Ich habe diesen Gipfel in erster Linie einberufen, damit wir beschließen, was die EU und die Türkei gemeinsam zur Bewältigung der Migrationskrise tun müssen. Unser Hauptziel ist es, den Zustrom von Migranten nach Europa einzudämmen. Nach vielen Wochen harter Arbeit und intensiven Gesprächen haben wir eine Einigung erreicht, der hoffentlich alle betroffenen Parteien heute zustimmen.
Bei diesem Gipfel geht es jedoch auch um eine größere Dimension, nämlich um eine Neubelebung unserer Beziehungen zur Türkei und des Beitrittsprozesses. Die Türkei ist ein wichtiger Partner bei der Terrorismusbekämpfung. Wir brauchen auch eine bessere Zusammenarbeit, was die Lage in Syrien, und natürlich auch was die Zypernfrage anbelangt. In den letzten Tagen hat sich auch gezeigt, wie wichtig unsere geopolitische und strategische Zusammenarbeit ist.
Doch wir dürfen nicht naiv sein. Mit der Türkei allein lässt sich die Migrationskrise nicht lösen. Das Wichtigste ist, dass wir unserer Verantwortung und Pflicht, unsere Außengrenzen zu schützen, nachkommen. Dies können wir nicht an einen Drittstaat delegieren. Ich wiederhole: Ohne eine Überwachung unserer Außengrenzen wird Schengen keinen Bestand haben.
Guten Tag. Vielen Dank, dass Sie sich heute hier eingefunden haben. Ein herzliches Willkommen Ihnen allen und nochmals unserem Gast, Ministerpräsident Davutoglu. Bevor ich zur Sache komme, möchte ich noch erwähnen, dass heute zwei neue Kollegen bei uns sind – die polnische Ministerpräsidentin Beata Szydło und der portugiesische Premierminister António Costa. Serdecznie witamy! Seja muito bem-vindo!
Herr Ministerpräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, dies ist ein wichtiger Moment für die EU und – da bin ich mir sicher – auch für die Türkei. Wenn die ehrgeizige Vereinbarung, die wir heute verabschieden wollen, erst einmal vollständig umgesetzt ist, wird der 29. November 2015 als Datum von großer Tragweite in den Beziehungen zwischen der EU und der Türkei gelten.
Die Bewältigung der Migrationskrise ist der Hauptgrund für unser heutiges Treffen. Rund 1,5 Millionen Menschen sind 2015 illegal in die EU eingereist. Die meisten davon über die Türkei. Einige suchen Schutz vor Krieg und Verfolgung. Andere ein besseres Leben. Und einige wenige wollen unsere Werte untergraben.
Aber es geht nicht darum, dass die EU ihre Sicherheits- und Migrationspolitik in die Türkei auslagern will. Auch nicht darum, der Türkei noch mehr Lasten aufzubürden; dieses Land zeigt sich bereits solidarisch mit über zwei Millionen Flüchtlingen und hat selbst schon Mühe, mit dieser Situation fertig zu werden. Vielmehr geht es darum, diese Herausforderungen gemeinsam zu meistern.
Wir, die Europäische Union, werden unsere Hilfe für die Flüchtlinge in der Türkei und der gesamten Region aufstocken, die irreguläre Migration eindämmen, auf die Rückkehr von Migranten hinwirken, die Visaliberalisierung noch stärker unterstützen und mit vereinten Kräften die kriminellen Schleusernetze zerschlagen. Darüber hinaus verpflichten wir uns, unseren Teil zur Intensivierung unserer bilateralen Beziehungen beizutragen.
Im Gegenzug erwarten wir, dass die Zahl der Menschen, die illegal in die EU einreisen, sofort erheblich zurückgeht. Und wir erwarten, dass uns die Türkei unter der neuen Regierung hilft, das gemeinsame Ziel einer beiderseitigen Annäherung zu erreichen, indem sie Reformen durchführt, in Bezug auf die Menschenrechte und die Medienfreiheit den höchsten Standards genügt und die vereinbarten Fahrpläne und Benchmarks einhält.
Letztlich geht es bei diesem Treffen nicht nur um die Bewältigung der Migrationskrise. Aus Krisen erwachsen Chancen. Heute haben wir die Chance, unser Verhältnis – entsprechend unseren gemeinsamen Interessen – auf eine neue, höhere Stufe zu stellen. Die Chance, unsere bilateralen Beziehungen neu zu beleben, zum Wohle der Türkei und der Europäischen Union. Wir werden vereinbaren, dass wir uns regelmäßig treffen, um unsere Dialoge auf allen Ebenen zu intensivieren. Wir wollen ehrgeiziger sein, was den Beitrittsprozess anbelangt, und wir wollen gemeinsam auf die Aufhebung der Visumpflicht im Reiseverkehr hinarbeiten und gleichzeitig in den Bereichen Terrorismusbekämpfung, Handel, Energie und Wirtschaftsbeziehungen noch stärker zusammenarbeiten.
Und schließlich ist Migration nicht das einzige Thema, mit dem wir uns befassen müssen. Die jüngsten Entwicklungen haben deutlich gemacht, dass ein koordiniertes Vorgehen in Syrien weiterhin Vorrang hat. Die tragischen Anschläge in Paris zeigen, dass unser Kampf gegen den Terrorismus in eine neue Phase eintreten muss. Dies ist eine gemeinsame Aufgabe für die EU und die Türkei. Ohne eine rasche und dauerhafte Lösung für die Krise in Syrien werden die Menschen weiter vor dem Krieg fliehen. An dieser Stelle möchte ich unterstreichen, dass wir den Wiener Prozess uneingeschränkt unterstützen müssen.
Herr Ministerpräsident, ich heiße Sie nochmals willkommen. Es liegt viel Arbeit vor uns.
Guten Abend,
wir haben soeben ein fruchtbares Gipfeltreffen zwischen der Europäischen Union und der Türkei abgeschlossen.
Dieses Treffen diente dazu, unsere Beziehungen auf der Grundlage eines klaren Aktionsplans neu zu beleben. Wir haben über viele wichtige Bereiche, wie Terrorismusbekämpfung, Energie und Handel, sowie über geostrategische Fragen von gemeinsamem Interesse gesprochen.
Aber natürlich ist die Migration der Hauptgrund, weswegen wir heute hier zusammengekommen sind. Lassen Sie mich hier eines deutlich sagen: Wir erwarten nicht, dass jemand für uns unsere Grenzen bewacht. Das können und sollten nur die Europäer tun. Aber wir erwarten einen großen Schritt in Richtung Änderung der Spielregeln, wenn es darum geht, den Migrationsstrom, der über die Türkei in die EU gelangt, einzudämmen. Unsere Vereinbarung enthält einen klaren Plan für die rasche Wiederherstellung der Ordnung an unserer gemeinsamen Grenze. Zudem werden wir unsere Hilfe für die syrischen Flüchtlinge in der Türkei in Form einer neuen, mit 3 Mrd. € ausgestatteten Flüchtlingsfazilität aufstocken.
Die Türkei bleibt ein wichtiger strategischer Partner für Europa, aber auch ein EU-Beitrittskandidat. Wir sind uns einig, dass der Beitrittsprozess wieder in Schwung kommen muss. Wir begrüßen die angekündigte Regierungskonferenz zur Eröffnung des Kapitels 17 zur Wirtschafts- und Währungspolitik; gleichzeitig sollen Vorarbeiten für die Eröffnung weiterer Kapitel stattfinden. Ich möchte betonen, dass wir nicht im Begriff sind, die EU-Erweiterungspolitik umzuschreiben. Der Verhandlungsrahmen und die einschlägigen Schlussfolgerungen gelten nach wie vor, was den leistungsorientierten Ansatz und die Achtung der europäischen Werte, auch der Menschenrechte, mit einschließt.
Nun schauen wir alle erwartungsvoll auf 2016, das ein entscheidendes Jahr für die Umsetzung der heute erzielten Vereinbarung zwischen der EU und der Türkei sein wird. Vielen Dank.