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Deutsches Institut für Entwicklungspolitik / Analysen

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Publikationen des German Institute of Development and Sustainability (IDOS)
Updated: 1 month 2 weeks ago

Finanzierung globaler Entwicklung: Können Internationale Investitionsabkommen ausländische Direktinvestitionen erhöhen?

Mon, 02/11/2015 - 10:03
Die Serie „Finanzierung globaler Entwicklung“ analysiert wichtige finanzielle und nicht-finanzielle Maßnahmen zur Realisierung der neuen Ziele nachhaltiger Entwicklung (Sustainable Development Goals – SDGs) und diskutiert Bausteine für einen neuen globalen Rahmen der Entwicklungsfinanzierung. Ausländische Direktinvestitionen (ADI) sind für viele Entwicklungsländer eine wichtige externe Finanzierungsquelle. Den Zugang von Entwicklungsländern zu globalen ADI-Zuflüssen zu verbessern zählt daher zu den Hauptzielen der Staatengemeinschaft, wie auf den Konferenzen der Vereinten Nationen über Entwicklungsfinanzierung 2002 in Monterrey und 2008 in Doha deutlich wurde. Die Schlussdokumente der Konferenzen unterstreichen die Notwendigkeit, ein „stabiles und berechenbares Investitionsklima“ zu schaffen. Als Politikinstrumente, die ADI-Zuflüsse effektiv steigern können, werden internationale Investitionsabkommen (International Investment Agreements – IIA) genannt. Tatsächlich haben viele Entwicklungsländer IIA unterzeichnet, um ADI anzulocken und wirtschaftliche Entwicklung zu fördern. Jedoch wird diese traditionelle Begründung für IIA zunehmend infrage gestellt. Immer mehr politisch Verantwortliche, Wissenschaftler und nichtstaatliche Organisationen argumentieren, IIA hätten insgesamt nicht zu höheren ADI-Zuflüssen geführt. Sie befürchten zudem, dass IIA die Möglichkeiten der Gastländer zur Regulierung von ADI und zur Förderung nachhaltiger Entwicklung zu sehr einschränken. Diese Skepsis war auch tonangebend für den Abschlusstext der Entwicklungsfinanzierungskonferenz in Addis Abeba im Juli. Darin wird betont, dass sich ADI positiv auf Entwicklung auswirken können, aber nur, wenn ausländische Investoren Sozial- und Umweltstandards einhalten und IIA nicht den nationalen Spielraum für eine entwicklungsorientierte Politik einengen. Eine Gesamtbetrachtung der empirischen Belege für die Auswirkungen von IIA auf ADI-Flüsse ergibt, dass diese Zweifel berechtigt sind. Einigen Studien zufolge wirken sich IIA positiv auf ADI aus. Allerdings sind diese Ergebnisse mit Vorsicht zu interpretieren, da die Messung der Wirkungen wie auch alternativer Belege methodisch schwierig ist. Überdies zeigt sich, dass der Vertragsinhalt wichtig ist und nicht alle IIA den gleichen Effekt auf ADI-Flüsse haben. So wirken sich Verträge, die den Marktzugang von Investoren liberalisieren  positiv auf ADI aus, besonders wenn sie Teil präferentieller Handels- und Investitionsabkommen (Preferential Trade and Investment Agreements – PTIA) sind. Die umstrittenen Investor-Staat-Schieds­klauseln (Investor-State Dispute Settlement – ISDS) dagegen haben keine signifikant positiven Auswirkungen auf ADI. Daher sollten politisch Verantwortliche in Entwicklungsländern, die ausländische Investoren anlocken möchten, das tatsächliche Design von IIA genau im Blick behalten. Die empirischen Belege deuten darauf hin, dass sie einen gewissen Spielraum haben, IIA und nationale Politikziele kompatibler zu gestalten, wenn sie die Investitionsschutzstandards umformulieren. Im Anschluss an die Addis Abeba Konferenz sollte die Staatengemeinschaft Vorschläge entwickeln, wie Entwicklungsländer bei der Reform ihrer IIA unterstützt werden können.

Zwischen Minilateralismus und Multilateralismus: Chancen und Risiken von Vorreiterallianzen in der internationalen Handels- und Klimapolitik

Thu, 15/10/2015 - 15:08
Globalen Herausforderungen, wie dem Klimawandel oder dem Abbau von Protektionismus, kann nur durch neue Formen globaler Kooperation begegnet werden. Die traditionellen Muster multilateraler Kooperation sind in den vergangenen Jahren an ihre Grenzen gestoßen. So wird seit Jahren in der Klimapolitik um ein internationales Abkommen gerungen, das Ende 2015 im Rahmen der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC) verabschiedet werden soll. In der Welthandelsorganisation (WTO) wird seit 2001 die Doha Development Agenda verhandelt, ohne dass eine Einigung in Sicht wäre. Um neuen Schwung in die internationale Handels- und Klimapolitik zu bringen, sollten daher innovative Formen der Zusammenarbeit diskutiert werden, zum Beispiel in Form minilateraler oder plurilateraler Initiativen, d. h. „Untergruppen multilateraler Akteure“.
Im Welthandelssystem haben viele Länder als Reaktion auf das Stocken des multilateralen Prozesses bilaterale und regionale Abkommen außerhalb der WTO abgeschlossen. Insbesondere die Verhandlungen von immer größeren mega-regionalen Abkommen, wie zum Beispiel der Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) und der Transpacific Partnership (TPP), markieren einen Wendepunkt im Welthandelssystem. Die Inhalte dieser Abkommen gehen häufig über das hinaus, was im multilateralen Kontext vereinbart wurde. In der internationalen Handelspolitik werden Vorreiterallianzen häufig kritisch gesehen. Sie gelten als zweitbeste Option neben multilateralen Vereinbarungen, denn sie können zur Benachteiligung von Ländern führen, die nicht Teil der Verhandlungen sind, sowie Kapazitäten binden und den Anreiz für eine Einigung in der Doha-Runde verringern. Insofern es eine Nachfrage nach minilateralen Verhandlungen gibt, sollten sie daher im Rahmen der WTO stattfinden. Hierfür muss in der WTO ein Kompromiss gefunden werden, der effizientere Verhandlungen ermöglicht und gleichzeitig ein inklusives, multilaterales Handelssystem stützt. So sollte unter bestimmten Bedingungen plurilateralen Abkommen in der WTO mehr Raum gegeben werden.
In der internationalen Klimapolitik bieten Vorreiterallianzen viel Potenzial, vor allem, wenn sie auch sub-nationale und nicht-staatliche Akteure umfassen. Doch genau wie in der Handelspolitik gilt für die Klimapolitik: Minilaterale Vorreiterallianzen sollten den multilateralen Prozess ergänzen, nicht ersetzen und im besten Fall sogar unterstützen. Zwar haben sich bereits unzählige internationale Klimainitiativen gebildet, doch eine Vorreiterallianz, die über marginale Veränderungen transformativen Wandel erzeugt, gibt es bisher nicht. Die Basis für eine transformative Vorreiterallianz könnte beispielsweise der „Club der Energiewende-Staaten“ sein, den Deutschland im Jahr 2013 mit neun anderen Ländern gegründet hat. Damit dieser Club eine transformative Vorreiterallianz werden kann, muss er eine Reihe wichtiger Bedingungen erfüllen: Die Mitglieder sollten sich auf eine gemeinsame ambitionierte Vision und auf entsprechende Ziele einigen; sie sollten sich verständigen, wie sie zusätzlichen Nutzen für alle Mitglieder schaffen können; und sie sollten transformative Strategien für Klimaschutz und Klimaresilienz in anderen Teilen der Welt unterstützen. Auch sollte sichergestellt werden, dass minilaterale Allianzen die multilateralen Foren nicht unterwandern, sondern ergänzen. Nach der COP21 sollte diskutiert werden, wie ambitionierte Vorreiterallianzen genutzt werden können, um eine effektive Umsetzung der in Paris getroffenen Vereinbarungen zu erreichen, z. B. indem sie den Mechanismus zur Ambitionssteigerung (ratchet-up mechanism) stärken.


Orchestrierung: ein Instrument für die Umsetzung der Sustainable Development Goals

Tue, 28/07/2015 - 12:11
Ende September 2015 werden die Vereinten Nationen (VN) die Sustainable Development Goals (SDGs) beschließen. Während der Zielkatalog bereits deutliche Formen annimmt, bleiben bei der Umsetzung auch nach der VN-Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung im Juli 2015 in Addis Abeba noch Fragen offen.
Eine Herausforderung besteht darin, den wachsenden Anforderungen an grenzüberschreitendes oder globales Handeln gerecht zu werden. Die SDGs haben einen universellen Anspruch. Die Ziele wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit sollen sich nicht ausschließlich auf Entwicklungsländer beschränken, sondern betreffen alle Staaten der Erde. Neben der nationalen und lokalen Umsetzung in allen Ländern muss auch die internationale Zusammenarbeit umfassender gestaltet werden. Ziele wie z. B. ein stabiles Klima, nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster, globale Gesundheit und Sicherheit lassen sich nur durch abgestimmtes globales Handeln erreichen.
Die Bedingungen dafür haben sich stark verändert: Das zwischenstaatliche System ist infolge des Aufstiegs großer Schwellenländer multipolarer geworden. Wichtige multilaterale Prozesse sind blockiert oder schreiten nur langsam voran. Daneben hat sich eine dynamische Landschaft aus globalen Netzwerken entfaltet. In diesen Netzwerken übernehmen Akteure aus Zivilgesellschaft, Privatwirtschaft, Fachministerien, Behörden, Städten und Kommunen eine globale Rolle. Erfolgreiche Beispiele wie die C40 Cities, die Extractive Industries Transparency Initiative und die Impfallianz Gavi zeigen, dass solche Netzwerke wichtige Beiträge für globale nachhaltige Entwicklung leisten können. Diese Netzwerke entstehen jedoch nicht immer von alleine und müssen ihrerseits Kooperationshindernisse überwinden.     In verschiedenen Bereichen nachhaltiger Entwicklung, wie Umwelt-, Gesundheits- und Entwicklungspolitik, gibt es unter dem Stichwort der „Orchestrierung“ bereits Ansätze, um globale Netzwerke zu fördern. Das bisherige Vorgehen ist jedoch noch sehr kleinteilig. Regierungen und internationale Organisationen sollten Orchestrierung systematisch zu einem festen Teil des Instrumentariums ausbauen, mit dem die SDGs umgesetzt werden können.
Ein Orchestrierungsinstrument für die SDGs würde globale Netzwerke initiieren, unterstützen und gestalten. Zudem könnte dieser Ansatz Netzwerke mit Schwellenländern fördern. Das Instrument würde zwei Arten von Wirkung anstreben. Erstens: die Mobilisierung von Beiträgen für globale nachhaltige Entwicklung (Finanzierung, Wissensaustausch, Standardsetzung etc.). Zweitens: die Verbesserung der Bedingungen internationaler Zusammenarbeit insgesamt (z. B. durch weniger Fragmentierung oder eine bessere Verzahnung nationaler und globaler Politikprozesse).
Initiativen können dabei von verschiedenen Akteuren und Politikfeldern ausgehen. Grundsätzlich könnten in der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) derartige Förderansätze gezielter aufgebaut werden. EZ erfüllt wesentliche Voraussetzungen (finanzielle Ressourcen, operative Fähigkeiten etc.), um schon kurzfristig die Umsetzung der SDGs in dieser Form zu unterstützen. Ein solches Instrument müsste allerdings auch über bestehende bi- und multilaterale Ansätze in der EZ hinausgehen. Orchestrierung könnte daher außerhalb der bisherigen EZ-Kooperationslogik (z. B. Begrenzung auf Official-Development-Assistance-anrechenbare Leistungen) und anderer Vorgaben (z. B. Notwendigkeit zur Nutzung bestimmter Durchführungsmechanismen) verankert sein.


Finanzierung globaler Entwicklung: Die Rolle der Märkte für Lokalwährungsanleihen in Subsahara-Afrika

Thu, 09/07/2015 - 17:25
Die dritte UN-Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung im Juli 2015 in Addis Abeba soll den Weg für die Verwirklichung der Post-2015-Entwicklungsagenda ebnen. Die Serie „Finanzierung globaler Entwicklung“ der „Analysen und Stellungnahmen“ analysiert wichtige finanzielle und nicht-finanzielle Maßnahmen zur Realisierung der neuen Ziele nachhaltiger Entwicklung (Sustainable Development Goals – SDGs) und diskutiert Bausteine für einen neuen globalen Rahmen der Entwicklungsfinanzierung.
Angesichts der enormen Infrastrukturdefizite, die Subsahara-Afrika (SSA) auf lokaler und regionaler Ebene in Bereichen wie Wasserversorgung, sanitären Einrichtungen, Verkehr und Energie aufzeigt, müssen langfristig Gelder für eine nachhaltige Entwicklung bereitgestellt werden. Im Vergleich zu anderen Entwicklungsregionen sind die Märkte für Lokal-währungsanleihen (Local Currency Bond Markets, LCBM) in SSA allgemein noch wenig entwickelt. Dabei könnten LCBM für alle – einschließlich der ärmsten – SSA-Länder ein wichtiges Instrument zur langfristigen Finanzierung werden und so die mit Fremdwährungskrediten verbundenen finanziellen Risiken senken. Schließlich bieten die LCBM Zugang zu alternativen Finanzierungsquellen, verringern die Abhängigkeit von ausländischen Krediten, ermöglichen eine Risikodiversifizierung und können die Auswirkungen externer Schocks lindern. Durch Märkte für Staatsanleihen in Lokalwährung entstehen außerdem wichtige Referenzmärkte für Unternehmensanleihen, welche eine weitere Möglichkeit der langfristigen Unternehmensfinanzierung darstellen.
Politikempfehlungen zur Förderung von LCBM in SSA
Wir empfehlen, die Entwicklung von Märkten für Lokalwährungsanleihen durch nationale und regionale Initiativen zu unterstützen, die das institutionelle und aufsichtsrechtliche Umfeld stärken, den Kreis der Anleger erweitern und liquidere Sekundärmärkte schaffen. Die Behörden in SSA müssen ein vorteilhaftes makroökonomisches Umfeld gewährleisten und eine geeignete Finanzinfrastruktur aufbauen.
Um finanzielle Turbulenzen zu vermeiden, ist die Liberalisierung des Kapitalverkehrs mit viel Umsicht umzusetzen, wobei die Entwicklung der LCBM mit einer stabilen Entwicklung von Institutionen und Finanzsystemen einhergehen muss. Zur Steuerung von Kapitalzuflüssen und -abflüssen sollten die SSA-Behörden geeignete Strategien für das Schuldenmanagement und die Kapitalbilanz erarbeiten und sicherstellen, dass die Mitarbeiter ausreichend qualifiziert sind, um diese umzusetzen. Zudem sollten sie durch Gewinnrückführungsgarantien die Sicherheit der Anlagen gewährleisten. Dazu ist die Durchsetzung geltenden Rechts maßgeblich.
Bi- und multilaterale Geldgeber können die Entstehung von LCBM fördern, indem sie die nötige fachliche Unterstützung bzgl. Strategien zum Schuldenmanagement bereitstellen. Die Debt Management Facility von Weltbank und IWF und das Debt Management and Financial Analysis System der UNCTAD sind gute Beispiele einer solchen länderspezifischen fachlichen Unterstützung auf unterschiedlichen Ebenen. Die Afrikanische Entwicklungsbank hat in SSA die Afrikanische Marktinitiative (AFMI) gestartet, um die Entstehung von LCBM in der Region zu fördern. Ein weiteres gutes Beispiel für die Unterstützung durch die Geldgeber ist das Global Emerging Markets Local Currency Bond (Gemloc)-Programm der Weltbankgruppe, welches die Entstehung von LCBM in Schwellenländern fördert.
Da diese Regierungen und Unternehmen lang- und mittelfristig mit Kapital versorgen können, haben sie großes Potenzial, die in SSA benötigte Infrastruktur zu finanzieren und zur Erreichung nachhaltiger Entwicklungsziele beizutragen.

Finanzierung globaler Entwicklung: Welche Rolle kann öffentliche Entwicklungszusammenarbeit spielen?

Thu, 02/07/2015 - 09:25
Die dritte UN-Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung im Juli 2015 in Addis Abeba soll den Weg für die Verwirklichung der Post-2015-Entwicklungsagenda ebnen. Die Serie „Finanzierung globaler Entwicklung“ der „Analysen und Stellungnahmen“ analysiert wichtige finanzielle und nicht-finanzielle Maßnahmen zur Realisierung der neuen Ziele nachhaltiger Entwicklung (Sustainable Development Goals – SDGs) und diskutiert Bausteine für einen neuen globalen Rahmen der Entwicklungsfinanzierung.

Die Vorbereitungen auf die nächste Konferenz zeigen, dass Konzept, Bereitstellung und Monitoring öffentlicher Entwicklungszusammenarbeit (Official Development Assistance – ODA) umstritten bleiben. Die Meinungen über die künftige Rolle von ODA gehen weit auseinander: (1) Einige Empfehlungen zielen darauf ODA wieder auf Armutsreduzierung, vor allem in armen und fragilen Staaten, zu konzentrieren; (2) Andere sehen in ODA mehr den Katalysator, der andere Finanzierungsformen (besonders private) mobilisiert; (3) Wieder andere fordern die Neuausrichtung von ODA als Instrument zur Bereitstellung globaler öffentlicher Güter.

Nicht alle Ausgaben für globale öffentliche Güter (z. B. saubere Luft) können als ODA gemeldet werden. Aber es ist schwer zu entscheiden, was dennoch entwicklungsrelevant ist und was nicht. Ein Spannungsverhältnis bleibt: Die SDG Agenda zielt nicht mehr direkt auf Fortschritte in Entwicklungsländern ab. Der Fokus des ODA-Berichtssystems dagegen liegt weiterhin auf dem Ressourcentransfer von entwickelten in Entwicklungsländer.
 
Die SDG-Agenda wird eher keine konsistente Vision von globaler Entwicklungsfinanzierung abbilden, sondern Neues einführen und Altes erhalten, wo nötig. Diese „Mischvision“ wird Universalität und einen Nord-Süd-Transfer fördern und ist ein erster Schritt auf dem Weg zu einer globalen Agenda für nachhaltige Entwicklung mit universeller Gültigkeit. Die OECD ist ein Hauptbefürworter dieser Agenda und sie hat sich immer politisch und technisch stark für das ODA-Konzept und sein Statistiksystem engagiert. Die Gestaltung einer neuen Messgröße für die Öffentliche Gesamtleistung zur Förderung Nachhaltiger Entwicklung (Total Official Support for Sustainable Development – TOSSD) und die Debatte über die Finanzierung globaler öffentlicher Güter über ODA hinaus hat sie allerdings bislang vernachlässigt. Hier bedarf es eines verstärkten Engagements, da TOSSD zunehmend diskutiert wird.
Im Prinzip haben alle Teilnehmer von Addis Abeba ein weiter gefasstes Verständnis von „Entwicklungsfinanzierung“, das alle relevanten Finanzbeiträge aller Akteure ein-schließt. Dennoch wird ODA auf der Konferenz ein zentrales Thema bleiben. Das Monitoring von ODA-Beiträgen ist weiterhin notwendig. Für die neue globale Entwicklungsagenda ist indes wichtig, dass das jetzige System die Berichterstattung über Finanzbeiträge zunehmend in den Dienst der unterschiedlichen Akteure und ihrer Bemühungen stellt, Ergebnisse durch gemeinsame Rechenschaftspflicht zu gewährleisten. Ein wichtiger Schritt wäre die Ergänzung der aktuell Geber-zentrierten ODA-Berichterstattung durch Berichte der Entwicklungsländer über entwicklungsrelevante externe Mittelzuflüsse durch das UN High Level Political Forum.

Der Post-2015-Prozess und die G7: ihre Rolle und Aufgaben

Thu, 02/07/2015 - 09:13
Der G7-Gipfel in Elmau ist für die G7-Mitgliedsstaaten die Gelegenheit, sich für den Erfolg der wichtigsten multilateralen Konferenzen des Jahres 2015 einzusetzen, die sich mit den Themen Entwicklungsfinanzierung (Addis Abeba), Agenda für nachhaltige Entwicklung (New York) und Klimawandel (Paris) befassen. Wir erkennen Handlungsmöglichkeiten auf drei Ebenen:
  • In den eigenen Ländern sollten die Mitglieder der G7 Veränderungen mit globalen Auswirkungen anstoßen: (i) Die Staats- und Regierungschefs der G7 sollten sich verpflichten, nationale und fristgebundene Umsetzungspläne für die Post-2015-Agenda zu erarbeiten, die mit nationalen Prozessen verknüpft sind, zum Beispiel Politiken und Strategien nachhaltiger Entwicklung. Sie sollten (ii) Wegbereiter nachhaltiger Konsum- und Produktionsmuster sein und (iii) konkretisieren, wie sie auf nationaler Ebene zur Begrenzung der Erderwärmung auf 2°C beitragen wollen.
  • In Ländern mit niedrigem (LICs) und mittlerem Einkommen (MICs) sollte die G7 nachhaltige Entwicklung fördern: (i) Sie sollte die öffentlichen Gesundheitssysteme in LICs stärker unterstützen und helfen, einen Gesundheitsnotfallfonds einzurichten. Sie sollte (ii) ihre Zusagen bekräftigen, öffentliche Gelder (einschließlich Klimafinanzierung und öffentliche Entwicklungsleistungen [Official Development Assistance – ODA] für globale Zwecke) bereitzustellen und diese konkretisieren und (iii) die Entwicklung und den Transfer von Technologien in LICs und MICs fördern.
  •  Auf internationaler Ebene sollte die G7 das Prinzip „globale Regeln für globale Gemeinschaftsgüter“ stärken: (i) Die G7 sollte die internationale Finanzarchitektur reformieren. Sie sollte (ii) die Reform des internationalen Steuersystems vorantreiben, indem sie multilaterale Vereinbarungen fördert, die die internationale Zusammenarbeit von Steuerbehörden verbessern. Und sie sollte (iii) ein für Entwicklungsländer förderliches internationales Handelssystem stärken, das eine entwicklungsfreundliche Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) und eine Transpazifische Partnerschaft (TPP) umfasst.
Die Post-2015-Agenda für nachhaltige Entwicklung bekräftigt die universelle Gültigkeit der Menschenrechte und anderer Grundwerte der G7. Der Vorschlag für die Ziele nachhaltiger Entwicklung (SDGs) mag nicht perfekt sein. Aber er könnte Auslöser jenes kollektiven Handelns sein, das zur Erhaltung und Sicherung des Wohlstands und Wohlergehens heutiger und künftiger Generationen innerhalb der Grenzen unseres Planeten so notwendig ist. Zudem ist die Agenda für nachhaltige Entwicklung ein Beispiel dafür, wie sich gemeinsame Probleme lösen lassen: in einer auf Regeln beruhenden Partnerschaft, gestützt auf die Werte Fairness, Gerechtigkeit und gemeinsame, aber differenzierte Verantwortung. Die G7 muss ihren Teil zum Gelingen der Verhandlungen beitragen.

Finanzierung globaler Entwicklung: Das Potenzial von Handelsfinanzierung

Tue, 23/06/2015 - 12:44
Die dritte UN-Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung im Juli 2015 in Addis Abeba soll den Weg für die Verwirklichung der Post-2015-Entwicklungsagenda ebnen. Die Serie „Finanzierung globaler Entwicklung“ der „Analysen und Stellungnahmen“ analysiert wichtige finanzielle und nicht-finanzielle Maßnahmen zur Realisierung der neuen Ziele nachhaltiger Entwicklung (Sustainable Development Goals –  SDGs) und diskutiert Bausteine für einen neuen globalen Rahmen der Entwicklungsfinanzierung.
Während internationaler Handel ein zentraler Bestandteil der Agenda der Konferenz in Addis Abeba ist, wird Handelsfinanzierung nicht in dieser Agenda berücksichtigt. Diese Lücke ist bedauerlich, denn Handelsfinanzierung ist essenziell für den internationalen Handel, besonders für Entwicklungsländer mit weniger entwickelten nationalen Finanzmärkten und begrenztem Zugang zu internationalen Finanzmärkten. Jede Handelstransaktion muss finanziert werden. Die mangelnde Verfügbarkeit von Handelsfinanzierung kann daher zu einer Barriere für den internationalen Handel werden und so nachhaltige Entwicklung behindern. Da internationaler Handel einer der wichtigsten Motoren für wirtschaftliche Entwicklung in Entwicklungs- und Schwellenländern ist, ist die Verfügbarkeit von Handelsfinanzierung enorm wichtig für nachhaltige Entwicklung. Vor allem die Integration von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in den internationalen Handel ist essenziell für Schwellen- und Entwicklungsländer und fördert die wirtschaftliche Entwicklung besonders wirksam und nachhaltig. Der Handel mit Vor- und Zwischenprodukten ist mittlerweile wichtiger als der Handel mit Endprodukten, da Güter vorrangig innerhalb globaler Wertschöpfungsketten produziert werden. Zwei Drittel des internationalen Handels beruht auf Handel mit Zwischenprodukten. Die Teilnahme an globalen Wertschöpfungsketten ist daher ein wichtiges Ziel für Entwicklungsländer. Untersuchungen zeigen, dass Länder, die stärker in globalen Wertschöpfungsketten integriert sind, im Durchschnitt ein höheres Wirtschaftswachstum aufweisen. Allerdings stellen Friktionen bei der Finanzierung eines der größten Hemmnisse für die Teilnahme an globalen Wertschöpfungsketten dar.
Laut Schätzungen der Asiatischen Entwicklungsbank (ADB) aus dem Jahr 2013 liegt die globale Lücke der Handelsfinanzierung bei jährlich 1,6 Billionen US$. Eine Erhöhung der Verfügbarkeit von Handelsfinanzierung um 5% könnte die Produktion und das Angebot an Arbeitsplätzen um 2% erhöhen. Laut Umfragen bei den Marktteilnehmern kam es insbesondere im Zuge der Finanzkrise zu einem starken Einbruch im Angebot der Handelsfinanzierung. Doch das Angebot an Finanzierungsinstrumenten für Handelsgeschäfte bleibt auch nach Abklingen der Krise ein wichtiges Problem in Schwellen- und Entwicklungsländern. Umfragen zeigen, dass dies vor allem für Afrika und Asien gilt. Die mangelnde Entwicklung des Finanzsektors kann zu einer signifikanten Hürde für den internationalen Handel werden und Schwellen- und Entwicklungsländer behindern, sich besser in das globale Handelssystem zu integrieren und Handelsvorteile zu nutzen.
Aus diesem Grund sollte Handelsfinanzierung ein Baustein des zukünftigen Post-2015 Rahmenwerkes für Entwicklungsfinanzierung sein. Es kommt hierbei vor allem darauf an, den regionalen und lokalen Bankensektor zu entwickeln und international zu vernetzen und die Verknüpfung von Handelsfinanzierung mit der Integration von KMU in Wertschöpfungsketten bei der Entwicklung von entsprechenden Unterstützungsprogrammen zu berücksichtigen.

Die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP): was sollte die Entwicklungspolitik tun?

Wed, 28/01/2015 - 12:32
Die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (Transatlantic Trade and Investment Partnership, TTIP) wird aktuell heiß diskutiert – jedoch mit einem verengten Fokus. Die Debatte konzentriert sich vor allem auf die Auswirkungen von TTIP auf Deutschland und Europa. Den Implikationen dieses Mega Regionals für den Rest der Welt wird nicht genügend Beachtung geschenkt. Vor dem Hintergrund wachsender globaler Ungleichheit stellt sich die folgende Frage drängender denn je: Wie kann Globalisierung fair gestaltet werden – und kann TTIP dabei eine Rolle spielen?
Mit TTIP versuchen sich die europäischen Industrieländer und die USA an der Festlegung neuer, potenziell global gültiger Spielregeln für die Weltwirtschaft. Aus einer entwicklungspolitischen Perspektive ist dieser exklusive Ansatz bedenklich, da er Schwellen- und Entwicklungsländer von den Verhandlungen ausschließt. Die TTIP-Verhandlungsagenda umfasst weit mehr als nur den Abbau von Handelsbeschränkungen, sondern z. B. auch die Regeln für grenzüberschreitende Investitionen und ein breites Spektrum von Regulierungen, die oft nur entfernt etwas mit klassischer Handelspolitik zu tun haben. Diese expansive Verhandlungsagenda ist die eigentliche Innovation der transatlantischen Verhandlungen – mit ungewissen Folgen für all diejenigen Länder, die nicht am Verhandlungstisch sitzen. Denn sie werden sich, ob sie wollen oder nicht, an diesen Regeln orientieren müssen, wenn sie am Welthandel teilnehmen möchten.
TTIP könnte somit einen wichtigen Wendepunkt im Welthandelssystem markieren. TTIP, aber auch die von den USA und weiteren zehn Ländern verhandelte Transpazifische Partnerschaft (Trans-Pacific Partnership, TPP) drohen die multilateralen Verhandlungen in der Welthandelsorganisation (World Trade Organization, WTO) weiter zu unterhöhlen. Gefährlicher noch: Diese Mega Regionals provozieren als Gegenreaktion handelspolitische Blockbildungen von Schwellenländern wie Brasilien, Indien und vor allem China, die allesamt nicht an den TTIP- und TPP-Verhandlungen teilnehmen. Statt des überwiegend exklusiven Vorgehens der transatlantischen Partner wäre es besser, den Schwerpunkt auf die Kooperation mit den Schwellen- und Entwicklungsländern zu legen – insbesondere angesichts des enormen ökonomischen Potenzials dieser Länder und der aktuellen globalen Herausforderungen auch in anderen Politikbereichen, die nur mit den Schwellen- und Entwicklungsländern gemeinsam gelöst werden können.
Die TTIP-Verhandlungen bergen sowohl Potenziale als auch Herausforderungen für die globale Entwicklung und die faire Gestaltung der Globalisierung. Aber es gibt konkrete Empfehlungen, wie TTIP möglichst entwicklungsfreundlich ausgestaltet werden kann: 1) im Bereich der regulatorischen Kooperation sollte auf die Diskriminierung von Drittstaaten verzichtet werden; 2) Ursprungsregeln gilt es möglichst großzügig, einheitlich und offen auszugestalten; 3) Präferenzprogramme der EU und der USA sollten vereinheitlicht werden; 4) Drittländern sollten glaubhafte zukünftige Beitrittsoptionen eingeräumt werden.
Für Akteure der Entwicklungspolitik ergeben sich folgende Handlungsoptionen: 1) die TTIP-Verhandlungen unterstreichen die Bedeutung von Maßnahmen zur Integration von Entwicklungsländern in globale Wertschöpfungsketten; 2) auf der europäischen Ebene sollte auf die stärkere Kohärenz von TTIP mit entwicklungspolitischen Zielen und insbesondere der Post-2015-Agenda eingewirkt werden; 3) an Schwellen- und Entwicklungsländer müssten Transparenz- und Dialogangebote gemacht werden; 4) auf der multilateralen Ebene sollte der WTO-Prozess wiederbelebt und reformiert werden.

Zielkonflikte in der Demokratieförderung: Pauschallösungen und unvollständige Demokratisierung verhindern

Tue, 09/12/2014 - 10:29
Weltweit stehen westliche Geber in der Demokratieförderung vor einem Dilemma. Demokratie ist zwar ein wichtiges politisches Ziel, aber sie fürchten, dass der Weg dorthin ein ebenso wertvolles Ziel – politische Stabilität – unterminieren und in den Empfängerstaaten vermehrt Gewalt auslösen könnte. Wir gehen hier der Frage nach, ob es für diese Befürchtungen empirische Belege gibt, und wie Geber bei potenziellen Zielkonflikten zwischen Demokratisierung und Stabilität abwägen können.
Jüngste Forschungsarbeiten des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE) zeigen, dass es für die Sorge, Demokratisierung könne destabilisierend wirken, tatsächlich gewisse empirische Belege gibt (Leininger et al. 2012; Ziaja 2013). Diese Befürchtungen sollten allerdings nicht vom größeren Problem ablenken, „auf halber Strecke stehen zu bleiben“. Hybride Regime mit autoritären Merkmalen, die sich hinter einer Fassade formal-demokratischer Institutionen verstecken, stellen auf lange Sicht ein größeres Sicherheitsrisiko dar als Versuche, in hybriden Regimen Demokratie zu fördern.
Demokratieförderung ist also wünschenswert, aber häufig ein Risiko. Laut einer neuen Studie des DIE, die 47 afrikanische Staaten einbezieht, führt Demokratieförderung zwar kurzfristig zu mehr Demonstrationen und Ausschreitungen, nicht aber zu Bürgerkriegen. Somit deutet stärkere Mobilisierung der Bevölkerung eher auf die Wirksamkeit von Hilfe hin, als dass sie  ein Grund zur Besorgnis wäre.
Damit Demokratieförderung langfristig wirken und die Forderungen der Bevölkerung kanalisieren kann, muss sie lokalen Akteuren beim Aufbau von bedarfsgerechten Institutionen helfen. Häufig ließen sich Eliten aus Angst vor möglichen destabilisierenden Folgen von Bürgerbeteiligung zur Beschneidung des Wettbewerbs in jungen Demokratien verleiten. Dies ist keine gute Idee: Elitäre Transitionen führen laut unserer Forschung zu weniger nachhaltigen politischen Konstellationen als offener Wettbewerb.
Externe Förderung gelingt am besten, wenn Geber mar¬ginalisierte Gruppen darin unterstützen, sich am Institutionenaufbau zu beteiligen. Das wird am besten durch gleichzeitiges Engagement vieler Geber erreicht. Diversität auf der Geberseite erhöht die Chancen, eine kontextgemäße institutionelle Struktur zu finden, anstatt dem Partnerland eine solche überzustülpen.
Daraus ergibt sich, dass es für die Notwendigkeit eines Sequenzierungsansatzes in der Demokratieförderung  -  d. h. erst Stabilität, dann Demokratie – kaum empirische Belege gibt. Die meisten Länder haben bereits vor über zwei Jahrzehnten (formal) den Weg zur Demokratie einge¬schlagen. Ein gradualistischer Ansatz mit gleichzeitigem Aufbau von staatlichen Institutionen und der Förderung breiter Beteiligung ist darum der vielversprechendere Weg.
Unsere Empfehlungen lauten daher in Kürze:
‒    Demokratie sofort fördern und nicht zugunsten reiner Stabilisierungsmaßnahmen hintanstellen.
‒    Die Demokratieförderung  diversifizieren.
‒    Endogene, inklusive politische Entwicklung fördern.
‒    Beim Aufbau politischer Institutionen durch den Einsatz von Konditionalität auf Konfliktlösungsmechanismen bestehen.
‒    Zielkonflikte in Phasen demokratischer Transition abwägen.

Zur Messung grünen Wachstums: Warum Vereinheitlichen (manchmal) gar nicht erwünscht ist

Tue, 09/12/2014 - 10:19
Eine sinnvolle Alternative zur derzeitigen kohlenstoffabhängigen Wirtschaftsweise zu finden, wird aktuell international diskutiert, u. a. weil ökonomisches Wachstum in der Regel mit steigendem Ressourcenverbrauch einhergeht. Eine solche Alternative würde auch erfordern, dass Umweltbelange und der Wert von natürlichem Kapital bei sämtlichen ökonomischen Entscheidungen berücksichtigt werden. Die Diskussion bezieht sich vor allem auf Variationen des Konzepts Grünen Wachstums (green growth), das zu einer Art Modewort avanciert ist. Dabei schwingt die Hoffnung mit, eine Lösung für die dringendsten Probleme dieser Welt zu entwickeln: Das Bewahren von Ökosystemen und die Vermeidung von Umweltdegradation sollen ebenso mit ökonomischem Wachstum in Einklang gebracht werden wie die Ziele Klimastabilität und Armutsreduzierung.
Neben der wichtigen Debatte über die verschiedenen Wege zu diesen Zielen ist die Diskussion darüber essenziell, wie das Erreichen von grünem Wachstum sinnvoll abgebildet werden kann. Eine Reihe internationaler Organisationen hat Sets von Indikatoren zur Messung grünen Wachstums vorgeschlagen, und darüber hinaus haben sich Initiativen wie die Green Growth Knowledge Platform (GGKP) gebildet, die das vorhandene Wissen bündeln, Wissenslücken identifizieren und der Diskussion eine Plattform bieten.
Die einheitliche Messung grünen Wachstums ist dabei weit weniger trivial, als es auf den ersten Blick scheinen mag, da es mindestens zwei Quellen von Heterogenität gibt, die berücksichtigt werden müssen: Zum einen existieren mehrere Konzepte zu grünem Wachstum und zum anderen bedingen die individuellen Rahmenbedingungen der Länder, dass Prioritäten unterschiedlich gesetzt werden. So führen die differierenden Einkommensniveaus der Länder zu unterschiedlichen Politikschwerpunkten und Handlungsspielräumen. Des Weiteren unterscheiden sich die Ökonomien oft fundamental in ihrer Wirtschaftsstruktur – mit Implikationen für Umweltauswirkungen und die Nutzung natürlicher Ressourcen. Zudem bedarf es eines gewissen Maßes an politischer Stabilität, um grüne Wachstumsstrategien sinnvoll planen und verfolgen zu können. Und schließlich muss die Messung grünen Wachstums auch zwischen zyklischen und strukturellen wirtschaftlichen Veränderungen unterscheiden (können).
Daraus resultieren mehrere Indikatoren-Sets zur Messung grünen Wachstums. Das Ziel sollte aber nicht zwangsläufig sein, ein alleingültiges Indikatoren-Set zu entwickeln. Um das Konzept Grünes Wachstum klar abzustecken und damit vor dessen beliebiger Verwendung zu schützen, werden erstens eine übergreifende Definition grünen Wachstums benötigt und zweitens, zur Messung, übergeordnete Schlüsselindikatoren, die zentrale Kategorien widerspiegeln. Allerdings erfordern die heterogenen Ausgangsbedingungen in Entwicklungs-, Schwellen- und Industrieländern grüne Wachstumsstrategien, die an die individuellen Situationen angepasst werden können. Demzufolge müssen auch Indikatoren-Sets zur Messung grünen Wachstums nicht nur eine gewisse Flexibilität erlauben, sondern auch in der Lage sein, diese Diversität zu reflektieren.

Post-2015: einen kohärenten Überprüfungsmechanismus schaffen

Fri, 14/11/2014 - 12:10
Die Beratungen der Vereinten Nationen (VN) über eine Post-2015-Agenda sind in vollem Gange. Aufgabe der Unter-händler ist es, Ziele und Indikatoren zu formulieren. Doch gleichzeitig stellt sich die grundsätzliche Frage: Wie wird die Umsetzung der nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) überwacht und überprüft?
Dafür ist ein Post-2015-Überprüfungsmechanismus notwendig. Dieser Mechanismus soll sicherstellen, dass Akteure Verantwortung übernehmen, aus ihren Bemühungen lernen und so handeln, dass die SDGs transparent umgesetzt werden. Die Debatte um einen solchen Mechanismus hat gerade erst begonnen.

Bisher haben VN-Mitgliedstaaten erst wenige allgemeine Elemente eines Überprüfungsmechanismus vereinbart. Wich¬tig dabei: Er wird freiwillig, unverbindlich und von Staaten gesteuert sein. Das wirft die Frage auf, wie sich Regierungen und andere Akteure zur Teilnahme motivieren lassen. Der stärkste Anreiz ist wohl der eigene Ruf: Staaten können ihr SDG-Profil schärfen und „Best Practices“ demonstrieren. Auch finanzielle Förderung, Unterstützung beim Capacity Development und Technologietransfer könnten Anreize sein, besonders für die am wenigsten entwickelten Länder.
Allerdings müssen Anreize durch Eigenverantwortung auf nationaler Ebene ergänzt werden. Der Mechanismus sollte in einem integrativen Bottom-up-Ansatz wurzeln, in dem jede Regierung ihr Ambitionsniveau selbst festlegt. Ferner sollten Regierungen ihre nationalen Anstrengungen mit SDG-Debatten auf regionaler und internationaler Ebene in einem Mehrebenen-Ansatz verknüpfen können.
Derzeit befasst sich eine lose Ansammlung internationaler Gremien mit Teilaspekten der vorgeschlagenen SDGs. Für jedes der 17 Ziele gibt es eine Unzahl von Institutionen, im VN-System sowie außerhalb davon. Alle behaupten von sich, globale Koordinationsfunktionen zu erfüllen, aber viele arbeiten bloß parallel. Wenn diese Inkohärenz bestehen bleibt, wird aus dem Überprüfungsmechanismus eine unkoordinierte Sammlung isolierter Bemühungen. Auf einem solchen Flickenteppich wird die Umsetzung einer ehrgeizigen Agenda sehr schwer werden.
Vor diesem Hintergrund bietet die Post-2015-Debatte eine einmalige Gelegenheit, einen Überprüfungsmechanismus zu schaffen, der Akteure institutionenübergreifend einbindet. Er würde Doppelungen verhindern und Synergien fördern. Seine größte Stärke aber bestünde darin, Hauptakteure in wenigen fokussierten Diskussionen zusammenzubringen, die wirksamer und legitimer wären als die momentan eher fragmentierte internationale Zusammenarbeit.
Ein kohärenter Mechanismus sähe ein im Vergleich zu den Millenniumsentwicklungszielen (MDGs) verbessertes Monitoring und Berichtswesen und damit eine verstärkte Überprüfung vor. Er sollte drei Komponenten haben: Hauptakteure (Regierungen, VN-System, andere Akteure), Verknüpfungen (inner- und außerhalb von VN-Strukturen) und Ambition (in Bezug auf Design und Verpflichtungen).
Die internationale Staatengemeinschaft sollte nicht länger zögern, einen Überprüfungsmechanismus zu diskutieren. Nur so bekommt die Post-2015-Agenda von Anfang an ein solides Fundament.

Eine funktionsfähigere globale Gesundheitspolitik: Empfehlungen für den Umgang mit Ebola

Fri, 07/11/2014 - 09:05
Die Ebola-Pandemie ist eine Krise globalen Ausmaßes und Anlass zu weltweiter Sorge. Räumlich konzentriert, verlangt sie lokale Maßnahmen mit globaler Reichweite. Ihr voraussichtlicher Verlauf ist Thema wechselnder Prognosen, widersprüchlicher Nachrichten, gefährdeter Maßnahmen und zunehmend auch großer Ängste. Ebola ist eine Gesundheitskrise mit gravierenden Folgen für die Wirtschaft sowie eine Bedrohung für Frieden und Sicherheit in der Region, aber auch darüber hinaus.
Eine Erfolg versprechende Reaktion auf die Ebola-Pandemie muss auf zwei Ebenen ansetzen:
  • Die aktuelle Krise muss unter Kontrolle gebracht werden. Wir schlagen eine Reihe kurzfristiger Maßnahmen vor, die vor allem gekennzeichnet sein sollten durch eine bessere Koordinierung innerhalb der Staatengemeinschaft. Sie dienen dem Aufbau allgemein akzeptierter Führungsstrukturen für die globale Gesundheit: im System der Vereinten Nationen (UN) verankert und von wichtigen globalen Akteuren wie den USA und der EU unterstützt.
  • Dieser Pandemie-Ausbruch sollte so bewältigt werden, dass zukünftige verhindert werden können. Dazu müssen internationale Akteure die herrschenden strukturellen Defizite bearbeiten. Entsprechende Maßnahmen müssen drei Aspekte berücksichtigen: Erstens ist die Ebola-Pandemie eine globale Krise. Neben den Folgen einer Infektion für den einzelnen, kann sie schnell eine Panik auslösen, die medizinische, soziale, wirtschaftliche und politische Kosten unkalkulierbar macht. Zweitens ist Ebola nicht nur für die betroffenen Menschen, sondern  auch für die betroffene Region eine Krise, die Gesundheit, Wirtschaft und Sicherheit bedroht (u. a. wo Menschen abseits der Ebola-Zentren medizinische Hilfe suchen). Drittens stellt die Infektion eine Gesundheits-, Wirtschafts- und Sicherheitskrise für Westafrika und darüber hinaus dar: Ihre Ausbreitung bedroht die zerbrechlichen Erfolge der Post-Konflikt-Gesellschaften von Guinea, Liberia und Sierra Leone. Darüber hinaus kennzeichnen den Großraum Westafrika und die Sahelzone fragile gesellschaftliche Strukturen. Angesichts von Quarantäne, Angst und einbrechendem Handel kämpft die Bevölkerung um ihre Existenz; sozioökonomische und politische Spannungen können unter diesen Bedingungen rasch zunehmen.
Ebola verdeutlicht Schwächen der internationalen Zusammenarbeit. Für die Herausforderung einer engagierten, koordinierten Reaktion ist Folgendes wichtig:
  • Der Ebola-Ausbruch auf dicht besiedeltem Stadtgebiet zeigt, dass funktionsfähige lokale, nationale und globale Gesundheitssysteme überlebenswichtig sind. Zoonosen sind leicht übertragbar und werden auch zunehmend die Menschheit betreffen. Wir müssen vor allem präventiv agieren, und damit auch lernen, erste Anzeichen zu erkennen und zu reagieren. 
  • Das macht deutlich, dass schwache lokale Systeme, gerade in Postkonfliktregionen, nicht nur eine lokales Risiko, sondern eine globale Bedrohung sein können.
  • Das aktuelle Krisenmanagement der Staatengemeinschaft ist weder wirksam noch ausreichend. Ein Haupt-grund ist die chronische Unterfinanzierung von Kernaufgaben großer internationaler Institutionen. 
  • Die Staatengemeinschaft sollte ihre Möglichkeiten systematischer nutzen, die Leistungsfähigkeit des (globalen) Gesundheitssektors zu steigern.


Post 2015: die Verhandlung der Sustainable Development Goals für eine ambitionierte globale Entwicklungsagenda nutzen!

Fri, 17/10/2014 - 08:40
Ende Juli 2014 hat die Open Working Group (OWG) der Vereinten Nationen (UN) ihre Arbeit beendet. Damit ist der Prozess zur Annahme universeller Ziele nachhaltiger Entwicklung (Sustainable Development Goals – SDGs) in die entscheidende Phase getreten. Eingerichtet nach dem „Rio+20“-Gipfel über nachhaltige Entwicklung 2012, hat die OWG ihre Aufgabe wohl erfüllt: Ihr umfassender Vorschlag, „ein integrierter unteilbarer Satz globaler Prioritäten für nachhaltige Entwicklung“ mit „ambitionierten globalen Zielen“, liegt auf dem Tisch. Er reflektiert das globale Ambitionsniveau und trägt nationalen Gegebenheiten Rechnung.
Jetzt ist es an UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon und der Generalversammlung, den Vorschlag der OWG aufzugreifen und einen globalen Konsens herzustellen. Gleichzeitig müssen die SDGs in einem institutionellen System verankert werden, das ihre schrittweise Umsetzung fördert und Verantwortlichkeit sicherstellt. Die OWG hat den Weg geebnet und viel erreicht. Doch die Debatte wird weitergehen – bis die Generalversammlung 2015 einen konsolidierten SDG-Katalog verabschiedet hat. Dieser steckt den politischen Spielraum für einen Zielkatalog ab, der so pragmatisch ist, dass er im „Norden“ und im „Süden“ gleichermaßen mitgetragen wird, und zugleich ehrgeizig genug, um „Business as usual“ zu überwinden. Auf vier Aspekte sollten Entscheidungsträger und Unterhändler dabei besonders achten:
  1. Sie sollten sich nicht von der Frage ablenken lassen, wie die Zahl der Ziele reduziert werden kann. Die Gesamtzahl der SDGs sagt nichts darüber aus, ob das einzelne Ziel hält, was es verspricht. Entscheidend sind der Inhalt und die Realisierbarkeit einzelner Zielgrößen und nicht, ob sich alle Ziele leicht einprägen.
  2. Ein konsolidierter SDG-Katalog sollte das Potenzial in¬tegrierter Konzepte stärker betonen, zum Beispiel bei den Zielen zur Versorgung mit Wasser, Nahrung und Energie. Die von der OWG vorgelegten Ziele bleiben hinter den Möglichkeiten zurück, das für die Millenniumsentwicklungsziele (MDGs) typische „Silodenken“ zu überwinden.
  3. Die Ziele müssen ambitioniert sein, sowohl was ihren Inhalt betrifft als auch die Lastenverteilung in der geplanten ‚globalen Partnerschaft‘. Jetzt ist der Moment, um festzulegen: Wer soll was, bis wann und mit welchen Mitteln tun?
  4. Die Ziele sollen universell und damit bedeutsam und gerecht für und in allen Industrie- und Entwicklungsländern sein. Das Prinzip, ‚niemanden zurückzulassen‘, sollte durchgängig im ganzen Zielkatalog seinen Niederschlag finden.
Das vorliegende Papier erläutert diese Punkte näher und setzt sich kritisch mit den Ergebnissen der OWG auseinander. Außerdem beleuchtet es Umsetzungshindernisse, vor allem für Deutschland und die Europäische Union. Sein Fazit lautet, dass alle Länder gut daran täten, nationale Umsetzungspläne zu erarbeiten, die eine innenpolitische Integration der SDGs fördern. Diese Pläne sollten ehrgeizig sein und flexibel genug für eine allmähliche Anpassung, wenn sich die globale Partnerschaft für nachhaltige Entwicklung über 2015 hinaus weiterentwickelt.

Warum es bei Zahlungen für Ökosystemdienstleistungen auf Macht ankommt

Tue, 14/10/2014 - 14:16
Zahlungen für Ökosystemdienstleistungen (payments for ecosystem services, PES) sind Zahlungen an Grundbesitzer, deren Landbewirtschaftungspraktiken helfen, Ökosystemdienstleistungen (ecosystem services, ES) zu erbringen. Im Kontext von Wassereinzugsgebieten sind die wichtigsten Leistungen die Bereitstellung, Reinigung und Regulierung von Wasser.
PES wurde als Instrument konzipiert, das den Übergang zu einer ökologischen Wirtschaft erleichtern soll. Aus dieser Perspektive ist es eine Win-Win-Lösung für Umweltzerstörung und Armut.
Heute ist PES ein weit verbreitetes Instrument für den Naturschutz. Als vereinzelte, privat finanzierte Projekte begonnen, hat PES seinen Weg in viele nationale und internationale Naturschutzpolitiken überall auf der Welt gefunden. Der PES-Wert für Vorgänge in Wassereinzugsgebieten betrug für das Jahr 2011 8-10 Mrd. US$ und er steigt weiterhin schnell an.
Dieses Themenpapier wendet sich gegen die Vorstellung von PES als Allheilmittel gegen Umweltzerstörung und Armut. PES ist ein sich schnell verbreitender Mechanismus für die Bewirtschaftung natürlicher Ressourcen und Naturschutz; bei der Umsetzung von PES mangelt es jedoch mitunter am Verständnis ihrer sozialen und wirtschaftlichen Wirkungen. Wir benennen deshalb eine Reihe kritischer Punkte, die im entwicklungspolitischen Kontext wenig politische Aufmerksamkeit erhalten haben, jedoch von großer sozialer Relevanz und Wirkung sind.
Das Verständnis der kritischen Punkte rund um PES kann helfen, die folgenden Mängel zu überwinden oder zu verringern:
  • Machtasymmetrien in PES-Verhandlungen. Bei PES verhandeln häufig Regierungen und Privatunternehmen mit marginalisierten Bevölkerungsgruppen. Die unterschiedlichen Ressourcen und Fähigkeiten dieser Akteure sind geeignet, sowohl die Ergebnisse der Verhandlungen als auch Umsetzung von PES zu beeinflussen. Die Interessen der marginalisierten Bevölkerungsgruppen zu schützen ist nicht nur eine gesellschaftliche Notwendigkeit, es trägt auch zur Nachhaltigkeit bei.
  • Die Teilnahme an PES ist nicht immer freiwillig. Umweltgesetze, strenge Vertragsklauseln, unklare Partizipationsmechanismen und Druck von Intermediären tragen dazu bei, Dienstleister zu PES zu zwingen. Den implementierenden Organisationen sollte eine freiwillige Teilnahme garantiert werden. Darüber hinaus sollten PES-Politiken die Perspektive der Bauern berücksichtigen (d.h. was meinen Dienstleister zu benötigen?), sodass PES ein Werkzeug statt ein Hindernis für ländliche Entwicklung ist.
  • PES-Systeme werden in Kontexten eingeführt, in denen eine ungleiche Verteilung der natürlichen Ressourcen auftritt. PES kann diese ungleiche Verteilung verschärfen und sogar die Verfügungsgewalt der weniger mächtigen Gruppen über ihre natürlichen Ressourcen schwächen. In vielen Situationen kann PES dazu führen, dass Dienstleister überhaupt keinen Zugang mehr zu den Leistungen haben, die sie zu schützen helfen, oder dass sie die Kontrolle über ihre Ressourcen verlieren. PES sollte an eine faire Verteilung der Rechte an natürlichen Ressourcen gebunden werden.
  • PES kann im Wettbewerb mit kommunalen Organisationen stehen und die kulturellen und Naturschutzpraktiken untergraben, die nicht auf Geldzahlungen basieren

Szenarien für verstärkte EU-Geberkoordinierung: wie viel Koordinierung ist sinnvoll?

Fri, 19/09/2014 - 10:42
Die Notwendigkeit einer besseren Koordinierung der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) der Europäischen Union (EU) wird von den meisten Akteuren aus Wissenschaft und Praxis nicht in Frage gestellt. Sie ergibt sich aus der Frag­mentierung und Proliferation der öffentlichen EZ, die in jüngster Zeit trotz der Rufe nach einer stärkeren Harmo­nisierung und Arbeitsteilung deutlich zugenommen hat. In den vergangenen zehn Jahren hat die EU eine Reihe guter technischer Lösungen zur Überwindung der Frag­mentierung entwickelt. Die größten Herausforderungen der unge­nügenden Koordinierung sind allerdings nicht technischer Art, sondern stehen im Zusammenhang mit einem klaren poli­tischen Bekenntnis und der Formulierung einer Marsch­route für weitere Verbesserungen.

Bei den bestehenden Verpflichtungen der EU zur Koordinierung der EZ und der aktuellen Mechanismen ist kein einheitliches Kosten-/Nutzen-Bild erkennbar. Die Bemühun­gen der EU im Zusammenhang mit der internationalen Debatte über die Wirksamkeit und insbesondere die Aspekte der Koordinierung der EZ gehen nicht immer mit Verbes­serungen auf der nationalen Ebene einzelner Mitgliedstaaten einher. Bereits bestehende Koordinierungsbemühungen für die drei Hauptbereiche (Politik, Programmplanung und Umsetzung) müssen auf den Prüfstand gestellt werden, um die europäische Entwicklungspolitik auf die Herausforderun­gen abzustimmen. Das erfordert eine Überprüfung von Instrumenten wie Arbeitsteilung, gemeinsame Planung und programmbasierte Ansätze.

Einsparungen und sonstige Vorteile einer verbesserten oder verstärkten Koordinierung der europäischen EZ müssen sowohl qualitativ als auch quantitativ bewertet werden. Insgesamt gibt es drei zentrale Erklärungen für die EU- Koordinierungsdefizite:

  1. Es besteht kein Konsens darüber, welches das richtige Maß für die Koordinierung sein sollte.
  2. Die politische Ökonomie der Geberkoordinierung ist komplex; es gibt starke Anreize, die einer verstärkten Koordinierung entgegenwirken (z. B. das Interesse von Mitgliedstaaten an "Sichtbarkeit").
  3. Die politische Ökonomie der Partnerländer hinsichtlich des Umgangs mit Gebern ist ebenfalls komplex und begünstigt nicht immer eine verstärkte Koordinierung (Frag­mentierung von Gebern als Strategie zur Risikostreuung, z. B. in Fällen politischer Konditio­nalität).
Geringere Transaktionskosten gehören zu den potenziellen Vorteilen der Koordinierung, die einfach zu erzielen und sichtbar sind. Darüber hinaus kann die Koordinierung der EZ auf EU-Ebene größere entwicklungspolitische Wirkungen entfalten. Die Quantifizierung aller mögli­chen Vorteile ist allerdings schwierig, weil es nahezu un­möglich ist, den "Wendepunkt" zu identifizieren, an dem der Nutzen die Kosten überwiegt, und weil qualitative Vorteile schwer zu beziffern sind.

Es lassen sich verschiedene Szenarien für die Gestaltung der künf­tigen EU-Entwicklungspolitik identifizieren. Für die EZ der EU wäre ein voll integrierter Ansatz zumindest theoretisch der beste Weg zur Überwindung der Frag­mentierung und der damit verbundenen Kosten. Allerdings ist nicht zu erwarten, dass die Mitgliedstaaten das tatsächlich anstreben und umsetzen wollen.

Grün und sauber? Wasserkraft zwischen niedrigen Treibhausgasemissionen und hohen sozialen und ökologischen Kosten

Wed, 03/09/2014 - 14:26
Im vergangenen Jahrzehnt ist die Wasserkraft auf die globale Agenda zurückgekehrt, nachdem sie aufgrund der heftigen Kritik an ihren sozialen und ökologischen Wirkungen kaum noch eine Rolle spielte.
Die Befürworter von Wasserkraft argumentieren, sie sei ‚sauber‘ und ‚grün‘ und könne deshalb eine kohlenstoffarme Entwicklung unterstützen. Der Kampf gegen den Klimawandel erfordere eine Stromerzeugung aus Quellen mit niedrigen Treibhausgasemissionen (THG), und weil Wasserkraft ein geringer Emittent ist, hat sie das Potential, zum Schutz eines globalen öffentlichen Gutes beizutragen: des globalen Klimas. Zugleich fördere sie Wirtschaftswachstum und soziale Entwicklung. Dieses Potential hat die Wasserkraft wieder in den Mittelpunkt des Interesses gerückt.
Trotz der positiven Rolle, die Wasserkraft beim globalen Klimawandel spielen kann, bleibt das Dilemma bestehen: Ist Wasserkraft wünschenswert, weil sie kohlenstoffarme Energie liefern kann, oder nicht wünschenswert, weil sie lokal problematische ökologische und soziale Auswirkungen hat? Die Antwort ist nicht einfach, denn es müssen schwierige Abwägungen vorgenommen werden.
Zweifellos ist die globale Erwärmung eine der größten Bedrohungen dieses Jahrhunderts. Dennoch bleiben die lokalen sozialen und ökologischen Auswirkungen von Wasserkraftanlagen bestehen, und die positivere Sicht auf Wasserkraft läuft Gefahr, die negativen Wirkungen – auf Menschen und auf Ressourcen – zu übersehen. Diese Wirkungen sollten ob der Vorteile kohlenstoffarmen Wachstums nicht leichtfertig hintangestellt werden. Die neuerliche Aufmerksamkeit für Wasserkraft bietet auch eine entscheidende Möglichkeit, nämlich sozial und ökologisch verträglichere Projekte / Anlagen zu entwickeln. Damit die positive Rolle der Wasserkraft bei der Bereitstellung von erschwinglichen, flexiblen erneuerbaren Energien zum Zuge kommt, sollte es das übergeordnete Ziel sein, die Optionen mit den geringsten negativen sozialen und ökologischen Auswirkungen zu wählen. Nationale Behörden sollten dabei unterstützt werden, zu gut begründeten und ausgewogenen Entscheidungen zwischen globalen und lokalen Nutzen und Kosten zu kommen
Ob es einem gefällt oder nicht, eine Energiewende ist ohne Wasserkraft nicht denkbar, und sie wird in vielen Ländern eine Rolle bei der Eindämmung des Klimawandels spielen. Wir sollten das Momentum nutzen und einen nachhaltigen Weg einschlagen.

Zur Zukunft des ODA-Konzepts: die politischen Aspekte einer scheinbar technischen Diskussion

Wed, 23/07/2014 - 12:52
Ende 2014 besteht die Möglichkeit, dass sich die Entwicklungsminister der Organisation for Economic Co-opera¬tion and Development (OECD) auf eine neue Definition von öffentlicher Entwicklungszusammenarbeit (EZ bzw. Official Development Assistance – ODA) verständigen. Die laufenden Diskussionen hierüber sind nur auf den ersten Blick „technischer Natur“. Einerseits gibt es zwar eine Reihe von konkreten fachlichen Aspekten, wenn es um das Verständnis und die Weiterentwicklung von ODA geht. Andererseits wird offensichtlich, dass die Debatte über eine angemessene neue Definition die gesamte Bandbreite von strukturverändernden entwicklungspolitischen Themen umfasst.
Die stattfindende ODA-Debatte spiegelt deshalb die unterschiedlichen Betrachtungsweisen des gesamten Politikfeldes wider. Brauchen wir lediglich einige systemimmanente Anpassungen des ODA-Konzepts? Oder sehen wir derzeit sogar den „Beginn der Endphase“ der Entwicklungszusammenarbeit, wie wir sie insbesondere seit Beginn der 1960er Jahre kennen? Ist die externe Unterstützung armer Länder ein „Auslaufmodell“ der internationalen Politik?
Es gibt zwei wesentliche Gründe, warum sich die OECD-Länder überhaupt international darüber verständigt haben, was unter ODA zu fassen ist. Zum einen erlaubt eine solche Vereinbarung, Standards und damit qualitative Anforderungen festzulegen, um ODA von anderen Kooperationsansätzen unterscheidbar zu machen – etwa von Instrumenten der Außenwirtschaftsförderung oder der militärischen Zusammenarbeit mit anderen Staaten. Zum anderen wird es dadurch möglich, Leistungen für Entwicklungszwecke sowie Vergleiche zwischen Ländern, die zu globalem kollektiven Handeln beitragen, quantitativ zu erfassen. Die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte zeigen, dass die Bereitstellung von internationalen Vergleichsdaten tatsächlich einen gewissen Druck auf Regierungen und Parlamente ausüben kann, Anstrengungen in der EZ zu unternehmen oder zu verstärken. So hat sich das größte Geberland, die USA, nie konkret dazu verpflichtet, das von den Gebern grundsätzlich akzeptierte Ziel – die Bereitstellung von 0,7 % ihrer Wirtschaftsleistung für ODA – zu erreichen. Die Länder der Europäischen Union haben etwa durch einen Stufenplan versucht, dieses Ziel zu konkretisieren; allerdings wurde es mehrheitlich nicht erreicht. Lange Zeit galten die skandinavischen Länder und (bis 2012) die Niederlande bei der Erreichung des 0,7 %-Ziels als Vorbild; Großbritannien sieht sich neuerdings ebenfalls in einer Vorreiterrolle, da es das 0,7 %-Ziel mittlerweile gesetzlich verankert hat. Die Diskussionen um dieses Ziel zeigen, dass es dank der statistischen Erfassung durchaus einen internationalen Anreiz gibt, höhere Input-Leistungen zu erbringen.

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