Die geopolitisch motivierte Industrie- und Lieferkettenpolitik der Türkei impliziert die enge Anbindung an Deutschland sowie die sicherheits- und wirtschaftspolitische Ausrichtung an der EU. Ankara will Produktion und Vertrieb an EU-Standards anpassen und eine grüne Hightech- und Dienstleistungswirtschaft etablieren. Doch die Dekarbonisierungsmaßnahmen sind nach wie vor unzureichend. In Störungen globaler Lieferketten sehen türkische Akteure Chancen für eine Verlagerung europäischer Produktionsketten in die Türkei (Nearshoring). Regierung, Privatsektor und Wirtschaftsverbände arbeiten am Ausbau nachhaltiger Energieversorgung. Die autoritäre Innenpolitik der Türkei mit Demokratieabbau, Rechtsstaatsdefiziten und Repression erschwert die Vertiefung bilateraler Kooperation erheblich. Trotz enger wirtschaftlicher Verflechtungen bestehen normative Differenzen zwischen Deutschland und der Türkei. Es gibt keine konsistente Strategie, um sie zu überwinden. Stattdessen setzt die türkische Regierung auf industriepolitische Kompensation. Im geopolitischen Spannungsfeld zwischen USA und China vollführt die Türkei einen Balanceakt: Sie wahrt ihre Westbindung, baut aber zugleich die Technologiepartnerschaft mit China und die Energiekooperation mit Russland aus. Ein strategisches Umdenken in der deutschen Türkeipolitik tut not. Sie sollte anstreben, wirtschaftliche Stabilität zu fördern, die sicherheitspolitische Einbindung der Türkei im europäischen Raum zu stärken und Ankaras strategischer Annäherung an Moskau oder Peking entgegenzuwirken. Künftige Kooperationen sollten dabei klar an Bedingungen wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte geknüpft werden.
Der Krieg in Sudan, der am 15. April 2023 zwischen den Sudanesischen Streitkräften (SAF) und den paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) ausgebrochen ist, hat die größte humanitäre Krise der Welt ausgelöst. Zivilist:innen werden von den kriegführenden Parteien direkt angegriffen. Die Gewaltakteure zerstören zivile Infrastruktur und blockieren humanitäre Hilfe – dies ist Teil ihrer Kriegsstrategie. Einige gehen überdies gezielt gegen Angehörige einzelner Identitätsgruppen vor, auch auf ethnischer Basis. Gleichzeitig nehmen die Konfliktparteien für sich in Anspruch, die Zivilbevölkerung zu schützen. Internationale Bemühungen, die Zivilbevölkerung als solche oder besonders vulnerable Gruppen wirklich zu schützen, blieben bisher ohne durchschlagenden Erfolg. Rufe nach einer militärischen Intervention haben in der aktuellen Weltlage wenig Aussicht auf Erfolg. Tatsächlich verdienen die Bemühungen engagierter sudanesischer Bürger:innen, sich und andere um sich herum zu schützen, mehr Aufmerksamkeit und Unterstützung. Schutzanstrengungen können dazu beitragen, das Leid der Zivilbevölkerung zu mindern, auch wenn ein Ende des Krieges außer Reichweite bleibt.
Authoritarian states are increasingly leveraging non-state cyber capabilities to expand their operational reach, thereby challenging conventional distinctions between state and non-state activity. This practice complicates attribution and presents obstacles for coordinated international responses. Moreover, as cyber threats become more complex and entangled, effective countermeasures necessitate enhanced information sharing, trusted partnerships and the development of response tools that function independently of political attribution.
Southeast Asia has long been a foreign policy priority for Japan, but Tokyo has intensified its engagement – both with the ASEAN Community as a whole and with individual member states – since 2012. Japan views China’s growing influence in Southeast Asia as a major foreign policy challenge and is seeking to prevent the emergence of a hierarchical order centred around China. It has economic as well as foreign and security policy interests in the region. Tokyo’s engagement in Southeast Asia aims to uphold the rules-based multilateral order in the region, underpinned by US involvement. Of particular significance is Tokyo’s commitment to shared rules, principles and norms – for example, in the areas of free trade, infrastructure development and maritime security. Japan’s approach to Southeast Asia since 2012 has been characterised by both continuity and change. Unlike in the past, Japan is now seeking more comprehensive security cooperation with the region, including through dialogues, military exercises and capacity building programmes. ASEAN is important for Japan as the linchpin of regional cooperation. Tokyo supports the institutional development of the Community and helps reduce socio-economic differences between individual member states. Japan is intensifying its relations both with countries that are more critical of China – such as the Philippines – and with those considered more aligned with China – such as Cambodia. This approach extends to security policy. By offering to cooperate, Japan provides Southeast Asian countries with alternatives to Chinese initiatives and thereby prevents China from monopolising the region. Japan and Europe are both interested in a stable, multilateral order in Southeast Asia. The two sides should therefore step up their engagement with the region and leverage their influence over regional geopolitical dynamics through complementary or joint initiatives.
In den vergangenen Monaten haben sich die Debatten darüber verschärft, ob Europa noch auf die erweiterte nukleare Abschreckung der USA vertrauen kann – oder ob es eigene Alternativen dazu erwägen muss. Ein bloßer Entweder-oder-Ansatz erhellt hier aber wenig. Es bedarf einer differenzierten Herangehensweise, um bei dieser Frage zentrale Herausforderungen und Handlungsoptionen zu erfassen. Zu diesem Zweck werden im Folgenden drei Szenarien entworfen, wie sich der europäische Blick auf die Verlässlichkeit des amerikanischen Atomschutzschirms entwickeln könnte. Der erste Fall wäre eine Vertrauenskrise, die moderate Anstrengungen erfordern würde, um den Status quo wiederherzustellen. Bei der zweiten Variante – einem Vertrauensbruch – bräuchte Europa nicht nur eine stärkere konventionelle Verteidigung, sondern auch angemessene Eskalationsinstrumente, um Washington notfalls zum Handeln zu bewegen. Im dritten Szenario würden die Europäer davon ausgehen, dass die USA sich vollständig von ihnen abgewandt haben – die Folgen wären schwer vorhersehbar, aber wohl deutlich gravierender als häufig angenommen.