You are here

SWP

Subscribe to SWP feed
Stiftung Wissenschaft und Politik
Updated: 3 days 9 hours ago

The “Axis of Resistance”

Thu, 12/08/2021 - 02:00

Since 2011 the Islamic Republic of Iran has significantly extended its influence in the Middle East. The expansion reached its apex in 2018. It has since entered a new phase in which Tehran, despite not suffering any strategic military setbacks, is hitting a wall. Iran’s biggest fundamental problem is that a majority of its allies in Lebanon, Syria, Iraq and Yemen are primarily military and terrorist actors. They frequently succeed in armed confrontations. Yet they are subsequently incapable of ensuring political and economic stability. The best option for German and European policymakers is a strategy of containment so as to put an end to Iran’s expansion in the four countries mentioned above, but also to acknowledge in the short term that Tehran and its allies are in a position of strength. Part of such a containment strategy would be to impose the most far-reaching isolation and sanctions possible on Iran’s armed partners. This includes adding Lebanese Hezbollah, the Hezbollah Battalions, Asa’ib Ahl al-Haqq and other militias loyal to Iran, including their leaders, to all relevant terrorism lists. Should Iranian institutions and actors involved in its policy of expansion in the Middle East also be listed as terrorists? The close ties between the Quds Corps – which is in charge of Iran’s policy towards its Arab neighbours – and unequivocally terrorist organisations such as Lebanese Hez­bollah suggest that this step is necessary.

Die Logik von Verteidigungshilfe für die Ukraine

Thu, 12/08/2021 - 02:00

Die jüngste Debatte über eine mögliche Verteidigungshilfe Deutschlands für die Ukraine ist von Relevanz, was die Bemühungen angeht, den gegenwärtigen Stillstand im Minsker Prozess wie im Normandie-Format zu überwinden und einer Lösung im Konflikt um den Donbas näherzukommen. Sie betrifft aber auch weitergehende Fra­gen zur Rolle der Bundesrepublik in Europa und ganz allgemein in der internationalen Sicherheitspolitik. Dabei geht es um die Fähigkeit Deutschlands, sich auf Situa­tio­nen einzustellen, in denen andere Länder bereit sind, Konflikte militärisch zu lösen. In diesem Sinne passt die Diskussion auch zu den Überlegungen für eine stär­ker geo­politisch ausgerichtete EU. Der Bundesregierung bietet sich hier ein Weg, der gewalt­samen Veränderung bestehender Grenzen aktiver entgegenzutreten und so ihrem Engagement für die Sicherheit und Stabilität Europas mehr Nachdruck zu verleihen.

Aus der Not geboren: Nord- und Südkorea nähern sich wieder an

Wed, 11/08/2021 - 17:18

Als der südkoreanische Staatschef Moon Jae-in vor seinem Treffen mit US-Präsident Joe Biden im Mai die Agenda für sein letztes Amtsjahr vorstellte, bezeichneten sie einige Beobachter als idealistisch, manche gar als illusorisch. Moon hatte neben der Corona-Krise und der wirtschaftlichen Erholung auch über die Aussöhnung mit Nordkorea gesprochen. In der Tat hatten sich die Beziehungen beider Länder nach einer Entspannungsphase 2018 und 2019 spürbar verschlechtert. Neben dem Scheitern des zweiten Gipfeltreffens zwischen dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong Un und dem damaligen US-Präsidenten Donald Trump nahm Nordkorea auch die wiederholten Ballonaktionen, mit denen südkoreanische Aktivistinnen und Aktivisten unter anderem die Menschenrechtssituation in Nordkorea anprangerten, zum Anlass, alle Kommunikationsverbindungen zu trennen und das innerkoreanische Verbindungsbüro in Kaesong zu sprengen.

Ende Juli verkündete das Präsidialamt in Seoul jedoch, dass Moon Jae-in und Kim Jong Un bereits seit April 2021 wieder in direktem Kontakt stehen. In ihrem Briefaustausch haben beide vereinbart, das Vertrauen zwischen den zwei Seiten wiederherzustellen und die Beziehungen zu verbessern. An dem symbolträchtigen Datum des 27. Juli, dem 68. Jahrestag der Unterzeichnung des Waffenstillstandsabkommens zur Beendigung des Koreakriegs, gaben Nord- und Südkorea bekannt, dass sie sich auf die Wiederherstellung aller innerkoreanischen Kommunikationskanäle geeinigt haben. Seither findet ein täglicher Austausch über die wiedereröffnete Hotline zwischen beiden Staatschefs statt.

Warum Nordkorea wieder mit Südkorea spricht

Für die Moon-Administration ist die Wiederaufnahme der Kommunikation mit Nordkorea ein Kernbestandteil ihrer auf Einbindung und Kooperation abzielenden Nordkoreapolitik, die der südkoreanische Präsident trotz zahlreicher Widerstände und Herausforderungen auch in seinem letzten Amtsjahr voranzutreiben versucht. »Ich sehe das verbleibende Jahr als letzte Gelegenheit, von einem unvollkommenen Frieden zu einem unumkehrbaren zu kommen«, sagte er im Mai in einer Ansprache anlässlich seines vierjährigen Amtsjubiläums. Ob dies gelingen wird, hängt nicht zuletzt auch davon ab, welche Ziele Nordkorea mit der Wiederaufnahme des Dialogs verfolgt. Zwar hat es sich abgesehen von einer Meldung der staatlichen Nachrichtenagentur KCNA nicht explizit zu seinen Motiven geäußert. Die Entwicklungen der vergangenen Monate lassen jedoch darauf schließen, dass nicht der Wunsch nach innerkoreanischer Aussöhnung, sondern die prekäre wirtschaftliche Situation in Nordkorea hinter der jüngsten Annäherung steht.

Wie ernst die wirtschaftliche Lage in Nordkorea ist, belegen nicht zuletzt wiederholte Äußerungen Kim Jong Uns. So räumte er im April 2021 in einem beispiellosen Schritt ein, dass sein Plan zur wirtschaftlichen Entwicklung des Landes gescheitert ist. »Das Ziel der fünfjährigen nationalen Wirtschaftsentwicklungsstrategie wurde in fast allen Sektoren weit verfehlt«, zitierte die KCNA aus seiner Eröffnungsrede auf dem achten Kongress der Partei der Arbeit Koreas. Im Rahmen einer Gedenkfeier an den Koreakrieg im Juli 2021 attestierte er, dass die Covid-19-Pandemie und die internationalen Sanktionen eine »Krise des Elends« ausgelöst hätten, die in ihrer Dramatik dem Konflikt in den 1950er-Jahren in nichts nachstünden. Ende Juli meldete die südkoreanische Zentralbank, dass Nordkoreas Wirtschaft im Jahr 2020 den stärksten Rückgang seit 23 Jahren erlitten hat. Und nach Angaben des Welternährungsprogramms fehlen dem Land rund 860.000 Tonnen Lebensmittel.

Die jüngste Wiederaufnahme der Kommunikation mit Südkorea, die nach Angaben des südkoreanischen Geheimdienstes auf das Ersuchen Kim Jong Uns erfolgte, könnte daher darauf abzielen, Hilfe von der internationalen Gemeinschaft zu bekommen. Nicht nur ist sich Pjöngjang der Haltung der südkoreanischen Regierung bewusst, die wiederholt Hilfsangebote an den Norden machte. Auch dienten die innerkoreanischen Beziehungen Nordkorea wiederholt als »Sprungbrett« zur Wiederaufnahme der Beziehungen mit den USA. So ist die Annäherung des Nordens nach Angaben des südkoreanischen Geheimdienstes auch mit der Erwartung verbunden, dass Seoul eine proaktive Rolle bei der Wiederbelebung der Beziehungen zwischen Nordkorea und den USA spielt. Hierfür spricht auch, dass Südkoreas stellvertretender Vereinigungsminister Choi Young-jun im September eine Reise nach Washington plant, »um einen Konsens über die Nordkorea-Politik zu erzielen, nachdem die innerkoreanischen Kommunikationslinien wiederhergestellt wurden«, wie ein Sprecher des Wiedervereinigungsministeriums betont. Nordkorea testet, ob Diplomatie sowohl mit Südkorea als auch mit den USA funktioniert, insbesondere im Hinblick auf Ausnahmeregelungen von den internationalen Sanktionen für die innerkoreanische wirtschaftliche Zusammenarbeit, für die sich auch Südkorea einsetzt.

Keine grundlegende Änderung in Sicht

Die Wiederherstellung der Kommunikationskanäle zwischen Nord- und Südkorea ist zweifelsohne zu begrüßen. Gleichwohl bleiben die grundlegenden Herausforderungen auf der koreanischen Halbinsel bestehen. So zum Beispiel die Abhängigkeit der innerkoreanischen von den US-Nordkorea-Beziehungen und unterschiedliche Vorstellungen zur Lösung der Nuklearfrage. Es gibt also noch viele Hürden auf dem Weg zu einer Wiederaufnahme von Verhandlungen – sowohl zwischen Seoul und Pjöngjang als auch zwischen den USA und Nordkorea. Dabei scheint Nordkorea nicht aus einem politischen Willen zur Aussöhnung, sondern vielmehr aufgrund seiner akuten Notlage zu handeln. Dies öffnet einerseits zwar Räume für Kooperationen. Andererseits ist vor diesem Hintergrund die Dauerhaftigkeit dieser Kommunikationsinitiative in Frage zu stellen. Die anstehenden Militärübungen zwischen den USA und Südkorea werden die Belastbarkeit des gegenwärtigen Dialogs auf die Probe stellen. Die nächsten Wochen werden daher entscheidend dafür sein, ob es zu diplomatischen Fortschritten zwischen Pjöngjang, Seoul und Washington kommt oder ob die Kommunikation zwischen Nord- und Südkorea wieder eingestellt wird.

Erdoğan the Builder in Northern Cyprus

Fri, 06/08/2021 - 02:00

Ahead of his trip to Turkish-occupied northern Cyprus on July 20, 2021, the Turkish President announced that he would be bringing “good news” to the Turkish Republic of Northern Cyprus (TRNC). Speculation ran rampant that Erdoğan would use the 47th anniversary of the Turkish invasion to announce that Azerbaijan, Pakistan, or Kyrgyzstan would establish diplomatic relations with the TRNC, which is currently recognized only by Turkey. But Erdoğan merely unveiled the construction of a pomp­ous presidential palace that would befit a future, independent “Turkish Cypriot State”. The Turkish president is still reluctant to back up his words of international recognition of the TRNC with deeds. But the visit shows that Ankara is working to­ward the final division of the island, and Erdoğan’s actions made it clear once again that he alone calls the shots in northern Cyprus.

Turkish-Russian Relations in Light of Recent Conflicts

Wed, 04/08/2021 - 02:00

Syria is central to the current shape of Turkey-Russia relations. It offers a model of partnership for both countries in a context where their interests are competitive. However, the Syrian-centric cooperation between Turkey and Russia is also special and is thus unlikely to be replicated elsewhere due to structural constraints and contextual nuances. The limits of the Syrian-style model of cooperation between Ankara and Moscow can be observed in Libya as well as Nagorno-Karabakh. Even though the institutional and elite ownership of Turkey’s Western relations has weakened, no similar institutional basis exists in Turkey’s relations with Russia. As such, the current Ankara-Moscow axis is to a great extent defined by the personal ties between the countries’ leaders and geopolitical imperatives. However, if the current shape of relations endures much longer, these personalised relations will gain structural foundations. A major problem for Turkey in its relations with Russia remains the asymmetry, even if interdependent, in favour of Moscow. Yet, the nature of asymmetry is dynamic and subject to change, as Turkey has engaged in what can be termed dependency reduction on Russia, both geopolitically and structurally (energy-wise). Developments at the broader international level, a new administration in the US, and rising tension between Ukraine and Russia indicate that Turkey would face more constraints and higher costs for its hitherto geopolitical balancing act between the West and Russia. The close relations in recent years between Ankara and Moscow also point to the need for Turkey and the West to redefine the nature of their relations, as the Cold War framework of Turkey-US relations and the accession framework of Turkish-European relations increasingly appear to be ill-suited to the present realities.

Erdoğan als Bauherr in Nordzypern

Mon, 02/08/2021 - 02:00

Vor seiner Reise in den türkisch besetzten Norden der Insel am 20. Juli 2021 kündigte der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan eine »frohe Botschaft« für die nur von der Türkei anerkannte Türkische Republik Nordzypern (TRNZ) an. Spekula­tio­nen schossen ins Kraut, der Präsident werde zum 47. Jahrestag der türkischen Invasion verkünden, Aserbaidschan, Pakistan oder Kirgistan stünden bereit, diplomatische Beziehungen mit der TRNZ aufzunehmen. Doch Erdoğan gab lediglich den Bau eines pompösen Präsidentenpalastes bekannt, der einem künftigen, unabhängigen »Zyperntürkischen Staat« angemessen sein soll. Noch schreckt der türkische Präsident also davor zurück, seinen Worten von der internationalen Anerkennung der TRNZ Taten folgen zu lassen. Doch der Besuch zeigt, dass Ankara auf die endgültige Teilung der Insel hinarbeitet – und außerdem, dass in Nordzypern einzig und allein Erdoğan das Sagen hat.

Nord Stream 2 and the Energy Security Dilemma

Wed, 28/07/2021 - 02:10

Washington and Berlin have settled their differences over the gas pipeline through the Baltic Sea. For the time being, this has halted the spiralling energy security dilemma. While Washington is sending a clear signal that constructive relations with Berlin are important, the German government is now called upon to implement a variety of measures. Still, the project remains a political issue. Kyiv and Warsaw have already signalled their opposition. A grand bargain that is not only bilaterally agreed upon but also involves Ukraine and commits Russia has not yet been achieved.

Normalisation and Realignment in the Middle East

Wed, 28/07/2021 - 02:00

Between 2020 and 2021, Israel concluded normalisation agreements with four Arab states. They were celebrated internationally as a breakthrough. Meanwhile, since 2018, and largely unnoticed by the public, Arab states have started repairing their relations with Syria. Finally, in January 2021, Egypt, Bahrain, Saudi Arabia and the United Arab Emirates (UAE) ended their boycott of Qatar during the meeting of the Gulf Cooperation Council (GCC) in Al-Ula, Saudi Arabia. Changing assessments of the regional security situation and converging interests have enabled these rap­prochements. However, these developments do not mean that the region is moving towards peace and stability; on the contrary, long-lasting conflicts remain unresolved and the threat perceptions of third actors are being exacerbated. Germany and its partners in the EU should avoid being co-opted by local and regional conflicting par­ties and should instead focus on supporting regional conflict management.

Nord Stream 2 und das Energie-Sicherheitsdilemma

Tue, 27/07/2021 - 02:00

Washington und Berlin haben ihre Differenzen über Nord Stream 2 beigelegt. Damit ist zunächst einmal die Negativspirale eines Energie-Sicherheitsdilemmas angehalten, in die das Projekt geraten war. Während die Biden-Administration ein klares Signal setzt, dass ihr konstruktive Beziehungen zu Deutschland wichtig sind, ist die Bundes­regierung nun gefragt, die vereinbarten Punkte umzusetzen. Die Gaspipeline durch die Ostsee bleibt jedenfalls ein Politikum. Kiew und Warschau haben bereits deutlich gemacht, dass sie die deutsch-amerikanische Übereinkunft ablehnen. Ein »Grand Bargain« über Nord Stream 2, der nicht nur bilateral abgestimmt ist, sondern auch die Ukraine einbindet und Russland verpflichtet, ist noch nicht erreicht.

Challenges to Iran’s Role in Iraq in the Post-Soleimani Era

Thu, 22/07/2021 - 02:00

On January 3, 2020, the Iranian Quds Force commander, Maj. Gen. Qassem Soleimani, was assassinated by the United States in Iraq. He was considered the mastermind behind Iran’s regional strategy, especially in Syria and Iraq. A year and a half later, the Islamic Republic continues to wield considerable influence in Iraq, and Iran-backed militias continue to violently pressure US forces to leave Iraq. However, Iran now faces a series of serious challenges that are directly and indirectly related to Soleimani’s death. In the geopolitical and economic spheres, the influence of Iran’s rivals in Iraq has increased, while Tehran’s room for maneuver has become increasingly limited. In the political arena, divisions among Iran-backed forces in Iraq have increased, while Iran’s direct influence over the Iraqi government has been declining. At the same time, rising anti-Iranian sentiments among the Iraqi people have reduced Iran’s social capital in the neighboring country. The combination of these factors seems to be limiting Iran’s influence in Iraq. The EU should build upon this opportunity to sup­port a strong Iraqi government that pursues a multi-vector foreign policy.

Internationale Asyl- und Migrationspolitik: »Städte spielen noch eine zu geringe Rolle«

Tue, 20/07/2021 - 11:27

Çetin Demirci: Sie schreiben in Ihrer Studie, dass in der internationalen Zusammenarbeit im Bereich Flucht und Migration auf Regierungsebene kaum Fortschritte erkennbar seien. Städte würden hingegen zunehmend als Hoffnungsträgerinnen betrachtet. Was machen sie besser?

Nadine Biehler: Aus unserer Sicht spielen Städte noch eine zu geringe Rolle. Dabei sind sie längst aktiv, was sich in Initiativen wie beispielsweise »Solidarity Cities« zeigt. Das sind Städte, die sich bereit erklären, Menschen auf der Flucht aufzunehmen.

Steffen Angenendt: In der internationalen Debatte wird klar, dass Regierungen ihre Städte als Akteure sehen, aber immer etwas zwiespältig. Städte müssen beispielsweise für die Menschen, die zugewandert sind, Integrationsleistung erbringen. Die Regierungen haben also ein Interesse daran, dass die Städte aktiv sind, einerseits. Andererseits wollen sie aber in der Migrations- und Asylpolitik und gerade bei der Frage, wer ins Land kommen darf, keine Kompetenzen und Finanzen an die Städte abgeben – obwohl viele gute Anregungen, wie Migrations- und Asylpolitik besser gestaltet werden kann, von Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern kommen.

Wie sieht eine migrationspolitische Zusammenarbeit zwischen afrikanischen und europäischen Städten aus?

Biehler: In vielen europäischen Ländern geht es darum, wie Städte sich bei der Aufnahme von Flüchtlingen und ihrer Integration engagieren wollen. In afrikanischen Städten geht es eher um die Gestaltung und das Management des Wachstums. Die Geburtenraten sind hoch und der Zuzug in afrikanische Städte ist groß, vor allem durch Migrantinnen und Migranten, aber auch Flüchtlinge. Die Interessen der europäischen und afrikanischen Städte sind daher durchaus unterschiedlich, aber es gibt auch Schnittmengen.

Angenendt: Auf europäischer Seite haben viele Bürgermeisterinnen und Bürgermeister einen Arbeitskräftemangel, etwa im Pflegebereich und in Handwerksbetrieben. Auf afrikanischer Seite können sie vor allem jüngeren Leuten nicht ausreichend Jobs und Perspektiven bieten. Bislang kam es in wenigen konkreten Fällen zu gemeinsamen Projekten. Wir hatten jetzt eine Diskussion zwischen Mailand und Freetown, da ging es auch um Jobs in der Modeindustrie. Aber die Umsetzung ist extrem schwierig. Man braucht Leute in den Verwaltungen, die das können. Man braucht finanzielle Mittel, um sich zu treffen. Städtepartnerschaften können da helfen.

Sind die Städte in einer besseren Position das Ganze zu organisieren als die Regierungen?

Biehler: Nicht immer. Ja, wenn es beispielsweise darum geht, wie man Menschen unterbringen kann. Oder dass Kinder eine Schule besuchen können. Wie man Gesundheitsinformationen in der richtigen Sprache zur Verfügung stellen kann. Da sind Bürgermeisterinnen und Bürgermeister näher dran. Das heißt aber nicht, dass sie auch die personellen Kapazitäten und finanziellen Ressourcen haben, um die Probleme zu bewältigen. Insbesondere in ärmeren Ländern, zum Beispiel auf dem afrikanischen Kontinent.

Wo sehen Sie die größten Hürden, aktuell und zukünftig?

Angenendt: Die größten Hürden sind Kompetenzen. Städte können nur das machen, wozu sie autorisiert sind. Wenn man in einem zentralistischen Staat lebt, in dem die Regierung alle Entscheidungen trifft und keine Macht abgibt, dann haben Bürgermeisterinnen und Bürgermeister ein Problem. Fehlende Dezentralisierung heißt auch: keine eigenen Mittel oder nur wenig zur Verfügung zu haben. Dazu kommt, dass die Verwaltungen oft nicht ausreichend Kapazitäten haben – besonders in schnell wachsenden Städten. Vor allem in Afrika sind das die mittelgroßen Städte; sie werden in den nächsten Jahren großen Bevölkerungszuwachs erleben und brauchen Unterstützung.

Wie müsste die Unterstützung aussehen?

Angenendt: Es wäre gut, von deutscher Seite bereits bestehende Netzwerke zwischen Städten zu fördern und stärken, die sich mit solchen Fragen beschäftigen. Das ist aber nur ein erster Schritt, denn Ideen müssen auch praktisch umgesetzt werden. Es geht immer um dieselben großen Themen: Wie kann man gemeinsam Arbeitsmigration steuern, etwa über Ausbildungspartnerschaften? Das andere große Thema ist die Aufnahme und der Schutz von Flüchtlingen.

Auf europäischer Seite besteht Interesse an Fachkräften. Aber braucht die afrikanische Seite sie nicht selbst?

Biehler: Deswegen ist es so wichtig, nicht einseitig von europäischer Seite Fachkräfte anzuwerben, sondern tatsächlich für Partnerschaften zu sorgen, die sicherstellen, dass genug Leute ausgebildet werden – am besten parallel auch für den afrikanischen Bedarf. Sonst ist es für diese Staaten und ihre Bildungssysteme ein enormer Verlust.

Angenendt: Ideal wäre, in einem doppelten Programm auszubilden. Einmal für den einheimischen Markt in den Partnerländern und gleichzeitig spezifisch für den europäischen Markt. Das eine könnte man mit dem anderen finanziell verbinden. Der Pflegenotstand bei uns ist keine Erfindung, der ist real. Aber ebenso in den Partnerländern. In jedem Fall müssen wir wegkommen vom simplen Anwerben. Es ist unglaublich, wie viele Institutionen und Betriebe aus Europa in den Entwicklungsländern unterwegs sind, um dort Leute anzuwerben. Das ist ein richtiges Business. Und die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister bekommen das unmittelbar zu spüren, wenn sie den Bedarf in ihren kommunalen Kliniken nicht mehr decken können. Der Handlungsdruck steigt. Deshalb ist es wichtig, Städte zum Handeln zu befähigen.

Und dafür müssten Regierungen mehr Kompetenzen übertragen und die EU jene Netzwerke finanziell unterstützen?

Angenendt: Nicht nur die Netzwerke unterstützen, sondern auch die Vorschläge umsetzen, die aus den Diskussionen entstehen. Es nützt ja nichts, gute Ideen zu haben, wenn dann kein Geld da ist, um sie zu realisieren. Dafür braucht die Entwicklungszusammenarbeit eine ausreichende, mehrjährige und flexible Finanzierung.

Das Interview führte Çetin Demirci von der Online-Redaktion der SWP.

Canal Istanbul: Turkey’s Controversial Megaproject

Tue, 20/07/2021 - 02:00

On June 26, the Turkish government began constructing the first bridge over Canal Istanbul, the huge waterway project designed to run parallel to the Bosporus Strait. Ankara has presented the megaproject as a strategic move that will turn Turkey into a logistics base and grant it geo-political leverage over both regional and international trade and transportation routes. However, Turkey’s political opposition considers Canal Istanbul to be a rent-seeking project designed to attract international – prob­ably Chinese and Arab – investment in the hope of reviving Turkey’s deteriorating economy. The Canal may also affect the Montreux Convention, the decades old treaty that governs the Turkish Straits. Given the rivalry between the US and Russia, ques­tions around the Montreux Convention will add another point of contention, increase tensions and may also present serious consequences for Turkey.

Städte und ihre Netzwerke in der europäisch-afrikanischen Migrationspolitik

Fri, 16/07/2021 - 10:00

In der internationalen migrationspolitischen Debatte werden Städte zunehmend als Hoffnungsträgerinnen betrachtet, weil sie schnelle, wirksame und nachhaltige Lösungen für flucht- und migrationsbezogene Probleme finden müssen – diese Einschätzung ist allerdings nach wie vor strittig. Aus europäischer Sicht ist die Zusammenarbeit mit afrikanischen Städten relevant, weil zu erwarten steht, dass die Zuwanderung aus Afrika mittel- und langfristig zunehmen wird. Aus afrikanischer Sicht besteht Interesse an einer Ausweitung der legalen Migrationsmöglichkeiten und an inter­kontinentaler Mobilität. Die bestehende Zusammenarbeit von afrikanischen und europäischen Städten zeigt, dass die beteiligten Akteure dabei höchst unterschiedlichen Interessen folgen. Die Möglichkeiten ihres Engagements sind beschränkt, zugleich aber stark von ihrem politischen Willen und vom jeweiligen Kontext abhängig. Sollen die Potentiale der Zusammenarbeit von Städten insbesondere bei der Gestaltung der legalen Migration genutzt werden, sind die Koopera­tionsinstrumente so anzulegen, dass die Städte über genügend Finanz­mittel und hinreichende Zuständigkeiten verfügen. Spaltungen zwischen Stadt und Land sollten nicht vertieft, gesellschaftliche Konflikte nicht verschärft werden. Aus öffentlichen Mitteln sollten vornehmlich bestehende Netzwerke insbesondere von kleineren und mittelgroßen Städten gefördert werden, wobei die Städte vor allem in die Gestaltung der Arbeitsmobilität und ‑migration und in die Aufnahme von Flüchtlingen einbezogen werden sollten. Zusätzlich kann eine philanthropische Finanzierung von Städten und Städtenetzwerken etwa durch große Stiftungen hilfreich sein, um die Potentiale kommunaler Akteure zu nutzen.

Von Goethes Welt zu Goethe in der Welt

Fri, 16/07/2021 - 08:00

Freiräume für kulturelles Schaffen und wissenschaftliches Forschen geraten in vielen Teilen der Welt massiv unter Druck. Im nationalen Raum wird Kultur immer diverser und muss alltäglich neu verhandelt werden. Auf diese Herausforderungen kultureller Vielfalt und wissenschaftlicher Freiheit muss die Auswärtige Kultur- und Bildungs­politik (AKBP) neue Antworten finden. Es genügt nicht mehr, auf das eigene kulturelle Leitbild zu verweisen, gewachsene Strukturen einer ausufernden Vielfalt von Zuwen­dungsempfängern und föderalen Koordinationsinstanzen werden den Herausforde­run­gen nicht gerecht. Neue (digitale) Räume für die kulturgeleitete Verhandlung von Werten und Normen, für Verständigung und Zusammenleben sind notwendig. Erfor­derlich sind auch ein neues politisches Mandat, eine bessere Zuordnung von Aufgaben und die Nut­zung der Chancen, die die Kreativindustrie bietet. Darauf sollte sich Deutschland mit einer politischen und institutionellen Neuaufstellung vorbereiten. Dabei sollten die internationalen Kulturbeziehungen in den Vordergrund gestellt und alte Muster nationalen kulturpolitischen Handelns überwunden werden.

Ankara and Kabul: Opportunities – and Risks

Tue, 13/07/2021 - 13:54

Turkish President Recep Tayyip Erdoğan caused waves at the June 2021 NATO summit, announcing that Turkey would continue to protect Kabul airport following the complete NATO withdrawal. Kabul airport is Afghanistans principal air connection to the outside world, and vital for the security of diplomats and aid workers in the country.

The proposal needs to be seen in the context of the broad militarisation of Turkish foreign policy. In recent years, Ankara has deployed armed forces for geopolitical leverage in Syria, Somalia, Libya, the Eastern Mediterranean and Azerbaijan. The associated costs have remained very low, further emboldening Turkish policy-makers. In Somalia and Syria the Turkish military also gained experience operating in theatres where armed militants pose significant security challenges.

The main factor behind the airport proposal, however, is Turkish-American relations: Ankara hopes to regain favour with Washington after a string of diplomatic crises. The Turkish side knows its hand is weakened by issues such as its acquisition of the Russian S400 air defence system and Washingtons responses including CAATSA sanctions and removing Turkish manufacturers from the supply chain for the new F35 warplane. The proposal to help out in Afghanistan emerged as an obvious way to improve bilateral relations with Washington.

A Good Reputation

As the only Muslim-majority member of NATO, Turkey played important roles in Afghanistan. Former Turkish Foreign Minister Hikmet Çetin served as the NATOs first Senior Civilian Representative in Afghanistan and Turkish officers twice commanded the International Security Assistance Force (ISAF). There are currently 500 Turkish soldiers serving with the NATO mission. Turkey never deployed a combat force, however. The Taliban in turn avoided targeting Turkish forces; there has in fact only been one attack on a Turkish unit.

Additionally, Turkish state institutions and NGOs conduct a broad range of cultural and educational activities and supply extensive humanitarian aid. Reports confirm the ability of Turkish officials and volunteers to engage with Afghan society on equal terms. Shared religious and cultural elements certainly help. Although the Taliban accuses of Ankara being too pro-Uzbek, Turkey is viewed very positively across Afghan society. This, together with its ability to talk with all sides and its non-combat role in ISAF, places Turkey in a unique position. 

However, protecting Kabul airport would change the nature of Turkey’s involvement. While the Afghan government welcomed the idea, the Taliban has repeatedly declared that it will not tolerate even a residual foreign force. That implies that the Taliban would target Turkish troops risking drastic consequences for Turkey. In order to avoid this, Turkey’s extended stay requires prior agreement with all Afghan parties, and Ankara will use its diplomatic capacity to seek such an agreement. Moreover, rather than focusing solely on leaving a residual force, Turkey could use its diplomatic and humanitarian leverage to pursue a more comprehensive approach to the Afghan problem.

Intra-Afghan Agreement Needed

The current peace agreement involves only the United States and the Taliban; there is as yet no peace agreement between the Afghan government and the Taliban. As the withdrawal of NATO forces accelerates, the conflict is now between the Taliban and Afghan government forces. Despite NATO’s decades of investment, the Afghan army is no match for the Taliban. In fact, a major Taliban offensive is already under way. Kabul may not fall immediately, but time is on the side of the insurgents. But if the Taliban overplays its hand and tries to dominate the entire country, there will be a backlash, particularly from the non-Pashtun ethnic communities.

In that case, Afghanistan is likely to descend back into civil war. Under such circumstances, a Turkish military presence would be too risky and unsustainable, even with agreements with the government and the Taliban. Rather than focusing only on protecting Kabul airport, Turkey should place its diplomatic weight behind a peaceful settlement between the Taliban and the government before violence spirals out of control. The first step towards a broader agreement between the Afghan parties themselves would be for Ankara to reach agreement with each of them. This road is arguably a stony one, but offers much greater rewards. Turkey would certainly need the support of other countries to overcome the obstacles involved.

The first challenge is to bring the Taliban to the negotiating table with the Afghan government, which Turkey and the international community have so far failed to achieve. Here, Turkey can benefit from its exceptionally good relations with Pakistan and Qatar. Qatar is home to the Taliban’s only external office and relations are cordial. Pakistan, where many senior Taliban leaders reside, has the greatest leverage. Even though large segments of Afghan society frown on Pakistan’s involvement in their country, its influence over the Taliban would be crucial for reaching a negotiated settlement.

Europe should be more active and support Ankara’s efforts diplomatically and economically. As well as that being the morally right thing to do, Europe has a tangible interest too. A resurgence of fighting in Afghanistan would trigger a wave of migration. Afghans are already the second-largest migrant community in Turkey after the 3.6 million Syrians, and they formed the second-largest group of new asylum applications in Germany in 2020. Given Iran’s open door policy, it would be realistic to expect waves of Afghan migration to Turkey and on to Europe. The spectre of a new refugee crisis looms.

(Wieder-)Annäherungen in Nahost

Tue, 13/07/2021 - 02:00

2020/21 unterzeichnete Israel Abkommen mit vier arabischen Staaten, die international als Durchbruch gefeiert wurden. Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt vollzieht sich unterdessen seit 2018 eine Wiederannäherung arabischer Staaten an Syrien. Schließlich beendeten mit dem Treffen des Golfkooperationsrates (GKR) im saudischen Al-Ula im Januar 2021 Ägypten, Bahrain, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) ihren Boykott Katars. Veränderte Lagebeurteilungen und das Konvergieren von Interessen haben die (Wieder-)Annäherungen ermöglicht. Damit bewegt sich die Region aber nicht auf Frieden und Stabilität zu; langanhaltende Konflikte werden nicht beigelegt, Bedrohungsperzeptionen dritter Akteure verstärkt. Deutschland und seine Partner in der EU sollten sich nicht von lokalen und regio­nalen Konfliktparteien vereinnahmen lassen, sondern Ansätze regionaler Konflikt­bearbeitung unterstützen.

The Logic of Defence Assistance to Ukraine

Fri, 09/07/2021 - 02:00

The recent debate about providing military assistance to Ukraine has relevance for the efforts to overcome the current impasse in the Minsk Process and the Normandy Format in particular, and thus the search for a resolution to the conflict regarding the Donbas. But it also concerns larger questions of Germany’s role in Europe, and in security policy more generally. It touches on Germany’s ability to adapt to situations in which other countries are willing to envisage military solutions to existing con­flicts. In this sense, it fits into discussions about a more geopolitical EU. And it offers Berlin a way to reinforce its commitment to European security and stability by more actively resisting the redrawing of international borders.

Russlands Einflussmacht im Kaukasus

Thu, 08/07/2021 - 02:00

Im zweiten Karabach-Krieg vom Herbst 2020 vermittelte Russland einen Waffenstillstand und erweiterte seine militärische Präsenz im Südkaukasus, indem es eine Friedenstruppe im restlichen Berg-Karabach stationierte. In diesem Krieg hatten aserbaidschanische Streitkräfte die Südprovinz Karabachs und die zuvor von armenischen Truppen kontrollierten Territorien in dessen Umgebung eingenommen. Laut internationalen Beobachtern hat die Dominanz Russlands und der Türkei bewirkt, dass sich die geopolitischen Koordinaten im Kaukasus auf Kosten westlicher und globaler Akteure verlagerten. In Moskaus Perspektive besteht der Kaukasus aus Russlands Föderationssubjekten im Nordteil und seinem »nahen Ausland« im Südteil der Region. Für seine Politik im Südkaukasus nutzte der Kreml ungelöste Territorialkonflikte als machtpolitische Hebel. Mit seiner Unterstützung für die von Georgien abtrünnigen Landesteile Abchasien und Südossetien will Moskau das am stärksten nach Westen ausgerichtete »nahe Ausland« bestrafen. Im Karabach-Konflikt dagegen war Russland trotz enger sicherheitspolitischer Verbindung mit Armenien auf Neutralität bedacht und stellte sich nicht grundsätzlich gegen west­liche Konfliktmediatoren im Verhandlungsrahmen der OSZE. Russlands Ordnungsmacht im Südkaukasus wird durch die enge mili­tärische Allianz der Türkei mit Aserbaidschan eingeschränkt. Auch Iran tritt verstärkt als Akteur in der Region auf. Das geopolitische Gewicht dort verschiebt sich zu den historischen Regional- und Großmächten. Globale und westliche Akteure sind aber noch nicht aus der Region ver­bannt. Der Karabach-Konflikt bleibt im Brennpunkt internationaler Politik. Das wurde sechs Monate nach Kriegsende offenbar, als die Grenzkonflikte zwischen Armenien und Aserbaidschan sich im Mai 2021 erneut zuspitzten.

Making Sense of the Contested Biden‑Putin Summit

Tue, 06/07/2021 - 02:00

The Biden-Putin summit in June 2021 has brought more questions than answers. It was a highly debated move – particularly in the United States – ever since the possi­bility of the event was announced in April. The outcomes of the high-profile bilateral meeting are still elusive. Despite these, the summit offered a few valuable insights on United States-Russia bilateral relations as well as on how the two countries seem to per­ceive each other. Among them, Russia views strategic stability to be of key im­portance for its ability to influence world affairs. The biggest concerns of the United States include cybersecurity and reducing Russia’s disruptive behaviour, which in­stru­mentalises instability in conflicts around the world. The revelations following the summit serve as useful signals but offer few reasons for optimism with regard to the United States and Russia engaging on a solid common agenda, and more likely for them to continue pursuing opposing interests.

Ein CO2-Grenzausgleich für den Green Deal der EU

Mon, 05/07/2021 - 02:00

Im Rahmen des Green Deal erwägt die EU die Einführung eines CO2-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) für Importe, damit sie ihre ehr­geizigen klimapolitischen Ziele erreichen kann, ohne dass energieinten­sive Sektoren ihre Emissionen ins Ausland verlagern (Carbon Leakage). Der CBAM sieht die virtuelle Anbindung der EU-Handelspartner an das Emissionshandelssystem der EU (EU ETS) vor – und wird von ihnen entsprechend kritisch beurteilt. Denn der CBAM wird ihre Produkte bei der Einfuhr durch Einpreisung der CO2-Kosten verteuern. Um wie viel, wird in dieser Studie für drei Sektoren – Zement, Stahl und Strom – exemplarisch durchgerechnet. Ein CBAM generiert Einnahmen. Der Umgang damit spielt für die WTO-konforme Ausgestaltung eine wichtige Rolle. Davon ist nur dann aus­zugehen, wenn die Einnahmen konsequent an den Zweck gebunden werden, klimapolitische Maßnahmen im In- und Ausland zu finanzieren. Ein CBAM wirkt als klimapolitischer Hebel. Je mehr Staaten mit der EU in der Klimapolitik zusammenarbeiten, desto geringer wird der Bedarf, das Instrument auch einzusetzen. Ist er erfolgreich, wird der CBAM über­flüssig. Damit die klimapolitische Maßnahme handelsrechtlich durchzusetzen ist, muss sie mit den WTO-Regeln in Einklang gebracht werden. Das schließt Sonderregeln für Entwicklungsländer ein. Zudem sollte das Gerechtigkeits­prinzip (CBDR&RC) des UN-Klimaregimes beachtet werden, das den Entwicklungs- und Schwellenländern geringere Beiträge zum Klimaschutz abverlangt als den Industrieländern. Die EU und die Mitgliedstaaten müssen sich darauf einstellen, dass es zu einer Sanktionsdynamik kommen könnte, wenn sie es versäumen, mit ihren Handelspartnern intensive Gespräche zu führen, in denen sie ihr Vorgehen erklären und über Details der Anwendung sowie Aus­nahmen verhandeln. Das erfordert Fingerspitzengefühl, Klarheit und ein hohes Maß an Abstimmung mit den Partnerländern.

Pages