1. Die Europäische Union steht in dieser kritischen Phase fest zu ihrem Engagement für Afghanistan und das afghanische Volk. In den vergangenen Monaten war die Sicherheitslage ernst; erneute Terroranschläge mit mehr zivilen Opfern als je zuvor und die damit einhergehende Binnenvertreibung sowie der Exodus Tausender Afghanen haben den Druck auf die Region und auf die Europäische Union erhöht.
2. Umso dringender ist es erforderlich, dass die Regierung Afghanistans und alle Partner in der Region sich glaubhaft dafür einsetzen, den Konflikt zu beenden und ein stabiles Umfeld zu gewährleisten. Ein Friedensprozess unter afghanischer Führung und Eigenverantwortung ist weiterhin die Voraussetzung für jegliche tragfähige Lösung, bei der wichtige Errungenschaften wie die Achtung der Menschenrechte und insbesondere der Rechte der Frauen erhalten bleiben müssen. Die EU verurteilt die jüngsten Angriffe der Taliban in Kundus und bedauert die Opfer unter der Zivilbevölkerung und den afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräften. Sie erinnern daran, was auf dem Spiel steht: die Stabilität Afghanistans, seine Entwicklung und die über viele Jahre hinweg erreichten Fortschritte.
3. Der Rat bedauert den Verlust von Menschenleben bei dem Luftangriff auf das Krankenhaus der Organisation "Ärzte ohne Grenzen" ("Médecins Sans Frontières"). Er wartet auf die Ergebnisse der verschiedenen dazu eingeleiteten Untersuchungen. Der Rat betont, wie wichtig es ist, dass alle Seiten das humanitäre Völkerrecht und die internationalen humanitären Grundsätze wahren und medizinische sowie humanitäre Einrichtungen, Hilfsorganisationen und deren Personal schützen und achten.
4. Die EU wird weiterhin dabei helfen, die Ursachen der Migration – wie Armut, Menschenrechtsverletzungen und Instabilität – zu beseitigen, um die Anreize für irreguläre Migration zu verringern und die Menschenhandelsnetze zu bekämpfen. Der Rat tritt dafür ein, dass Anstrengungen zur Wiedereingliederung von Flüchtlingen, Migranten und Binnenvertriebenen unternommen werden, die für die Entwicklung der afghanischen Gesellschaft wichtig sind.
5. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass das afghanische Volk das Vertrauen in die Zukunft wiedergewinnen kann. Die von Präsident Ghani auf der Londoner Konferenz von 2014 dargelegte ehrgeizige Reformagenda und die Rahmenvereinbarung über Eigenständigkeit durch gegenseitige Rechenschaft ("Self-Reliance through Mutual Accountability Framework"), die auf der Tagung hoher Beamter in Kabul am 5. September 2015 vorgestellt wurde, belegen das Engagement der Regierung der nationalen Einheit für Veränderung und glaubhafte Reformen. Im Einklang mit der Strategie der EU für den Zeitraum 2014-2016 unterstützt die EU nachdrücklich die Reformen der Regierung der nationalen Einheit, bei denen dringend weitere greifbare Fortschritte vonnöten sind.
6. Zur Umsetzung der "Self Reliance"-Reformagenda für Wirtschaftswachstum, makroökonomische Stabilität, gute Regierungsführung und Verringerung von Armut sind entschlossene Maßnahmen der Regierung der nationalen Einheit ebenso erforderlich wie die auf hohem Niveau fortgesetzte Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft auf der Grundlage gegenseitiger Rechenschaft. Eine starke afghanische Führungsrolle beim Reformprozess und verstärkte Anstrengungen, öffentliche Dienstleistungen zu erbringen, werden es den Gebern ermöglichen, ihre Unterstützung in wesentlichen Zügen an den Vorstellungen der Regierung auszurichten. Eine stabile und inklusive demokratische Regierungsführung, einschließlich der Reform des Wahlsystems und der Wahlinstitutionen, Fortschritte bei der Rechtsstaatlichkeit, die Bekämpfung der Ursachen für Korruption und die Förderung der Menschenrechte, insbesondere der Rechte von Frauen und Kindern, sind sowohl für die Regierung Afghanistans als auch für die internationale Gemeinschaft entscheidende Faktoren.
7. Der Rat begrüßt den Beschluss zur Annahme der Einladung der Regierung Afghanistans, die nächste umfassende Ministerkonferenz zu Afghanistan in Brüssel 2016 mit auszurichten. Afghanistan wird auf das anhaltende Engagement der internationalen Gemeinschaft in der jetzigen oder annähernd in der jetzigen Höhe angewiesen sein, um den Weg zur Nachhaltigkeit fortzusetzen. Die Ministerkonferenz wird die Rahmenvereinbarung für die afghanische Regierung und die Geber bis 2020 festlegen und so zu einem stabilen und verlässlichen Umfeld beitragen, das es Afghanistan ermöglicht, schrittweise zur Eigenständigkeit zu gelangen. Die Brüsseler Konferenz sollte durch konkrete Verpflichtungen und deren Erfüllung durch die Regierung Afghanistans ebenso wie durch die internationale Gemeinschaft gestützt werden. Der Rat ersucht die Hohe Vertreterin und die Kommission, die Vorbereitungen für die Brüsseler Konferenz gemeinsam mit der Regierung Afghanistans und in enger Abstimmung mit internationalen Partnern und Akteuren in der Region weiterzuführen.