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Stiftung Wissenschaft und Politik
Updated: 1 hour 21 min ago

Heimatschutz und Verteidigung

Tue, 09/11/2021 - 14:14
Militärische Dimension einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe

Dauerbaustelle Binnenvertreibung

Mon, 08/11/2021 - 01:00

Im September hat das vom Generalsekretär der Vereinten Nationen (UN) eingesetzte »High-Level Panel zu Binnenvertreibung« seinen Abschlussbericht vorgelegt. Darin verlangt es eine Schwer­punktverschiebung von kurzfristigen humanitären hin zu längerfristigen entwicklungsorientierten Ansätzen und somit eine Fokussierung auf dauerhafte Lösungen. Zentrale Reformvorschläge des Panels – ins­besondere die Ein­richtung eines Globalen Fonds und die Ernennung eines UN-Sonder­beauftragten zum Thema – sind auf inter­nationaler Ebene derzeit nicht konsensfähig. Gleichwohl bietet der Bericht wichtige Ansatzpunkte, um langandauernde Binnenvertreibung zu bewäl­tigen: zum einen neue Anreizstrukturen und Rechenschaftsmechanismen, um eine aktive Beteiligung der direkt betroffenen Regierungen zu för­dern, zum anderen die Opera­tionalisierung des Humanitarian-Development-Peace Nexus (HDP-Nexus). Um diese Empfehlungen mit Leben zu füllen, sollte sich die neue Bundesregie­rung ressort­übergreifend im Follow-up-Prozess zum High-Level Panel engagieren.

Nicaragua: eine Wahlfarce im Zeichen der Familiendynastie

Fri, 05/11/2021 - 15:07

Das Regime von Nicaraguas Präsident Daniel Ortega und seiner Ehefrau sowie Vizepräsidentin Rosario Murillo versucht, sich für weitere vier Jahre die Macht zu sichern. Ziel ist es, den eigenen Familienclan an den Schalthebeln der wirtschaftlichen und politischen Macht zu halten. Die für den 7. November angesetzten Wahlen sollen dem Regime den Anschein von Legitimität verleihen. Dabei bewegt es sich seit Jahren in eine autoritäre Richtung. Im Vorfeld des Urnengangs wurden die Gewaltenteilung ausgehöhlt und die demokratischen Institutionen gleichgeschaltet. Manche sprechen offen von einer Diktatur.

Ständige Schikanen gegen die Opposition sind bereits seit den regimekritischen Protesten im Jahr 2018 an der Tagesordnung: Seither werden Vertreter der Kirchen und Unternehmerverbände mit strafrechtlichen Ermittlungsverfahren überzogen und verhaftet. Derzeit befinden sich mehr als 160 prodemokratische Akteure im Gefängnis oder im Hausarrest, darunter fünf Präsidentschaftskandidaten der Opposition sowie weitere Politikerinnen und Politiker. Zahlreiche Menschenrechtsaktivisten haben sich ins Exil begeben. Die unabhängige Presse, insbesondere die oppositionelle Zeitung »La Prensa«, wird durch die Reduzierung von Papierlieferungen in ihrer Verbreitung massiv eingeschränkt. In diesem Klima von freien Wahlen zu sprechen, ist reiner Hohn.

Der Widerstand der Opposition scheint mittlerweile gebrochen. Nach der Verfolgung ihrer Sprecher ist ihr der innere Zusammenhalt verloren gegangen. Nach jüngsten Umfragen ist von einer sehr geringen Wahlbeteiligung auszugehen – ein letztes Mittel, mit dem die Bevölkerung ihrem Protest Ausdruck verleihen kann. Das Land scheint erneut unter eine Familienherrschaft zu geraten, wie einst unter dem Somoza-Clan, dem Ortegas Sandinisten 1979 ein Ende bereiteten.

Vom revolutionären Nimbus ist Daniel Ortega nichts geblieben. Der einstige Widerstandskämpfer hat sich zum autoritären Herrscher gewandelt, der das Land politisch und wirtschaftlich dominiert – und für eigene Zwecke ausnutzt. In erstarrten Formen revolutionärer Symbolik, esoterisch-religiöser Aufladung und repressiver Kontrolle hat er einen Wahlkampf inszeniert, dessen Ergebnis bereits feststeht. Die noch im Rennen befindlichen Parteien spielen keine Rolle mehr.

Schwache regionale Reaktionen

Die Protagonisten des Regimes vertrauen darauf, dem Druck der internationalen Gemeinschaft und den gegen sie verhängten Sanktionen mit Hilfe ihrer Partner in Venezuela und Kuba ausweichen zu können. Auch das Drehbuch für den Umgang mit den Oppositionellen in Nicaragua könnte in Caracas geschrieben worden sein, so nah ist die nicaraguanische Realität an den Methoden, die Präsident Nicolás Maduro – ein Verbündeter Ortegas – seit Jahren in Venezuela praktiziert.

Auf internationaler Ebene gelingt es nicht, eine einheitliche Position einzunehmen: Zwar forderten am 20. Oktober 26 Mitglieder der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) in einer gemeinsamen Resolution, das Ortega-Murillo-Regime müsse zu einer sofortigen Lösung der soziopolitischen Krise beitragen und alle politischen Gefangenen freilassen. Allerdings enthielten sich auch sieben Mitgliedsländer der Stimme, darunter die Nachbarländer Guatemala und Honduras. Nicaragua ist in der Region Zentralamerika nicht isoliert.

Erst Ende Oktober unterzeichnete der umstrittene honduranische Präsident Juan Orlando Hernández in Managua ein Grenzabkommen. El Salvadors Präsident Nayib Bukele zeigt gleichermaßen stark autoritäre Züge, so dass auch von dieser Seite kein Druck auf Nicaragua erfolgt. Ebenso wenig ist von Mexiko zu erwarten: Dessen Präsident López Obrador verfolgt eine Politik der Nichteinmischung. Sein Land enthielt sich bei der Resolution zur Lage in Nicaragua ebenfalls der Stimme. Zwar riefen Mexiko und Argentinien ihre Botschafter zur Berichterstattung zurück, weitergehende Maßnahmen blieben aber aus. So werden Menschenrechtsverletzungen und die anstehende Wahlfarce in Nicaragua in Kauf genommen.

Nur Costa Rica hat einen klaren Kurs gegen die autokratische Entwicklung in Nicaragua eingeschlagen. Es ist Zielland vieler Personen, die dort Zuflucht vor Verfolgung suchen und sich im Exil weiter gegen die Repression in der Heimat einsetzen. In den vergangenen beiden Jahren haben mehr als 100.000 Menschen Nicaragua verlassen, monatlich bitten gegenwärtig mehr als 5.000 Nicaraguaner um Aufnahme in Costa Rica. Damit kommt dieses Aufnahmeland an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit und hat bei internationalen Organisationen wie UNHCR um mehr Unterstützung bei der Betreuung der Geflüchteten gebeten. Hier sollte auch die internationale Hilfe ansetzen.

Wie weiter nach der Wahlfarce?

Nach den Wahlen am 7. November und seinem »Wahlerfolg« wird das Ortega-Murillo-Regime erneut versuchen, sich international als legitim darzustellen. Vor diesem Hintergrund muss die internationale Gemeinschaft die Wahlfarce umgehend verurteilen. Das bisher von den USA, Kanada und der EU betriebene Sanktionsmodell, das die Reisefreiheit und den Zugang zu Auslandsguthaben führender Mitglieder des Ortega-Murillo-Regimes einschränkt, kann zwar noch weiter ausgedehnt werden, nähert sich aber bereits seinen Grenzen. Es bedarf eines umfassenderen Instruments, um stärkeren Druck auf das Regime auszuüben. So prüft Washington gegenwärtig eine Suspendierung Nicaraguas vom zentralamerikanischen Freihandelsabkommen (CAFTA). Am Mittwoch verabschiedete das US-Repräsentantenhaus eine Gesetzesinitiative (Ley Renacer), die Sanktionen gegen die für unfaire Wahlen verantwortlichen Nicaraguaner vorsieht. Die EU sollte handelspolitische Maßnahmen ergreifen und die Demokratieklausel im Assoziierungsabkommen mit der Region auslösen. Nicaragua wäre dann vom Abkommen zwischen der EU und Zentralamerika suspendiert, bis es rechtsstaatliche Verhältnisse wiederherstellt. Darüber hinaus sollte die internationale Gemeinschaft der Opposition international zu mehr Präsenz verhelfen, nicht nur den führenden Intellektuellen des Landes wie dem Schriftsteller und ehemaligen Vizepräsidenten Sergio Ramírez, der Autorin Gioconda Belli oder dem Publizisten Carlos Fernando Chamorro, sondern auch anderen Stimmen aus dem Oppositionslager.

Nicaragua ist kein Einzelfall. Auch in den Nachbarländern werden der Rechtsstaat ausgehöhlt und demokratische Verfahren zersetzt. Die anstehenden Wahlen in Nicaragua könnten diese autokratischen Dynamiken in Zentralamerika befeuern. Dem muss die internationale Gemeinschaft entgegenwirken.

Das deutsch-ukrainische Verhältnis am Beginn der Post-Merkel-Ära

Thu, 04/11/2021 - 01:00

Unter der letzten Bundesregierung wurde Deutschland zum wichtigsten internatio­nalen Partner der Ukraine nach den USA. Ungeachtet dessen hat sich die ukrainische Führung stets mehr sicherheitspolitische Unterstützung Berlins erwartet und fürch­tet jetzt, dass sich die neue Bundesregierung wieder stärker auf Russland orientiert. Russ­landfreundlichen Kräften in der neuen deutschen Regierungskoalition könnte dabei in die Hände spielen, dass die von Deutschland und der EU geforderten inner­ukrainischen Reformprozesse unter Präsident Wolodymyr Selenskyj an Schwung verloren haben. Die neue Bundesregierung sollte die Krise um die Ukraine jedoch vor allem unter dem Aspekt deutscher und europäischer Sicherheitsinteressen betrachten. In diesem Sinne wird empfohlen, den Ukraine-Konflikt in Berlin prioritär zu behandeln und sich sicherheitspolitisch stärker zu engagieren.

Wahlsieg der rechten Mitte in Tschechien

Wed, 03/11/2021 - 01:00

Die Wahlen zur tschechischen Abgeordnetenkammer, die am 8. und 9. Oktober 2021 stattfanden, endeten mit einem Sieg der rechten Mitte. Das konservativ-liberale Bünd­nis Spolu erhielt zusammen mit der Allianz, die die Bürgermeisterpartei STAN und die Piratenpartei gebildet haben, eine Mehrheit in der unteren Kammer des tschechischen Parlaments. Der bisherige Premierminister Andrej Babiš scheint sich mit der Niederlage abgefunden zu haben. Trotz großer Ungewissheit über den Gesundheits­zustand des Staatspräsidenten könnte die Regierungsbildung relativ glatt verlaufen. Babiš und seine Partei ANO bleiben aber weiter ein ernstzunehmender Faktor in der Innenpolitik. Die Tschechische Republik wird in der Europäischen Union in vielerlei Hinsicht weiterhin pragmatisch agieren. Die integrationsfreundlichen Kräfte im pro­spektiven Regierungslager werden durch die moderat europaskeptische Strömung in der größten Regierungspartei, der ODS, gebremst. In der Außenpolitik werden »Werte« und Menschenrechte stärker betont werden.

Russland in der Arktis

Thu, 28/10/2021 - 02:00

Russland will ein hohes Maß selbstbestimmter Stabilität in der Arktis erhalten. Das hält Moskau für nötig, um die vielen Probleme und Entwicklungshindernisse zu überwinden, die mit den eigenen ambitionierten Plänen, aber auch mit den Folgen des Klimawandels verbunden sind. Der Rückgang des Meereises hat einen subjektiv empfundenen Verlust an Sicherheit zur Folge, der die traditionelle Belagerungsmentalität verstärkt. Zudem ist die russische Außenpolitik auch in der Arktis von einem reflex­artigen Primat der Sicherheitspolitik gekennzeichnet. Moskau versucht, die nationale Sicherheit inklusive wirtschaftlicher Inter­essen mit einem breiten Spektrum rüstungs- und militärpolitischer Akti­vitäten zu gewährleisten, das neue nukleare Einsatzmittel einschließt. Dieses Bestreben werten die anderen Arktisanrainer und die Nato zuneh­mend als bedrohlich. Russland nimmt eine defensive Haltung in der Arktis ein, ist im Konfliktfall aber auf eine rasche Eskalation vorbereitet. Arktispolitik ist ein Mittel der russischen Strategie für Europa, um wirt­schaftlich und politisch Einfluss zu nehmen. Dabei wird das Zusammenwirken von Nord- und Ostseeflotte immer wichtiger, wenn es darum geht, geostrategische Interessen zu wahren und das Hoheitsgebiet zu verteidigen. Die arktischen Staaten müssen eine schwierige Balance halten: Sie wollen die Seewege und Ressourcen sichern, zugleich aber eine Eskalations­spirale in der Region verhindern. Um die Folgen des Sicherheitsdilemmas zu begrenzen, sollte der Dialog über militärische Sicherheit reaktiviert werden. Zudem gibt es weiterhin Kooperationsmöglichkeiten. Beispiele sind Klima- und Umweltprojekte, nachhaltige und umweltverträgliche Energienutzung, Infrastruktur, maritime Sicherheit und Wissenschafts­zusammenarbeit.

Turkey and Russia

Thu, 28/10/2021 - 02:00

Relations between Turkey and Russia are a puzzle to many in the West. How sustainable is the relationship? What is it grounded on? And what can the West learn from it? Central to the relationship is its bilateral nature. Relations between Ankara and Moscow are based on the mutual recognition of security interests. The resulting dynamics have shaped Turkish-Russian cooperation since the 1990s and can be observed in the current partnership in Syria. Mutual regard for the other’s security concerns is facilitated by the prospect of collaborative projects that promise greater advantages than continued conflict. Trust is of secondary importance, as is the quality of personal relations between the Turkish and Russian presidents. More important is the interdependence between Russia and Turkey. The potential for confrontation or cooperation between Ankara and Moscow in regional conflicts depends on current priorities rather than past rivalries. The form and extent of their collaboration are determined not by which side of the conflict they are on, but by their respective motives.

Germany’s New Government and Its Foreign Policy on Turkey: Lines of Conflict and Areas of Cooperation

Mon, 25/10/2021 - 02:00

In stark contrast to Germany’s Bundestag elections in 2017, Turkey has hardly been mentioned in this year’s election campaign. Nevertheless, today’s relatively relaxed atmosphere between Berlin and Ankara and the lack of prominence ascribed to their relationship in the German election campaign do not mean that shaping future foreign policy on Turkey will be an easy undertaking. Ankara is making a number of demands on the European Union (EU). Cooperation on refugee matters and efforts to deepen the customs union with the EU are to continue. The Turkish government also wants to be involved in European consultations. It is now up to Germany’s new federal government to make its position known on these matters. However, Turkey is no easy partner to deal with and in order to achieve rules-based cooperation, Berlin and Brussels must, for their part, formulate clear conditions, for example, when it comes to cooperation on migration and defence. They also need to decide how to shape Turkey’s future relationship with Europe.

Diplomatie und Künstliche Intelligenz

Thu, 21/10/2021 - 02:00

Künstliche Intelligenz (KI) birgt das Versprechen, große Datenmengen schneller und zuverlässiger zu analysieren, als Menschen dies können. Ist es also auch möglich, mit KI-Systemen die für diplomatische Verhandlungen relevanten Informationen so auszuwerten, dass dadurch ein signifikanter strategischer Mehrwert entsteht? Wir gehen dieser Frage zunächst anhand von zwei explorativen Fallstudien nach. Die erste dreht sich um die Verhandlungen für eine deutsch-österreichische Zollunion in den Jahren 1930/31. Hier zeigen wir, wie KI-Systeme genutzt werden könnten, um für Zwecke der Strategiebildung automatisiert ein Spektrum möglicher Szenarien zu entwickeln. In der zweiten Fallstudie geht es um die Verhandlungen um die sogenannte Cybercrime-Resolution im Rahmen der Vereinten Nationen (VN). In Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt wurde für die Studie untersucht, ob und in welcher Form KI-Systeme geeignet sind, das Verhalten von Staaten in der VN-Generalversammlung zu prognostizieren. Ausgehend von den beiden Fallstudien nehmen wir in einer systematischen Zusammenschau weitere Möglichkeiten in den Blick, KI als Instrument für die Diplomatie zu nutzen, zum Beispiel beim automatisierten Monitoring öffentlicher Medien rund um einen Verhandlungsprozess. KI ist heute noch oft fehleranfällig und wird absehbar nicht die Urteilskraft erfahrener Diplomaten ersetzen können. Als unterstützendes Instrument jedoch hat KI das Potenzial, einen möglicherweise unverzichtbaren Beitrag zur Vorbereitung und Durchführung diplomatischer Verhandlungen zu leisten. Die deutsche Außenpolitik sollte die Voraussetzungen dafür schaffen, die Einsatzmöglichkeiten von KI und anderen Methoden der Datenanalyse für die Zwecke der Verhandlungsdiplomatie weiter zu explorieren; außer­dem sollte sie eine »außenpolitische Datenstrategie« entwickeln und nor­mative Leitlinien für die Nutzung von KI im Kontext der Diplomatie einziehen.

On Words and Votes in Venezuela

Thu, 21/10/2021 - 02:00

Regional and local elections are to be held in Venezuela on 21 November. After sev­eral years of election boycotts opposition forces are taking part in the elections again. In addition, since August this year they have participated in a dialogue with envoys of President Nicolás Maduro in Mexico. While many Venezuelans are struggling to merely survive, the two conflict parties are seeking to extend their room for manoeu­vre. The international community should support the dialogue and election process and dose pressure on and incentives for the Maduro regime giving priority to the needs of society.

UN-General Assembly of “Hope”

Wed, 20/10/2021 - 02:00

Even though the 76th United Nations General Debate had to take place in a hybrid format yet again due to the pandemic, the overall mood was more positive than last year. Not only was the hall in New York busier, but the tone of the debate was also more cooperative, not least because U.S. President Joe Biden promised a new era of diplomacy. UN Secretary-General António Guterres presented his report “Our Com­mon Agenda” and advocated for ambitious UN reforms. This all aligns with the theme of this year’s general debate: “Building Resilience through Hope”. In parallel to the debate, a large number of meetings took place, which, moving beyond words, aimed at action. While momentum and enthusiasm peaked in the beginning of the week, the follow through, in terms of action, was unconvincing, as demonstrated by the so‑called “SDG Moment”.

Russlands Dumawahl 2021

Thu, 14/10/2021 - 02:00

Die russische Führung hat bei der Dumawahl vom 17. bis 19. September 2021 ihre selbst­gesteckten Ziele erreicht: Die Partei Einiges Russland verfügt weiterhin über eine verfassungsändernde Mehrheit im Parlament, obwohl sie in der Bevölkerung wenig Unterstützung genießt. Von der erstarkten Kommunistischen Partei der Russi­schen Föderation (KPRF) und der neu ins Parlament eingezogenen Partei Nowyje Ljudi (Neue Menschen) geht keine Bedrohung für die russische Führung aus. Damit bleibt die Duma auch in den kommenden fünf Jahren ein willfähriges Instrument des Kremls. Allerdings waren umfangreiche Wahlfälschungen notwendig, um dieses Ergebnis zu erzielen. Politische Konkurrenz und Wahlbeobachtung wurden mit alt­bekannten, aber auch mit neuen Methoden beschnitten. Besonders das elektronische Wählen macht die Wahlergebnisse leichter steuerbar und dürfte den Charakter von Wahlen in Russland nachhaltig verändern. Die voranschreitende inhaltliche Ent­wertung der Urnengänge könnte langfristig aber auch Risiken für den Kreml erzeugen, da er damit ein wichtiges politisches Frühwarnsystem verliert.

Attribution als Herausforderung für EU-Cybersanktionen

Wed, 13/10/2021 - 02:00

Die Attribution von Cyberangriffen ist ein souveräner Akt der EU-Mit­gliedstaaten. Diese haben jedoch unterschiedliche technische und geheim­dienstliche Fähigkeiten. Das führt zu Inkohärenzen in der europäischen Cyberdiplomatie, etwa bei der Verhängung von Cybersanktionen. Die Analyse der politischen Reaktionen auf die Cybervorfälle WannaCry, Not‑Petya, Cloud Hopper, OVCW und Bundestag-Hack offenbart folgende Probleme: Die Attribution dauert lange und ist auf Erkenntnisse von Nato-Partnern angewiesen; die technischen Realitäten und die rechtlichen Tatbestandsmerkmale zur Klassifikation und Verfolgung von Cyber­angriffen passen nicht immer zusammen; die Gewichtung der Tatbestands­merkmale ist unklar. Cybersanktionen sollen gezielte Maßnahmen und vor allem in ihrer Intensität verhältnismäßig sein: Destruktive Angriffe wie WannaCry oder NotPetya sollten härtere Konsequenzen nach sich ziehen als alltägliche Fälle von Cyberspionage wie Cloud Hopper oder Bundestag-Hack. Hier muss die EU ihre Werkzeuge genauer konfigurieren. Die EU sollte die rechtlichen Tatbestandsmerkmale schärfen und Beweis­standards zur Attribution vereinheitlichen. Die Gemeinsame Cyber-Stelle der EU und EU INTCEN im Europäischen Auswärtigen Dienst sollten ge­stärkt werden, um den Austausch forensischer Informationen zu verbessern und die Politik der Attribution effektiver koordinieren zu können. Die EU-Mitgliedstaaten und ihre alliierten Partner müssen Angreifer häu­figer gemeinsam verurteilen, damit die davon ausgehende politische Bot­schaft wirklich deutlich wird. Dazu wäre es sinnvoll, für den Erlass von Cybersanktionen qualifizierte Mehrheitsentscheidungen zuzulassen.

Von Worten und Stimmen in Venezuela

Tue, 12/10/2021 - 02:00

Am 21. November finden in Venezuela Regional- und Kommunalwahlen statt. Nach einer mehrjährigen Phase des Wahlboykotts werden daran auch wieder die Opposi­tionskräfte teilnehmen. Sie beteiligen sich zudem seit August dieses Jahres an einem Dialog mit Entsandten von Präsident Nicolás Maduro in Mexiko. Während in der venezolanischen Bevölkerung viele um das nackte Überleben kämpfen, suchen beide Konfliktparteien ihren Handlungsspielraum zu erweitern. Die internationale Gemein­schaft sollte den Dialog- und Wahlprozess unterstützen. Druck und Anreize gegenüber dem Maduro-Regime gilt es dabei so zu dosieren, dass die Bedürfnisse der Gesell­schaft im Vordergrund stehen.

Die Türkeipolitik der künftigen Bundesregierung: Konfliktlinien und Kooperationsfelder

Fri, 08/10/2021 - 13:00

Verglichen mit der letzten Wahl zum Bundestag 2017 hat die Türkei im diesjährigen Wahlkampf kaum eine Rolle gespielt. Doch die zurzeit relativ entspannte Atmosphäre zwischen Berlin und Ankara und die damit zusammenhängende geringe Pro­minenz der Türkei im deutschen Wahlkampf bedeuten nicht, dass die Gestaltung der zukünf­ti­gen Türkeipolitik ein leichtes Unterfangen wäre. Ankara stellt eine ganze Reihe von Forderungen an die Europäische Union (EU). Die Zusammenarbeit in der Flücht­lings­frage soll fortgesetzt und die Zollunion mit der EU vertieft werden. Die türkische Regie­rung will außerdem in europäische Konsultationen einbezogen werden. Hier muss sich die neue Bundesregierung positionieren. Doch die Türkei ist kein leichter Part­ner, und um zu einer regelbasierten Kooperation zu kommen, müssen Berlin und Brüssel ihrerseits klare Bedingungen formulieren, zum Beispiel für die Migrations- und die Rüstungszusammenarbeit. Zudem müssen sie entscheiden, wie das künftige Verhältnis der Türkei zu Europa gestaltet werden soll.

Das Ende inklusiver Sicherheitspolitik im Indopazifik

Fri, 08/10/2021 - 08:19

Ob wachsende Spannungen zwischen China und Taiwan oder die Aukus-Allianz zwischen den USA, Australien und Großbritannien — die Sicherheitsarchitektur im Indopazifik ändert sich gerade fundamental. Das zwingt auch Deutschland, seine Politik zu überdenken. Bislang vermeidet es eine deutliche sicherheitspolitische Positionierung gegenüber China. Dieser inklusive Ansatz scheint aber immer weniger realistisch. Dem geplanten Besuch der Fregatte »Bayern«, die Anfang August in See gestochen ist und sich gerade im Indopazifik befindet, hat Peking eine Absage erteilt. Die Präsenz europäischer Einheiten werde als Bedrohung betrachtet, so die Begründung. Es fehle die Basis für gegenseitiges Vertrauen, also genau das, was Deutschland mit dem Besuch herstellen wollte. Die deutsche Politik muss nun entscheiden, wie sie sich gegenüber China positionieren will.

Deutschlands Rolle im Indopazifik

Deutschland erkennt seine eigene Rolle als globaler Wirtschaftsakteur, aber auch – zumindest im europäischen Raum – als eine der größeren politischen Mächte an. Aus diesem Grund sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, auch im Indopazifik zur Stabilität und Sicherheit beizutragen. Ihre im August 2020 veröffentlichten Leitlinien für den Indopazifik sehen für die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik einen inklusiven Ansatz vor, der sich nicht nur an die Partner in der Region richtet, sondern an alle Akteure. Auch China soll in einen Dialog und die Gestaltung einer umfassenden Sicherheitsarchitektur einbezogen werden.

In diesem Sinne ist die für sieben Monate geplante Mission der Fregatte »Bayern« vor allem ein politisches Zeichen. Sie soll beweisen, dass Deutschland entsprechend seiner Wirtschaftskraft und seines politischen Einflusses mehr Verantwortung übernimmt und mit den Akteuren in der Region kooperieren will. Abgesehen von der Teilnahme an den Sanktionen der Vereinten Nationen gegen Nordkorea hat die Entsendung des deutschen Kriegsschiffes kein tieferes operatives militärisches Ziel. Die »Bayern« hat sich zwar kurzfristig an der EU-Operation Atalanta am Horn von Afrika beteiligt und wird in den kommenden Monaten verschiedene kleinere Übungen mit Marineeinheiten der Gaststaaten durchführen. Der Grund für die Präsenz- und Ausbildungsfahrt ist jedoch strategisch-funktionaler Natur.

Chinas Ablehnung eines offiziellen Hafenbesuchs in Shanghai ist daher ein Rückschlag für den inklusiven deutschen Ansatz. Denn damit wurden einerseits Dialogmöglichkeiten gestrichen. Andererseits wird sich die »Bayern« nun verstärkt mit den Partnern in der Region engagieren. Statt Shanghai steht nun ein weiterer Hafenbesuch in Australien auf der Agenda. Sollten deutsche Streitkräfte in Zukunft erneut Präsenz-und Ausbildungsfahrten im Indopazifik unternehmen, würde sich Deutschland aufgrund der diesjährigen Erfahrungen gegenüber China wohl kritischer als bisher positionieren und enger mit seinen Verbündeten und Partnern zusammenzuarbeiten. Der inklusive sicherheitspolitische Ansatz ist letztlich an der Realität gescheitert, in der sich die Fronten zwischen China und den USA sowie vielen Anrainern zunehmend verhärten.

Deutschland im internationalen Spannungsfeld

Deutschland muss sich daher auch unabhängig von der »Bayern« entscheiden, ob es seine Sicherheitspolitik in einem transatlantischen oder europäischen Ansatz fortsetzen will. Und selbst dann wird ein inklusives Herangehen nur schwer zu bewerkstelligen sein. Der Abzug aus Afghanistan hat gezeigt, wie sehr sich die US-Politik auf den Indopazifik konzentriert und andere Themen diesem unterordnet. Den Europäern hat die Evakuierungsoperation nach der Machtübernahme der Taliban ihre geringe Handlungsfähigkeit und Abhängigkeit von den USA vor Augen geführt. Die Gründung von Aukus verdeutlicht nun, dass die Amerikaner im indopazifischen Systemwettstreit keine Rolle für ihre kontinentaleuropäischen und EU-orientierten Alliierten sehen. Die Nato als transatlantische Sicherheitsgemeinschaft wird sich im Indopazifik auf Dialoge und diplomatische Zusammenarbeit beschränken. Eine aktivere Beteiligung mit militärischen Einheiten scheint von Seiten der USA nicht erwünscht zu sein. Eine härtere Linie gegenüber China wollen die USA mit der Mitte September gegründeten Aukus-Allianz vertreten. Das unterstreicht die Entscheidung Australiens, nuklear angetriebene U-Boote von den USA zu beschaffen. Dafür werden die seit 2016 bestehenden Verträge mit Frankreich über konventionell angetriebene U-Boote aufgelöst.

Die ebenfalls Mitte September veröffentlichte EU-Strategie für die Zusammenarbeit im Indopazifik erhebt den Anspruch, in der Region eine eigene Rolle neben den USA zu spielen. Innenpolitisch wäre es für Berlin einfacher, eine größere deutsche Rolle im Indopazifik zu vermitteln, wenn diese in einen europäischen Rahmen eingebettet ist. Deutsche Streitkräfte würden dort absehbar nur sporadisch präsent sein. Ihre Rolle wäre dann vor allem ein politisches Signal, um in enger Abstimmung mit Frankreich die EU-Strategie zu unterstützen, unabhängig von der Sicherheitsallianz Aukus, auch wenn sich diese noch weiterentwickeln wird.

UN-Generalversammlung der »Hoffnung«

Thu, 07/10/2021 - 02:00

Obwohl auch die 76. Generaldebatte der Vereinten Nationen Pandemie-bedingt erneut in einem hybriden Format stattfinden musste, war die Stimmung deutlich positiver als im Vorjahr. Nicht nur war der Saal in New York besser gefüllt, auch der Ton der Debatte war kooperativer, nicht zuletzt weil US-Präsident Biden auf Diplomatie zu setzen versprach. UN-Generalsekretär António Guterres legte seinen Bericht »Our Common Agenda« vor und warb für ambitionierte UN-Reformen. All dies passt zum Thema der diesjährigen Generaldebatte: »Stärkung der Widerstandsfähigkeit durch Hoffnung« (»Building resilience through hope«). Parallel zur Debatte fand eine Viel­zahl von Treffen statt, die jenseits von Worten auch auf Taten zielten. Hier ist die Bilanz jedoch nicht überzeugend, wie ein Blick auf den sogenannten »SDG-Moment« zeigt.

Der veränderte Kontext für Reformen in der Ukraine

Wed, 06/10/2021 - 03:00

Nach knapp zweieinhalb Jahren, in denen Wolodymyr Selenskyj als Präsident der Ukraine amtiert, scheinen Reformen in Schlüsselbereichen zu stocken. Gleichzeitig setzen er und sein Team im innen- wie außenpolitischen Diskurs mehr denn je auf Sicherheitsthemen. Für Deutschland und die EU könnte es in dieser Situation sinn­voll sein, Reformprozesse und Sicherheitsfragen stärker als bislang miteinander zu verknüpfen und klarer zu machen, welche Bedeutung der Ukraine im europäischen Sicherheitsgefüge zukommen soll. Nur wenn darüber Klarheit herrscht, vermögen sie konsequent zu entscheiden, welche Reformen sie auch in Zukunft gezielt unterstützen oder gar zur Bedingung finanzieller Hilfen machen wollen. Die ukrainische Seite wie­derum könnte im Wissen darum bewusster über ihre Reformprioritäten entscheiden.

Making Sense of Turkey’s Cautious Reaction to Power Shifts in Tunisia

Wed, 06/10/2021 - 02:00

Ankara adopted notably toned-down language towards Tunisian President Kaïs Saïed’s power grab and avoided calling it a coup, although it considers the course of events as a potential threat that could endanger its policies towards North Africa. In fact, Turkey revised its approach to Tunisia after secular parties became more prominent in Tunisian politics following the 2014 elections. This policy adjustment consists of developing a balanced network of relations by reaching out to secular parties on the one hand, but retaining close ties with the Islamist Ennahda party on the other hand. To this end, Ankara is giving weight to defence diplomacy and soft power. This tactful approach is in line with Turkey’s efforts to strengthen its geo­strategic and geo-economic ties with the Maghreb countries and overlaps with on­going normalisation efforts between Ankara and Arab capitals. But this approach is limited to a pragmatic policy adjustment. Germany and other European states should see this as an opportunity to encourage regional de-escalation and contribute to a constructive regional dialogue.

Indien als ambivalenter Partner in der Digitalpolitik

Wed, 06/10/2021 - 02:00

Die Zusammenarbeit in der Digitalpolitik gilt als eines der aussichtsreichsten Felder der strategischen Partnerschaft zwischen Indien und der Europäischen Union (EU). In der Umsetzung zeigen sich jedoch tiefgreifende Differenzen, etwa im Hinblick auf Datenschutz, Kompetenzen der Sicherheitsbehörden und die künftige globale digitale Ordnung. Ähnliche Probleme werden in den Verhandlungen der EU mit den USA zu Fragen des digitalen Handels bearbeitet. Mögliche Kompromisse dort könn­ten auch Bestandteile einer Verständigung mit Indien bilden.

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