Despite what looked like tremendous efforts by the West to deter Russia’s aggression against Ukraine, the Kremlin started a full-scale military invasion across the Ukrainian border from the north, east, and south. Clarifying why these deterrence efforts did not work as expected could provide useful insights for building more effective strategies to stop Russia’s aggression. It would also allow for adjusting future policies of deterrence against Russia. The EU and NATO should consider their misperceptions about Russia that undermined their ability to politically and militarily discourage Russia’s aggression. They also should consider what actions have fuelled Russia’s misperceptions about the West and emboldened the Kremlin to launch its military invasion of Ukraine.
In Syria, the immediate effects of the war in Ukraine have made an already difficult humanitarian situation even worse. Protracted violence in Ukraine or an expansion of the Ukraine war into a larger NATO-Russia confrontation would endanger multilateral cooperation on conflict management, conflict resolution and humanitarian issues in Syria. Protracted conflict in Ukraine could also disrupt the volatile status quo in Syria, potentially endangering ceasefire agreements, tilting the power balance in favour of Iran and thereby increasing the risk of military escalation between Iran and its antagonists, complicating the fight against ISIS, and endangering cross-border humanitarian aid deliveries. Europeans should attempt to insulate the war in Ukraine from Syria as much as possible, double down on efforts to renew the UN Security Council resolution that allows for humanitarian access to northwest Syria and contribute to the long-term objective of an inclusive regional security architecture.
The Russian war of aggression against Ukraine is forcing Europeans into a confrontational security order. This also makes European strategic sovereignty – in defence policy, but also in economics, technology, energy policy, and institutional framework – a more significant goal for the European Union (EU). Until now, however, a central narrative has been that the EU must be able to act autonomously without the United States (US). In the new security environment, the primary aim of strategic sovereignty should be protecting EU member states and asserting common European interests. For the foreseeable future, however, the Union remains confronted with a fundamental dilemma that can only be attenuated but not fully resolved: In Europe’s new confrontational security order, its strategic dependence on the US is likely to grow, while America’s long-term alliance commitments remain fraught with question marks. Strategic sovereignty must therefore include the pursuit of Europe’s collective defence capability in close cooperation and coordination with the EU and the North Atlantic Treaty Organization (NATO).
Das de facto politisch unabhängige Taiwan wird von der Volksrepublik China und deren Wiedervereinigungsanspruch immer stärker unter Druck gesetzt. Neben militärischen Drohgebärden nutzt Peking dabei wirtschaftliche und politische Mittel sowie Cyberangriffe und Desinformationskampagnen. Dies gefährdet Stabilität und Status quo in der Taiwan-Straße. Taiwan ist in Ostasiens geopolitischen Dynamiken von immenser Bedeutung: geostrategisch als Teil der ersten Inselkette, die den Zugang der VR China zum Pazifik einschränkt, und wirtschaftlich-technologisch als führender Produzent von Mikrochips. Im globalen Systemkonflikt zwischen liberal-demokratischen und autoritären Gesellschaftsordnungen besitzt Taiwan als konsolidierte, pluralistische Demokratie und politisches Gegenmodell zum autoritären System der VR China eine herausragende Stellung. Deutschlands und Europas Interesse liegt darin, Frieden und Stabilität in der Taiwan-Straße zu wahren, Taiwans ökonomische und technologische Potentiale besser zu nutzen und wertebasierte Unterstützung für dessen freiheitliches Gesellschaftssystem zu leisten. Deutschland bekennt sich zu einer Ein-China-Politik, welche die diplomatische Anerkennung Taiwans ausschließt. Trotzdem existieren Spielräume, um die Beziehungen zu Taiwan auszubauen und zu intensivieren und so Chinas Politik der Einschüchterung und Isolation Taiwans entgegenzuwirken. Die Taiwan-Politiken der USA, Japans, Singapurs, Südkoreas, Australiens, Indiens sowie europäischer Partner offenbaren Möglichkeiten, engere Beziehungen zu Taiwan zu gestalten und zugleich an der Ein-China-Politik festzuhalten. Handlungsoptionen bestehen in der Außen- und Sicherheitspolitik, der Handels- und Wirtschaftspolitik sowie der Kulturpolitik.
Undermining the foundational pillars of the post–Cold War security order, Vladimir Putin’s war against Ukraine is a watershed event for Europe and the wider world, Turkey included. While Ankara is trying to protect its economy and security interests, anti-Western narratives dominate the public debate. The war has indeed accentuated anti-Westernism as one of the main fault lines of political competition. Given the geopolitical imperatives that February 24 brought to the fore, it is highly likely that, in the short-term, Turkey’s NATO membership and its Association Agreement with the EU will – geopolitically and economically – continue to anchor it to the West. Whether or not a full strategic alignment with the EU will accompany such an anchoring is far from certain, however, mainly due to Turkey’s domestic political dynamics, but also due to the unclarity about how far the EU is willing to move beyond a transactional approach.
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine wird die deutsche Energiepolitik dauerhaft verändern: Deutschland und die EU planen die Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen zu verringern und gleichzeitig ihre Zielsetzungen für Wasserstoffproduktion und –importe zu erhöhen. Angesichts des starken geoökonomischen Wettbewerbs rund um Wasserstoff muss die Bundesregierung nun rasch und pragmatisch handeln.
Fundamentale VerschiebungenDer andauernde Krieg lässt gleich zwei Schlüsselpartner für die EU im Wasserstoffmarkt ausfallen: Russland und die Ukraine. Beide Länder waren angesichts ihrer geografischen Nähe, bestehender infrastruktureller Verflechtungen, ihrer Expertise entlang der Wertschöpfungskette und ihrem Potential für die Wasserstoffproduktion essentielle Bestandteile bisheriger Pläne. Auch andere potentielle Lieferanten, insbesondere in der MENA-Region, also Nahost und Nordafrika, bleiben nicht unberührt vom Krieg. Denn Russland und die Ukraine sind zwei der wichtigsten Exporteure landwirtschaftlicher Produkte. Dies befeuert die ohnehin dramatischen Nahrungspreise und könnte auch in dieser Region zu Instabilität führen – und damit zum Ausfallen von potentiellen künftigen Lieferanten.
In Deutschland verändert sich vor allem die Bedeutung der bestehenden Infrastrukturen – vor allem Häfen werden wichtiger. Der Plan der Bundesregierung, nun auch LNG-Terminals zu errichten, ist ein erster Schritt, um mittelfristig die Abhängigkeit von russischem Pipelinegas zu verringern. Es lassen sich damit aber auch Folgeprodukte von Wasserstoff importieren, insbesondere verflüssigtes grünes Methan beziehungsweise – nach Modifikation – auch Ammoniak.
Schließlich haben sich durch den Krieg auch die Energiepreise, insbesondere für Erdgas, weiter verschärft und werden auf absehbare Zeit sehr hoch bleiben. Das trifft in erster Linie die energieintensive Stahl- und Chemiebranche, welche ohnehin bereits hohe Investitionen benötigt, um ihre Produktionsprozesse auf Wasserstoff umzustellen. Eine Verzögerung oder gar ein Ausbleiben dieser Umrüstung würde sich negativ auf die Nachfrage nach CO2-armen Wasserstoff auswirken, während die hohen Energiepreise Fragen bezüglich des Standorterhalts aufwerfen würden. Gleichzeitig steigert sich aber auch die Wirtschaftlichkeit von grünem, direkt aus erneuerbaren Strom produziertem Wasserstoff dadurch deutlich.
Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche WasserstoffwirtschaftDer Ukraine-Krieg erhöht den Transformationszwang. Wasserstoff dürfte dabei eine noch größere Bedeutung als bisher spielen. Bei den sich daraus ergebenden Chancen und Herausforderungen muss Deutschland in sechs Punkten schnell und konsequent handeln:
Erstens sollten Projekte im Rahmen der »Important Projects of Common European Interest (IPCEI)« sowie des »Hydrogen Backbone«, deren Ziel es ist, Transport- und Importinfrastruktur zu errichten, priorisiert und schnell umgesetzt werden. Mit dem Wegfall zweier Partnerländer gewinnen nun andere Länder für Wasserstoffimporte stärker an Bedeutung. Zum einen gilt es die Potentiale von EU-Ländern wie Spanien, Portugal, Italien sowie Dänemark bestmöglich zu nutzen und zum anderen die unmittelbare Nachbarschaft in den Wasserstoffmarkt zu integrieren, insbesondere Norwegen und Nordafrika.
Zweitens sollten Deutschland und die EU neue Wasserstoffpartnerschaften pragmatisch und technologieneutral, also ohne exklusiven Fokus auf eine Produktionsart, gestalten. Ein auf die EU ausgerichteter Wasserstoffmarkt ist sowohl für die Sicherung von Importen wie auch im Wettbewerb um Technologieführerschaft und Standards mit den USA, China, Japan und Korea entscheidend. Jedoch riskiert die EU mit zu hohen Umwelt- und Sozialstandards, Lieferanten zu verlieren, zumal einige Golf-Länder bereits Wasserstoffderivate wie Ammoniak an weniger wählerische Kunden in Asien verkaufen. Bestehende Energiepartnerschaften mit Ländern dieser Region sollten genutzt werden, um das optimale Verhältnis zwischen hohen Standards und raschen Importen auszuloten. In einer Übergangsphase könnte man zum Beispiel in erneuerbare Stromprojekte in Nordafrika investieren, um den wachsenden Strombedarf der Region zu adressieren. Damit würden auch Erdgasmengen frei werden, welche über bestehende Pipelines mit Italien nach Europa exportiert und anschließend auch in blauen, also erdgasbasierenden Wasserstoff, umgewandelt werden könnten. Dies würde damit auch Wasserstoff für Europa bereitstellen sowie die europäische Abhängigkeit von russischem Erdgas verringern.
Drittens gilt es gleichzeitig auch weiter entfernte Lieferanten in der Golfregion sowie Australien und Chile via Logistikketten, Abnahmeverträgen und übergreifenden Standards auf die EU auszurichten. Denn diese Länder werden als erstes in der Lage sein, Wasserstoffderivate zu liefern.
Viertens sollte, um sich schnell Importe zu sichern, die Anwendung und Ausweitung von »H2 Global«, ein auktionsbasierter Importmechanismus, ganz oben auf der Agenda stehen. Dieser Mechanismus erlaubt es, im zunehmend merkantilistisch geprägten geoökonomischen Wettbewerb rasch Importe zu ermöglichen, ohne dabei marktwirtschaftliche Prinzipien über Bord zu werfen.
Fünftens sollte die EU aufgrund der hohen Energiepreise seine Grundstoffindustrie bei der Produktionsumstellung finanziell stärker unterstützen. Ebenso bedarf es einer bedeutsamen Beschleunigung des Ausbaus von Stromtrassen und Interkonnektoren innerhalb Deutschlands und der EU, um windreiche Gebiete im Norden mit sonnenreichen im Süden zu koppeln. Auch eine ernsthafte Diskussion über eine Strommarktreform hinsichtlich der Entkoppelung von Gas und Strompreisen wie auch ineffizienter Preissignale und der Geografie von Industriestandorten darf nicht gescheut werden. Ein Abwandern dieser strategisch wichtigen Industrien nach außerhalb Europas verhindern.
Sechstens müsste Wasserstoff mittelfristig eine prominente Rolle in einem etwaigen Wiederaufbauprogramm für die Ukraine spielen und perspektivisch auch ein wichtiger Anknüpfungspunkt für eine erneuerte europäisch-russische Beziehung werden.
Die nächsten Jahre werden für die Zukunft des Industriestandortes und die Versorgungssicherheit in Deutschland sowie auch für Europa entscheidend sein. Nun braucht es rasches und pragmatisches Handeln.
Die digitale Transformation und das Aufkommen neuer Technologien stellen außenpolitische Entscheidungsträger vor große Herausforderungen – in diplomatischen, wirtschaftlichen und militärischen Kontexten. Internationale Politik verzahnt sich zunehmend mit Digitalisierung bzw. Technologie; traditionelle Bereiche des Politikfeldes erweitern und verändern sich, neue kommen hinzu. Außenpolitische Akteure der Bundesrepublik stehen unter wachsendem Druck, in dieser Hinsicht handlungsfähig zu sein und zur Stärkung der digitalen Souveränität Deutschlands und Europas beizutragen. Außenministerien anderer Staaten haben bereits Tech- bzw. Digitalstrategien veröffentlicht und zugleich damit begonnen, ihre organisatorischen und personellen Strukturen entsprechend anzupassen. Daraus lassen sich auch mögliche Ideen für die deutsche Außenpolitik ableiten.
Russia’s war of aggression against Ukraine is not based on legitimate or reasonable security interests – it is a blatant rejection of Europe’s security order. President Vladimir Putin already made this clear in his televised address on 21 February preceding the attack. Previously, Finland and Sweden had recalled the Conference on Security and Cooperation in Europe (CSCE) Final Act of 1975, to which Russia – as the successor state of the Soviet Union – has committed itself. According to the Helsinki Final Act, the sovereign equality of the signatory states is to be respected – and with it their right to choose their alliances freely. Moscow’s military aggression not only pushes Helsinki and Stockholm closer to the North Atlantic Treaty Organization (NATO) to an unprecedented extent, but it also makes the containment of Russian power an urgent matter once again. In the long term, it will have implications on the stability in the High North as well.
Am 9. März 2022 wählte Südkorea einen neuen Präsidenten. Nach einem äußerst aggressiv geführten, von Skandalen geprägten Wahlkampf und einem historisch knappen Wahlergebnis steht nun fest: Der ehemalige Generalstaatsanwalt Yoon Suk-yeol von der konservativen oppositionellen People Power Party (PPP) wird der nächste Präsident Südkoreas und Nachfolger von Amtsinhaber Moon Jae-in. Neben zahlreichen innenpolitischen sieht sich Yoon auch mit handfesten außenpolitischen Herausforderungen konfrontiert. Inwiefern der zukünftige südkoreanische Präsident seine politischen Ziele umsetzen kann, hängt nicht zuletzt davon ab, ob es ihm gelingen wird, die tiefen parteipolitischen Gräben zu überbrücken, die notwendige gesellschaftliche Unterstützung zu erlangen und politische Durchsetzungsfähigkeit unter Beweis zu stellen.
Russia’s attack on Ukraine has once again highlighted Europe’s heavy dependence on Russian natural gas and thus, among other things, underlined the significance of energy cooperation between the European Union (EU) and Turkey. Traditionally, Turkish-European energy relations have prioritised the diversification of energy resources in the face of Europe’s dependence on Russia. The new emerging political, geopolitical, and energy context will have repercussions on Turkish-European energy relation. However, it is the ambitious process of decarbonisation of the economy and energy launched by the EU that will decisively shape the nature and future of Turkey-EU energy relations. Indeed, both European and Turkish interests related to energy security, energy affordability, and climate change mitigation require EU-Turkey cooperation in the decarbonisation process, which is expected to be very challenging. Energy transition is the key to medium- and long-term energy security for both sides.
Im sechsten Jahr nach dem Friedensabkommen zwischen der Regierung Kolumbiens und den Farc-Rebellen vollzieht sich ein politischer Wandel, der zu einer Neuaufstellung des Landes führen könnte: Im traditionell konservativen Kolumbien hat Gustavo Petro mit seinem Linksbündnis »Pacto Histórico« am 13. März die Parlamentswahl gewonnen. Gleichzeitig setzte sich der ehemalige Guerilla-Kämpfer bei der internen Vorwahl seines Bündnisses für die Präsidentschaftswahl Ende Mai durch. Doch das Land bleibt polarisiert: Die Extremen dürften die politische Mitte wohl erneut erdrücken.
Frieden ist seit 2016 ein zentrales Thema der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung Kolumbiens. In verschiedenen Regionen des Landes flammt die Gewalt indes wieder auf und die humanitäre Lage spitzt sich zu. Das belastet den Prozess, in dem die Kriegsfolgen beseitigt und die Nation versöhnt werden sollten. Das internationale Rote Kreuz zählt in seinem Bericht für das Jahr 2021 sechs Konflikte, die sich zwischen der ELN-Guerilla, den wiederbewaffneten Farc-Gruppen und kriminellen Banden um territoriale Kontrolle und den Zugang zu illegalen Ökonomien wie Drogen oder Gold ausgeprägt haben. Für die von steigenden Opferzahlen betroffene Zivilbevölkerung sind die Konfliktparteien und ihre Einflusszonen oftmals nicht mehr zu unterscheiden, da sie zunehmend in kleineren Gruppen und an mehreren Orten agieren. Das verschärft das Ausmaß der Konflikte, führt zu interner Vertreibung und Bewegungseinschränkung.
Die Chancen des linken KandidatenDiese kritische Lage belastet nicht nur die von Korruption und Misswirtschaft gezeichnete Regierungsbilanz von Präsident Iván Duque, sondern auch den angelaufenen Wahlmarathon im Lande. Nach der Parlamentswahl steht nun am 29. Mai die erste Runde der Präsidentschaftswahl an – und falls kein Kandidat eine hinreichende Mehrheit erreicht, folgt am 19. Juni eine Stichwahl. Duque darf laut Verfassung für eine weitere Amtszeit nicht antreten. Bei den internen Vorwahlen für die Präsidentschaft im konservativen Lager setzte sich mit Federico Gutiérrez ein ehemaliger Bürgermeister der Stadt Medellín durch. Sein Erfolg ist eine Niederlage für den früheren Präsidenten Álvaro Uribe, dessen Kandidat sich nicht durchsetzen konnte. Für das politische Zentrum tritt Sergio Fajardo als Spitzenkandidat an; sein Stimmenergebnis blieb jedoch auf einem niedrigen Niveau.
Aufgrund dieses Ergebnisses erhält die Kandidatur von Gustavo Petro zusätzlichen Schwung; eine linke Regierung erscheint für viele Beobachter erstmals greifbar. Doch Petro braucht dafür eine breite Unterstützung bei der liberalen Partei, die ebenso wie die konservative Partei zum traditionellen Establishment Kolumbiens zählt. Mit der Wahl von Francia Márquez, einer bekannten Umweltaktivistin und afrokolumbianischen Repräsentantin des »vergessenen Kolumbien«, als seine Vizepräsidentschaftskandidatin hat Petro ein weiteres Signal gegen die traditionellen Parteien gesetzt. Sie werden hinter Petros Koalition »Pacto Histórico« auch die stärksten Fraktionen in beiden Kammern des Parlaments stellen, auf die jeder siegreiche Kandidat angewiesen sein wird, um seine Politik durchsetzen zu können. Es dürfte für den linken Präsidentschaftskandidaten schwer werden, im Falle eines Wahlsiegs die sich ausbildende Anti-Petro-Allianz für seine Politik zu gewinnen. Hier wird es ideologischer Abrüstung und Kompromissbereitschaft auf beiden Seiten bedürfen, wenn sich die Hektik des Wahlkampfes gelegt hat. Dazu trägt die anlaufende Kampagne aus dem Lager von Álvaro Uribe bei, der seit seiner Amtszeit 2002-2010 die Politik des Landes maßgeblich bestimmt. Sie wirft Petro Enteignungen und Rechtsbeugungen vor und unterstellt ihm, in Kolumbien venezolanische Zustände herstellen zu wollen.
Ein Wahlkampf mit dem Rücken zu den Bürgerinnen und BürgernSo bewegen sich die Protagonisten der kolumbianischen Politik erneut auf einem Pfad der politischen Polarisierung entlang etablierter Konfliktlinien, die sich weniger durch programmatische Vorschläge auszeichnen, sondern mehr durch die Bildung von Koalitionen, um dem politischen Gegner den Zugang zur Macht zu versperren. Dieses alte Schauspiel der politischen Eliten findet immer weniger Akzeptanz in der breiten Gesellschaft und kann die Ermüdung durch den Wahlmarathon weiter steigern. Die Hoffnung Petros, mit einem Wahlkampf gegen die etablierten Parteien Nichtwählerinnen und Nichtwähler zu gewinnen, könnte trügen. Zu festgefügt erscheinen gegenwärtig noch alte politische Loyalitäten, trotz der breiten Ablehnung der Amtsführung des scheidenden Präsidenten Duque. Ein Wählervotum zur Abstrafung der abtretenden Regierung wird sich indes nicht in drei verschiedenen Wahlgängen mobilisieren lassen. Petro muss ein zukunftsorientiertes Programm vorlegen, das auch weit in die politische Mitte hineinreicht, um die dort bestehende Aversion gegen seine Person zu überwinden. Dabei stehen viele gesellschaftliche und politische Themen von Abtreibung über Sicherheit bis hin zu steigende Lebenserhaltungskosten auf der Tagesordnung. Vieles scheint sich von der Agenda des Friedensabkommens weg zu bewegen, obwohl laufende Verfahren der Transitionsjustiz, also die Aufarbeitung der gewaltsamen Vergangenheit, und der zu erwartende Bericht der Wahrheitskommission viele alte Wunden wieder aufreißen werden. Für einen neuen Kurs des Landes bedarf es daher vor allem einer offenen Debatte über die Frage, wie die kolumbianische Gesellschaft das zukünftige Zusammenleben organisieren will – ohne Gewalt und Ausgrenzung.
Ende 2021 fand ein erstes Treffen im Rahmen der sogenannten »3+3-Kooperationsplattform« statt. Die Initiative strebt an, die südkaukasischen Länder Armenien, Aserbaidschan und Georgien – das indes seine Nichtteilnahme verkündet hat und fernblieb – sowie die Regionalmächte Iran, Russland und Türkei zusammenzubringen. Ziel ist, die multilaterale Kooperation auszubauen; weitere Treffen sollen in regelmäßigem Turnus folgen. Die Plattform ist Ausdruck von Dynamiken regionaler Neuordnung im Südkaukasus infolge des Krieges in und um Berg-Karabach im Herbst 2020 und damit verbunden dem Gestaltungsanspruch Russlands und der Türkei. Sie ist zudem ein Beispiel dafür, wie diese Neuordnungsprozesse bereits vor den tektonischen Verschiebungen im Kontext des gegenwärtigen Krieges in der Ukraine die Spielräume für die EU in der Region verschoben haben.
After a voyage through the Indian and Pacific Oceans lasting almost seven months, the frigate Bayern has returned to Wilhelmshaven. Above all, Germany’s intention in sending the ship was to signal its political willingness to be more actively involved in the stability and security of the Indo-Pacific. Retrospectively, the mission has helped to vitalize and deepen relationships with partners in the region through military and diplomatic dialogues as well as combined exercises by the armed forces. It is now crucial to maintain the relationship momentum this has created, for instance by continuing with consultations. However, Germany has not lived up to the claim – or just barely – that the frigate’s voyage would contribute to maintaining the existing rules-based order and international law. It remains to be seen what conclusions Germany will draw for future engagement in the Indo-Pacific.
Europa erlebt derzeit die größte Fluchtbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg. Die EU hat erstmals die Richtlinie zum vorübergehenden Schutz aktiviert. Demnach können die Geflüchteten aus der Ukraine ihr Aufnahmeland selbst wählen, dort arbeiten und Leistungen erhalten. Auch wenn die Zahl der Flüchtenden Sorgen bereitet, sollte die EU an diesem offenen Ansatz festhalten und auf die Vorteile zurückgreifen, die die sozialen Bindungen der Geflüchteten und das große zivilgesellschaftliche Engagement bieten. EU-weite Verteilungsquoten wären im Vergleich zur selbstbestimmten Mobilität die schlechtere Lösung: Die Fluchtbewegung kann bewältigt werden, wenn die Potentiale der Selbstverteilung in der EU und in den Mitgliedsländern genutzt werden, sich alle EU-Mitgliedstaaten finanziell an der Aufnahme beteiligen und die Aufnahmeländer jetzt schon die Voraussetzungen für einen längerfristigen Aufenthalt schaffen.