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Diplomacy & Defense Think Tank News

Europäisch-israelische Beziehungen: Gemeinsam gegen den Demokratieabbau

SWP - Tue, 12/07/2022 - 08:28

Das stärkste Band, das Europa und Israel verbindet, ist »unser Glaube an die Demokratie und an die demokratischen Werte«, so die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in ihrer Rede an der Ben-Gurion-Universität in Israel am 14. Juni 2022. »Heute, mehr als je zuvor, sollten Demokratien wie Europa und Israel enger zusammenrücken«, um Gefahren wie dem schleichenden Demokratieabbau zu begegnen.

In der Tat war im vergangenen Jahrzehnt ein weltweiter Trend des »democratic backsliding«, also der Erosion liberal-demokratischer Institutionen und Prinzipien, zu beobachten. Dieser Trend hat auch Europa und Israel nicht verschont: In Ländern wie Polen und Ungarn werden die Unabhängigkeit der Justiz und liberal-demokratische Werte in Frage gestellt. Auch in anderen Ländern Europas greifen völkische Diskurse um sich; die Geschichtsschreibung wird zunehmend im Dienste neudefinierter Identitäts- und Souveränitätsansprüche politisiert. Dies hat auch Spaltungen zwischen den EU-Mitgliedstaaten befördert und die Beziehungen zwischen Israel und Europa belastet – unter anderem dadurch, dass der ehemalige israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu während seiner Amtszeit Allianzen mit illiberalen europäischen Kräften wie seinem ungarischen Amtskollegen Victor Orban geschmiedet hat.

Die Gefahr eines weiteren Abbaus liberal-demokratischer Institutionen ist keineswegs gebannt: In Israel steht im November die Parlamentswahl an. Sie könnte durchaus eine von der Rechten dominierte Koalition an die Macht bringen, die Elemente der extremen Rechten umfasst. In Europa dürften der Krieg in der Ukraine und die Sanktionen gegen Russland massive sozioökonomische Auswirkungen haben – und womöglich soziale Unruhen schüren sowie populistischen Kräften Auftrieb verleihen.

Politik und Zivilgesellschaft in der Verantwortung

Die europäische und israelische Zivilgesellschaft und Politik sollten daher gemeinsam gegen demokratische Rückschritte vorgehen, indem sie systematisch die liberale Demokratie stärken. Das heißt einerseits, dass Europäerinnen und Europäer Position beziehen, wenn eine israelische Regierung Gesetzesvorlagen einbringt, um etwa die Meinungsfreiheit oder die Normenkontrolle des Obersten Gerichts einzuschränken. Auf der anderen Seite sollten Israelis über eine rein pragmatische und transaktionale Außenpolitik hinausgehen und ihr Interesse an der Stärkung der liberalen Demokratie in Europa betonen, anstatt sich mit illiberalen Kräften zu verbünden.

In Israel stehen von Seiten der Rechten vor allem jene Nichtregierungsorganisationen unter Druck, die sich für eine solidarische Gesellschaft, israelisch-palästinensischen Frieden und die Menschenrechte einsetzen. Die EU und ihre Mitgliedstaaten sollten diese Organisationen nicht nur finanziell unterstützen, sondern sich auch politisch hinter sie stellen. Zudem sollten sich europäische Parlamentarierinnen und Parlamentarier in Israel gezielt mit Amtskollegen treffen, die sich für liberal-demokratische Werte einsetzen. Gleichzeitig sollten progressive Israelis pro-demokratische Akteure in Europa unterstützen, die sich unter anderem gegen illiberale Tendenzen und populistische Politik einsetzen.

Dazu gehört auch, sich gegenüber Politik und Öffentlichkeit dafür einzusetzen, in Europa den Raum für vielstimmige und konstruktive Debatten über den israelisch-palästinensischen Konflikt zu erhalten. Denn ohne eine Regelung des israelisch-palästinensischen Konflikts und ohne Gleichstellung zwischen den jüdischen und palästinensischen Bürgerinnen und Bürgern Israels wird Israel weiterhin unter einem Demokratiedefizit leiden. Auch wenn die Hürden auf dem Weg zu einer Zweistaatenregelung immer höher werden und andere Themen auf die europäische Agenda drängen, sollten die EU und ihre Mitgliedstaaten den Wechselbeziehungen zwischen Demokratie, Konfliktregelung und gesellschaftlichem Miteinander in Israel Rechnung tragen und ihr Engagement für eine friedliche Konfliktbearbeitung verstärken.

In diesem Zusammenhang gilt es auch, das Potenzial der Abraham-Abkommen zwischen Israel und arabischen Staaten für konstruktive Schritte auf dem Weg zu einem Frieden in Nahost auszuloten sowie dessen negative Auswirkungen auf die israelisch-palästinensische Arena abzumildern. Ein europäischer Ansatz könnte darin bestehen, sich für eine Aussöhnung zwischen der palästinensischen und der emiratischen Führung einzusetzen, die Voraussetzung für ein konstruktives, gemeinsames Vorgehen ist. Gelingt dies, könnte die EU Arbeitsgruppen initiieren, in denen die arabischen Staaten, Israel und die Palästinensische Autonomiebehörde über konkrete Kooperationsmöglichkeiten sprechen, von denen alle Beteiligten profitieren.

Liberale Demokratie ins Zentrum der europäisch-israelischen Beziehungen stellen

Im März 2022 hat die EU beschlossen, ihren Aktionsplan mit Israel um weitere drei Jahre zu verlängern. Damit will sie den Vertragsparteien auch die Gelegenheit geben, »ihre Zusammenarbeit in den kommenden Jahren weiter voranzubringen, einschließlich im Rahmen einer möglichen Verhandlung von Prioritäten der Partnerschaft«. Die Gespräche über solche Prioritäten sollten genutzt werden, um die Zusammenarbeit bei der Umsetzung liberal-demokratischer Werte und friedlicher Konfliktbearbeitung in den Fokus einer neuen Agenda für die bilateralen Beziehungen zu rücken.

Das impliziert auch, dass die Beziehungen nicht durch Sicherheitsfragen dominiert werden. Zwar dürfte der Krieg in der Ukraine zu einem Ausbau der israelisch-europäischen Sicherheitszusammenarbeit führen. Dies sollte aber in einer Art und Weise geschehen, die liberal-demokratische Werte nicht gefährdet. Zudem sollte die zivile Kooperation, etwa in den Bereichen Wissenschaft, Bildung, Umwelt oder Kultur, im Vordergrund stehen. Dabei gilt es auch sicherzustellen, dass die hierfür bereitgestellten europäischen Gelder nicht in die Siedlungen in den besetzten palästinensischen Gebieten fließen.

 

Dr.  Muriel Asseburg ist Senior Fellow in der Forschungsgruppe Afrika und Mittlerer Osten. Dr. Nimrod Goren ist Gründer und Präsident von Mitvim – The Israeli Institute for Regional Foreign Policies. In einer gemeinsamen Studie analysieren Muriel Asseburg, Ehud Eiran, Toby Greene, Nimrod Goren, Kai-Olaf Lang, Eyal Ronen und Stephan Stetter die Entwicklungen im Detail und arbeiten Politikempfehlungen aus.

Die Wasserstoffagenden der arabischen Golfstaaten

SWP - Mon, 11/07/2022 - 16:00

Mit ambitionierten Plänen brechen die Staaten des Golf-Kooperationsrats auf in die Wasserstoffzukunft. Insbesondere Saudi-Arabien, Oman und die Vereinigten Arabi­schen Emirate (VAE) verfolgen ehrgeizige Vorhaben, die Europa und Asien-Pazifik mit Wasser­stoff versorgen sollen. Zahlreiche Absichtserklärungen wurden abgeschlossen, erste Großprojekte auf den Weg gebracht. Für die Golfstaaten geht es nicht nur um Diver­sifizierung, sondern vor allem darum, bestehende Wirtschafts- und Machtstruktu­ren aufrechtzuerhalten. Dies wäre möglich, da sich die Wasserstoffwirtschaft in den vorhandenen institutionellen und fiskalischen Rahmen der Petroleumindustrie ein­fügt. Gleichzeitig ist sie eine wirksame Möglichkeit, den Klimaschutz international voran­zu­tragen, birgt für Deutschland und Europa jedoch Zielkonflikte und offene Fragen.

Europas neue (Un-)Sicherheit. Von der Friedens- zur Konfliktordnung

SWP - Fri, 08/07/2022 - 14:28
Russlands Angriff hat eine tektonische Verschiebung in Gang gesetzt: Europa geht über von einer kooperativen in eine konfrontative Sicherheitsordnung. Der Westen muss sich neu aufstellen: Es gilt, den Konflikt mit Russland gestalten zu können, anstatt ihn ertragen zu müssen.

»Gibt keinen klaren Favoriten«

SWP - Fri, 08/07/2022 - 14:00
Nicolai von Ondarza, Stiftung Wissenschaft und Politik, zur möglichen Nachfolge Johnsons

Nach Johnsons Rückzug

SWP - Thu, 07/07/2022 - 23:18

Profiteur der Stunde

SWP - Thu, 07/07/2022 - 19:34
Wie Erdoğan sich den Ukrainekrieg zunutze macht

The Avoidable War: The Dangers of a Catastrophic Conflict between the US and Xi Jinping’s China

European Peace Institute / News - Thu, 07/07/2022 - 18:24
Event Video 
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On July 7th, IPI hosted a Global Leaders Series event featuring a conversation with The Honorable Kevin Rudd on his newest book The Avoidable War: The Dangers of a Catastrophic Conflict Between the U.S. and Xi Jinping’s China.

The Honorable Kevin Rudd has studied, lived in, and worked with China for more than forty years. The Avoidable War demystifies the actions of both the US and China, explaining and translating them for the benefit of the other. The conversation at IPI focused on the book’s relevance to the multilateral system.

Speaker:
Kevin Rudd, 26th Prime Minister of Australia, President of the Asia Society, and Chair of IPI’s Board of Directors

Moderator:
Zeid Ra’ad Al Hussein, IPI President and CEO

It’s the National Security, Stupid

SWP - Thu, 07/07/2022 - 16:20
Finland’s NATO bid has raised concerns about Russia’s reaction. But the Finnish comprehensive security concept, with its emphasis on foresight, has effectively neutralized the eastern neighbor’s threats.

Ukrainekrieg: Perspektive Frieden?

SWP - Thu, 07/07/2022 - 15:39
Nach wie vor erreichen uns täglich Schlagzeilen aus der Ukraine. Zumeist geht es um erneute russische Angriffe, Vorstöße und Gebietsbesetzungen. Das Wort Frieden scheint in weite Ferne gerückt

Raus aus dem Chaos?

SWP - Thu, 07/07/2022 - 15:25
Boris Johnson tritt als Vorsitzender der Tory-Partei zurück und wird wohl auch im Herbst als Premierminister zurücktreten. Was verändert sich jetzt für Großbritannien?

Interview mit Anna-Katharina Hornidge: „Demokratische Staaten führen nicht Krieg gegeneinander“

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine zeigt, dass das multilaterale System zu schwach ist, um Frieden sicherzustellen. In diesem Interview beurteilt Anna-Katharina Hornidge die Lage. Sie ist die Direktorin des Deutschen Instituts für Entwicklung und Nachhaltigkeit (IDOS – German Institute of Development and Sustainability), das bis Ende Juni Deutsches Institut für Entwicklungspolitik hieß. Aus ihrer Sicht stehen wir in einem globalen Konflikt, bei dem irrationale Ansprüche rationale Entscheidungsprozesse behindern. Anna-Katharina Hornidge im Interview mit Hans Dembowski.

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