Military installations have been attacked in various towns in Myanmar’s interior over the past few days. Among other things, military airfields that the air force had used to attack ethnic minority rebel bases in the east and north of the country were fired upon. So far, no one has claimed responsibility for the attacks, but it can be assumed that they are connected to the newly formed alliance between the former democratic government and ethnic minorities. In view of this development, the violent conflicts in Myanmar threaten to spread from the border regions to the entire country, including large urban centres. If the violence were indeed to escalate in the coming weeks, Myanmar would be further destabilised politically, economically, and socially.
Nach vier Jahren Trump-Regierung will die Biden-Administration traditionelle US-Bündnisse wiederbeleben und sucht demonstrativ den Schulterschluss mit ihren wichtigsten Verbündeten. Der sicherheitspolitische Fokus liegt dabei auf dem Indopazifik, insbesondere China. Wie sein Vorgänger will Biden den großen Rivalen einhegen. Die Gästeliste im Weißen Haus ist daher kein Zufall. Bereits im März nutzten US-Außenminister Antony Blinken und Pentagon-Chef Lloyd Austin ihre ersten Auslandsreisen, um gemeinsam Japan und Südkorea zu besuchen.
Doch diese Bündnisse sind keine Selbstläufer, auch wenn ihr politischer Rückhalt in allen drei Ländern groß ist. Denn die Beziehungen der USA zu Japan und Südkorea spiegeln ein grundlegendes Problem amerikanischer Bündnispolitik wider: Die Interessen Washingtons ähneln denen seiner wichtigen Partner, sind aber keineswegs identisch. So könnte die Revitalisierung der Bündnisse unter dem Vorzeichen einer überwiegend konfrontativen China-Politik der USA die Allianzen spalten. Neben dem Umgang mit China wird die Herausforderung durch Nordkorea ein weiteres zentrales Thema der Gespräche zwischen Moon und Biden sein.
Der Umgang mit China als BalanceaktAuch wenn die USA, Japan und Südkorea Sorgen über das machtpolitische Auftreten Chinas teilen, sind sie sich uneins über das richtige Verhältnis von Konfrontation und Kooperation gegenüber Peking. Gerade in diesem Punkt würde selbst eine sorgfältig formulierte Gipfelerklärung von Biden und Moon nicht über die Differenzen hinwegtäuschen können. Während die USA bei ihrem harten China-Kurs bereit sind, auch wirtschaftliche Risiken in Kauf zu nehmen, versucht Seoul eine Konfrontation zu vermeiden. Denn China ist gleich in zweierlei Hinsicht von höchster Bedeutung für Südkorea: Der Handel mit dem Land macht mehr als ein Viertel des südkoreanischen Außenhandels aus. Damit ist es Seouls wichtigster Handelspartner. Zudem ist China einflussreicher Akteur, wenn es um die Diplomatie mit Nordkorea geht. Vor diesem Hintergrund will Seoul das Verhältnis mit Peking nicht dauerhaft schädigen. China fand daher auch schon in der gemeinsamen Erklärung der amerikanischen und südkoreanischen Außen- und Verteidigungsminister vom März keinerlei Erwähnung.
Die Übereinstimmung in der China-Politik der USA und Japans ist da schon größer. Das zeigt auch die gemeinsame Gipfelerklärung von Biden und Suga vom April, in der beide Politiker Pekings machtpolitisches Auftreten auf internationaler Bühne anprangern und auch Chinas Umgang mit den Menschenrechten kritisieren. Dennoch ist auch Tokio an einer gewissen Stabilität im bilateralen Verhältnis zu Peking interessiert. Wie bei Südkorea spielen wirtschaftliche Faktoren eine Rolle. Hinzu kommt, dass es für Japan gerade angesichts des sich jüngst wieder verschärfenden Territorialstreits um die unbewohnten Senkaku-Inseln (chinesisch: Diaoyutai) im Ostchinesischen Meer wichtig bleibt, diplomatische Kanäle nach China offenzuhalten.
Das Nordkorea-Dilemma: Welche Anreize für das Regime?Mit Blick auf Nordkorea dürfte es Biden und Moon bei ihrem Treffen leichter fallen, gemeinsame Positionen zu vertreten. Erst Ende April hat die Biden-Administration ihren eigenen Prüfprozess der Nordkorea-Politik abgeschlossen. Auch wenn sie bislang keine Details darüber veröffentlichte, hat sich die amerikanische Haltung offenbar in wichtigen Punkten der südkoreanischen angenähert. Danach verfolgen die USA in ihren diplomatischen Bemühungen eine »kalibrierte, praktische Herangehensweise«, die anders als noch unter Trump wohl nicht mehr primär das Ziel verfolgt, einen »großen Deal« über die Denuklearisierung Nordkoreas zu schließen. Das deckt sich mit den Interessen Moons, der ein schrittweises Vorgehen mit Nordkorea für die einzige realistische Option hält.
Trotz dieser Gemeinsamkeiten könnten bald nach dem Gipfel wieder Differenzen zwischen Washington und Seoul in den Vordergrund treten. Denn erstens hat Nordkorea unterschiedliche Priorität für die beiden Bündnispartner. Während Moon im verbleibenden Jahr seiner nicht erneuerbaren Amtszeit dringend einen Durchbruch mit Nordkorea sucht, steht das Thema für Washington nicht an oberster Stelle. Zweitens ist bislang unklar, wie sich die USA eine gemeinsame Umsetzung ihrer Nordkorea-Politik vorstellen: Wann und welche Anreize sollten die USA oder Südkorea dem Norden bieten? Welche Gegenforderungen stellen sie? Wie gehen sie mit Provokationen des Nordens um? Hier ist Uneinigkeit zwischen den Partnern programmiert.
Im Ringen um die richtige Strategie gegenüber Nordkorea werden auch Differenzen mit Japan ins Gewicht fallen. Tokio sieht die Erfolgschancen von Diplomatie mit Nordkorea eher skeptisch und wird darauf pochen, dass konkrete und unumkehrbare Schritte der Denuklearisierung von Nordkorea vollzogen werden, bevor Pjöngjang mit Zugeständnissen belohnt wird.
Große Differenzen bedeuten große AngriffsflächenDie Bündnisse der USA mit Japan und Südkorea haben sich in der Vergangenheit als bemerkenswert belastbar erwiesen – sogar während der Amtszeit von Präsident Donald Trump. Trotz aller Harmonie, die auch das Treffen zwischen Biden und Moon ausstrahlen wird, bleiben die Herausforderungen für den Zusammenhalt und die Kohärenz der amerikanischen Bündnisse in Asien groß. Seit dem Amtsantritt der Biden-Administration mögen Konflikte über die finanzielle und militärische Lastenteilung nicht mehr wie unter Trump auf großer Bühne ausgetragen werden. Der weiterhin konfrontative Ansatz Washingtons gegenüber China und die einseitige Ausrichtung der amerikanischen Bündnisse auf diese Herausforderung könnten sich jedoch zu einem Spaltpilz entwickeln. Je ausgeprägter allerdings die Differenzen sind, desto größer sind auch die Angriffsflächen für China und Nordkorea, um das US-Bündnissystem zu schwächen.
Nach vier Jahren Trump-Regierung will die Biden-Administration traditionelle US-Bündnisse wiederbeleben und sucht demonstrativ den Schulterschluss mit ihren wichtigsten Verbündeten. Der sicherheitspolitische Fokus liegt dabei auf dem Indopazifik, insbesondere China. Wie sein Vorgänger will Biden den großen Rivalen einhegen. Die Gästeliste im Weißen Haus ist daher kein Zufall. Bereits im März nutzten US-Außenminister Antony Blinken und Pentagon-Chef Lloyd Austin ihre ersten Auslandsreisen, um gemeinsam Japan und Südkorea zu besuchen.
Doch diese Bündnisse sind keine Selbstläufer, auch wenn ihr politischer Rückhalt in allen drei Ländern groß ist. Denn die Beziehungen der USA zu Japan und Südkorea spiegeln ein grundlegendes Problem amerikanischer Bündnispolitik wider: Die Interessen Washingtons ähneln denen seiner wichtigen Partner, sind aber keineswegs identisch. So könnte die Revitalisierung der Bündnisse unter dem Vorzeichen einer überwiegend konfrontativen China-Politik der USA die Allianzen spalten. Neben dem Umgang mit China wird die Herausforderung durch Nordkorea ein weiteres zentrales Thema der Gespräche zwischen Moon und Biden sein.
Der Umgang mit China als BalanceaktAuch wenn die USA, Japan und Südkorea Sorgen über das machtpolitische Auftreten Chinas teilen, sind sie sich uneins über das richtige Verhältnis von Konfrontation und Kooperation gegenüber Peking. Gerade in diesem Punkt würde selbst eine sorgfältig formulierte Gipfelerklärung von Biden und Moon nicht über die Differenzen hinwegtäuschen können. Während die USA bei ihrem harten China-Kurs bereit sind, auch wirtschaftliche Risiken in Kauf zu nehmen, versucht Seoul eine Konfrontation zu vermeiden. Denn China ist gleich in zweierlei Hinsicht von höchster Bedeutung für Südkorea: Der Handel mit dem Land macht mehr als ein Viertel des südkoreanischen Außenhandels aus. Damit ist es Seouls wichtigster Handelspartner. Zudem ist China einflussreicher Akteur, wenn es um die Diplomatie mit Nordkorea geht. Vor diesem Hintergrund will Seoul das Verhältnis mit Peking nicht dauerhaft schädigen. China fand daher auch schon in der gemeinsamen Erklärung der amerikanischen und südkoreanischen Außen- und Verteidigungsminister vom März keinerlei Erwähnung.
Die Übereinstimmung in der China-Politik der USA und Japans ist da schon größer. Das zeigt auch die gemeinsame Gipfelerklärung von Biden und Suga vom April, in der beide Politiker Pekings machtpolitisches Auftreten auf internationaler Bühne anprangern und auch Chinas Umgang mit den Menschenrechten kritisieren. Dennoch ist auch Tokio an einer gewissen Stabilität im bilateralen Verhältnis zu Peking interessiert. Wie bei Südkorea spielen wirtschaftliche Faktoren eine Rolle. Hinzu kommt, dass es für Japan gerade angesichts des sich jüngst wieder verschärfenden Territorialstreits um die unbewohnten Senkaku-Inseln (chinesisch: Diaoyutai) im Ostchinesischen Meer wichtig bleibt, diplomatische Kanäle nach China offenzuhalten.
Das Nordkorea-Dilemma: Welche Anreize für das Regime?Mit Blick auf Nordkorea dürfte es Biden und Moon bei ihrem Treffen leichter fallen, gemeinsame Positionen zu vertreten. Erst Ende April hat die Biden-Administration ihren eigenen Prüfprozess der Nordkorea-Politik abgeschlossen. Auch wenn sie bislang keine Details darüber veröffentlichte, hat sich die amerikanische Haltung offenbar in wichtigen Punkten der südkoreanischen angenähert. Danach verfolgen die USA in ihren diplomatischen Bemühungen eine »kalibrierte, praktische Herangehensweise«, die anders als noch unter Trump wohl nicht mehr primär das Ziel verfolgt, einen »großen Deal« über die Denuklearisierung Nordkoreas zu schließen. Das deckt sich mit den Interessen Moons, der ein schrittweises Vorgehen mit Nordkorea für die einzige realistische Option hält.
Trotz dieser Gemeinsamkeiten könnten bald nach dem Gipfel wieder Differenzen zwischen Washington und Seoul in den Vordergrund treten. Denn erstens hat Nordkorea unterschiedliche Priorität für die beiden Bündnispartner. Während Moon im verbleibenden Jahr seiner nicht erneuerbaren Amtszeit dringend einen Durchbruch mit Nordkorea sucht, steht das Thema für Washington nicht an oberster Stelle. Zweitens ist bislang unklar, wie sich die USA eine gemeinsame Umsetzung ihrer Nordkorea-Politik vorstellen: Wann und welche Anreize sollten die USA oder Südkorea dem Norden bieten? Welche Gegenforderungen stellen sie? Wie gehen sie mit Provokationen des Nordens um? Hier ist Uneinigkeit zwischen den Partnern programmiert.
Im Ringen um die richtige Strategie gegenüber Nordkorea werden auch Differenzen mit Japan ins Gewicht fallen. Tokio sieht die Erfolgschancen von Diplomatie mit Nordkorea eher skeptisch und wird darauf pochen, dass konkrete und unumkehrbare Schritte der Denuklearisierung von Nordkorea vollzogen werden, bevor Pjöngjang mit Zugeständnissen belohnt wird.
Große Differenzen bedeuten große AngriffsflächenDie Bündnisse der USA mit Japan und Südkorea haben sich in der Vergangenheit als bemerkenswert belastbar erwiesen – sogar während der Amtszeit von Präsident Donald Trump. Trotz aller Harmonie, die auch das Treffen zwischen Biden und Moon ausstrahlen wird, bleiben die Herausforderungen für den Zusammenhalt und die Kohärenz der amerikanischen Bündnisse in Asien groß. Seit dem Amtsantritt der Biden-Administration mögen Konflikte über die finanzielle und militärische Lastenteilung nicht mehr wie unter Trump auf großer Bühne ausgetragen werden. Der weiterhin konfrontative Ansatz Washingtons gegenüber China und die einseitige Ausrichtung der amerikanischen Bündnisse auf diese Herausforderung könnten sich jedoch zu einem Spaltpilz entwickeln. Je ausgeprägter allerdings die Differenzen sind, desto größer sind auch die Angriffsflächen für China und Nordkorea, um das US-Bündnissystem zu schwächen.
In October 2020, Russia adopted a roadmap for hydrogen development, and a full-length Hydrogen Development Concept is expected soon. Even though Russia remains somewhat sceptical about hydrogen’s much-vaunted transformative potential, it is interested in using its natural gas wealth to become a leading exporter of this new energy carrier and views Germany as a key partner in this effort. In the absence of a serious national decarbonisation agenda in Russia, stimulating hydrogen production primarily for exports and without significant domestic demand will be a challenge. Still, amid Russia’s steadily worsening political relations with the West, clean energy (and hydrogen in particular) is one of the few promising areas of cooperation between Germany and Russia, with the potential to become a major steppingstone for the development of hydrogen value chains in both countries.
In October 2020, Russia adopted a roadmap for hydrogen development, and a full-length Hydrogen Development Concept is expected soon. Even though Russia remains somewhat sceptical about hydrogen’s much-vaunted transformative potential, it is interested in using its natural gas wealth to become a leading exporter of this new energy carrier and views Germany as a key partner in this effort. In the absence of a serious national decarbonisation agenda in Russia, stimulating hydrogen production primarily for exports and without significant domestic demand will be a challenge. Still, amid Russia’s steadily worsening political relations with the West, clean energy (and hydrogen in particular) is one of the few promising areas of cooperation between Germany and Russia, with the potential to become a major steppingstone for the development of hydrogen value chains in both countries.
Die Gewalt im Westjordanland und in Jerusalem schaukelt sich schon seit Wochen hoch. Die letzten substantiellen Friedensverhandlungen zwischen Israel und der palästinensischen Führung fanden 2008 statt. Unter den von Benjamin Netanjahu geführten Regierungen hat sich die Besatzung weiter verfestigt, sind Siedlungsbau und De-facto-Annexion im Westjordanland vorangetrieben worden. Die palästinensische Bevölkerung ist in strategischen Gebieten zunehmend durch Verdrängung bedroht. Zudem ist die palästinensische Führung zwischen Fatah im Westjordanland und Hamas im Gazastreifen gespalten. Die Autonomiebehörde ist delegitimiert und durch die Politik der Trump-Administration weiter geschwächt worden. Eine konkrete Perspektive für eine Konfliktregelung existiert daher nicht. Hinzu kommt: Im Zuge der Normalisierungsabkommen, die Israel und die arabische Staaten VAE, Bahrain, Marokko und Sudan im vergangenen Jahr geschlossen haben, ist die palästinensische Frage in der arabischen Welt zunehmend in den Hintergrund gerückt und die palästinensische Führung marginalisiert worden.
Jerusalem als Konflikt-KatalysatorAuslöser der jüngsten Gewalt waren mehrere Vorgänge in Jerusalem – der Stadt, die beide Konfliktparteien als Hauptstadt beanspruchen. Dazu gehörte die bevorstehende Zwangsräumung palästinensischer Häuser zugunsten von Siedlerinnen und Siedlern im Ost-Jerusalemer Stadtviertel Scheich Jarrah. Diese würde sich in ähnliche Vorgänge in anderen palästinensischen Vierteln einreihen und zu einer weiteren Zerstückelung palästinensischer Nachbarschaften führen. Darüber hinaus beschränkte die Polizei zu Beginn des Ramadans den Zugang zum Platz um das Damaskus-Tor. Da dieser normalerweise vor allem an den Abenden nach dem Fastenbrechen von der palästinensischen Bevölkerung frequentiert wird, führte das zu Protesten. In den vergangenen Wochen haben zudem von Knesset-Abgeordneten angeführte Protestzüge rechter Israelis durch Ost-Jerusalem mit Parolen wie »Tod den Arabern« Emotionen befeuert. Seinen Höhepunkt fand dies am Jerusalem-Tag, einem Feiertag, an dem die israelische Souveränität über ganz Jerusalem demonstrativ bekräftigt wird. Schließlich trugen palästinensische Angriffe auf Polizei und Siedler sowie die sogenannte TikTok-Affäre zur Eskalation bei: Palästinensische Jugendliche hatten sich dabei gefilmt, wie sie Ultraorthodoxe ohrfeigten oder bespuckten, und dies über die Plattform geteilt.
Die Absage der palästinensischen Wahlen als HintergrundDass sich die Hamas nun durch Angriffe auf die israelische Zivilbevölkerung als Verteidigerin Jerusalems hervortut, hat auch wesentlich mit der Verschiebung der palästinensischen Wahlen Ende April 2021 – die einer Absage gleichkommt – zu tun. Der palästinensische Präsident Mahmud Abbas begründete seine Entscheidung damit, dass Israel dem Wahlvorgang in Ost-Jerusalem nicht zugestimmt habe. Dadurch hinderte er die palästinensische Bevölkerung nicht nur einmal mehr daran zu wählen. Abbas verhinderte auch die Umsetzung der gemeinsam mit der Hamas beschlossenen Schritte, um die innerpalästinensische Spaltung zu überwinden. Und er räumte Israel damit ein faktisches Vetorecht über die palästinensischen Wahlen ein. Die Krise in Jerusalem nutzte die Hamas nun, um sich im Gegensatz zu Abbas als Kämpferin für Jerusalem und die Aqsa-Moschee zu profilieren.
In diesem Zusammenhang stellte sie der israelischen Führung am vergangenen Montag ein Ultimatum: Bis 18 Uhr sollte Israel seine Polizeieinheiten vom Tempelbergplateau abziehen. Nach Ablauf der Frist begann die Hamas mit einem intensiven Raketenbeschuss Israels. Die israelische Armee reagierte mit Bombenangriffen auf das Waffenarsenal, das Tunnelsystem sowie militärische Kader und die politische Führung der Hamas. Damit stehen die Zeichen zunächst weiter auf Eskalation und die Zahl der zivilen Opfer steigt dramatisch. Für Israels Zukunft noch bedrohlicher ist freilich, dass sich die Gewalt auch in Israel zwischen jüdischen und arabischen Bürgerinnen und Bürgern Bahn bricht und dort bereits zu Toten geführt hat. Die Auseinandersetzungen haben unterdessen auch auf das Westjordanland übergegriffen und zu Zusammenstößen zwischen palästinensischen Demonstrierenden und israelischem Militär geführt.
Waffenruhe und langfristige StabilisierungDeutschland und die EU sollten nun dazu beizutragen, eine weitere Eskalation zu verhindern und eine nachhaltige Stabilisierung zu erreichen. Kurzfristig müssten dabei eine Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas sowie eine Beruhigung der Proteste in Jerusalem und in israelischen Städten mit arabischer Bevölkerung im Vordergrund stehen. Relevante Elemente hierbei sind die Beendigung von Raketenbeschuss und Bombardierungen, ein Aufschub des Urteils zur Zwangsräumung in Scheich Jarrah und die Bekräftigung des vereinbarten Status quo auf dem Tempelberg. Deutschland und die EU, die keine Kontakte zur Hamas pflegen, können kaum vermitteln. Im Rahmen des etablierten München-Formats kann Deutschland aber gemeinsam mit Frankreich, Ägypten und Jordanien dabei unterstützen. Einseitige Schuldzuweisungen helfen in diesem Zusammenhang nicht weiter. Es gilt vielmehr, die Sicherheitsbedürfnisse, Rechte und Gefühle beider Bevölkerungen ernst zu nehmen und die Gewalt beider Seiten zu verurteilen. Dies ist auch möglich, ohne diese gleichzusetzen und strukturelle Konfliktfaktoren zu ignorieren.
Für eine nachhaltige Stabilisierung sind ein langfristiger Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas, ein Stopp der israelischen Siedlungs- und Verdrängungspolitik in Ost-Jerusalem und im Westjordanland sowie eine Perspektive für eine Konfliktregelung unabdingbar. Für einen Waffenstillstand könnte Deutschland technische Hilfestellung leisten, etwa wenn es um den Austausch von Gefangenen und Toten geht. Wichtiger noch, Deutschland und die EU sollten Kompromisse durch Angebote befördern, die die Sicherheit und die Lebensbedingungen sowohl im Gazastreifen als auch im südlichen Israel verbessern. Darüber hinaus sollten sie gemeinsam mit den USA an einem Rahmen arbeiten, in dem der Konflikt konstruktiv bearbeitet und Friedensverhandlungen vorbereitet werden können. Entscheidend ist allerdings zunächst, überhaupt die Option einer friedlichen Konfliktregelung aufrechtzuerhalten. Denn die aktuelle Gewalt zeigt einmal mehr: Den Konflikt einzufrieren ist keine Lösung.
Die Gewalt im Westjordanland und in Jerusalem schaukelt sich schon seit Wochen hoch. Die letzten substantiellen Friedensverhandlungen zwischen Israel und der palästinensischen Führung fanden 2008 statt. Unter den von Benjamin Netanjahu geführten Regierungen hat sich die Besatzung weiter verfestigt, sind Siedlungsbau und De-facto-Annexion im Westjordanland vorangetrieben worden. Die palästinensische Bevölkerung ist in strategischen Gebieten zunehmend durch Verdrängung bedroht. Zudem ist die palästinensische Führung zwischen Fatah im Westjordanland und Hamas im Gazastreifen gespalten. Die Autonomiebehörde ist delegitimiert und durch die Politik der Trump-Administration weiter geschwächt worden. Eine konkrete Perspektive für eine Konfliktregelung existiert daher nicht. Hinzu kommt: Im Zuge der Normalisierungsabkommen, die Israel und die arabische Staaten VAE, Bahrain, Marokko und Sudan im vergangenen Jahr geschlossen haben, ist die palästinensische Frage in der arabischen Welt zunehmend in den Hintergrund gerückt und die palästinensische Führung marginalisiert worden.
Jerusalem als Konflikt-KatalysatorAuslöser der jüngsten Gewalt waren mehrere Vorgänge in Jerusalem – der Stadt, die beide Konfliktparteien als Hauptstadt beanspruchen. Dazu gehörte die bevorstehende Zwangsräumung palästinensischer Häuser zugunsten von Siedlerinnen und Siedlern im Ost-Jerusalemer Stadtviertel Scheich Jarrah. Diese würde sich in ähnliche Vorgänge in anderen palästinensischen Vierteln einreihen und zu einer weiteren Zerstückelung palästinensischer Nachbarschaften führen. Darüber hinaus beschränkte die Polizei zu Beginn des Ramadans den Zugang zum Platz um das Damaskus-Tor. Da dieser normalerweise vor allem an den Abenden nach dem Fastenbrechen von der palästinensischen Bevölkerung frequentiert wird, führte das zu Protesten. In den vergangenen Wochen haben zudem von Knesset-Abgeordneten angeführte Protestzüge rechter Israelis durch Ost-Jerusalem mit Parolen wie »Tod den Arabern« Emotionen befeuert. Seinen Höhepunkt fand dies am Jerusalem-Tag, einem Feiertag, an dem die israelische Souveränität über ganz Jerusalem demonstrativ bekräftigt wird. Schließlich trugen palästinensische Angriffe auf Polizei und Siedler sowie die sogenannte TikTok-Affäre zur Eskalation bei: Palästinensische Jugendliche hatten sich dabei gefilmt, wie sie Ultraorthodoxe ohrfeigten oder bespuckten, und dies über die Plattform geteilt.
Die Absage der palästinensischen Wahlen als HintergrundDass sich die Hamas nun durch Angriffe auf die israelische Zivilbevölkerung als Verteidigerin Jerusalems hervortut, hat auch wesentlich mit der Verschiebung der palästinensischen Wahlen Ende April 2021 – die einer Absage gleichkommt – zu tun. Der palästinensische Präsident Mahmud Abbas begründete seine Entscheidung damit, dass Israel dem Wahlvorgang in Ost-Jerusalem nicht zugestimmt habe. Dadurch hinderte er die palästinensische Bevölkerung nicht nur einmal mehr daran zu wählen. Abbas verhinderte auch die Umsetzung der gemeinsam mit der Hamas beschlossenen Schritte, um die innerpalästinensische Spaltung zu überwinden. Und er räumte Israel damit ein faktisches Vetorecht über die palästinensischen Wahlen ein. Die Krise in Jerusalem nutzte die Hamas nun, um sich im Gegensatz zu Abbas als Kämpferin für Jerusalem und die Aqsa-Moschee zu profilieren.
In diesem Zusammenhang stellte sie der israelischen Führung am vergangenen Montag ein Ultimatum: Bis 18 Uhr sollte Israel seine Polizeieinheiten vom Tempelbergplateau abziehen. Nach Ablauf der Frist begann die Hamas mit einem intensiven Raketenbeschuss Israels. Die israelische Armee reagierte mit Bombenangriffen auf das Waffenarsenal, das Tunnelsystem sowie militärische Kader und die politische Führung der Hamas. Damit stehen die Zeichen zunächst weiter auf Eskalation und die Zahl der zivilen Opfer steigt dramatisch. Für Israels Zukunft noch bedrohlicher ist freilich, dass sich die Gewalt auch in Israel zwischen jüdischen und arabischen Bürgerinnen und Bürgern Bahn bricht und dort bereits zu Toten geführt hat. Die Auseinandersetzungen haben unterdessen auch auf das Westjordanland übergegriffen und zu Zusammenstößen zwischen palästinensischen Demonstrierenden und israelischem Militär geführt.
Waffenruhe und langfristige StabilisierungDeutschland und die EU sollten nun dazu beizutragen, eine weitere Eskalation zu verhindern und eine nachhaltige Stabilisierung zu erreichen. Kurzfristig müssten dabei eine Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas sowie eine Beruhigung der Proteste in Jerusalem und in israelischen Städten mit arabischer Bevölkerung im Vordergrund stehen. Relevante Elemente hierbei sind die Beendigung von Raketenbeschuss und Bombardierungen, ein Aufschub des Urteils zur Zwangsräumung in Scheich Jarrah und die Bekräftigung des vereinbarten Status quo auf dem Tempelberg. Deutschland und die EU, die keine Kontakte zur Hamas pflegen, können kaum vermitteln. Im Rahmen des etablierten München-Formats kann Deutschland aber gemeinsam mit Frankreich, Ägypten und Jordanien dabei unterstützen. Einseitige Schuldzuweisungen helfen in diesem Zusammenhang nicht weiter. Es gilt vielmehr, die Sicherheitsbedürfnisse, Rechte und Gefühle beider Bevölkerungen ernst zu nehmen und die Gewalt beider Seiten zu verurteilen. Dies ist auch möglich, ohne diese gleichzusetzen und strukturelle Konfliktfaktoren zu ignorieren.
Für eine nachhaltige Stabilisierung sind ein langfristiger Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas, ein Stopp der israelischen Siedlungs- und Verdrängungspolitik in Ost-Jerusalem und im Westjordanland sowie eine Perspektive für eine Konfliktregelung unabdingbar. Für einen Waffenstillstand könnte Deutschland technische Hilfestellung leisten, etwa wenn es um den Austausch von Gefangenen und Toten geht. Wichtiger noch, Deutschland und die EU sollten Kompromisse durch Angebote befördern, die die Sicherheit und die Lebensbedingungen sowohl im Gazastreifen als auch im südlichen Israel verbessern. Darüber hinaus sollten sie gemeinsam mit den USA an einem Rahmen arbeiten, in dem der Konflikt konstruktiv bearbeitet und Friedensverhandlungen vorbereitet werden können. Entscheidend ist allerdings zunächst, überhaupt die Option einer friedlichen Konfliktregelung aufrechtzuerhalten. Denn die aktuelle Gewalt zeigt einmal mehr: Den Konflikt einzufrieren ist keine Lösung.
In verschiedenen Städten im Landesinnern Myanmars ist es während der vergangenen Tage zu Angriffen auf Militäreinrichtungen gekommen. Dabei wurden unter anderem Flugfelder des Militärs beschossen, die die Luftwaffe genutzt hatte, um Rebellenstützpunkte der ethnischen Minderheiten im Osten und Norden des Landes zu attackieren. Bislang hat sich niemand zu den Angriffen bekannt, doch ist davon auszugehen, dass sie in Zusammenhang mit dem neu formierten Bündnis zwischen demokratischer Opposition und ethnischen Minderheiten stehen. Angesichts dieser Entwicklung drohen die Gewaltkonflikte in Myanmar von den Grenzregionen auf das gesamte Territorium des Landes überzugreifen, einschließlich der großen urbanen Zentren. Zu befürchten ist daher, dass Myanmar politisch, ökonomisch und sozial noch weiter destabilisiert werden wird.
In verschiedenen Städten im Landesinnern Myanmars ist es während der vergangenen Tage zu Angriffen auf Militäreinrichtungen gekommen. Dabei wurden unter anderem Flugfelder des Militärs beschossen, die die Luftwaffe genutzt hatte, um Rebellenstützpunkte der ethnischen Minderheiten im Osten und Norden des Landes zu attackieren. Bislang hat sich niemand zu den Angriffen bekannt, doch ist davon auszugehen, dass sie in Zusammenhang mit dem neu formierten Bündnis zwischen demokratischer Opposition und ethnischen Minderheiten stehen. Angesichts dieser Entwicklung drohen die Gewaltkonflikte in Myanmar von den Grenzregionen auf das gesamte Territorium des Landes überzugreifen, einschließlich der großen urbanen Zentren. Zu befürchten ist daher, dass Myanmar politisch, ökonomisch und sozial noch weiter destabilisiert werden wird.
Great expectations are placed in hydrogen as an energy carrier: The climate-neutral molecule will replace fossil fuels in the future in applications where direct electrification is impossible or too expensive. This enables effective climate protection in energy-intensive industries, heavy duty transport, aviation, and shipping. At the same time, industrial policy and geopolitical opportunities arise. German companies are excellently positioned to produce key components for a future hydrogen economy: e.g., electrolysers, logistics solutions, and vehicles. Moreover, switching energy imports to climate-neutral energy sources will make Germany less dependent on individual suppliers: Renewable energies are available worldwide, whereas oil and gas reserves are concentrated in just a few countries.
In Germany, the debate is currently focused on green hydrogen. In fact, to be climate-neutral by 2050, green hydrogen is the adequate solution. It is produced directly from renewables. But it will take time before it is available in large quantities. Currently, Germany plans to expand its water electrolysis capacity up to 5 gigawatts by the end of the decade, but this does not even correspond to 15 per cent of the demand in 2030. Therefore, partnerships with potential producer countries of cheap green hydrogen are being initiated – including Morocco, Chile, and Australia.
Exporting blue hydrogen can pay a dividend on foreign policyThe use of low-carbon hydrogen could be accelerated by greater openness to other sources of hydrogen. Blue hydrogen, for example, is produced from natural gas, but the resulting CO2 is captured and stored. This technology is viewed critically by many in Germany. However, in the medium term, it will be cheaper than its green counterpart. In addition, many of our current fossil energy partnerships can switch from exporting gas to blue hydrogen. This would pay multiple dividends: In terms of climate policy, it enables emissions to be saved quickly and on a large scale. But also in terms of foreign and industrial policy such a step would also open up opportunities.
Today, we import around 70 per cent of our primary energy needs in the form of fossil fuels: gas, oil, and coal. The energy transition will not bring self-sufficiency for Germany either. This is because there is a lack of land and probably also a lack of social acceptance for the expansion of renewable energies and for the necessary electricity grid expansion. In the long term, Germany will therefore have to import renewable energy sources, i.e., climate-neutral hydrogen and its derivatives such as methanol or ammonia.
From a foreign policy perspective, hydrogen partnerships are promising. More than in the past, future energy partnerships will depend on political choices. Geology no longer dictates whom we buy oil and gas from. Rather, we can import low-carbon hydrogen from many countries worldwide with good conditions for renewable energy. But today’s oil and gas suppliers should also have opportunities to continue earning from energy trade. Coopting them for a climate-neutral world is virtually a climate policy imperative. If the oil- and gas-rich countries lose their income opportunities, they risk being destabilised. Venezuela presents a case in point. In the European Union’s neighbourhood, Algeria, Egypt, and also Russia are threatened with the loss of central state revenues.
The oil and gas producers are coming up with very different answers to their challenges. Today, the Gulf monarchies are already testing technologies for hydrogen production, but also for the capture, recycling, and storage of CO2. Russia, for its part, is also betting on a process to produce turquoise hydrogen, which produces solid carbon. All this is part of the global race over competing technologies. If emission savings can be credibly and measurably achieved, and more and more quantities of climate-neutral and low-carbon hydrogen are traded, this will also establish international supply chains earlier, reduce costs, share the burden among more actors, and thus cushion the socio-economic costs of emissions savings worldwide.
Importing hydrogen from Saudi Arabia, Qatar, and Russia helps prevent the Green ParadoxGermany and Europe should take advantage of these transformations in Saudi Arabia, Qatar, and Russia. By doing so, we simultaneously open up new sources of income for these states and the diversification of their economies. If we do not, they are likely to exhaust their fossil fuel business model with other trading partners. If demand from countries with ambitious climate policies drops, the prices for fossil fuels would slump. The probability is high then that the so-called Green Paradox would occur: The oil and gas would not remain underground, but would become cheap and be used in developing and emerging countries to fuel growth there. Already today, the centre of fossil fuel demand has shifted to Asia. Thus, the path via blue hydrogen can at the same time preserve value-added potential in the oil- and gas-rich countries and open up an alternative to conventional fuels for net importers of primary energy worldwide.
A look at Asia shows that elsewhere, people are very agnostic about the colour of hydrogen when it comes to building partnerships. The competition is already in full swing. Japan is leading the way: Various processes and methods are being explored with Australia, Brunei, and Saudi Arabia to test trade and transport and to set standards. Hydrogen and its derivatives (mostly ammonia) are produced from lignite (Australia) or natural gas (Brunei and Saudi Arabia) and transported in three different ways. This is being done with the intent to strengthen energy trade relations and industrial policy opportunities – because this is how the manufacturers of key components of a hydrogen economy gain a competitive edge over the rest of the world.
Of course, the long-term goals of climate and carbon neutrality are also in focus. Asia is keeping a broad energy and technology mix open and hopes for flexibility and a strong starting position in global competition. Yet, decarbonisation does not mean an immediate shift away from oil, gas, and coal. Rhetorically, the focus is on “clean” energy technologies, and by pursuing such an agnostic approach, the countries could possibly also benefit from the price reductions for fossil fuels due to the Green Paradox if other countries solely focus on renewable sources for their hydrogen production.
For the energy transition, we rapidly need the largest possible quantities of climate-friendly hydrogen; at best from different countries all over the world. It is counterproductive to exclude potential suppliers now.
This text was also published at fairobserver.com.
Great expectations are placed in hydrogen as an energy carrier: The climate-neutral molecule will replace fossil fuels in the future in applications where direct electrification is impossible or too expensive. This enables effective climate protection in energy-intensive industries, heavy duty transport, aviation, and shipping. At the same time, industrial policy and geopolitical opportunities arise. German companies are excellently positioned to produce key components for a future hydrogen economy: e.g., electrolysers, logistics solutions, and vehicles. Moreover, switching energy imports to climate-neutral energy sources will make Germany less dependent on individual suppliers: Renewable energies are available worldwide, whereas oil and gas reserves are concentrated in just a few countries.
In Germany, the debate is currently focused on green hydrogen. In fact, to be climate-neutral by 2050, green hydrogen is the adequate solution. It is produced directly from renewables. But it will take time before it is available in large quantities. Currently, Germany plans to expand its water electrolysis capacity up to 5 gigawatts by the end of the decade, but this does not even correspond to 15 per cent of the demand in 2030. Therefore, partnerships with potential producer countries of cheap green hydrogen are being initiated – including Morocco, Chile, and Australia.
Exporting blue hydrogen can pay a dividend on foreign policyThe use of low-carbon hydrogen could be accelerated by greater openness to other sources of hydrogen. Blue hydrogen, for example, is produced from natural gas, but the resulting CO2 is captured and stored. This technology is viewed critically by many in Germany. However, in the medium term, it will be cheaper than its green counterpart. In addition, many of our current fossil energy partnerships can switch from exporting gas to blue hydrogen. This would pay multiple dividends: In terms of climate policy, it enables emissions to be saved quickly and on a large scale. But also in terms of foreign and industrial policy such a step would also open up opportunities.
Today, we import around 70 per cent of our primary energy needs in the form of fossil fuels: gas, oil, and coal. The energy transition will not bring self-sufficiency for Germany either. This is because there is a lack of land and probably also a lack of social acceptance for the expansion of renewable energies and for the necessary electricity grid expansion. In the long term, Germany will therefore have to import renewable energy sources, i.e., climate-neutral hydrogen and its derivatives such as methanol or ammonia.
From a foreign policy perspective, hydrogen partnerships are promising. More than in the past, future energy partnerships will depend on political choices. Geology no longer dictates whom we buy oil and gas from. Rather, we can import low-carbon hydrogen from many countries worldwide with good conditions for renewable energy. But today’s oil and gas suppliers should also have opportunities to continue earning from energy trade. Coopting them for a climate-neutral world is virtually a climate policy imperative. If the oil- and gas-rich countries lose their income opportunities, they risk being destabilised. Venezuela presents a case in point. In the European Union’s neighbourhood, Algeria, Egypt, and also Russia are threatened with the loss of central state revenues.
The oil and gas producers are coming up with very different answers to their challenges. Today, the Gulf monarchies are already testing technologies for hydrogen production, but also for the capture, recycling, and storage of CO2. Russia, for its part, is also betting on a process to produce turquoise hydrogen, which produces solid carbon. All this is part of the global race over competing technologies. If emission savings can be credibly and measurably achieved, and more and more quantities of climate-neutral and low-carbon hydrogen are traded, this will also establish international supply chains earlier, reduce costs, share the burden among more actors, and thus cushion the socio-economic costs of emissions savings worldwide.
Importing hydrogen from Saudi Arabia, Qatar, and Russia helps prevent the Green ParadoxGermany and Europe should take advantage of these transformations in Saudi Arabia, Qatar, and Russia. By doing so, we simultaneously open up new sources of income for these states and the diversification of their economies. If we do not, they are likely to exhaust their fossil fuel business model with other trading partners. If demand from countries with ambitious climate policies drops, the prices for fossil fuels would slump. The probability is high then that the so-called Green Paradox would occur: The oil and gas would not remain underground, but would become cheap and be used in developing and emerging countries to fuel growth there. Already today, the centre of fossil fuel demand has shifted to Asia. Thus, the path via blue hydrogen can at the same time preserve value-added potential in the oil- and gas-rich countries and open up an alternative to conventional fuels for net importers of primary energy worldwide.
A look at Asia shows that elsewhere, people are very agnostic about the colour of hydrogen when it comes to building partnerships. The competition is already in full swing. Japan is leading the way: Various processes and methods are being explored with Australia, Brunei, and Saudi Arabia to test trade and transport and to set standards. Hydrogen and its derivatives (mostly ammonia) are produced from lignite (Australia) or natural gas (Brunei and Saudi Arabia) and transported in three different ways. This is being done with the intent to strengthen energy trade relations and industrial policy opportunities – because this is how the manufacturers of key components of a hydrogen economy gain a competitive edge over the rest of the world.
Of course, the long-term goals of climate and carbon neutrality are also in focus. Asia is keeping a broad energy and technology mix open and hopes for flexibility and a strong starting position in global competition. Yet, decarbonisation does not mean an immediate shift away from oil, gas, and coal. Rhetorically, the focus is on “clean” energy technologies, and by pursuing such an agnostic approach, the countries could possibly also benefit from the price reductions for fossil fuels due to the Green Paradox if other countries solely focus on renewable sources for their hydrogen production.
For the energy transition, we rapidly need the largest possible quantities of climate-friendly hydrogen; at best from different countries all over the world. It is counterproductive to exclude potential suppliers now.
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Internationale Indizes und Rankings, wie der Mitte April 2021 publizierte World Press Freedom Index, spielen eine zunehmend wichtige Rolle im Maghreb. Maghrebinische Regierungen vermarkten Verbesserungen der eigenen Position, polemisieren gegen schlechte Einstufungen anderer oder nutzen eigene bessere Platzierungen, um ihre Kontrahenten herabzusetzen. Gleichzeitig ermöglichen Rankings Oppositionellen, auf Missstände im eigenen Land hinzuweisen. Externen Kooperationspartnern, allen voran der Europäischen Union (EU) und ihren Mitgliedstaaten, dienen sie als Entscheidungsgrundlage für Politiken gegenüber Algerien, Marokko und Tunesien. Auch wenn Indizes und Rankings Objektivität und Vergleichbarkeit insinuieren, sind sie oftmals problematisch in ihrer Genese, Aussagekraft und Verwendung. Nur wenn sie in die qualitative Forschung zum Maghreb eingebettet und ihre Kehrseiten reflektiert werden, können sie dazu beitragen, Reformbedarf zu identifizieren und Missstände zu beheben.
Internationale Indizes und Rankings, wie der Mitte April 2021 publizierte World Press Freedom Index, spielen eine zunehmend wichtige Rolle im Maghreb. Maghrebinische Regierungen vermarkten Verbesserungen der eigenen Position, polemisieren gegen schlechte Einstufungen anderer oder nutzen eigene bessere Platzierungen, um ihre Kontrahenten herabzusetzen. Gleichzeitig ermöglichen Rankings Oppositionellen, auf Missstände im eigenen Land hinzuweisen. Externen Kooperationspartnern, allen voran der Europäischen Union (EU) und ihren Mitgliedstaaten, dienen sie als Entscheidungsgrundlage für Politiken gegenüber Algerien, Marokko und Tunesien. Auch wenn Indizes und Rankings Objektivität und Vergleichbarkeit insinuieren, sind sie oftmals problematisch in ihrer Genese, Aussagekraft und Verwendung. Nur wenn sie in die qualitative Forschung zum Maghreb eingebettet und ihre Kehrseiten reflektiert werden, können sie dazu beitragen, Reformbedarf zu identifizieren und Missstände zu beheben.
Militärische Großübungen im Umfeld von Krisengebieten dienen nicht nur der Ausbildung. Mit ihnen senden Staaten politische Signale. Solche Manöver verstärken Bedrohungsperzeptionen und bergen die Gefahr der Eskalation. Als Moskau ab Ende März 2021 seine Truppenpräsenz östlich der Ukraine und auf der Krim erhöhte, warnten der ukrainische Präsident Selenskyj und westliche Militärexperten, Russland könne die Ukraine angreifen. Moskau beschuldigte Kiew, die Lage im Donbass zu verschärfen. Die Nato versicherte Kiew ihrer Solidarität. Auch das Manöver Defender Europe 21, das im März unter US-Führung begann, enthält eine politische Botschaft an Alliierte und Russland. Teile der bisher größten Militärübung von Nato-Staaten auf dem Balkan finden in unmittelbarer Nachbarschaft zur Ukraine statt. Moskau erklärte am 22. April die »Ausbildung« für beendet und kündigte an, bis zum 1. Mai die Truppen zurückzuverlegen. Doch die Lage bleibt instabil. Um Berechenbarkeit wiederherzustellen, müssen gegenseitige militärische Beschränkungen vereinbart werden. Dazu sollte die Allianz das Gespräch mit Moskau suchen.
Militärische Großübungen im Umfeld von Krisengebieten dienen nicht nur der Ausbildung. Mit ihnen senden Staaten politische Signale. Solche Manöver verstärken Bedrohungsperzeptionen und bergen die Gefahr der Eskalation. Als Moskau ab Ende März 2021 seine Truppenpräsenz östlich der Ukraine und auf der Krim erhöhte, warnten der ukrainische Präsident Selenskyj und westliche Militärexperten, Russland könne die Ukraine angreifen. Moskau beschuldigte Kiew, die Lage im Donbass zu verschärfen. Die Nato versicherte Kiew ihrer Solidarität. Auch das Manöver Defender Europe 21, das im März unter US-Führung begann, enthält eine politische Botschaft an Alliierte und Russland. Teile der bisher größten Militärübung von Nato-Staaten auf dem Balkan finden in unmittelbarer Nachbarschaft zur Ukraine statt. Moskau erklärte am 22. April die »Ausbildung« für beendet und kündigte an, bis zum 1. Mai die Truppen zurückzuverlegen. Doch die Lage bleibt instabil. Um Berechenbarkeit wiederherzustellen, müssen gegenseitige militärische Beschränkungen vereinbart werden. Dazu sollte die Allianz das Gespräch mit Moskau suchen.
Die Schottische Nationalpartei (SNP) ist bei den Regionalwahlen im Mai 2021 wieder mit Abstand stärkste Kraft geworden und hätte mit den schottischen Grünen die Mehrheit, um ein zweites Unabhängigkeitsreferendum anzustoßen. Doch der Weg dahin ist unsicher. Anders als 2014 ist die Zustimmung des britischen Parlaments wenig wahrscheinlich und die Kompetenz des schottischen Parlaments zum Beschluss einer weiteren Volksabstimmung umstritten. Das stellt auch die Europäische Union vor Herausforderungen. Der erneute Drang zur Unabhängigkeit ist eng mit dem aus schottischer Sicht ungewollten EU-Austritt verbunden. Aber der harte Brexit macht die Unabhängigkeit mit potentieller EU-Mitgliedschaft noch komplizierter. Zwar wird die EU kaum verhindern können, dass sie in die Debatte zwischen Edinburgh und London hineingezogen wird. Dennoch ist sie gut beraten, das schottische Unabhängigkeitsstreben weiterhin als interne Angelegenheit des Vereinigten Königreichs zu behandeln.
Die Schottische Nationalpartei (SNP) ist bei den Regionalwahlen im Mai 2021 wieder mit Abstand stärkste Kraft geworden und hätte mit den schottischen Grünen die Mehrheit, um ein zweites Unabhängigkeitsreferendum anzustoßen. Doch der Weg dahin ist unsicher. Anders als 2014 ist die Zustimmung des britischen Parlaments wenig wahrscheinlich und die Kompetenz des schottischen Parlaments zum Beschluss einer weiteren Volksabstimmung umstritten. Das stellt auch die Europäische Union vor Herausforderungen. Der erneute Drang zur Unabhängigkeit ist eng mit dem aus schottischer Sicht ungewollten EU-Austritt verbunden. Aber der harte Brexit macht die Unabhängigkeit mit potentieller EU-Mitgliedschaft noch komplizierter. Zwar wird die EU kaum verhindern können, dass sie in die Debatte zwischen Edinburgh und London hineingezogen wird. Dennoch ist sie gut beraten, das schottische Unabhängigkeitsstreben weiterhin als interne Angelegenheit des Vereinigten Königreichs zu behandeln.
Eine Entscheidung des Verfassungsausschusses des finnischen Parlamentes bereitete dieser Tage Kopfschmerzen: Mit einer knappen Mehrheit von neun zu acht Stimmen verfügten die Abgeordneten, dass das Parlament das große EU-Konjunkturpaket für den wirtschaftlichen und sozialen Wiederaufbau nach der Pandemie, Next Generation EU (NGEU), mit einer Zweidrittelmehrheit statt wie üblich mit einfacher Mehrheit ratifizieren muss. Damit ist die Regierung auf Stimmen der Opposition angewiesen. Mit dem Konjunkturpaket steht und fällt auch der mehrjährige Finanzrahmen der EU für die Jahre 2021-2027. Die finnische Regierung brachte das in eine schwierige Lage, und eine Zeit lang sah es so aus, als könnte die Ratifizierung scheitern. Dass sich die Situation in einem traditionell verlässlich pro-europäischen Land dermaßen zuspitzen konnte, ist ein Weckruf, grundsätzlicher über die Ursachen dieser Entwicklung und mögliche Folgen für die EU nachzudenken.
Nein zur TransferunionDer Verfassungsausschuss begründete sein Votum damit, dass das NGEU mit EU-eigener Schuldenaufnahme den Charakter der Union fundamental verändern und Finnland in einem nie dagewesenen Maße zwingen würde, Souveränität zu übertragen. In dem Beschluss kulminierte eine Debatte, die seit der Vorstellung der deutsch-französischen Initiative für einen Covid-Wiederaufbaufonds im Mai 2020 in Finnland kontrovers geführt wird. Ein zentrales Argument gegen das Konjunkturpaket stützt sich auf eine simple Rechnung: Finnland soll knapp drei Milliarden aus dem Fonds erhalten, aber bis zum Jahr 2058 über sechs Milliarden Euro einzahlen.
Eine zusätzliche Dramatik erhielt die Situation, als die Nationale Sammlungspartei (Kansallinen Kokoomus) ankündigte, sich in der am 12. Mai anstehenden Abstimmung zu enthalten. Obwohl die Partei eine der traditionell europafreundlichsten Parteien Finnlands und die einzige pro-europäische Oppositionspartei ist, könne sie das Paket als weiteren Schritt in Richtung Transferunion nicht unterstützen, so ihre Begründung. Sie bemängelte auch, dass das Paket für Finnland schlecht verhandelt worden sei. So habe die Regierung unter Premierministerin Sanna Marin die Änderungsvorschläge der Partei in den Verhandlungen ignoriert, darunter insbesondere die Forderung, den Anteil der nicht zurückzuzahlenden Zuschüsse im NGEU zu reduzieren. Auch habe sie sich nicht effektiv genug mit den sogenannten »frugalen Vier« – Dänemark, Niederlande, Österreich und Schweden – verbündet. Die Regierung hielt dagegen, dass Finnland im neuen langfristigen EU-Haushalt, über den am Mittwoch mitentschieden wird, insgesamt gut 500 Millionen Euro für Landwirtschaft und Regionalförderung für die dünn besiedelten Regionen Ostfinnlands bekommen hat. Das sei weit mehr, als Finnland mit den »frugalen Vier« an Beitragsrabatten hätte aushandeln können. Zudem lasse sich die Rolle Finnlands als Nettozahler in der EU nicht ändern.
Am vergangenen Freitag kam die Entwarnung: Weil sie sich nicht auf eine gemeinsame Haltung zum NGEU einigen konnte und aus Angst vor den Folgen für die EU hat die Nationale Sammlungspartei die Empfehlung zur Enthaltung zurückgezogen. Damit hat sich die Situation entschärft. Zwar haben einige Abgeordnete der Oppositionspartei – und selbst vereinzelte Vertreterinnen und Vertreter der regierenden Finnischen Zentrumspartei (Suomen Keskusta) – angekündigt, gegen das NGEU zu stimmen, doch die Zweidrittelmehrheit für die Ratifizierung gilt als sicher. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Kontroverse über die finnische EU-Politik beigelegt ist. So fordern Expertinnen und Experten in Finnland, dass grundsätzlich über die Zukunft der EU nachgedacht wird, anstatt immer wieder krisengetrieben neue Integrationsschritte zu improvisieren.
Kein Verständnis für flexible Interpretation der VerträgeZu Finnlands Staatsräson gehören ein sehr starkes Bekenntnis zur Rechtsstaatlichkeit und ein legalistisches Verständnis von internationalen Abkommen. Dies spiegelt sich auch in der Debatte über den Wiederaufbaufonds und seine Ratifizierung wider. Viele kritische Stimmen bewerten die enorme Schuldenaufnahme durch die EU auf der Grundlage des Art. 122 AEUV als Verstoß gegen die EU-Verträge bzw. im besten Fall als ihre sehr großzügige Interpretation. Entgegen den Empfehlungen von Expertinnen und Experten setzte sich diese Haltung im Verfassungsausschuss durch. Während die Bedenken an sich legitim sein mögen und die Rechtsgrundlage durchaus hinterfragt werden kann, haben unter anderem finnische Europaabgeordnete den Verfassungsausschuss scharf kritisiert: Er habe sich in die Vertragsinterpretation eingemischt, die in die alleinige Zuständigkeit des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) falle. Der finnische Präzedenzfall berge damit die Gefahr, dass die Interpretationshoheit des EuGH durch Eingriffe nationaler Institutionen unterminiert wird.
Angst vor Marginalisierung innerhalb der EUDie Diskussion um das NGEU in Finnland bringt auch die Ängste kleinerer EU-Staaten vor einer Dominanz des deutsch-französischen Tandems zum Ausdruck, die sich nach dem Brexit noch verstärkt haben. Die Länder fürchten, in eine tiefere politische und fiskalische Integration gezwungen zu werden, ohne dass eine angemessene Diskussion über den politischen und rechtlichen Rahmen stattfindet. Die EU und die Eurozone werden in den kommenden Jahren viele wichtige Themen angehen müssen, wie zum Beispiel fiskalische Regeln oder die Stabilisierung der übermäßigen Staatsverschuldung. Die soeben gestartete Zukunftskonferenz bietet eine Gelegenheit für Berlin, auf seine Partner in Helsinki zuzugehen und ihre Bedenken in die Debatte über die Zukunft der Union einzubringen. So könnte Deutschland, ein traditionell enger Verbündeter Finnlands in der EU, ein starkes Signal aussenden, dass die Anliegen der kleineren Mitgliedstaaten gehört und ernst genommen werden.
Eine Entscheidung des Verfassungsausschusses des finnischen Parlamentes bereitete dieser Tage Kopfschmerzen: Mit einer knappen Mehrheit von neun zu acht Stimmen verfügten die Abgeordneten, dass das Parlament das große EU-Konjunkturpaket für den wirtschaftlichen und sozialen Wiederaufbau nach der Pandemie, Next Generation EU (NGEU), mit einer Zweidrittelmehrheit statt wie üblich mit einfacher Mehrheit ratifizieren muss. Damit ist die Regierung auf Stimmen der Opposition angewiesen. Mit dem Konjunkturpaket steht und fällt auch der mehrjährige Finanzrahmen der EU für die Jahre 2021-2027. Die finnische Regierung brachte das in eine schwierige Lage, und eine Zeit lang sah es so aus, als könnte die Ratifizierung scheitern. Dass sich die Situation in einem traditionell verlässlich pro-europäischen Land dermaßen zuspitzen konnte, ist ein Weckruf, grundsätzlicher über die Ursachen dieser Entwicklung und mögliche Folgen für die EU nachzudenken.
Nein zur TransferunionDer Verfassungsausschuss begründete sein Votum damit, dass das NGEU mit EU-eigener Schuldenaufnahme den Charakter der Union fundamental verändern und Finnland in einem nie dagewesenen Maße zwingen würde, Souveränität zu übertragen. In dem Beschluss kulminierte eine Debatte, die seit der Vorstellung der deutsch-französischen Initiative für einen Covid-Wiederaufbaufonds im Mai 2020 in Finnland kontrovers geführt wird. Ein zentrales Argument gegen das Konjunkturpaket stützt sich auf eine simple Rechnung: Finnland soll knapp drei Milliarden aus dem Fonds erhalten, aber bis zum Jahr 2058 über sechs Milliarden Euro einzahlen.
Eine zusätzliche Dramatik erhielt die Situation, als die Nationale Sammlungspartei (Kansallinen Kokoomus) ankündigte, sich in der am 12. Mai anstehenden Abstimmung zu enthalten. Obwohl die Partei eine der traditionell europafreundlichsten Parteien Finnlands und die einzige pro-europäische Oppositionspartei ist, könne sie das Paket als weiteren Schritt in Richtung Transferunion nicht unterstützen, so ihre Begründung. Sie bemängelte auch, dass das Paket für Finnland schlecht verhandelt worden sei. So habe die Regierung unter Premierministerin Sanna Marin die Änderungsvorschläge der Partei in den Verhandlungen ignoriert, darunter insbesondere die Forderung, den Anteil der nicht zurückzuzahlenden Zuschüsse im NGEU zu reduzieren. Auch habe sie sich nicht effektiv genug mit den sogenannten »frugalen Vier« – Dänemark, Niederlande, Österreich und Schweden – verbündet. Die Regierung hielt dagegen, dass Finnland im neuen langfristigen EU-Haushalt, über den am Mittwoch mitentschieden wird, insgesamt gut 500 Millionen Euro für Landwirtschaft und Regionalförderung für die dünn besiedelten Regionen Ostfinnlands bekommen hat. Das sei weit mehr, als Finnland mit den »frugalen Vier« an Beitragsrabatten hätte aushandeln können. Zudem lasse sich die Rolle Finnlands als Nettozahler in der EU nicht ändern.
Am vergangenen Freitag kam die Entwarnung: Weil sie sich nicht auf eine gemeinsame Haltung zum NGEU einigen konnte und aus Angst vor den Folgen für die EU hat die Nationale Sammlungspartei die Empfehlung zur Enthaltung zurückgezogen. Damit hat sich die Situation entschärft. Zwar haben einige Abgeordnete der Oppositionspartei – und selbst vereinzelte Vertreterinnen und Vertreter der regierenden Finnischen Zentrumspartei (Suomen Keskusta) – angekündigt, gegen das NGEU zu stimmen, doch die Zweidrittelmehrheit für die Ratifizierung gilt als sicher. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Kontroverse über die finnische EU-Politik beigelegt ist. So fordern Expertinnen und Experten in Finnland, dass grundsätzlich über die Zukunft der EU nachgedacht wird, anstatt immer wieder krisengetrieben neue Integrationsschritte zu improvisieren.
Kein Verständnis für flexible Interpretation der VerträgeZu Finnlands Staatsräson gehören ein sehr starkes Bekenntnis zur Rechtsstaatlichkeit und ein legalistisches Verständnis von internationalen Abkommen. Dies spiegelt sich auch in der Debatte über den Wiederaufbaufonds und seine Ratifizierung wider. Viele kritische Stimmen bewerten die enorme Schuldenaufnahme durch die EU auf der Grundlage des Art. 122 AEUV als Verstoß gegen die EU-Verträge bzw. im besten Fall als ihre sehr großzügige Interpretation. Entgegen den Empfehlungen von Expertinnen und Experten setzte sich diese Haltung im Verfassungsausschuss durch. Während die Bedenken an sich legitim sein mögen und die Rechtsgrundlage durchaus hinterfragt werden kann, haben unter anderem finnische Europaabgeordnete den Verfassungsausschuss scharf kritisiert: Er habe sich in die Vertragsinterpretation eingemischt, die in die alleinige Zuständigkeit des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) falle. Der finnische Präzedenzfall berge damit die Gefahr, dass die Interpretationshoheit des EuGH durch Eingriffe nationaler Institutionen unterminiert wird.
Angst vor Marginalisierung innerhalb der EUDie Diskussion um das NGEU in Finnland bringt auch die Ängste kleinerer EU-Staaten vor einer Dominanz des deutsch-französischen Tandems zum Ausdruck, die sich nach dem Brexit noch verstärkt haben. Die Länder fürchten, in eine tiefere politische und fiskalische Integration gezwungen zu werden, ohne dass eine angemessene Diskussion über den politischen und rechtlichen Rahmen stattfindet. Die EU und die Eurozone werden in den kommenden Jahren viele wichtige Themen angehen müssen, wie zum Beispiel fiskalische Regeln oder die Stabilisierung der übermäßigen Staatsverschuldung. Die soeben gestartete Zukunftskonferenz bietet eine Gelegenheit für Berlin, auf seine Partner in Helsinki zuzugehen und ihre Bedenken in die Debatte über die Zukunft der Union einzubringen. So könnte Deutschland, ein traditionell enger Verbündeter Finnlands in der EU, ein starkes Signal aussenden, dass die Anliegen der kleineren Mitgliedstaaten gehört und ernst genommen werden.