Der Europäische Rat behandelte auf seiner Tagung vergangene Woche drei Hauptthemen: Migration, Handel und Russland einschließlich der Rolle Russlands in Syrien.
Zur Migration. Zum ersten Mal seit mehr als einem Jahr war die Tagung des Europäischen Rates keine Krisentagung. Die Flüchtlingsströme in Richtung Griechische Inseln sind gegenüber dem gleichen Zeitpunkt vor einem Jahr um 98 % zurückgegangen. Der irreguläre Zustrom über die zentrale Mittelmeerroute, also aus Afrika nach Italien, ist jedoch nach wie vor viel zu hoch; hier hat sich in den letzten beiden Jahren nichts geändert. Daher haben wir in unseren Gesprächen den Schwerpunkt vor allem auf die Zusammenarbeit mit Afrika gesetzt. Die Staats- und Regierungschefs erhielten eine erste Bewertung durch die Hohe Vertreterin über die Bemühungen, die Migrationsströme im zentralen Mittelmeer in Partnerschaft mit den entscheidenden Ländern zu begrenzen. Mit Senegal, Mali, Niger, Nigeria und Äthiopien wurde mit den sogenannten "Migrationspakten" ein gutes Fundament gelegt. Die Staats- und Regierungschefs werden die ersten Ergebnisse im Hinblick auf unser Ziel, die illegale Migration nach Italien und in das restliche Europa zu verhindern und eine effektive Rückführung von irregulären Migranten sicherzustellen, im Dezember beurteilen.
Sie erörterten auch die Rückkehr zu den Schengen-Regeln. Ziel ist es weiterhin, die befristeten Grenzkontrollen im Laufe der Zeit aufzuheben. Dies muss allerdings mit einer weiteren Verstärkung der Außengrenzen einhergehen. Die Kommission wird weiterhin die Lage beurteilen und auf dieser Grundlage ihre Empfehlungen unterbreiten.
Die Frage einer Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems wurde ebenfalls erörtert, so auch die Frage, wie die Grundsätze Solidarität und Verantwortung künftig gehandhabt werden sollen. Wir haben vereinbart, konkrete Vorschläge des slowakischen Ratsvorsitzes zu diesem sensiblen Thema im Dezember zu erörtern.
Wir hatten auch eine Aussprache über Russland. Die Staats- und Regierungschefs teilten ihre Erfahrungen aus verschiedenen Ländern, die von Desinformationskampagnen, Cyberangriffen, der Einmischung in politische Prozesse in der EU und in anderen Teilen der Welt über Luftraumverletzungen bis hin zur Anfachung von ethnischen Konflikten in der Ukraine, auf dem Balkan und in entfernter liegenden Gebieten reichten. Auch die Entwicklungen bei der MH17-Untersuchung werfen besorgniserregende Fragen auf. Insgesamt nahmen wir eine nüchterne, illusionsfreie Bewertung dieser Realität vor. Eine Zunahme der Spannungen mit Russland ist nicht unser Ziel. Wir reagieren lediglich auf die Schritte, die Russland mit beträchtlicher Energie in dem Bestreben unternimmt, die EU zu schwächen und zu spalten. Unser langfristiges Ziel bleibt, einen Modus Vivendi zu finden. Das bedeutet, dass wir an unseren Werten und Interessen festhalten, aber auch die Tür für den Dialog offenhalten. Wir waren uns alle einig, dass unsere größte Stärke im Kontakt mit Russland die europäische Einheit ist. Und deshalb werden wir zusammenstehen.
Wir sprachen auch über Syrien. Wir verurteilen die Angriffe des syrischen Regimes und seiner Verbündeten, insbesondere Russlands, auf die Zivilbevölkerung in Aleppo. Die EU fordert die Beendigung der Gräueltaten und die sofortige Einstellung der Feindseligkeiten. Wir haben die Hohe Vertreterin ersucht, weitere diplomatische und humanitäre Bemühungen zu unternehmen. Wenn diese Gräueltaten nicht aufhören, werden alle verfügbaren Optionen geprüft. Das syrische Volk braucht eine sofortige und dauerhafte Waffenruhe und die erneute Öffnung von Korridoren für die humanitäre Hilfe.
Als letztes Thema erörterten wir die Handelspolitik. Unsere Bürger fragen sich zunehmend, ob die Handelsabkommen, die wir aushandeln, wirklich in ihrem besten Interesse sind. Und ich befürchte, dass wir in Zukunft keine Freihandelsabkommen mehr aushandeln können, wenn wir nicht unter Beweis stellen, dass wir den Schutz der europäischen Verbraucher, Arbeitnehmer und Unternehmen sehr ernst nehmen. Während unserer Aussprache zogen wir eine deutliche rote Linie zwischen Schutz und Protektionismus. In diesem Sinne haben die Staats- und Regierungschefs zugesagt, dass sie rasch eine Einigung über die Modernisierung aller handelspolitischen Schutzinstrumente der EU erreichen wollen. Ich weiß, dass dieses Parlament bereit ist, dies zu unterstützen. Wir haben unsere Handelsminister beauftragt, einen Ausweg aus der festgefahrenen Situation zu finden.
In Bezug auf CETA ist die EU immer noch nicht bereit, das Abkommen mit Kanada zu unterzeichnen. Aber die Gespräche in Belgien gehen auch an diesem Morgen weiter. Ich danke allen, die dazu beigetragen haben, diese Gespräche zu ermöglichen; besonders Martin Schulz und Jean-Claude Juncker: Ihr habt wirkliche Führungsstärke und Verantwortung gezeigt. Vielen Dank für Eure Unterstützung. Letztendlich können jedoch nur die Belgier über den Standpunkt Belgiens entscheiden. Ich bin beeindruckt, wie entschlossen und engagiert sie sich in den letzten Stunden gezeigt haben. Ich hoffe nach wie vor, dass Belgien sich erneut als Meister der Konsensfindung erweist und wir bald in der Lage sein werden, dieses Abkommen abzuschließen. An dieser Stelle muss ich auch der kanadischen Seite für ihre Zusammenarbeit und Ausdauer danken. Wenn wir es nicht schaffen, beim Freihandel mit einem Land wie Kanada – dem europäischsten Land außerhalb Europas und einem engen Freund und Verbündeten – zu überzeugen, dann hat das offensichtliche Folgen für Europas Stellung in der Welt. Aber so weit sind wir noch nicht. Während wir hier sprechen, könnte das Gipfeltreffen morgen immer noch stattfinden.
Bezüglich des Assoziierungsabkommens und des vertieften und umfassenden Freihandelsabkommens mit der Ukraine hat der niederländische Ministerpräsident den Europäischen Rat über die Schwierigkeiten bei der Ratifizierung des Abkommens unterrichtet. Ministerpräsident Rutte sagte zu, die nächsten Tage zu nutzen, um mit dem niederländischen Parlament eine Lösung zur Behebung dieser Schwierigkeiten zu finden. Unabhängig vom Ausgang der Debatte in den Niederlanden, ist es offensichtlich, dass wir einen Weg nach vorne finden müssen, der sowohl für die anderen 27 Mitgliedstaaten als auch für die Ukraine annehmbar ist.
Lassen Sie mich noch erwähnen, dass wir uns gefreut haben, Premierministerin May auf der Tagung des Europäischen Rates willkommen zu heißen. Sie bestätigte, dass das Vereinigte Königreich Artikel 50 des Vertrags von Lissabon vor Ende März des nächsten Jahres geltend machen wird. Entsprechend unserer Politik, dass es keine Verhandlungen ohne Austrittsantrag gibt, haben wir den Brexit nicht erörtert. Angesichts der Bestätigung von Premierministerin May, dass Artikel 50 in Anspruch genommen wird, möchte ich an den Standpunkt der EU-27 vom 29. Juni erinnern. Wir wünschen möglichst enge Beziehungen zum Vereinigten Königreich. Es muss ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Rechten und Pflichten geben. Das Vereinigte Königreich kann weiterhin Zugang zum Binnenmarkt haben; dies bedeutet aber auch, dass es alle vier Freiheiten anerkennt.
Lassen Sie mich abschließend das Gipfeltreffen der 27 Staats- und Regierungschefs der EU, das im September in Bratislava stattfand, in Erinnerung rufen. Wir kamen informell zusammen, um die Zukunft Europas im Lichte des Brexit-Referendums im Vereinigten Königreich zu erörtern. Wie auch dem Bratislava-Fahrplan zu entnehmen ist, wurde auf dem Gipfeltreffen eine Reihe von Maßnahmen zur Bewältigung der größten Anliegen der Europäer beschlossen: Migration, sowohl innere als auch äußere Sicherheit und wirtschaftliche Sorgen. Jetzt ist es an den Mitgliedstaaten und den EU-Institutionen den Fahrplan umzusetzen; und wir haben auch bereits damit begonnen. Die EU hat am 5. Oktober das Klimaschutzübereinkommen von Paris ratifiziert. Am Tag danach wurde in Rekordzeit die Europäische Grenz- und Küstenwache ins Leben gerufen. In diesem Zusammenhang möchte ich dem Europäischen Parlament für seine ausgezeichnete und rasche Zusammenarbeit danken. Außerdem dankte vergangene Woche der bulgarische Ministerpräsident Borisov seinen Kollegen für die in Bratislava beschlossene Unterstützung beim Schutz der Grenze zur Türkei. Ich danke Ihnen.
Am 27. Oktober 2016 hat der Rat weitere 10 Personen auf die Liste der Personen gesetzt, die restriktiven Maßnahmen der EU gegen das syrische Regime unterliegen, weil sie für das gewaltsame Vorgehen gegen die syrische Zivilbevölkerung verantwortlich sind, vom Regime profitieren oder dieses unterstützen und/oder mit solchen Personen in Verbindung stehen.
Dies geschah im Nachgang zu den Schlussfolgerungen des Rates vom 17. Oktober 2016 und den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 20./21. Oktober 2016.
Zu den neu gelisteten Personen gehören hochrangige Militärs und bedeutende Persönlichkeiten mit Verbindungen zum Regime. Damit steigt die Gesamtzahl der Personen, die wegen gewaltsamen Vorgehens gegen die syrische Zivilbevölkerung mit einem Reiseverbot belegt und deren Vermögenswerte eingefroren wurden, auf 217.
Ferner wurden die Vermögenswerte von 69 Einrichtungen eingefroren. Im weiteren Sinne umfassen die derzeit geltenden Sanktionen gegen Syrien u.a. ein Erdölembargo, Restriktionen bei bestimmten Investitionen, das Einfrieren der Vermögenswerte der syrischen Zentralbank in der EU, Ausfuhrbeschränkungen für Ausrüstung und Technologie, die zur internen Repression verwendet werden kann, sowie für Ausrüstung und Technologie zur Überwachung oder Abhörung des Internets und von Telefongesprächen. Diese Maßnahmen wurden zuletzt am 27. Mai 2016 verlängert und bleiben bis zum 1. Juni 2017 in Kraft.
Die EU setzt sich weiterhin dafür ein, eine dauerhafte Lösung für den Konflikt in Syrien zu finden, da es keine militärische Lösung für den Bürgerkrieg in Syrien gibt. Die EU ist entschlossen, Leben zu retten, und setzt ihre intensiven diplomatischen Bemühungen fort, damit Aleppo und andere Orte in Not mit Hilfsgütern versorgt und Verwundete in Sicherheit gebracht werden.
Die vom Rat angenommenen Rechtsakte einschließlich der Namen der Betroffenen werden im Amtsblatt vom 28. Oktober 2016 veröffentlicht. Der Beschluss wurde im Wege des schriftlichen Verfahrens angenommen.
Am 26. Oktober 2016 hat der Rat dem Europäischen Parlament mitgeteilt, dass er nicht allen Änderungen am EU-Haushaltsplan 2017, die das EP am selben Tag angenommen hat, zustimmen kann.
Damit beginnt am 28. Oktober 2016 eine dreiwöchige Vermittlungsfrist, die dem Rat und dem Parlament Gelegenheit gibt, ihre Differenzen bis zum 17. November beizulegen.
"Ich begrüße, dass Rat und Parlament in Bezug auf den EU-Haushaltsplan 2017 dieselben Ziele verfolgen, dass nämlich die EU in die Lage versetzt wird, die Migrationskrise zu bewältigen, die Sicherheit zu verstärken, das Wachstum anzuregen und Arbeitsplätze zu schaffen. Daher bin ich zuversichtlich, dass wir uns auf den bestmöglichen EU-Haushaltsplan werden einigen können – einen Haushaltsplan, von dem die Steuerzahler, die Bürger und die Unternehmen der EU profitieren", erklärte der slowakische Staatssekretär für Finanzen und Präsident des Rates, Ivan Lesay.
Aus Sicht des Rates betreffen die Hauptprobleme, die vor einer Einigung über den EU-Haushaltsplan 2017 zu überwinden sind, vor allem die Einhaltung
Die Kommission hat in ihrem Haushaltsplanentwurf für 2017 Mittel für Verpflichtungen in Höhe von insgesamt 157,66 Mrd. € und Mittel für Zahlungen in Höhe von insgesamt 134,90 Mrd. € vorgeschlagen.
Im Standpunkt des Rates vom 12. September 2016 sind 156,38 Mrd. € an Verpflichtungen und 133,79 Mrd. € an Zahlungen vorgesehen.
Das Parlament beantragt eine Aufstockung der Mittel für Verpflichtungen auf insgesamt 162,42 Mrd. € und der Mittel für Zahlungen auf insgesamt 138,03 Mrd. €. Damit würden die Mittel für Zahlungen die MFR-Obergrenzen um 3,26 Mrd. € überschreiten.
Was den Personalbestand anbelangt, so werden nach der Methode, die von der Kommission unterschiedslos auf alle Institutionen angewandt wird, die Planstellen zwischen 2013 und 2017 beim Rat und bei der Kommission um 5,0 % abgebaut; dagegen wird das Personal beim Parlament im selben Zeitraum nur um 1,8 % reduziert. Im Dezember 2013 haben sich die drei Institutionen verpflichtet, ihren Personalbestand zwischen 2013 und 2017 um 5 % abzubauen.
Gegenstand der Vermittlungsgespräche ist auch das Berichtigungsschreiben Nr. 1 für 2017, das vorsieht, dass die Hilfen für die Ankurbelung des Wachstums, die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Bekämpfung der Migrationsursachen aufgestockt werden und der Haushaltsplanentwurf anhand der neuesten Bedarfsschätzungen für die Landwirtschaft angepasst wird. Weder der Rat noch das Parlament haben derzeit zu dem Berichtigungsschreiben Stellung genommen.
Die nächsten SchritteDer Vermittlungsausschuss tritt am 8. und am 16. November zusammen. Am 16. November wird auch der Rat "Wirtschaft und Finanzen" (Haushalt) tagen, um dem Vorsitz Leitlinien für die Gespräche mit dem Parlament an die Hand zu geben. Wird bis zum Ende der Vermittlungsfrist am 17. November keine Einigung erzielt, so muss die Kommission einen neuen Haushaltsplanentwurf für 2017 vorlegen.