Angesichts der Gaskrise und der russischen Invasion der Ukraine ist der Markthochlauf von Wasserstoff noch dringlicher geworden für die europäische und die deutsche Energiepolitik. Die ehrgeizigen Ziele für grünen Wasserstoff stellen die Europäische Union (EU) und die junge Wasserstoffökonomie allerdings vor enorme Probleme. Abgesehen vom Strombedarf fehlen vor allem Produktionskapazitäten für Elektrolyseure. Die anvisierte Produktionsskalierung von Elektrolyseuren ist kaum zu schaffen, außerdem steht sie im Konflikt zu Importbestrebungen und zementiert neue Abhängigkeiten von Lieferanten wichtiger Rohstoffe und kritischer Komponenten. Während eine Entkoppelung von Russlands Rohstofflieferungen zumindest möglich ist, führt an China kein Weg vorbei, will die EU ihre Ziele erreichen. Nebst erleichterten Regularien, einem aktiven Rohstoffmanagement und neuen Partnerschaften sollte Europa auch die einseitige Beschränkung auf grünen Wasserstoff überdenken.
Ferdinand (genannt »Bongbong«) Marcos junior gewann am 9. Mai mit einem Erdrutschsieg die Präsidentschaftswahlen der Philippinen und wurde am 30. Juni offiziell vereidigt. Während des Wahlkampfs war der Sohn des 1986 gestürzten philippinischen Diktators Ferdinand Marcos senior in außen- und sicherheitspolitischen Fragen äußerst vage geblieben. Einige Beobachter spekulierten zunächst über eine Fortführung der unter Amtsvorgänger Rodrigo Duterte vollzogenen außenpolitischen Hinwendung zur Volksrepublik China. Mittlerweile zeigt sich jedoch bereits ein deutlich nuancierteres Bild der zu erwartenden Außenpolitik unter Marcos jr. Der neugewählte Präsident dürfte in stärkerem Maße als sein Vorgänger eine Balance im Verhältnis zu China und den USA suchen. Er tritt damit in die außenpolitischen Fußstapfen seines Vaters. Ein solcher Kurs könnte Deutschland und der EU neue Kooperationsmöglichkeiten eröffnen – sofern die Zusammenarbeit den in erster Linie innenpolitisch motivierten Zielsetzungen der neuen Marcos-Regierung entspricht.
Seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine zeigt sich in der medialen Berichterstattung die unerfreuliche Tendenz, internationale Politik anhand der Leitdifferenz »Freund oder Feind« zu beobachten. Was sich dem Schema entzieht, wird der Einfachheit halber auf der einen oder anderen Seite der Distinktion verortet: Wer nicht mit uns ist, ist gegen uns – und umgekehrt. Auch das Gipfeltreffen der Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) im usbekischen Samarkand als Versuch zu deuten, eine neue anti-westliche Achse des Bösen zu etablieren, greift zu kurz. Für die Mitglieder der Organisation besteht die wichtigste Funktion der SOZ seit jeher darin, die Interessen untereinander auszutarieren. Dies gilt vor dem Hintergrund der geopolitischen Konfrontation mehr denn je.
Kein eurasisches Pendant zur NatoDie SOZ war im Juni 2001 als Nachfolgeorganisation der »Schanghai-Fünf« gegründet worden, einem seit 1996 bestehenden Bündnis, dem Russland, die Volksrepublik China sowie ihre drei zentralasiatischen Nachbarn Kasachstan, Kirgistan und Tadschikistan angehörten. Mit der Überführung in die SOZ trat auch Usbekistan bei. In der Folge hat sich die Organisation, in die 2017 auch Indien und Pakistan aufgenommen wurden, als überregionales sicherheitspolitisches Format etabliert, in dem Beobachter stets eine Art sino-russisches Pendant zur Nato sahen.
Solche Ambitionen mögen auf russischer Seite durchaus vorhanden gewesen sein. Doch die Interessen und Präferenzen der Mitglieder standen ihnen immer entgegen. Die führende Rolle in der Organisation spielte von Anfang an China. Der Volksrepublik ging es vor allem darum, unter dem Dach des Multilateralismus mit seinen drei zentralasiatischen Nachbarn eine Reihe offener Fragen zum Grenzverlauf zu klären und die Gefahr der »drei Übel: Separatismus, Extremismus und Terrorismus« einzudämmen beziehungsweise ein Übergreifen islamistischer Bewegungen von Zentralasien ins eigene Land zu verhindern. Die Mehrzahl der Vereinbarungen zwischen den SOZ-Mitgliedern war dabei de facto stets bilateraler Natur.
Russlands Bemühungen, eine supraregionale sicherheitspolitische Allianz zu schaffen und die SOZ mit der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit OVKS – der Russland, Weißrussland, Armenien, Kasachstan, Kirgistan und Tadschikistan angehören – zu verschmelzen, sind nicht weit gediehen. Das liegt zum einen daran, dass eine solche Fusion von der Mehrzahl der Mitgliedstaaten nicht gewünscht war. Zum anderen vertraten Russland und China seit jeher unterschiedliche Auffassungen über Funktion und Stellenwert der SOZ, die sie vor allem als Vehikel für die Durchsetzung der eigenen politischen und wirtschaftlichen Ziele betrachteten. Folglich bestand die Hauptfunktion der SOZ in erster Linie darin, die Politik Russlands und Chinas in Zentralasien auszubalancieren.
Multilateralismus der BlockfreienAn diesen Gegebenheiten wird das Gipfeltreffen in Samarkand wenig ändern. Zu unterschiedlich sind nach wie vor die Zielsetzungen und Präferenzen der beteiligten Staaten. Dem chinesischen Staatschef Xi Jinping bietet die Teilnahme am Gipfel Gelegenheit, Chinas Anspruch als Gestaltungsmacht in Eurasien im Rahmen der Seidenstraßeninitiative (One Belt One Road) zu erneuern. Präsident Putin wird das Treffen seinerseits nutzen, um Rückhalt für seine Politik zu gewinnen, die in hartem Kontrast zu westlichen Vorstellungen steht und folglich auch anti-westliche Rhetorik impliziert. Die Anwesenheit weiterer Staatschefs, die in einem kritischen Verhältnis zum Westen stehen, dürfte unweigerlich dazu führen, dass sich die Gipfelteilnehmer über solche Kritik nicht nur hinter verschlossenen Türen verständigen.
Doch diese Konstellation bedeutet keineswegs, dass das Gipfeltreffen in Samarkand die SOZ in ein Bündnis gegen den Westen transformiert. Mutmaßungen dieser Art verkennen nicht zuletzt die Interessen der zentralasiatischen Kernmitglieder der Organisation. Insbesondere für die beiden zentralasiatischen Schlüsselstaaten Usbekistan und Kasachstan wäre eine gegen den Westen gerichtete Blockbildung alles andere als wünschenswert. Für diese Staaten, deren politisches Gewicht innerhalb der SOZ seit den Gründungsjahren erheblich gewachsen ist, liegt der Wert der SOZ gerade in ihrem bündnisfreien Status, wie Usbekistan als Gastgeber im Vorfeld des Gipfels hervorgehoben hat. Aufgrund der historischen Erfahrung mit den hegemonialen Bestrebungen Russlands und Chinas ist außenpolitische Unabhängigkeit für die zentralasiatischen Mitglieder ein Wert von allerhöchstem Rang. Besonders mit Russland verbindet sie ein komplexes Geflecht von Beziehungen und Abhängigkeiten. Diese würden sie lieber lockern als festigen – und das Mittel der Wahl ist eine diversifizierte Außenpolitik. Dabei kommt gerade den Beziehungen zu westlichen Staaten große Bedeutung zu.
Vor diesem Hintergrund ist auch die Erweiterung der SOZ um Länder wie den Iran und, perspektivisch, die Türkei sowie arabische Staaten eine ausgesprochen attraktive Option für die Zentralasiaten. Sie verbinden damit aber gerade nicht die Aussicht auf eine machtvolle Allianz gegen den Westen, von der sie keinerlei Vorteil hätten. Vielmehr liegt der Nutzen einer erweiterten SOZ für sie darin, die Vielstimmigkeit innerhalb der Organisation zu vergrößern, Machtansprüche einzelner Mitglieder dadurch zu zähmen und gleichzeitig den eigenen Handlungsspielraum zu erweitern.
Der deutsche Strompreis hat selbst Extremszenarien überholt. In der öffentlichen Debatte steht insbesondere das europäische Strommarktdesign in der Kritik. Es sieht einen einheitlichen Strompreis vor, vorgegeben durch den teuersten Anbieter im aktuellen Strommix – häufig Gaskraftwerke. Somit überträgt sich der momentan sehr hohe Gaspreis auf den Strompreis, obwohl die durchschnittlichen Stromerzeugungskosten dank anderer Technologien nur bedingt gestiegen sind. Nur mit drastischen Maßnahmen können Deutschland und die EU verheerende Folgen für Haushalte und Industrie, ihre geopolitische Handlungsfähigkeit und den nationalen wie europäischen Zusammenhalt noch abwenden.
Markteingriffe nötig, aber nicht hinreichendDas von der Bundesregierung beschlossene Entlastungspaket III sieht direkte Strommarkteingriffe vor: Nutzern wird ein Basisstromverbrauch subventioniert, finanziert durch Gewinnabschöpfungen bei den profitabelsten Unternehmen, meist Solar- und Windstromproduzenten. Solche kurzfristigen Markteingriffe, welche auch der EU-Energieministerrat verhandelt, sind essenziell, damit Strom für Haushalte und vor allem Unternehmen bezahlbar bleibt.
Makroökonomisch wie auch geopolitisch ist ein starker Industriestandort mit sicherer und bezahlbarer Energieversorgung ein übergeordnetes Interesse. Europäische Wertschöpfungsketten sind eng verflochten und das potenzielle Ausmaß einer anhaltenden Stromkrise auf Wohlstand und internationale Handlungsfähigkeit ist enorm. In Zeiten erhöhten Systemwettbewerbs und geopolitischer Verwerfungen bedarf es einer starken Industrie, um technologische Standards zu setzen sowie geoökonomisch zunehmend durchlässige Wirtschafträume in der direkten Nachbarschaft anzubinden und zu stabilisieren.
Die unkontrollierten Preise motivieren zwar theoretisch den Ausbau erneuerbarer Energien und stromsparender Produktion. In der Realität jedoch benötigen die grüne Produktionstransformation und die Entwicklung klimafreundlicher Technologien genau die Industrie, die gerade aufs Spiel gesetzt wird. Markteingriffe bringen kurzfristig soziale und ökonomische Stabilisierung. Letztlich kann aber nur eine Erhöhung des Angebots Entspannung bringen. Deutschlands Weigerung, technologieneutral alle Erzeugungsmöglichkeiten auszuschöpfen, birgt das Risiko einer Deindustrialisierung und erodiert die europäische Solidarität.
Ausbau der Erzeugungskapazitäten dient europäischer SolidaritätAls der Gasmangel absehbar wurde, bat die Bundesregierung die EU-Mitgliedstaaten um Solidarität. Deutschland nutzt aktuell bestehende Flüssiggashäfen und Pipelinekapazitäten in Holland, Belgien und Skandinavien, um seine Gasspeicher zu füllen – und bald auch in Frankreich. Abgesehen von Einsparungen und dem Bau von Flüssiggasterminals kann Deutschland hier kaum unterstützen, wohl aber im Strommarkt: In Frankreich sind Kraftwerkskapazitäten ausgefallen; auch anderswo sind Kraftwerke durch niedrige Flussstände eingeschränkt.
Kurzfristig müsste daher nebst Braunkohlekraftwerken vor allem der Weiterbetrieb deutscher Kernkraftwerke selbstverständlich sein. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz versagt letzteres jedoch entgegen der eigens in Auftrag gegebenen Empfehlungen der deutschen Übertragungsnetzbetreiber. Auch wenn der Beitrag der Kernkraftwerke im Winter auf nur fünf Terrawattstunden geschätzt wird, hat das Thema eine massive Symbolwirkung im europäischen Ausland: Es forciert das Narrativ, Deutschland fordere die Hilfe anderer ein, sei jedoch nicht bereit, seine eigenen Befindlichkeiten für das Gemeinwohl außen vor zu lassen. Das Zögern der Bundesregierung spielt auch Russland in die Karten, das auf eine Spaltung Europas und Aufstände der Bevölkerung setzt. Einen Vorgeschmack auf Letzteres bietet Tschechien, wo jüngste Massendemonstrationen infolge der Energiepreise den Rücktritt der Regierung gefordert haben und Generalstreiks angekündigt wurden.
Auch beim Kapazitätszubau muss Deutschland Bürokratie und Kleinstaaterei endlich überwinden. Flüssiggasterminalbau und Corona-Politik haben eindrucksvoll gezeigt, dass Projekte schnell umgesetzt werden können – politischer Wille vorausgesetzt. Sondergenehmigungen für Windkraftanlagen und das Streichen von Abstandsreglungen sollten höchste Priorität bekommen. Die mittelfristige Anbahnung von Gas-Fracking könnte Abhängigkeiten schlagartig vermindern und eine Brücke zu blauem Wasserstoff schlagen. Auch würde sie europäischen Partnern signalisieren, dass Deutschland ernsthaft an der Stabilisierung der Lage mitwirkt.
Diskussion zur Strommarktreform rasch und unbefangen anstoßenDoch es geht nicht nur um ad-hoc-Preisstabilisierung. Viele Strommarktökonomen wehren sich vehement gegen Marktreformen; sie berufen sich auf notwendige Anreize für den Zubau erneuerbarer Energien, welche das aktuelle System durch hohe Gewinnmargen schafft. Dies vermögen aber auch andere Ansätze, beispielsweise feste, technologiespezifische Einspeisetarife. Sie waren bereits Bestandteil des Erneuerbare-Energien-Gesetzes und könnten durch eine zentrale europäische Behörde vorgegeben werden, was auch Resilienz böte. Weiterhin schieben Verteidiger des bestehenden Marktdesigns die angebliche Natürlichkeit des Preisbildungsmechanismus und eine damit verbundene Markteffizienz vor. Der Strommarkt und dessen Preise sind aber nicht frei und natürlich, sondern ein hochkomplexes regulatorisches Konstrukt, basierend auf einer historisch ausgehandelten Linie zwischen staatlicher Verwaltung und privatem Handeln.
Letztlich wurde der europäische Strommarkt in einer anderen Zeit und für andere Bedingungen entwickelt; eine Perspektive, die auch die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vertritt und daher Reformen ankündigte. Nicht nur technoökonomische, sondern vor allem auch (geo-)politische Imperative müssen Entscheidungen leiten, denn die Verhältnisse zwischen Renationalisierung und Zentralisierung, Liberalisierung und Lenkung sowie Markt und Versorgungssicherheit müssen neu tariert werden. Die Linie zwischen Staat und Markt – Wesen und Bestand des seit fast 20 Jahren liberalisierten Strommarktes – darf kein Dogma sein und muss entsprechend der Ziele und Gegebenheiten zur Debatte stehen. Diese Debatte sollte Deutschland proaktiv vorantreiben.
The de facto politically independent Taiwan is coming under increasing pressure from the People’s Republic of China (PRC) and its claim to reunification. In addition to militarily threatening gestures, Beijing is employing economic and political means as well as cyberattacks and disinformation campaigns. This threatens the stability and status quo in the Taiwan Strait. Taiwan is of immense importance to East Asia’s geopolitical dynamics: geo-strategically as part of the first island chain that restricts the PRC’s access to the Pacific, and economically-technologically as a leading manufacturer of semiconductors. In the global systemic conflict between liberal-democratic and authoritarian political systems, Taiwan holds a prominent position as a consolidated, pluralistic democracy and political counter-model to the authoritarian system of the PRC. It is in the interest of Germany and Europe that peace and stability in the Taiwan Strait are preserved, to make better use of Taiwan’s economic and technological potential and to extend value-based support for its free and democratic society. Germany is committed to a one-China policy, which rules out any diplomatic recognition of Taiwan. Nevertheless, there is scope to expand and intensify relations below this threshold and thus counter China’s policy of intimidating and isolating Taiwan. The Taiwan policies of the United States, Japan, Singapore, South Korea, Australia, India as well as European partner countries show that there is room for pursuing closer relations with Taiwan while at the same time adhering to a one-China policy. Thus, options for action exist in foreign and security policy, trade and economic policy, as well as cultural policy.
China schätzt die weltweite Zahl der chinastämmigen Menschen außerhalb der Volksrepublik auf 60 Millionen Personen. Peking betrachtet sie, unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft, allesamt als Angehörige Chinas. Auslandschinesen spielen aus Sicht Xi Jinpings eine »unersetzliche Rolle« für Chinas Aufstieg zur Weltmacht. Peking bemüht sich intensiv darum, auslandschinesische Ressourcen für eigene Zielsetzungen in den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft und Technik sowie Diplomatie und Soft Power nutzbar zu machen. Auch von Menschen chinesischer Herkunft in Deutschland fordert Peking, die Beziehungen zwischen China und Deutschland zu vertiefen. Aber nicht nur das: Sie sollen als »inoffizielle Botschafter« auch Chinas Narrative in der deutschen Öffentlichkeit verbreiten, Chinas »Kerninteressen« verteidigen und beim Wissens- und Technologietransfer nach China helfen. Chinas Diasporapolitik sind gleichwohl Grenzen gesetzt: Die Reaktionen chinesischer Migranten auf Chinas Ambitionen fallen heterogen aus. Sie reichen von der Bereitschaft zur Kooperation bis hin zu Desinteresse oder offener Ablehnung. Deutsche Akteure sollten ein umfassendes Verständnis der chinesischen Diasporapolitik und der damit verknüpften Ziele und Praktiken entwickeln. So wie in Peking auch sollte die Diasporapolitik als wichtiger Bestandteil der chinesischen Außenpolitik wahrgenommen werden. Erst auf dieser Basis können dort, wo deutsche Interessen, Rechtsprinzipien oder gesellschaftliche Werte berührt sind, Antworten auf Chinas Ambitionen gefunden werden – ohne damit zugleich Menschen chinesischer Herkunft einem Generalverdacht auszusetzen. Auch sollten deutsche Akteure ihr Engagement in Communities von Menschen mit chinesischem Migrationshintergrund ausbauen, anstatt dieses Feld chinesischen Behörden zu überlassen.
Der russische Krieg gegen die Ukraine markiert nicht nur für Europas Sicherheitspolitik einen Wendepunkt, sondern auch für seine Wirtschaft. Dies gilt insbesondere für die Eurozone, deren ungelöste Probleme in einen neuen Kontext gestellt werden. Erstens wurden die Ansätze soliden Wachstums, die sich nach der Pandemie gezeigt hatten, durch eine Phase des wirtschaftlichen Abschwungs und eine Rekordinflation abgelöst. Zweitens dürften sich die Normalisierung der Geldpolitik und die Energiekrise zunehmend negativ auf die Fiskalpolitik auswirken. Und drittens muss zu der langen Liste an Herausforderungen, vor denen der Euroraum steht, auch in wirtschaftlicher Hinsicht die Sicherheit hinzugefügt werden. Notwendig ist vor allem, die ökonomische Abhängigkeit von Drittländern zu überwachen und zu verringern, denn sie kann zu Versorgungsschocks führen, die die Stabilität der Währungszone bedrohen.
Mit der gemeinsamen Ankündigung, erneut Friedensgespräche aufnehmen zu wollen, haben der neue Präsident Kolumbiens und die zweitgrößte Guerilla-Gruppe des Landes, die ELN, ein klares politisches Signal gesetzt. Die Befriedung der ELN (Ejército de Liberación Nacional) soll unter der Ägide einer »linken« Regierung gelingen und von einem umfassenden und ambitionierten Reformprojekt flankiert werden. Damit wird – nach dem Friedensschluss mit den FARC-Rebellen im Jahre 2016 – ein erneuter Anlauf genommen, um den Bürgerkrieg zu beenden. Allerdings kann das Abkommen mit der FARC nur begrenzt als Blaupause dienen. Das liegt nicht nur an dem unterschiedlichen historischen Ursprung beider Guerilla-Gruppen, sondern auch an der inneren, stark dezentral angelegten Struktur der ELN. Noch sind Fragen des Waffenstillstands und der Freilassung von Gefangenen als Vorbedingungen ungeklärt. Es stehen langwierige Verhandlungen bevor, bei denen die kolumbianische Zivilgesellschaft einbezogen werden muss, da zentrale Zukunftsfragen des Landes zu klären sind.