für den Ausbau der Datensysteme und den Kompetenzaufbau bei der Krankheitsprävention. Mit dem überarbeiteten EU-Haushaltsplan für 2020 wurden dem ECDC zur Bewältigung von Covid-19 weitere 3,6 Millionen Euro zugesprochen. Aber auch im Rahmen des neuen EU-Haushalts sollte das ECDC mehr Geld erhalten, nicht nur für die akute Krisenbewältigung, sondern auch für die Krankheitsprävention und die Stärkung der Gesundheitssysteme.

Eine Aufwertung des ECDC zur zentralen Informationsstelle für Gesundheit in der EU bildet die Grundlage für eine gemeinsame europäische Gesundheitspolitik. Deutschland sollte die kommende EU-Ratspräsidentschaft nutzen, um eine tiefere Integration im Gesundheitsbereich und eine Stärkung des ECDC auf den Weg zu bringen. Der Vorstoß von Gesundheitsminister Jens Spahn für einen europäischen Gesundheitsdatenraum setzt bereits einen richtigen Akzent.

An Assessment of DİTİB’s role in the prevention of violent radicalization

Thu, 18/06/2020 - 00:00
A crucial aspect of Turkish State Islam in Germany

Risking Another Rohingya Refugee Crisis in the Andaman Sea

Tue, 16/06/2020 - 00:00

Kutupalong – which, located near Cox’s Bazar in Bangladesh, is the biggest refugee camp in the world with an estimated 700,000 inhabitants – has just witnessed its first coronavirus death. The 71-year-old victim was among at least 29 Rohingya refugees in the camp who had recently tested positive for the virus. The death of the refugee has increased concerns that the deadly virus could spread rapidly through refugee camps in Bangladesh, which are home to an estimated 1 million refugees. Observers also fear that the coronavirus outbreak could create panic in the camps and induce more Rohingya to seek refuge in Indonesia and Malaysia by crossing the Andaman Sea in boats. Malaysia and Indonesia are refusing to allow the passengers of any such boats to disembark over fears that they could be carrying the virus. According to official statements, Malaysia has turned back 22 boats since May 2020. In the second week of June, 269 Rohingya were detained in Malaysia after their vessel had reportedly been intentionally damaged, thus thwarting efforts to push it back to sea. These recent events have exacerbated fears that the current situation could turn into another Andaman Sea refugee crisis.

Libyens internationalisierter Bürgerkrieg

Tue, 16/06/2020 - 00:00

Das Scheitern der Offensive Khalifa Haftars gegen Tripolis verändert den Libyen­konflikt fundamental. Russland und die Türkei versuchen, Einflusszonen abzugrenzen, doch politische Umbrüche in Libyen sowie andere Mächte könnten ihre Pläne durchkreuzen. Im Süden des Landes könnte Haftars Niederlage neue Konflikte hervor­rufen, im Osten seine Autorität zunehmend in Frage stellen. Auch unter seinen Gegnern entwickeln sich erneut Machtkämpfe. Die Aussichten für eine Rückkehr zu einem politischen Prozess sind schlecht. Zu groß sind die Hindernisse durch aus­ländische Intervention, zu tief die gesellschaftlichen Gräben, die der Bürgerkrieg verursacht hat. Für westliche Staaten sollte Priorität haben, Libyens Einheit zu bewahren und den Einfluss Russlands zurückzudrängen.

Attack on the Open Skies Treaty

Mon, 15/06/2020 - 00:00

President Donald Trump has announced that the United States will leave the multilateral Open Skies Treaty (OST). Russia could soon follow. The Trump administration would thus continue the US withdrawal from cooperative security and destroy an­other piece of the arms control architecture. Its continued dismantling, a new arms race, and the return of armed conflict and nuclear warfare scenarios threaten Europe’s security and strategic stability. The OST permits cooperative observation flights over the territories of the States Parties. This allows for maintaining a minimum of military transparency and confidence-building, even in times of crisis. Such observation flights cannot be replaced by national satellite reconnaissance, especially since it is only available to a few states. Having the option to conduct independent observations is par­ticularly important for allies in regions of tension. Germany and European partners must make a strong commitment to maintaining the OST.

Der »Islamische Staat« bleibt

Mon, 15/06/2020 - 00:00

Im März 2019 verlor der »Islamische Staat« (IS) die letzte von ihm gehaltene Ortschaft in Ostsyrien, im Oktober starb sein Anführer Abu Bakr al-Baghdadi bei einem Angriff US-amerikanischer Spezialkräfte in Nordwestsyrien. Trotz dieser Rückschläge zeigt sich seit Frühjahr 2020 immer deutlicher, dass der IS an Stärke gewinnt. Nicht nur die Zahl der Anschläge nahm in den ersten Monaten des Jahres deutlich zu, sondern auch deren Qualität.

Zurück im Untergrund

Nach dem Verlust des von ihm als Hauptstadt beanspruchten Mossul im Oktober 2017 zog der »Islamische Staat« sich in ländliche Gebiete im Norden und Westen des Irak zurück. Schnell wurde deutlich, dass der IS auch als Untergrundorganisation eine Gefahr darstellt. Schon seit 2018 machte er vor allem mit Mordanschlägen auf regierungstreue Einzel­personen in entlegenen Dörfern und Angriffen auf isolierte Checkpoints auf sich auf­merk­sam. In Syrien konnte er sich aufgrund der Uneinigkeit seiner Gegner länger in größeren Orten halten, doch nach der Niederlage im ostsyrischen Baghuz verlegten geflohene Kämpfer den Schwerpunkt ihrer Aktivitäten in die syrische Wüste. Die Zahl der verbliebenen aktiven Kämpfer im Irak und in Syrien liegt schätzungsweise bei 4000 bis 6000.

Seit April 2020 hat die Organisation in beiden Ländern die Frequenz und die Qualität ihrer Aktivitäten gesteigert. Anfang Mai verübte sie zwei aufsehenerregende Anschläge auf Sicherheitskräfte in den irakischen Provinzen Salah ad-Din und Kirkuk, die zeigten, dass der IS sich stark genug fühlt, um besser geschützte, »harte« Ziele anzugreifen. In Syrien ist ein ähnlicher Trend zu beobachten. Der IS operiert vor allem in der Wüste westlich des Euphrat in den Provinzen Deir ez-Zor und Homs, wo das Assad-Regime die Kontrolle hat. Anfang April griffen IS-Kämpfer die kleine Stadt Sukhna an der wichtigen Straße von Deir ez-Zor nach Homs und Damaskus an und töteten mehrere Soldaten. Außerdem wurden bei Kämpfen zwischen dem IS und dem Regime Einrichtungen der Gasindustrie in der Gegend schwer beschädigt.

Teilrückzug der US-Truppen und Corona-Pandemie stärken IS

Der wichtigste Grund für das Erstarken des IS dürfte der Teilrückzug der US-Truppen aus beiden Ländern sein. In Syrien reduzierten sie ihre Präsenz auf nur noch rund 500 Soldaten, die den Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) – einem von der syrischen PKK angeführten Bündnis – im Nordosten beim Kampf gegen den IS helfen. Im Irak liegt ihre Zahl zwar noch knapp über 5000, doch haben die USA auch dort ihr Militär reduziert. Außerdem zogen sie sich aufgrund wiederholter Raketen- und Mörserangriffe iranisch kontrollierter Milizen von mehreren Basen auf nur noch zwei zurück. So sind sie nicht mehr in der Lage, den IS gemeinsam mit den Irakern auf breiter Front unter Druck zu setzen.

Ein zweiter wichtiger Grund für das Erstarken des IS ist die Corona-Pandemie. Diese führte zunächst dazu, dass die USA und ihre Verbündeten Trainings für das irakische Militär und die Sicherheitskräfte beendeten oder aussetzten. Außerdem wurden Armee und Polizei für die Kontrolle der Ausgangssperren eingesetzt oder blieben zur Prävention zuhause, so dass sie nicht mehr für den Kampf gegen die Terroristen verfügbar waren. In Syrien änderte sich die Situation bisher noch nicht, weil das Assad-Militär ohnehin seit langem unter Personalnot leidet und die meisten Einheiten im Westen des Landes stationiert sind – so dass der IS in seinen Operationsgebieten in der syrischen Wüste operieren kann.

Insgesamt verstärkt die Pandemie in beiden Ländern bereits länger absehbare Trends. Trotz der militärischen Niederlagen des IS bestehen die Probleme fort, die zu seinem Aufstieg ab 2012 führten. In Syrien ist dies der Bürgerkrieg, in dem das Regime nicht nur die Aufständischen, sondern auch die Zivilbevölkerung in den Rebellengebieten bekämpft – mit dem Ergebnis, dass der IS dort viel Zustimmung genießt. Ähnliches gilt für den Irak, wo die Regierung die sunnitischen Landesteile so massiv benachteiligt, dass viele Bewohner des Nordens und Nordwestens den IS vorziehen. Je mehr die Auswirkungen der Corona-Pandemie die Regierungen beider Länder schwächen, desto größer dürfte der Handlungsspielraum der Jihadisten werden.

IS bedroht längerfristig auch die Sicherheit in Europa

Eine Stabilisierung der Lage rückt so in beiden Ländern in noch weitere Ferne als dies 2019 schon der Fall war. Der IS dürfte weiter erstarken, muss aber anhaltend hohe Verluste ausgleichen. Dies wird die Gefängnisse der syrischen Kurden zu einem Brennpunkt des Geschehens machen. Dort befinden sich insgesamt mehr als 10 000 IS-Angehörige in Haft, unter ihnen rund 2000 ausländische Kämpfer. Sollte es gelingen, auch nur einen Teil von ihnen zu befreien, würde dies die Kampfstärke des IS enorm steigern. Da die Organisation schon 2012 und 2013 mehrere irakische Gefängnisse angriff und dabei Hunderte Jihadisten befreite, ist davon auszugehen, dass sie auch in Syrien ähnliche Aktionen in Betracht zieht. Außerdem unternahmen Häftlinge zuletzt Ende März und Anfang Mai 2020 größere Ausbruchsversuche.

Diese Situation ist auch ein Ergebnis der jahrelangen Weigerung der Herkunftsländer, ihre Staatsbürger wiederaufzunehmen. Diese Politik ist insofern erstaunlich, als die Rechtslage eine Rücknahme vorschreibt und die Zahl der Kämpfer pro Land in den meisten Fällen überschaubar ist – im Falle der Deutschen zwischen 20 und 30 Mann. Außerdem bat die US-Regierung ihre Verbündeten schon früh, Gefangene in ihre Heimatländer zurückzuführen, da es in Syrien keine Kapazitäten für eine sichere Unterbringung gibt. Auch die mit dieser Aufgabe deutlich überforderten syrischen Kurden schlossen sich der Bitte an. Trotzdem gibt es in den meisten europäischen Ländern keine Anzeichen, dass sich an ihrer Haltung etwas ändert.

Die Gefahr eines Massenausbruchs verdeutlicht jedoch, dass dies eine kurzsichtige Politik ist. Sollten größere Gruppen befreit werden, bleibt ihnen kaum eine andere Wahl, als den bewaffneten Kampf wiederaufzunehmen. Dies liefe dem deutschen Interesse an einer Stabilisierung in Syrien und dem Irak diametral entgegen und könnte auch die Türkei und andere Nachbarländer betreffen. Wenn die Grenzen nach Europa nach dem Abebben der Corona-Pandemie wieder durchlässiger werden, könnte sich dies sogar auf die Sicherheitslage in Europa auswirken. Eine Rücknahme der deutschen Kämpfer ist deshalb dringender geboten denn je.

Dieser Text ist auch bei Zeit Online erschienen.

EU Border Security in a Time of Pandemic

Fri, 12/06/2020 - 00:00

The massive mobility restrictions in the Schengen zone that were imposed to control the Corona pandemic are to be lifted from mid-June onwards. If a second wave of infec­tions does not follow suit, the German EU Council Presidency may oversee the end of all remaining internal border controls. The reform of the Schengen regulation, which has been overdue since the migration crisis, can be relaunched. The link between secure external borders and internal freedom of movement should have already been reappraised. Looking forward, targeted checks on persons for reasons of public health must be better coordinated. The forthcoming EU pact on migration and asylum will be even more difficult to agree on, however. Access to asylum procedures must be guaranteed without fail, despite national responsibility for public health.

Abschreckung und nukleare Teilhabe

Thu, 11/06/2020 - 00:00

Nach dem Ende des Kalten Krieges verlor das Konzept der nuklearen Teilhabe von Nato-Partnern an der erweiterten Abschreckung der USA seine politische Bedeutung. Die Rückkehr von Konflikten, Rüstungsspiralen und Szenarien nuklearer Kriegsführung sowie die Erosion der Rüstungskontrolle haben die Debatte über die nukleare Teil­habe wiederbelebt. Zwar ist die aktuelle Lage eine andere als jene im Kalten Krieg, doch bauen vor allem die östlichen Nato-Partner auf kernwaffengestützte Sicherheits­garantien der USA. Freilich gibt es berechtigte Zweifel an der Logik von Konzepten für den regionalen Einsatz­ von Atomwaffen. Eine Abkehr Deutschlands von der Bünd­nis­solidarität jedoch würde Europa spal­ten und die Allianz als Stabilitätsanker in der Krise schwer erschüttern. Deutschland sollte dies nicht riskieren, sondern prag­matisch darauf hinwirken, dass die Rolle von Kernwaffen in den Militär­doktri­nen beschränkt und die nukleare Rüstungskontrolle wiederaufgenommen wird.

Eurasiens Wirtschaft und Covid-19

Wed, 10/06/2020 - 00:04

Covid-19 hat die Staaten des postsowjetischen Raums in unterschiedlicher Weise getroffen, doch die Persistenz etablierter wirtschaftspolitischer Strukturen zeigt sich überall – auch dort, wo Reformen unternommen werden. Die russische Führung sieht sich durch die Krise in ihrem Kurs bestätigt und strebt keine strukturellen Reformen an. Usbekistan ist zwar weiter auf Erneuerungskurs, doch im Bestreben, krisen­bedingte Verluste zu kompensieren, wird ein Rückfall in Mechanismen erkenn­bar, die den Reformzielen widersprechen. In der Ukraine ist die Nachhaltigkeit eines eilig umgesetzten Reformpakets gefährdet, das dem Land einen dringend benötig­ten IWF-Kredit verschafft hat. Georgien wiederum versucht, mit seinem bisherigen Wirtschaftsmodell durch die Krise zu steuern, obwohl Covid-19 dessen Vulnerabilität verdeutlicht hat.

Strategische Souveränität in Energiefragen

Wed, 10/06/2020 - 00:00

Deutschlands Energiesouveränität wird durch die US-Sanktionen gegen die Gas­pipeline Nord Stream 2 beschnitten. Damit rücken Fragen der strategischen Handlungsfähigkeit in der Energiepolitik in den Fokus, die bisher in Deutschland kaum disku­tiert werden. Die Auseinandersetzung mit strategischen Interessen, Handlungs­maximen und Gestaltungsoptionen wird immer wichtiger angesichts der funda­mentalen Umbrüche in der internationalen Politik, insbesondere der strategischen Rivalität zwischen China und den USA. Chinas Industrie- und Konnektivitätspolitik, die Rolle der USA auf den Energiemärkten und die Energietransformation verändern die globale Energielandschaft und die Machtverhältnisse rasant. Die Corona-Pan­demie beschleunigt und vertieft die Trends zusätzlich. Deshalb tut es not, Fragen der Energiesouveränität in die politische Debatte darüber zu integrieren, wie eine nach­haltige und resiliente Energieversorgung ausgerichtet werden sollte. Nicht zuletzt gilt es, den Zusammenhalt in der Europäischen Union (EU) zu stärken.

EU-Grenzsicherung in Zeiten der Pandemie

Wed, 10/06/2020 - 00:00

Die massiven Mobilitätsbeschränkungen in der Schengen-Zone, die die EU-Staaten infolge der Corona-Pandemie verhängt haben, sollen ab Mitte Juni aufgehoben werden. Wenn in der Zeit danach keine zweite Infektionswelle ausbricht, kann unter deutscher Ratspräsidentschaft der Ausstieg aus allen verbliebenen Binnengrenzkontrollen ge­lingen. Die Reform der Schengen-Verordnung, die seit der Migrationskrise überfällig ist, kann neu angestoßen werden. Der Zusammenhang zwischen sicheren Außen­gren­zen und interner Freizügigkeit ist spätestens seit diesem Frühjahr neu zu bewer­ten. Zudem müssen gesundheitlich begründete Personenkontrollen besser abgestimmt werden. Es dürfte jedoch schwerer werden, für den kommenden EU-Pakt für Migra­tion und Asyl einen Kompromiss zu finden. Der Zugang zu Asylverfahren ist trotz der nationalen Verantwortung für die öffentliche Gesundheit unbedingt zu gewährleisten.

German and International Crisis Management in the Sahel

Tue, 09/06/2020 - 00:00

In May, Germany’s parliament approved the country’s continued military partici­pation in two missions in Mali and the Sahel. As part of the UN Multidimensional Integrated Stabilization Mission (MINUSMA) and the EU Training Mission EUTM Mali, up to 1,550 German soldiers can be deployed. Given the scale of these engagements, which are currently Germany’s largest, German discussions on Sahel policy, like those elsewhere, have been sluggish and unproductive. One reason for this is that buzz­words and false certainties determine the debate, which is largely detached from strategic considerations.

Friends in Need

Mon, 08/06/2020 - 00:00

The corona pandemic and its economic and social consequences are testing EU cohe­sion as well as the balance of power in the Union. The belated – or lack of – reaction by the EU during the crisis has reinforced the national sovereignty of the member states and the dominance of the intergovernmental method in moments of crisis. One of the palpable consequences has been an alteration in the “North-South divide” resulting from a European policy offensive by Spain and Italy, a stronger “southern orientation” by France, and a simultaneous crumbling of the “New Hanseatic League”. During the corona crisis, institutionalised groups of member states have acted pri­marily as interest groups that exacerbate differences rather than overcome them. Germany, which will assume a special mediating role as the Presidency of the Council from 1 July 2020, has to act as a bridge builder.

Das Virus und die Weltmacht

Thu, 04/06/2020 - 00:00

Die Corona-Krise wird in den USA aller Voraussicht nach finanzielle Kürzungen im Bereich Sicherheit und Verteidigung nach sich ziehen. Einiges spricht dafür, dass diese Einschnitte zumindest mittelfristig – in den kommenden vier bis sechs Jahren – verhältnismäßig moderat ausfallen und die damit verbundenen Prioritätenverschiebungen eher graduell als grundlegend sein werden. Die politischen Beharrungskräfte in Washington zugunsten hoher Verteidigungsausgaben bleiben einflussreich. Zudem haben die USA viel mehr Spielraum als andere Länder, Schulden zu machen. Schließlich gibt es weiterhin einen breiten politischen Konsens in den USA, dass Amerika im Wettbewerb gegen China und andere Großmächte bestehen muss. Lang­fristig könnten die wirtschaftlichen Folgen der Covid‑19-Pandemie allerdings die gesellschaft­liche Unter­stützung für kostspielige internationale Engagements weiter ero­dieren lassen.

 

Deutsches und internationales Krisenmanagement im Sahel

Thu, 04/06/2020 - 00:00

Der Bundestag hat Ende Mai die Mandate zur Beteiligung der Bundeswehr an mili­tärischen Einsätzen der Europäischen Union (EUTM Mali) und der Vereinten Nationen (MINUSMA) in Mali verlängert. Damit können insgesamt bis zu 1 550 deutsche Solda­tinnen und Soldaten in Mali und im Sahel eingesetzt werden, mehr als derzeit in Afgha­nistan. Gemessen am Ausmaß des Einsatzes verläuft die deutsche Diskussion über die Sahelpolitik schleppend, wenig ergiebig und allzu routiniert. Ein Grund dafür ist, dass Schlagworte und vermeintliche Gewissheiten (»vernetzte Sicherheit«, »Militarisierung«, »mehr lokale Eigenverantwortung«) die Debatte bestimmen, die weitgehend los­gelöst von strategischen Zusammenhängen und Überlegungen ein­geworfen werden.

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