Der Rat der EU-Außenminister soll Ende August darüber beraten, ob die Möglichkeiten für russische Staatsbürger, in die Schengen-Zone einzureisen, stark beschränkt werden sollen. Mehrere nord- und osteuropäische Staaten haben bereits weitreichende Maßnahmen veranlasst und finden hierfür eine wachsende Unterstützung in der EU. Deutschland hingegen weist bislang Restriktionen bei der Visavergabe zurück und begründet dies mit der Situation russischer Regimekritiker. Auch wenn es bei der Einreisekontrolle und beim Aufenthaltsrecht nationale Ermessensspielräume gibt, sollte eine konvergente europäische Regelung vereinbart werden. Der EU-Visakodex bietet hinreichend Ansatzpunkte, um touristische Reisen erheblich einzuschränken. Ein umfassender Einreisestopp wäre hingegen unverhältnismäßig, auch weil die Vergabe humanitärer Visa kaum ausgeweitet werden wird.
Die französische EU-Ratspräsidentschaft, die am 30. Juni endete, war vom Krieg in der Ukraine und der neuen geopolitischen Lage in Europa geprägt. Durch Russlands Invasion wurden einmal mehr die Schwächen der europäischen Verteidigung offengelegt. Ebenso zeigte sich jedoch, dass die EU in Krisensituationen schnell und entschlossen handeln kann. Der dramatische Kontext hat es Frankreich zugleich erleichtert, seine Agenda im Bereich Verteidigung und Sicherheit, die ursprünglich umstritten war, auf den Weg zu bringen. Konkrete Erfolge sind dabei die Verabschiedung des Strategischen Kompasses, der Auftrag zur Entwicklung einer EU-Weltraumstrategie, die Finanzierung militärischer Hilfe für die Ukraine über die Europäische Friedensfazilität und die Erklärung von Versailles. Die schwierige Wirtschaftslage und die Refokussierung auf Nato und kollektive Verteidigung könnten es jedoch erschweren, die einzelnen Entscheidungen umzusetzen. Dabei ist die aktuelle Dynamik zugunsten einer Stärkung der europäischen Verteidigung im deutschen Interesse. Die Bundesregierung sollte daher die lancierten Initiativen unterstützen. Ohne ein starkes deutsch-französisches Duo werden sich die europäischen Vorhaben nicht implementieren lassen. Deshalb ist es auch wichtig, dass sich Berlin enger mit der neuen französischen Regierung koordiniert.
In their Coalition Agreement 2021–2025, the parties that form the current German government agreed to pursue a “Feminist Foreign Policy” (FFP). The German Foreign Office is now committed to do so, while the Federal Ministry for Economic Cooperation and Development seeks to pursue a “feminist development policy”. FFP will also be a discussion topic in Germany’s first National Security Strategy. Germany is thus following a trend, as ever more governments commit to FFP or at least seek to realise certain elements. Yet what the FFP approach actually means in theory and practice remains vague and contentious: what preconditions it requires, in what contexts it applies and what implications it involves. This openness provokes debates across politics, civil society and academia. Although the national implementations of FFP only very partially realised feminist demands, the mere fact of official policy referencing feminism challenges traditional ways of thinking and political patterns, encourages reassessment of political priorities and their coherence, and can potentially promote political innovation.
“Progress towards an equitable world” – this is the German government’s ambitious goal since taking over the G7 presidency in 2022. Since the 1970s, this club of seven major industrialised democracies has played an important role in discussing global affairs and developing policies to address major challenges facing the international order. Germany’s presidency was supposed to be characterised by a triad of ecological transformation, social cohesion and fiscal sustainability, but instead the agenda has been dominated by a triple crisis of geopolitical escalation in the wake of Russia’s invasion of Ukraine, democratic regression in several G7 member states and geo-economic disentanglement due to Covid-19. In order to deal with the multiple crises that pose grave dangers to the global community, the G7 should focus on inclusive societies, selective international cooperation and anticipatory governance.
Am 8. August 2022 hat das russische Außenministerium bekanntgegeben, dass Russland die USA darüber informiert habe, Inspektionen im Rahmen des New START-Vertrages (Strategic Arms Reduction Treaty) weiter auszusetzen. Der nukleare Rüstungskontrollvertrag zwischen den beiden Ländern wurde 2010 von den Präsidenten Barack Obama und Dmitri Medwedew unterzeichnet und ist seit dem 5. Februar 2011 in Kraft. Er begrenzt die Zahl strategischer Trägersysteme und Atomsprengköpfe. Teil des Vertragsregimes sind aber auch ein stetiger Informationsaustausch über die Anzahl der Sprengköpfe und Trägersysteme, Notifikationen von Raketentests sowie bis zu jeweils 18 Inspektionen vor Ort pro Jahr, um diese Daten zu verifizieren.
Bisher wurden diese Regelungen von beiden Staaten trotz des Kriegs und der hohen Spannungen zwischen Washington und Moskau eingehalten. So tauschten sie nur wenige Tage nach Kriegsbeginn Daten gemäß den Vertragsbestimmungen aus. Auch informierte Russland die USA über den Test ihrer Sarmat Interkontinentalrakete im April 2022. Die vom Vertrag vorgesehen Inspektionen wurden jedoch seit Beginn der Corona-Pandemie ausgesetzt. Während die USA diese nun wieder aufnehmen wollten, hat Russland dem vorerst eine Absage erteilt. Dabei verweist Russland in seiner Meldung vom 8. August insbesondere auf die gegen Russland wegen des Kriegs verhängten Reisebeschränkungen: Der normale Luftverkehr zwischen den USA und Russland sei ausgesetzt und der Luftraum von US-Verbündeten und Partnern für russische Flugzeuge mit russischen Inspektionsteams an Bord gesperrt. Ein weiteres Hindernis würden die strengeren Visaregelungen von potenziellen Transitländern darstellen. Dies bedeute eine einseitige Beschränkung zum Nachteil Russlands. Auch führt Moskau die Corona-Situation in den USA als Argument an. Ein weiteres Aussetzen der Inspektionen sei aus russischer Sicht daher angebracht und rechtlich – gemäß einer Regelung aus dem Vertragsprotokoll – auch möglich.
Ein politisches SignalDiese Gründe wirken fragwürdig, ist es doch unwahrscheinlich, dass die USA und europäische Transitländer Inspektionsteams von Reisebeschränkungen nicht befreien würden. Dennoch bleibt unklar, was Russland genau bezweckt. Dabei fällt auf, dass Russland die Meldung parallel zur Überprüfungskonferenz des Nuklearen Nichtverbreitungsvertrags (NVV) veröffentlicht hat, anstatt die Unstimmigkeiten mit den USA direkt zu lösen. Laut dem russischen Außenministerium habe Russland dies zunächst probiert, die Bedenken seien jedoch von Washington ignoriert worden. Die USA haben sich dazu bisher nicht öffentlich geäußert. Es ist aber auch möglich, dass Moskau dieses Thema angesichts der an Russlands Nuklearaktivitäten geäußerten Kritik bei der Konferenz künstlich hochspielen will. Noch am 5. August hatte die russische Delegation dort die Bedeutung von New START betont.
In jedem Fall spiegelt der Schritt die gespannten Beziehungen zwischen Washington und Moskau wider. Solange die sonstigen Vertragsbestimmungen eingehalten werden, muss ein weiteres Aussetzen der Inspektionen das technische Funktionieren des Vertrags zwar nicht gefährden, es ist aber ein politisches Signal: Inspektionen gelten als wichtiger Indikator für die Bereitschaft zur Kooperation. Grundsätzlich sollten beide Seiten ein Interesse an einem funktionierenden Vertragsregime haben. Denn sowohl die USA als auch Russland hätten theoretisch das Potenzial, binnen relativ kurzer Zeit, die Zahl ihrer stationierten Atomsprengköpfe um mehrere hundert zu erhöhen. Eine effektive Kooperation im Rahmen von New START ermöglicht es beiden Staaten, einen Einblick in das strategische Arsenal und die Nuklearwaffenaktivitäten der jeweils anderen Seite zu erlangen, was Berechenbarkeit insbesondere in Krisensituationen fördert.
Von Abrüstung zu gesteuerter Aufrüstung?Doch selbst wenn sich der Dissens mit Blick auf Inspektionen klären lässt, bleibt die Zukunft der strategischen Rüstungskontrolle zwischen den USA und Russland ungewiss. New START wurde Anfang 2021 von beiden Seiten für weitere fünf Jahre verlängert. 2026 läuft der Vertrag aus. Daher wollten die USA und Russland die Zeit nutzen, um Nachfolgebegrenzungen zu verhandeln. Während der strategische Stabilitätsdialog zwischen Moskau und Washington letztes Jahr wieder aufgenommen wurde, setzte die amerikanische Seite diesen angesichts Russlands Angriffskrieg aus. In den letzten Wochen haben Präsident Biden und Präsident Putin ein grundsätzliches Interesse an einer Wiederaufnahme des Dialogs und an Regelungen für die Zeit nach New START geäußert. Solange Russlands Krieg in der Ukraine andauert, bleibt ein neuer Gesprächsanlauf jedoch unwahrscheinlich.
Noch zweifelhafter erscheint es, dass sich beide Seiten auf ein vertraglich-ratifiziertes Nachfolgeabkommen einigen könnten. Dabei stellen nicht nur die unterschiedlichen Positionen bezüglich des Vertragsinhalts ein Problem dar. Angesichts Chinas nuklearer Aufrüstung ist es zudem extrem unwahrscheinlich, dass der US-Kongress Begrenzungen zustimmen würde, die nur die USA und Russland betreffen. China einzubinden dürfte hingegen nahezu unmöglich sein. Zudem fordern in den USA bereits jetzt erste Stimmen, die US-Atomstreitkräfte angesichts der wachsenden Bedrohung von Russland und China in den nächsten Jahren auszubauen.
Vieles wird daher davon abhängen, wie sich der Krieg in der Ukraine entwickelt, wer die nächste US-Präsidentschaft gewinnt und wie sich Chinas nukleare Aufrüstung gestalten wird. Was aber jetzt schon klar sein dürfte, ist, dass Rüstungskontrolle in Zukunft wieder stärker kompetitiv geprägt sein wird. Eine politisch verbindliche Obergrenze der strategischen Offensivwaffen von den USA und Russland scheint im Bereich des Möglichen zu liegen. Dabei wird es jedoch aller Voraussicht nach vorrangig um eine gesteuerte Aufrüstung gehen, Erfolge im Bereich der Abrüstung gelten als nahezu unmöglich. Und bleibt die Frage um die Inspektionen ungelöst, könnte das Gerüst der strategischen Rüstungskontrolle schon vor dem Ende von New START einstürzen.
Das Wahljahr 2022 hat Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron geschwächt. Obgleich wiedergewählt, ist sein politischer Handlungsspielraum jetzt stark eingeschränkt. Mehrheiten für seine wirtschafts- und sozialpolitischen Reformen müssen teuer erkauft werden, lassen sich vielleicht gar nicht finden. Die Auflösung der Nationalversammlung könnte ein Ausweg sein. Dass die politischen Extreme weiter gestärkt werden, kann Macron nur vermeiden, wenn er zu seinem Versprechen einer progressiven Politik zurückkehrt und die Kluft zwischen Arm und Reich verringert. Seine politische Agenda birgt Konflikte für die deutsch-französische Europapolitik. Will Berlin jedoch verhindern, dass Macrons Nachfolgerin 2027 tatsächlich Marine Le Pen heißt, sollte es die Reformagenda des französischen Präsidenten unterstützen.
Russia’s war against Ukraine has led the EU-27 to grant Kyiv EU-candidate status quickly – even hastily, in the view of critics. For now, however, the preparation of accession negotiations can only be a secondary concern. The war, with its uncertain outcome, takes centre stage. For the EU this means supporting Ukraine militarily as well as financially and helping to organise international aid for reconstruction. Given this context, we should expect the EU not simply to adhere to the usual enlargement script in shaping its relations with Ukraine. Instead, it should coordinate three frameworks for action: the future accession negotiations, the current process of association, and potential new formats, such as a European Political Community or a European Political and Economic Area.
Im Koalitionsvertrag 2021–2025 sprechen sich die Ampel-Parteien für eine »Feminist Foreign Policy« aus. Das Auswärtige Amt (AA) hat sich einer »feministischen Außenpolitik« (FAP) verschrieben und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) will eine »feministische Entwicklungspolitik« verfolgen. Auch im Erstellungsprozess der »Nationalen Sicherheitsstrategie« soll über FAP diskutiert werden. Damit schließt sich Deutschland einem Trend an: Immer mehr Regierungen schreiben sich eine FAP auf die Fahnen oder wollen Elemente davon umsetzen. So deutlich diese Entwicklung sich auch zeigt, bleibt dennoch unklar bzw. umstritten, was der feministische außenpolitische Ansatz konzeptionell wie materiell genau bedeutet – welche Voraussetzungen er benötigt, in welchen Zusammenhängen er sich bewegt und welche Implikationen er mit sich bringt. Diese Offenheit gibt Anlass zur Debatte, an der sich Stimmen aus Politik, Zivilgesellschaft und Wissenschaft beteiligen. Zwar finden feministische Ansprüche nur begrenzt in den nationalen Implementierungsvarianten der FAP ihren Niederschlag. Aber schon der offizielle Bezug auf Feminismus fordert tradierte Denk- und Politikmuster heraus, drängt zur Überprüfung politischer Priorisierung und Kohärenz und kann Politikinnovation fördern.