The Agreement Establishing the African Continental Free Trade Area (AfCFTA) came into force in May 2019. Ultimately the AfCFTA is designed to create a comprehensive African market; what is does at this stage is set in motion a set of complex and foreseeably very lengthy negotiations. The outcome of that process will not yet be full free trade in Africa, but it will bring about a reduction in tariffs with the potential to stimulate production and trade and boost regional value chains. It is, however, too early to be discussing modifying the European Union’s trade policy towards Africa, or for this to be an issue for the upcoming German Council Presidency. Nevertheless, Germany and the European Union should continue to follow and support the process of establishing the AfCFTA, which is an important political process with significant long-term economic potential for Africa.
In view of the current challenges facing world politics and its specific structural conditions (national sovereignty, power diffusion), multilateralism appears to be an almost indispensable form of international diplomacy. Nevertheless, it seems controversial: multilateralism is currently under fire, particularly from the White House and the State Department, whilst both China’s President Xi Jinping and his Russian counterpart Vladimir Putin pose as advocates and defenders of multilateralism. On closer inspection, however, the controversy is not about multilateralism as a diplomatic procedure, but essentially about the question of which principles, values and organizations should determine the international order and thus shape international politics. At the same time, the inherent difficulties and limitations of multilateralism are often underestimated, and its potential overestimated. In order to make multilateralism as effective as possible, a realistic assessment of its preconditions and a wise understanding of the peculiarities of multilateral politics are therefore essential.
On 19 January 2020 a high-level conference was held in Berlin to find solutions to the conflict in Libya between the unity government under Fayez al-Sarraj and the troops led by General Khalifa Haftar. A central agreement in the final declaration aims to stop the unimpeded influx of weapons that external actors are making available to the warring parties. The conference participants committed themselves to “unequivocally and fully respect and implement the arms embargo established by United Nations Security Council Resolution 1970 (2011) and the Council’s subsequent resolutions, including the proliferation of arms from Libya, and call on all international actors to do the same”. The declaration thus reaffirms the existing resolutions, revealing its basic problem: So far, the United Nations (UN) has not been able to effectively enforce the current embargo for a variety of reasons.
Nach dem erfolgten Austritt des Vereinigten Königreichs (VK) aus der Europäischen Union (EU) gehen die Brexit-Verhandlungen in die nächste, entscheidende Phase: In nur noch zehn Monaten Übergangszeit gilt es, das zukünftige Verhältnis von EU und VK in Wirtschaft, innerer Sicherheit und Außenpolitik sowie einen institutionellen Gesamtrahmen auszuhandeln. Doch die Vorzeichen stehen auf Konfrontation. Oberste Maxime der innenpolitisch gestärkten britischen Regierung ist die absolute Abgrenzung von der EU, die Liste von Konfliktpunkten mit den Verhandlungszielen der Union ist lang. Gemeinsam müssen die Verhandlungsführer ein neues Modell der Zusammenarbeit zwischen Partnerschaft und Wettbewerb finden.
Öffnet Griechenland einige Grenzübergänge für irreguläre Migranten und Schutzsuchende aus der Türkei, droht eine politische Kettenreaktion. Zwar gibt es keine belastbaren Erkenntnisse dazu, dass eine neue unkontrollierbare »Sogwirkung« entstehen könnte. Für das aktuelle Jahr kann mit einer niedrigen sechsstelligen Zahl an Personen gerechnet werden, die irregulär über die sogenannte östliche Mittelmeerroute in die EU einreisen würden. Dies ist eine sehr große Herausforderung, aber nicht mit 2015 zu vergleichen.
Viele EU-Länder verletzen bereits seit zwei Jahren das SchengenrechtAllerdings wird es in Griechenland zu weiteren gewaltsamen Protesten gegenüber Zuwanderern kommen. Andere EU-Mitgliedstaaten werden bei einer erhöhten Weiterwanderung über die Balkanroute wahrscheinlich Binnengrenzkontrollen ausweiten. Bereits seit zwei Jahren verletzen Deutschland, Österreich, Frankreich und andere nordische Mitgliedstaaten die dazu geltenden Bestimmungen des Schengenrechts.
Zusätzlich droht in Deutschland eine erneute Nabelschau auf die vergangene Migrationspolitik, während in Italien und Frankreich rechtspopulistische Akteure nur auf eine erneute Krise zum Ausbau ihrer Machtposition warten. Schließlich könnte Erdogan versucht sein, weitere Drohungen gegenüber Griechenland und der EU umzusetzen.
Ein Kurs der Härte an der griechischen Außengrenze ist jedoch keinen Deut besser. Die konservative Regierung toleriert lokale Übergriffe gegenüber Zuwanderern und legitimiert somit womöglich neue Bürgerwehren. Die Ankündigung, das Asylsystem für einen Monat zu suspendieren, entbehrt jeglicher rechtlicher Grundlage. Die Prüfung des individuellen Schutzbedürfnisses ist in EU-Gesetzen, der europäischen Grundrechtecharta und dem internationalen Recht festgeschrieben.
Das Urteil des Gerichtshofs für Menschenrechte erlaubt keinesfalls flächendeckende RückführungenDas vielbeachtete Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur spanischen Grenzsicherung in Melilla erlaubt keineswegs flächendeckende Rückschiebungen von irregulären Zuwanderern. Vielmehr argumentierte der Gerichtshof, dass eine Abschiebung ohne Asylantrag in diesem Einzelfall gerechtfertigt war, da die spanische Grenze mit Gewalt gestürmt wurde und andere Zugangswege bestanden hätten. Dies ist nicht ohne weiteres auf Griechenland zu übertragen.
Ungeachtet dessen übt sich Ungarn in seiner Vorreiterrolle für den Abbau liberaler Grundrechte und erklärte als erstes EU-Land, keine neuen Asylanträge mehr anzunehmen. Wenn in den kommenden Tagen Frontex verstärkt für den Außengrenzschutz mobilisiert wird, ohne dass der Respekt für das geltende EU-Asylrecht eingefordert wird, kann die EU ihre Anstrengungen für die Verteidigung der Rechtsstaatlichkeit vorerst beerdigen.
Was also tun? Es braucht keine grundlegend neuen Ideen, sondern eine gemeinschaftliche europäische Politik, die Griechenland und die Türkei entlastet, dabei aber ebenso klare Linien aufzeigt.
Drei Schritte sind nötigErstens muss mit der Türkei vereinbart werden, dass im Gegenzug für neue umfangreiche humanitäre Hilfen die reguläre Grenzsicherung wiederhergestellt wird. Der Rahmen der EU-Türkei-Erklärung sollte dazu genutzt werden, neue Gelder gemäß europäischer Interessen zu steuern, also nicht direkt in die türkische Einflusszone in Nordsyrien fließen zu lassen. Sollten erneut Schutzsuchende vorsätzlich an die griechischen Landgrenzen gebracht werden, könnten separate wirtschaftliche Sanktionen gegen die Türkei in den Blick genommen werden.
Zweitens sollten die neu an der griechischen Grenze gestrandeten Personen kontrolliert eingelassen werden. Griechenland muss zulassen, dass mit direkter EU-Beteiligung dort neue menschenwürdige Aufnahmelager geschaffen werden. Asylanträge der Neuankömmlinge könnten zeitlich gestreckt und mit Hilfe des europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO) bearbeitet werden.
Dieser Ansatz ist mit großen praktischen Schwierigkeiten verbunden, vermeidet aber eine noch gefährlichere allgemeine Suspendierung des Asylrechts. Andere EU-Staaten müssen zugleich in substantiellem Umfang Minderjährige und weitere Schutzbedürftige von den griechischen Inseln übernehmen. Diese Forderung ist altbekannt, aber relevanter denn je.
Griechenland darf nicht nur beim Grenzschutz unterstützt werden. Eine neue Anstrengung zur Verteilung Geflüchteter lädt nicht zur unkontrollierten Zuwanderung ein, sondern verteidigt den Kern europäischer Werte.
Drittens muss schnellstmöglich eine größere Reform des europäischen Asylsystems auf den Weg gebracht werden, die unsere Abhängigkeit von Drittstaaten verringert. Ein »neuer Migrationspakt« der Europäischen Kommission und weitere Reformvorstellungen Deutschlands für die EU-Flüchtlingspolitik sollten diesen März offiziell vorgestellt werden.
Dabei werden während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte noch viele Fragen zu klären sein. Wenn Griechenland und die EU aber jetzt in eine einseitige Politik der Abschreckung zurückfallen, läuft diese Reformdebatte zwangsläufig ins Leere.
Der Text ist zuerst bei Tagesspiegel.de erschienen.
∎ Während das Thema grenzüberschreitende Flucht seit Jahren ganz oben auf der internationalen Agenda steht, erfährt das zahlenmäßig noch größere Phänomen Binnenvertreibung wenig politische Aufmerksamkeit. Das ist problematisch, da Binnenvertreibung Konflikte fördert und Entwicklung hemmt.
∎ Das Problem verschärft sich, wenn Binnenvertreibung lange andauert. Wird einer großen Bevölkerungsgruppe über Jahre die Ausübung von Grund- und Bürgerrechten verwehrt, entstehen hohe gesamtgesellschaftliche Kosten und politische Risiken.
∎ Akute Binnenvertreibung kann vielfältige Ursachen haben. Verstetigt sie sich, deutet das auf grundlegende politische Versäumnisse hin. Entsprechend sensibel ist das Thema für die jeweiligen Regierungen. Sie werten internationale Unterstützungsangebote häufig als unzulässige Eingriffe in ihre inneren Angelegenheiten.
∎ Auf globaler und regionaler Ebene sind seit Anfang der 2000er Jahre Fortschritte in der Rechtsetzung zu verzeichnen. Die Umsetzung ist aber nach wie vor unzureichend, und es fehlt ein zentraler internationaler Akteur, der sich für die Belange von Binnenvertriebenen stark macht.
∎ Voraussetzung für den Schutz und die Unterstützung der Betroffenen ist der politische Wille nationaler Entscheidungsträger. Neue Zugänge lassen sich eröffnen, wenn den Regierungen die Folgen von Binnenvertreibung klarer vor Augen geführt werden und an ihr Eigeninteresse appelliert wird.
∎ Die Bundesregierung sollte dem Thema Binnenvertreibung mehr Aufmerksamkeit widmen und sich besonders für dauerhafte Lösungen einsetzen. Die wichtigste institutionelle Reform bestände darin, wieder einen Sonderbeauftragten für Binnenvertriebene zu ernennen, der dem Generalsekretär der Vereinten Nationen direkt unterstellt ist.
Lange galt der Grundsatz, dass Präsidentschaftswahlen in den USA in der politischen Mitte gewonnen werden. Aufgrund des Mehrheitswahlrechts war im amerikanischen Zwei-Parteiensystem der Kampf um die dort verorteten Wechselwähler entscheidend. Deshalb galten Kandidaten mit moderaten Positionen als besonders erfolgversprechend. Bewerber wie der erzkonservative Republikaner Barry Goldwater 1964 oder der linke Demokrat George McGovern 1972 wurden durch haushohe Niederlagen abgestraft.
Bereits die Wiederwahl von George W. Bush im Jahr 2004 erschütterte diese Gewissheit. Erstmals führte eine bewusst nicht auf die Mitte, sondern den konservativen Rand des politischen Spektrums ausgerichtete Wahlkampfstrategie zum Erfolg. Auch die überraschende Niederlage von Hillary Clinton gegen Donald Trump vor vier Jahren verdeutlichte, wie entscheidend die Mobilisierung des gesamten Wählerpotentials für den Wahlausgang ist.
Die ideale Kandidatur begeistert die eigenen Anhänger und überzeugt gleichzeitig Unentschlossene davon, für die Demokraten zu stimmen. Barack Obama kam diesem Ideal nahe, doch im diesjährigen Wahlkampf ist keine vergleichbare Person in Sicht; zudem ist unklar, ob er unter den heutigen Bedingungen ebenso erfolgreich sein könnte. Den größten Enthusiasmus löst bislang Bernie Sanders aus. Allerdings befürchten viele, dass er mit seinen progressiv-linken Positionen mögliche Wechselwähler verschreckt. Deren Zahl hat jedoch in den letzten Jahrzehnten deutlich abgenommen, und zwar parallel zur stetig ansteigenden parteipolitischen und ideologischen Polarisierung der amerikanischen Gesellschaft. In den 1990er Jahren wurde ihr Anteil am Elektorat noch auf etwa 20 Prozent geschätzt, mittlerweile gelten aber nur noch sechs bis zehn Prozent als tatsächlich unentschlossen. Die Zielgruppe, die durch die richtige Kombination aus Kandidatin bzw. Kandidat und moderaten Politikinhalten zu gewinnen ist, ist somit um die Hälfte geschrumpft.
Weitgehend unstrittig ist, dass das Wählerpotenzial der Demokraten größer ausfällt als das der Republikaner. Die Demokraten vereinen die Stimmen einer Vielzahl von gesellschaftlichen Gruppen auf sich, die ein breites kulturelles, ethnisches und politisches Spektrum repräsentieren – von der schwarzen Gewerkschafterin bis zum queeren Genderaktivisten. Uneinigkeit herrscht hingegen über den richtigen Weg, dieses Wählerpotenzial zu aktivieren. Entscheidet sich die Wahl durch die Mobilisierung des progressiven Spektrums oder im Kampf um die moderate Mitte? Lars Brozus und Johannes Thimm kommen zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen.
Lars Brozus: Wer Trump schlagen will, muss das progressive Spektrum mobilisieren
Lars Brozus
Zwei Gründe sprechen dafür, dass der Weg in die Mitte ein Fehler wäre. Erstens besteht die beste Chance, im November vorn zu liegen, darin, jemanden zu nominieren, der nicht nur die eigenen Anhänger, sondern auch Erst- und Nichtwähler zu elektrisieren vermag. Dieses Wählerpotenzial lässt sich durch moderate Positionen jedoch nur schwer aktivieren. Progressive Ideen fallen hingegen auf fruchtbaren Boden, denn das ideologische Spektrum der Demokraten hat sich nach links verschoben. Zudem ist die Wahlbevölkerung jünger und bunter geworden: Der Anteil der Erstwähler hat sich seit 2016 auf etwa zehn Prozent verdoppelt, ethnische Minderheiten machen inzwischen ein Drittel des Elektorats aus. All das schwächt das moderate Milieu, das Obama noch zu erreichen vermochte. Schon Hillary Clinton gelang es mit ihren gemäßigten Positionen vor vier Jahren nicht, das progressiv-linke Spektrum des demokratischen Wählerpotenzials für sich zu gewinnen.
Zweitens dürfte es nahezu unmöglich sein, konservative Wähler davon zu überzeugen, diesmal für die Demokraten oder zumindest nicht für Trump zu stimmen. Denn die vorwiegend weiße, ländliche und ältere Wählerschaft der Republikaner befürchtet, dauerhaft zur Minderheit zu werden. Tatsächlich wird die amerikanische Gesellschaft ethnisch heterogener, kulturell vielfältiger und gesellschaftspolitisch liberaler. In einer Art Dauerwahlkampfmodus nutzt Trump diese Angst, indem er die Ernennung konservativer Richter oder die Eindämmung der Immigration als Erfolge verkauft, die der Liberalisierung der amerikanischen Gesellschaft Grenzen setzen. Mit den Erfolgsmeldungen verbunden ist die Drohung, dass alles gefährdet sei, wenn die Demokraten wieder an die Macht kämen. Weil diese Botschaft den republikanischen Anhängern unaufhörlich eingehämmert wird, dürften sie hochmotiviert sein, zur Wahl zu gehen und für Trump zu stimmen.
Im demokratischen Kandidatenfeld stehen Elizabeth Warren und Bernie Sanders für progressive Ideen. Warren entfacht bislang nur wenig Begeisterung, während Sanders über die enthusiastischsten Anhänger verfügt. Er ist sicher nicht die erste Wahl, wenn es darum geht, Wechselwähler in der Mitte zu gewinnen. Aber die bisherigen Vorwahlergebnisse und die Tatsache, dass er seine Wahlkampagne durch Millionen von Kleinspendern finanzieren kann, unterstreichen seine Popularität. Die Warnung, dass seine Nominierung Trumps Wiederwahl garantieren würde, überzeugt daher nicht.
Johannes Thimm: Die Mitte aufzugeben, ist riskant
Johannes Thimm
Das Argument, dass Mobilisierung mit progressiven Positionen wichtiger sei als ein Ansprechen der Mitte, hat drei entscheidende Schwächen.
Erstens könnte ein Kandidat vom linken Rand nicht nur die eigene Basis mobilisieren, sondern auch die Basis von Trump in Rekordhöhe an die Wahlurnen treiben und so den eigenen Mobilisierungsvorteil wieder zunichtemachen.
Zweitens ist davon auszugehen, dass gerade die dezidiert linken Anhänger der Demokraten hoch motiviert sind, Trump aus dem Amt zu wählen und zu diesem Zweck auch für eine Person stimmen würden, die ihre politischen Präferenzen nicht vollständig reflektiert. Um sie zu mobilisieren, bedarf es keines besonders linken Kandidaten.
Drittens, und das ist das zentrale Argument für einen Kandidaten der Mitte, verlieren die Demokraten die Unentschlossenen, wenn diese gezwungen sind, zwischen zwei Extremen zu wählen. Schwierig wird es insbesondere dann, wenn sie zu der Auffassung gelangen, dass das Programm eines sehr linken Kandidaten einen zufriedenstellenden Status quo, etwa die wirtschaftliche Stabilität, gefährdet.
Ein Beispiel: Ein massiver Ausbau des Sozialstaats – unter anderem ein steuerfinanziertes öffentliches Gesundheitssystem und kostenlose Universitätsbildung –, wie Sanders ihn fordert, muss mit deutlich höheren Steuern finanziert werden. Diese Aussicht könnte viele Unentschiedene unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit verschrecken, selbst solche, die von Trump genug haben: Sie würden entweder nicht wählen oder doch für Trump stimmen. Man kann daher nicht sicher davon ausgehen, dass die mutmaßlich höhere Wahlbeteiligung am linken Ende des Spektrums, die ein progressiver Kandidat verspricht, die damit einhergehenden Verluste in der Mitte ausgleichen könnte.
Umgekehrt kann es gerade in eher konservativ geprägten Wahlkreisen durchaus erfolgversprechend sein, mit moderaten Positionen anzutreten. Dies gilt besonders, da durch die Besonderheiten im amerikanischen Wahlsystem konservative Wahlkreise überproportional viel Gewicht haben. So gelang es den Demokraten bei den Zwischenwahlen zum Kongress 2018, durch die Nominierung von Kandidaten der Mitte zahlreiche Wahlkreise zu gewinnen, die zuvor an die Republikaner gegangen waren.
Zwar mag die Zahl der Wechselwähler insgesamt schwinden, doch können sie noch immer wahlentscheidend sein. Es darf daher bezweifelt werden, ob es für die Demokraten taktisch klug ist, sich auf Trumps Spiel der maximalen Polarisierung einzulassen.
On 28 February, Turkey opened its borders with Europe in the wake of the death of 34 Turkish soldiers in Syrian. In response, Greece and Bulgaria stepped their border protections, insisting that they would not admit any refugees. In the meantime, the EU called on Ankara to uphold the EU-Turkey Statement. Turkey announced on 1 March that it would no longer prevent refugees from leaving Turkey. While Ankara claims that around 80,000 have already left, the International Organization for Migration put the number of refugees waiting at the Pazarkule border at around 13,000 on 1 March. Greek officials said on 2 March that a child drowned when a boat capsized off the Greek island of Lesbos.
Pressuring the EU for support in IdlibAnkara’s determination to keep the border open despite the risk to human life is yet another example of refugees being used as bargaining chips. Having failed to persuade Russia to convince the Assad regime to withdraw to the Sochi ceasefire line, Turkish policy-makers and pro-government commentators had in recent weeks been calling on the EU and NATO for help.
At the moment, it is difficult to predict whether the movement of refugees to the EU’s external borders will trigger a crisis comparable to 2015. The question demanding immediate attention lies elsewhere. It should be no surprise that Ankara instrumentalizes refugees to further its foreign policy ambitions. It has been doing so, increasingly, since 2012, especially against the EU since the March 2016 agreement on formal cooperation over migration control. Ankara’s deployment of refugees as a bargaining chip against the European Union is in fact a direct outcome of the EU’s externalization policies.
Ankara currently appears strikingly indifferent to the possibility of being blamed by the international community for triggering a humanitarian crisis – which is certainly on the cards, given the EU’s determination to keep refugees out and the poor conditions in the camps on the Greek islands. In one stark example of this attitude, the Turkish public news channel TRT Arabic published a map showing possible paths for refugees to reach Europe.
Distracting from foreign-policy failuresAnkara’s indifference should motivate policy-makers in Europe to ponder Turkey’s lack of capacity to strategize its medium- to long-term foreign-policy goals. Turkish foreign policy, especially in Syria, has been a series of tactics devoid of coherent strategy. As the case of Idlib very clearly demonstrates, tactics may postpone problems but cannot solve them. The military conflict between Turkish forces and Syrian government forces backed by Russia and Iran has flared since December 2019. This was arguably inevitable given Turkey’s misreading of the nature of its relationship with Russia and its unwillingness to relinquish its maximalist position of holding onto Idlib as leverage to keep other areas under its control (Afrin and between Ras-al-Ayn and Tal Abyad).
The extensive coverage by pro-government media refugees rushing to the land and sea borders should also be interpreted against this backdrop of a short-sighted foreign policy. The focus on refugees leaving Turkey is intended to divert attention away from the death of Turkish soldiers. It also allows the government to mobilize public support amidst increasingly negative sentiment towards refugees across the political spectrum. On 1 March, for instance, homes and businesses of Syrians in Maraş were attacked by local residents. On 28 February the mayor of Bolu, a member of the Republican People’s Party (CHP), announced that the municipality would organize free transport to Edirne, close to the borders with Bulgaria and Greece. Similarly, some bus companies call the rides from Istanbul Esenler Bus Station to the border cities the “journey of hope” (umuda yolculuk).
Does the EU have options?In Idlib, Ankara insists on holding onto the areas that are currently under its control and possibly connecting these with a “safe zone” along the border. Such a safe zone would not only host internally displaced persons, but might also help Turkey's repatriation efforts, Ankara seems to believe. In other words, opening the borders to the European Union for refugees is a tactical move to pressure the EU to support Turkey in Idlib.
Significantly, Turkey is committed to keeping the Syria-Turkey border closed to IDPs from Idlib. Since 1 December 2019, fighting in Idlib has forced around 950,000 people from their homes, 500,000 of them children. For some, this has been the sixth or seventh displacement. Tens of thousands of people currently live in makeshift tents, public buildings and out in the open. Another 200,000 people are expected to leave soon. Moreover, if Idlib were to fall in the hands of the Assad regime, violent repression would be inevitable.
Preventing this unfolding humanitarian disaster is an ethical obligation. It is undeniable that Ankara, as one of the central actors, lacks commitment to democratic norms and values. Turkey cloaks its foreign and domestic policy objectives in humanitarian talk, but does not hesitate to violate humanitarian principles. Yet, the humanitarian reality on the ground requires the support of the international community. The EU should intervene in coordination with NATO to bring mass-scale humanitarian assistance to the IDPs in Idlib. This could force Turkey to pull back from its maximalist position of retaining control in Idlib and provide protection to civilians against the aggression of the Syrian regime. The European Union could make a possible coordinated intervention conditional on Turkey restoring the provisions of the EU-Turkey Statement.
This text was also published on fairobserver.com.
Der Konflikt zwischen Ägypten und Äthiopien um die Verteilung und Nutzung des Nilwassers ist in eine neue Phase eingetreten. Im Mittelpunkt steht jetzt die Frage, wie und über welchen Zeitraum das Staubecken des Grand Ethiopian Renaissance Dam (GERD) befüllt wird. Vor diesem Hintergrund haben die USA Ende 2019 einen neuen Vermittlungsversuch gestartet. Anfängliche Hoffnungen auf eine schnelle Einigung haben sich indes nicht erfüllt. Je länger Ergebnisse auf sich warten lassen, desto deutlicher wird, dass externe Mediation allein nicht ausreicht, den Konflikt zu lösen. Dieser kann offenbar nur entschärft werden, wenn Ägypten Äthiopien für ein Entgegenkommen entschädigt. Deutschland und seine europäischen Partner sollten Ägypten beim Aufbau eines entsprechenden Kompensationsmechanismus finanziell unterstützen. Dies würde die Stabilität in der konfliktträchtigen Nachbarregion Europas fördern und den dortigen Migrationsdruck verringern. Allerdings sollten die Europäer eine finanzielle Beteiligung an klare Bedingungen gegenüber Kairo knüpfen, die darauf abzielen, das Wassermanagement und die allgemeine Regierungsführung zu verbessern.
We are witnessing a period of great change in world politics. The old power structures still dominate daily politics, but are no longer unchallenged. New ideas for a post-liberal order appear on the horizon. The world order has indubitably entered an “interregnum” where, as Antonio Gramsci wrote, the masses “no longer believe what they used to believe previously”. Doubts and scepticism proliferate over the success of globalisation, the idea of liberal progress and Francis Fukuyama’s influential theory that the collapse of the Soviet Union would lead to global dominance for democracy and market capitalism.
Two Sobering TruthsTwo developments amplify the growing feeling disorientation in politics, economics and academia. Firstly, as the sociologist Bruno Latour puts it, the globe has grown too small for the demands of modern globalisation and optimisation. Tangible climate change affects everyone, clearly highlighting the limits to liberal modernisation. Secondly, the Western liberal narrative of progress has lost its momentum. At the latest since the financial crisis of 2008, fractures have appeared in the US-led global economic system, with growing social inequality, privatisation of digital markets and increasingly sharp political polarisation. In the words of the conservative political theorist Patrick J. Deneen, liberalism has failed because it was too successful. Equally pertinently, the political scientists Helge Jordheim and Einar Wigen note that the centuries-old self-image of Europe – and even more so the United States – as the global motor of political, socio-cultural and economic progress is fading. In its place contemporary experiences of crisis, stagnation and a world decidedly out of balance.
Dystopia and Nostalgia in Dealings with ChinaThese threats to the liberal world order come into stark focus in the debates over the rise of China. Washington regards China under Xi Jinping as the decisive disruption and the power it most needs to contain. In this interpretation, the two powers are spiralling into a “new era of great power competition” as Beijing also stands its ground. Today the Chinese leadership distinguishes openly between the institutionalised forms of the international order, in which China engages actively, and the underlying values of (what they see as) the US-dominated Western liberal world order, which they emphatically reject. These perspectives ramp up the pressure on US politicians to take rapid and decisive action. This may encourage dystopianism: The rise of China is seen as sealing the inevitable decline of the United States and Western values, making it necessary to prevent China’s rise by any means possible. Or it may foster nostalgia and a wish to revive the confidence of a bygone era. Both perspectives ultimately imply a need to “put China in its place”. This promotes assertions of strength and even more prominently the idea of decoupling from China, as well as a very clear distinction between friend and enemy. The result is a climate of discussion where political polarisation is presented as inevitable, which in extremis always also includes the real possibility of armed conflict between the United States and China.
Tolerance of AmbiguityThe sense of inevitability in this era of global interregnum, especially in relation to the growing rivalry between the two great powers, obscures the view of (and increasingly also blocks the desire for) alternatives. Where could the way out lie? First of all, it is crucial that these tectonic shifts in world politics are not just occurring around us: Germany and Europe are themselves part of these changes. Secondly, China, and especially the Communist Party, is not going to develop – in economic, political, social or cultural terms – as the United States (or the European Union) might wish. The central question is therefore whether Europe can accept China as a permanent part of the world order without the Chinese leadership signing up to Western values. If we conclude that it can, European actors will have to deal with the contradictions with which China confronts us. The sociologist Andreas Reckwitz describes this as tolerance of ambiguity. In contrast to Washington’s demand for decoupling, tolerance of ambiguity is apparently the harder task; but it also draws a line under the politics of polarisation that tends to hinder diplomacy more than it helps. For Europe the question is ultimately less about being for or against the United States or China, but instead in the medium term creating new, productive structures of order in which core European values remain central.
Internationale Koordinierung und europäische Reaktion
Internationale Koordinierung und europäische ReaktionNach dem heftigen Ausbruch des Corona-Virus in Italien und ersten Fällen in Deutschland ist anzunehmen, dass sich die Situation zu einer Pandemie ausweitet. Die WHO hatte bereits den internationalen Gesundheitsnotstand erklärt und kann so besser länderübergreifende Maßnahmen koordinieren. Worauf kommt es für Deutschland in der Zusammenarbeit mit anderen Ländern nun an?
Maike Voss: Die Informationsgewinnung und -weitergabe zwischen den betroffenen Staaten und der WHO ist essentiell. So hat Deutschland zum Beispiel der WHO Ergebnisse aus Untersuchungen der Patienten weitergegeben, die in Bayern medizinisch versorgt worden sind. Die WHO bündelt diese Informationen, und so können andere Länder davon lernen. Außerdem kommt es auf eine angemessene, sachliche Risikokommunikation mit der Bevölkerung an, die sich an den Informationen der WHO orientiert. Das funktioniert in Deutschland bisher vorbildlich. Das Narrativ der »gelassenen Achtsamkeit« des Gesundheitsministeriums ist gut gewählt und entspricht der Studienlage: Die wirkungsvollsten Maßnahmen zum individuellen Schutz vor dem Virus sind Dinge wie Händewaschen und Abstandhalten; kollektiven Schutz erreichen wir durch ein gut aufgestelltes und vorbereitetes Gesundheitssystem – in Deutschland und in allen anderen Ländern.
Mit der Abriegelung ganzer Provinzen bzw. Gemeinden in China oder Italien werden die Freiheitsrechte der Betroffenen verletzt. Wie sinnvoll sind solche Maßnahmen?
Voss: Es geht um die Frage, ob solche Abriegelungen angesichts der Sachlage angemessen sind. Das, was gerade in Italien mit der Abriegelung ganzer Gebiete geschieht, halte ich für überzogen. China hat aber die Messlatte, was Schutzmaßnahmen betrifft, so enorm hochgehängt, dass verunsicherte Bevölkerungen anderer Länder nun hohe Erwartungen an staatliche Maßnahmen stellen. Hier geht es um ein gutes Erwartungsmanagement: Was ist angesichts dessen, was wir bisher über das Virus wissen, der konkreten Umstände in dem jeweiligen Land und angesichts einer kulturell bedingten öffentlichen Risikowahrnehmung angemessen? Und in welchen Fällen könnte es gerechtfertigt sein, die Freiheitsrechte Einzelner einzuschränken, um ein Kollektiv zu schützen? Sinnvoller als das Abriegeln ganzer Gebiete in betroffenen europäischen Ländern ist aus heutiger Sicht sicherlich die Isolation einzelner Erkrankter und die Identifizierung ihrer Kontakte. All dies muss von einer guten Kommunikation begleitet sein, damit Betroffene kooperieren.
Die WHO rät von Handels- und Reisebeschränkungen ab. Wieso?
Voss: Die WHO will das Land, in dem das Virus grassiert, vor dreifachen Nachteilen schützen: Es leidet unter dem Ausbruch selbst, erhält wegen geschlossener Grenzen keine Hilfsgüter und nimmt aufgrund der Abriegelung langfristig ökonomisch Schaden. Handels- und Reisebeschränkungen sollen deshalb laut internationalen Gesundheitsvorschriften der WHO nicht verhängt werden. Und wenn doch, müssen sie in begründeten Ausnahmefällen vor der WHO und der Staatengemeinschaft gerechtfertigt werden: Wenn zum Beispiel ein Zug mit einer potenziell Infizierten an Bord eine Grenze passieren will, wie auf dem Brenner geschehen. Die WHO hat jedoch leider keine Sanktionsmöglichkeiten, wenn ein Land sich nicht an diese Empfehlung hält.
Umgang mit der Krise in ChinaWie ist die Reaktion der chinesischen Regierung auf den Ausbrauch des Virus zu bewerten?
Nadine Godehardt: Seit der ungewöhnlich schnellen Veröffentlichung von Xi Jinpings Rede über das Coronavirus vom 3. Februar (Chinesisch: http://www.qstheory.cn/dukan/qs/2020-02/15/c_1125572832.htm) ist bekannt, dass Xi offenbar seit dem 7. Januar mündliche und schriftliche Anweisung zur Eindämmung der Epidemie gegeben hat. Rückwirkend wird in der chinesischen Presse die Lesart verbreitet, dass Xi Jinping erstens frühzeitig Bescheid wusste und zweitens die Führung insgesamt die Dinge im Griff hat. All dies täuscht aber nicht darüber hinweg, dass die Behörden Informationen wochenlang zurückgehalten haben. Für die Zentralregierung geht es deshalb jetzt auch um Schadensbegrenzung sowie die Rückgewinnung der Kontrolle über Maßnahmen und Informationsfluss.
In der Bevölkerung regt sich derweil Unmut und Kritik an der Zentralregierung. Gerade der Tod des Arztes Li Wenliang, der als einer der ersten die Gefahr der neuartigen Grippewelle erkannte und auf die Vertuschung der Behörden in Wuhan hinwies, hat zu einem regelrechten Welle der Empörung geführt, in der immer wieder auch Forderungen nach mehr Meinungsfreit laut wurden. Was bedeutet das für Xi Jinping?
Godehardt: Zum jetzigen Zeitpunkt ist die Position Xi Jinpings nicht ernsthaft gefährdet. Es ist vielmehr so, dass selbst in dieser schwierigen Krise Xi Jinping seinem Regierungsstil treu bleibt. Die KP steht im Zentrum des sogenannten »Volkskriegs gegen das Virus«, etwa in Gestalt der hochranging besetzten »Leading Small Group« unter der Leitung von Ministerpräsident Li Keqiang zur Steuerung der Maßnahmen oder der KP-Nachbarschaftskomitees, die meist Rentnerinnen und Rentner von Tür zu Tür ziehen lassen, um die Körpertemperatur der Bewohner zu überprüfen. Auch die Ablösung der zuständigen Parteisekretäre sowohl in der Provinz Hubei als auch der Provinzhauptstadt Wuhan zu diesem ungewöhnlich frühen Zeitpunkt unterstreicht, dass Xi Jinping diese Krise auch nutzt, um seinen Machteinfluss weiter auszubauen und gezielt verbündete Kader auf diesen Posten zu platzieren.
Kann diese Strategie aufgehen?
Godehardt: Das hängt davon ab, wie gut es der Führung gelingt, das Virus mittelfristig einzudämmen. Wenn die Lage nochmals eskaliert, z.B. durch einen weiteren schweren Ausbruch an einem anderen Ort in China – oder außerhalb Chinas, z.B. in Europa oder Afrika – dann könnte Xis Position ernsthaft gefährdet sein. Auch deshalb, weil er sich mit seinen öffentlichen Auftritten bei der Eindämmung des Virus selbst wieder stark in den Vordergrund gerückt hat. Erfolg und Misserfolg werden deshalb auf ihn zurückfallen.
Die Zentralregierung versucht weiterhin, klassische und soziale Medien zu kontrollieren. Offiziell ist es verboten, unabhängige Berichte zu posten; alle Veröffentlichungen sollen sich an der offiziellen Berichterstattung orientieren. Dies wird mit aller Härte durchgesetzt.
Godehardt: China erlebt gerade eine absolute Ausnahmesituation. Viele Menschen sitzen in ihren Wohnungen in Quarantäne, müssen nicht arbeiten und haben daher – äußert ungewöhnlich für den sonst so stressigen Alltag in China – sehr viel Zeit, die sie meistens in den sozialen Medien verbringen. Mit dem Ergebnis einer großen Vielzahl von Online-Kommentaren, Videos, Memes etc. Diese Epidemie ist in vielerlei Hinsicht wahrscheinlich die erste, die online weltweit quasi im Live-Ticker verfolgt werden kann. Das ist für die chinesische Regierung sicherlich erschreckend und hat sie teils überfordert, deshalb greift sie hart durch, beispielsweise mit Festnahmen und verschärfter Online-Zensur.
Trotzdem gibt es immer noch eine Vielzahl von Online-Kommentaren über die Situation vor Ort. Wie ist das einzuschätzen?
Godehardt: Es ist ermutigend zu sehen, dass trotz dieser Verschärfungen viele Chineseninnen und Chinesen weiterhin vielfältige und kritische Gedanken über die Grenzen des chinesischen Gesundheitssystems, die Reaktion der lokalen Behörden und das Management der Zentralregierung online äußern. Erstaunlich ist auch, wie schnell sie sich zivilgesellschaftlich organisiert haben, um vor allem den Menschen in Wuhan zu helfen. Das Virus veranschaulicht, dass China kein monolithischer Block ist.
Wirtschaftliche FolgenWas sind die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Epidemie, für China und für das Ausland?
Hanns Günther Hilpert: Die Absage des Neujahrsfestes, allgemeine Reiseverbote und lokale Ausgangssperren haben zwangsläufig Auswirkungen auf die Wirtschaft. Es ist deshalb nicht überraschend, dass in China Nachfrage und Konsum im laufenden ersten Jahresquartal stark eingebrochen sind. Betroffen sind insbesondere die Branchen Gastronomie, Tourismus, Verkehr und Einzelhandel. Auch Chinas Industrieproduktion steht still oder läuft nur mit halber Kraft.
Und diese Situation betrifft auch Pekings Handelspartner.
Hilpert: Ja, schließlich ist China die größte Handelsnation der Welt. Chinas Importe gehen zurück, was wir heute bereits an der Talfahrt der Energie- und Rohstoffpreise sehen können. Da aber auch die Industrieimporte zurückgehen, wird bald auch Deutschlands Wirtschaft negativ betroffen sein. Zudem führen die chinesischen Lieferausfälle weltweit zu Produktionsunterbrechungen, wie schon unzählige Beispiele gezeigt haben. Immerhin verschafft der relativ weite Schiffstransportweg von China nach Europa Deutschlands Industrie noch etwas Zeit, um bei kritischen Engpässen nach alternativen Bezugsquellen Ausschau zu halten. Die wirtschaftlichen Risiken der Corona-Epidemie werden inzwischen auch an den Weltfinanzmärkten deutlich wahrgenommen. Die Kursverluste schaffen Unsicherheit und belasten zusätzlich die Konjunktur.
Wie kann die deutsche oder europäische Wirtschaftspolitik gegensteuern?
Hilpert: Das wird bei einer verantwortungsvollen Abwägung zwischen gesundheitlichen und wirtschaftlichen Risiken wohl kaum möglich sein. Schließlich könnten etwa Betriebsferien notwendig sein, um die Epidemie einzudämmen. Eine Lockerung mag Konjunktur und Wirtschaft stimulieren, sie kann aber auch zu einer unkontrollierten Verbreitung des Virus führen.
Welche Lehren können bzw. sollen Wirtschaftspolitik und Wirtschaft aus der Corona-Krise ziehen?
Hilpert: Generell ist festzustellen, dass im Zuge der Globalisierung neue, offensichtlich bislang unterschätzte Risiken entstanden sind, auf die sich Unternehmen einstellen müssen, die in einer stark vernetzten Weltwirtschaft agieren. Zweifellos helfen globale Liefer- und Produktionsketten, Kosten zu sparen und besser im Wettbewerb zu bestehen. Sie schaffen aber auch neue Verwundbarkeiten. In der aktuellen Situation zeigt sich, wie fahrlässig es ist, sich in der Fertigung von einer einzigen Bezugsquelle abhängig zu machen. Unternehmen sollten sich stattdessen durch das Vorhalten alternativer Lieferquellen oder eine vorsorgliche Lagerhaltung gegen mögliche Ausfälle absichern. Zudem hat die anfängliche Verschleierung des Corona-Virus durch Chinas Sicherheitsbehörden regulatorische und politische Defizite des Investitionsstandorts China deutlich vor Augen geführt. Manche Investoren werden sich jetzt eingestehen, dass gewissen Risiken in China unterschätzt wurden.
Offenbar bringt die gegenwärtige Situation die Wirtschaften in USA und EU in Schwierigkeiten, aber nicht zum Erliegen: Werden Politikerinnen und Politiker zu dem Schluss kommen, dass wir auf China verzichten können, im Sinne eines »Decoupling«, also des Entkoppelns global vernetzter Wirtschaften?
Hilpert: Wir sollten nicht das Kind mit dem Bade ausschütten. Auch wenn die Robustheit der Lieferketten mit China überschätzt worden ist, so ist der wirtschaftliche und technologische Austausch mit China für beide Seiten immer ein Gewinn gewesen. Wenn wir Arbeitsteilung und Zusammenarbeit jetzt zurückfahren, geht dies zu Lasten wirtschaftlicher Effizienz, Produktivität und Wohlstand. Wir würden das Risiko einer verhängnisvollen Abwärtsspirale eingehen.
Das Interview führte Candida Splett von der Online-Redaktion der SWP.
Dieses »Kurz gesagt« ist auch bei euractiv.de erschienen.
Die Weltpolitik befindet sich in einer Phase großer Veränderungen. Alte Machtstrukturen beherrschen noch den politischen Alltag, sind aber nicht mehr unangefochten. Neue Ideen einer postliberalen Ordnung sind am Horizont bereits sichtbar. Die Weltordnung steckt fest in einem Zustand des »Interregnum«. Dieser ist nach Antonio Gramsci geprägt davon, dass die großen Massen nicht mehr daran glauben, »woran sie zuvor glaubten«. Zweifel wachsen an dem Erfolg der Globalisierung, des liberalen Fortschritts sowie der These von Francis Fukuyama, dass Demokratie und Marktwirtschaft sich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion endgültig und global durchsetzen würden.
Zwei ernüchternde WahrheitenZwei Entwicklungen verstärken die zunehmende Orientierungslosigkeit in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Erstens ist der Globus, wie der Soziologe Bruno Latour es beschreibt, für die Globalisierungs- und Optimierungspläne der Moderne zu klein geworden. Klimawandel ist sichtbar und betrifft alle, und so werden dem liberalen Modernisierungsweg deutlich seine Grenzen aufgezeigt. Zweitens hat das westlich-liberale Fortschrittsnarrativ sein Momentum verloren. Spätestens seit der Finanzkrise 2008 hat das von den USA global gestützte Wirtschaftssystem Risse bekommen, beispielweise durch die wachsende soziale Ungleichheit, die Privatisierung der digitalen Märkte oder die zunehmende Polarisierung der politischen Welt. Mit den Worten des konservativen politischen Theoretikers Patrick J. Deneen ist der Liberalismus gescheitert, weil er zu erfolgreich war. Ebenso treffend resümieren die Politikwissenschaftler Helge Jordheim und Einar Wigen, dass die jahrhundertealte Selbstwahrnehmung Europas, und noch mehr der USA, als globaler Motor des politischen, sozio-kulturellen und wirtschaftlichen Fortschritts von den gegenwärtigen Erfahrungen der Krise, des Stillstands und einer Welt, die elementar aus dem Rhythmus kommt, abgelöst wird.
Der Umgang mit China zwischen Nostalgie und DystopieIn der Auseinandersetzung mit Chinas Aufstieg werden diese Bedrohungen für die liberale Weltordnung besonders sichtbar. Aus Sicht der USA ist China unter der Führung von Xi Jinping die entscheidende Disruption, die es zu kontrollieren gilt. Beide Staaten bewegen sich demnach auf eine »neue Ära der Großmächtekonkurrenz« zu, denn auch Peking bleibt in seinen Positionen standhaft. Die chinesische Führung unterscheidet mittlerweile offen zwischen den institutionalisierten Formen der internationalen Ordnung, in denen sich China aktiv engagiert, und den zugrundeliegenden Werten der (aus chinesischer Warte) von den USA dominierten westlich-liberalen Weltordnung, die sie deutlich ablehnt. Diese Sichtweisen verstärken den Druck auf Politiker und Politikerinnen in den USA, möglichst schnell klare Verhältnisse zu schaffen. Daraus folgt entweder ein Hang zur Dystopie: Der Aufstieg Chinas besiegelt danach automatisch den Abstieg der USA und der westlichen Werte, weshalb es notwendig sei, Chinas Aufstieg mit allen Mitteln aufzuhalten. Oder es entwickelt sich eine Neigung zur Nostalgie: Das Selbstbewusstsein vergangener Zeiten soll wiederbelebt werden. Beide Sichtweisen münden in der postulierten Notwendigkeit, China in seine Schranken zu weisen. Dabei geht es um die Betonung der eigenen Stärke und noch prominenter um die Idee der Abkopplung von China ebenso wie um eine klare Freund-Feind-Unterscheidung. So wird ein Debattenklima der alternativlosen politischen Bekenntnisse begründet, das im Extremfall immer die reale Möglichkeit des gewaltsamen Konfliktes zwischen den USA und China mit einschließt.
Ambiguitätstoleranz statt AbkopplungDer Zustand des weltpolitischen Interregnums und das Gefühl der Ausweglosigkeit gerade mit Blick auf die wachsende Rivalität zwischen den beiden Großmächten versperrt die Sicht (und zunehmend auch die Lust) auf alternative Schlussfolgerungen. Doch wie könnte ein Ausweg aussehen? Zunächst ist zentral, dass die großen weltpolitischen Veränderungen nicht nur um uns herum passieren, sondern Deutschland und Europa selber Teil dieser Veränderungen sind. Zweitens wird sich China, allen voran die Kommunistische Partei Chinas, weder wirtschaftlich, politisch, sozial oder kulturell so entwickeln wie die USA (oder Europa) sich das wünschen. Die zentrale Frage lautet daher, ob Europa China dauerhaft als Teil der Weltordnung akzeptieren kann, ohne dass die chinesische Führung die westlichen Werte mitträgt. Beantworten wir diese Frage mit Ja, müssten europäische Akteure die Ambivalenzen, mit denen uns China konfrontiert, aushalten. Der Soziologe Andreas Reckwitz bezeichnet diese Fähigkeit als Ambiguitätstoleranz. Im Gegensatz zur US-Forderung nach Abkopplung ist das Aushalten von Ambiguitäten die vermeintlich schwerere Aufgabe; es setzt aber gleichsam einen Endpunkt unter die Bekenntnispolitik, die Diplomatie eher behindert als befördert. Letztlich geht es für Europa weniger darum, für oder gegen die USA respektive China zu sein, als mittelfristig neue, produktive Ordnungsstrukturen zu gestalten, in denen zentrale Elemente der europäischen Wertevorstellungen weiterhin integriert bleiben.
Presidential and parliamentary elections were held in Taiwan on 11 January 2020. The island is de facto a sovereign state and a consolidated democracy but is claimed by the People’s Republic of China. Taiwan’s president, Tsai Ing-wen, who has been in power since 2016, and her Democratic Progress Party (DPP) won both elections by a clear majority. The DPP stresses Taiwan’s de facto independence. The largest opposition party, Kuomintang (KMT), stands for closer economic cooperation with mainland China. The election campaign was marked by increasing pressure from Beijing on the island and by protests in Hong Kong. Hong Kong serves as a warning to the Taiwanese about what could happen if Taiwan becomes too close to the mainland or even merges with it: The island state could lose its democracy and freedom.
On 27 November 2019, Turkish President Recep Tayyip Erdoğan declared that Turkey had concluded a treaty on military assistance and cooperation with the government of Fayez al-Sarraj in Libya. The agreement permits the deployment of Turkish troops into the civil-war-torn country. The announcement was met with almost unanimous criticism in Western Europe. The indignation grew even greater when it became known that Turkey was controlling and financing the smuggling of Islamic Syrian fighters into Libya. Reports of a dominant influence of the Muslim Brotherhood on the Libyan government seemed to complete the picture of a strongly Islamist-motivated Turkish policy.
However, Turkey’s engagement in Libya is not driven by ideology, but rather by strategic considerations and economic interests. Ankara is thus reacting to its isolation in the eastern Mediterranean, where the dispute over the distribution of gas resources is intensifying. At the same time, Turkey is drawing lessons from the war in Syria. Ankara has lost this war, but through its engagement in Syria, it has been able to establish a conflictual – but viable – working relationship with Russia. The bottom line is that Turkey’s commitment to Libya is a shift in the focus of its foreign policy from the Middle East to the Mediterranean, a shift that will present entirely new challenges to Europe, the European Union (EU), and the North Atlantic Treaty Organization (NATO).
At the end of January 2020, US President Donald Trump and his Middle East team, after a long delay, presented the political component of the so-called Deal of the Century. It claims to provide for a comprehensive and definitive settlement of the Israeli-Palestinian conflict through a two-state solution. It complements the economic component, which had been presented in Manama, Bahrain, in June 2019. After a successful peace deal, the economic component is to lead to massive levels of investment in Palestine and the region, triggering a boost in development.
Entrenching of the one-state realityIn fact, however, the plan is designed in a way that will entrench the one-state reality that has developed in Israel and the Palestinian territories it occupies. It would permanently enshrine Israeli security responsibilities and Israel’s control over borders, airspace, and coastal waters as well as legitimise the annexation of about 30 per cent of the West Bank. According to the Trump administration’s script, the State of Palestine would not have a contiguous territory. Rather, its islands would be connected by bridges, tunnels, and transit routes, all under Israeli control.
The planned land swaps are not only unequal in size and quality, but also have explosive potential, mainly because the so-called Arab Triangle in Galilee is to be part of the Palestinian state. In fact, the Palestinian Israelis living there would lose their Israeli citizenship and be isolated from their surroundings. What is more, there would not only be Palestinian enclaves in Israeli territory, but also 15 settlement enclaves in the Palestinian state. This would guarantee continued friction.
Jerusalem would remain the “undivided capital of Israel”, and Israel would retain control over the majority of Palestinian residential areas, the Old City, the Holy Basin, and the holy sites. The Palestinians would be allowed to regard the neighbourhoods east of the separation barrier as their capital, if they so wish, and call it Al-Quds. As a result, some 140,000 Palestinians in Jerusalem could lose their residency permits. The plan categorically excludes the right of Palestinian refugees to return to Israel.
The Trump plan is not a basis for negotiations, but it is likely to shape realityThe Palestinian leadership has already rejected the plan and negotiations on its basis. This is not surprising. Not only is the document largely based on the narrative of the Israeli right, but it also ignores Palestinian claims and interests almost entirely. It is also contrary to principles of international law, such as the inadmissibility of the appropriation of territory by force. Moreover, it falls far short of the international consensus on conflict settlement, enshrined for example in Security Council Resolution 2234 (2016), which provides for a balance of interests, a territorial arrangement based on the 1967 border, and a consensual settlement of the refugee issue.
The American vision also offers the Palestinians far less than previous US plans or Israeli proposals. Above all, however, the offer of a Palestinian state is completely void of meaning due to the restrictions envisaged. Its implementation would in any case be subject to an Israeli-American veto – as would the carrot of substantial financial assistance. For it is Israel and the Americans who would decide whether or not the Palestinians are meeting the criteria for statehood and whether they merit the investment in prosperity.
However, this does not mean that the plan is irrelevant. To the contrary, it is likely to have a decisive impact on developments on the ground and become a point of reference for future approaches, for any future Israeli government is unlikely to accept less than has been promised by Trump. What is more, the plan allows Israel – independently of negotiations – to annex the designated areas and further expand the settlements there. In this way, it closes the door to a negotiated two-state arrangement for good.
Europeans need to weigh inAlthough an Israeli-American committee has already been set up to work out the details of annexations, and even if the strategic environment is far from favourable, there is still room for the Europeans to influence the next Israeli government’s cost-benefit calculation and prevent it from permanently obstructing a negotiated solution, as well as to prevent the Trump plan from becoming an international frame of reference for future approaches to the conflict. The European Union (EU) and its member states should make use of this room for manoeuvre.
The EU’s High Representative for Foreign Affairs and Security Policy, Josep Borrell, already warned that annexations would not go unchallenged. It is necessary to spell out now how a European response to de jure annexations would look. In that context, Europeans have toyed with a wide range of approaches – from recognising the State of Palestine within the 1967 borders and sanctioning Israel, for example by suspending the Association Agreement, to cautious engagement with the Deal of the Century.
It would be essential to first quickly agree at least on a minimum shared position – instead of waiting until the European Council meeting on 26 and 27 March – and, on this basis, to send clear signals not only from Brussels but also Europe’s capitals. This should include Europeans’ refusal to recognise a unilateral determination of borders and their demand that Israel grant citizenship rights in all annexed areas as well as those under permanent occupation. It should also include confirming Israel’s obligation to ensure the livelihoods of the populations in all areas it permanently controls – and a corresponding withdrawal of European financial support. In addition, EU member states would have to drive home the point that de jure annexations would seriously disrupt relations between Israel and Europe.
Such declarations will not resonate if a right-wing nationalist government led by the Likud is formed again in Israel after elections on 2 March. But if the next coalition is led by the more moderate Benny Gantz, there will be a chance for dialogue.
Second, Europeans must prevent the Trump plan from becoming an international frame of reference for future negotiations. Therefore, they should refrain from anything that could be understood as giving legitimacy to the plan – for example, by proposing talks on “this and other proposals”.
Third, Europeans must not give the impression that they are giving Israel (or any other actor) a free pass for violations of international law – as Germany did in its letter to the International Criminal Court, which was aimed at protecting Israel from an investigation into suspected war crimes.
In view of a substantial loss in local elections and an urge to demonstrate that the Turkish government is in control of the situation, Ankara’s attitude toward the approximately four million Syrian refugees changed in July 2019. Security forces started to round up Syrian refugees, send them back to the Turkish provinces where they were registered, deport some, and encourage others to move to areas controlled by Turkey in northern Syria, including the conflict zone Idlib. The change in Turkish policy vis-à-vis the Syrian refugees as well as dramatic developments in Idlib have renewed international attention to the plight of the refugees. Ankara needs continued European support to deal with the situation, particularly if a new wave of refugees is forced to flee to Turkey from Idlib.
Ende Januar 2020 hat US-Präsident Donald Trump gemeinsam mit seinem Nahost-Team nach langer Verzögerung den politischen Teil des sogenannten Jahrhundert-Deals vorgestellt. Dieser formuliert den Anspruch, den Konflikt umfassend und definitiv durch eine Zweistaatenlösung zu regeln. Ergänzt wird er durch die schon im Juni 2019 in Manama, Bahrain, präsentierte ökonomische Komponente, die – nach einer Konfliktregelung – zu massiven Investitionen in Palästina und der Region führen und damit einen enormen Entwicklungsschub anstoßen soll.
Zementierung der EinstaatenrealitätTatsächlich sieht der Plan allerdings vor, die Einstaatenrealität zu verfestigen, die sich in Israel und den von ihm besetzten palästinensischen Gebieten herausgebildet hat. Denn er würde die israelische Sicherheitsverantwortung und Israels Kontrolle über Grenzen, Luftraum und Küstengewässer dauerhaft festschreiben und legitimiert die Annexion von rund 30 Prozent der West Bank. Der palästinensische Staat hätte nach dem Skript der Trump-Administration kein zusammenhängendes Territorium. Seine Inseln würden durch Brücken, Tunnels und Transitstrecken verbunden werden.
Der vorgesehene Landtausch birgt vor allem deshalb Sprengstoff, weil das sogenannte Arabische Dreieck in Galiläa dem palästinensischen Staat zugeschlagen werden soll. De facto würden die dort ansässigen palästinensischen Israelis ausgebürgert und von ihrer Umgebung isoliert. Es gäbe aber nicht nur palästinensische Enklaven in israelischem Staatsgebiet, sondern auch 15 Siedlungsenklaven im palästinensischen Staat. Damit bliebe eine Vielzahl von Reibungspunkten bestehen.
Jerusalem würde »ungeteilte Hauptstadt Israels« bleiben, Israel die Kontrolle auch über das Gros der palästinensischen Wohngebiete sowie die Heiligen Stätten behalten. Die Palästinenser dürften die Viertel, die östlich der Sperrmauer liegen, als ihre Hauptstadt betrachten. Damit könnten auch rund 140.000 Palästinenser ihr Aufenthaltsrecht in Jerusalem verlieren. Ein Rückkehrrecht palästinensischer Flüchtlinge nach Israel schließt der Plan kategorisch aus.
Der Trump-Plan ist keine Verhandlungsgrundlage, wird aber die Realität prägenDie palästinensische Führung hat den Plan und Verhandlungen auf seiner Grundlage bereits abgelehnt. Dies ist nicht verwunderlich. Denn nicht nur beruht das Dokument ganz überwiegend auf dem Narrativ der israelischen Rechten, auch lässt es palästinensische Ansprüche und Interessen fast vollständig außen vor. Es steht zudem im Widerspruch zu völkerrechtlichen Grundsätzen, wie der Unzulässigkeit der Aneignung von Territorium durch Gewalt. Darüber hinaus fällt es weit hinter den bisherigen internationalen Konsens in Bezug auf eine Konfliktregelung zurück, der einen Interessenausgleich auf Basis der Grenze von 1967 und eine einvernehmliche Regelung der Flüchtlingsfrage vorsieht.
Der amerikanische Aufschlag bietet den Palästinensern auch deutlich weniger an als bisherige israelische Verhandlungsangebote. Vor allem aber wird die Offerte eines palästinensischen Staates durch die vorgesehenen Einschränkungen völlig entwertet. Seine Verwirklichung bliebe ohnehin einem israelisch-amerikanischen Veto unterworfen – ebenso wie das Lockangebot umfangreicher Finanzhilfen. Denn Israel und die Amerikaner sollen darüber entscheiden, ob die Palästinenser die Kriterien für Staatlichkeit erfüllen und ihnen ein Staat und das umfangreiche Wirtschaftsprogramm zustehen, oder eben nicht.
Damit ist der Plan aber keineswegs hinfällig. Vielmehr dürfte er die Zukunft ganz entscheidend prägen und zum Bezugspunkt für künftige Lösungsansätze werden, hinter dessen Versprechungen israelische Regierungen nicht mehr zurückgehen werden. Und er erlaubt Israel, unabhängig von Verhandlungen, in den dafür vorgesehenen Gebieten Annexionen vorzunehmen sowie die Siedlungen weiter auszubauen. So verschließt er die Tür zu einer verhandelten Zweistaatenregelung.
Die Europäer sind gefordertAuch wenn bereits ein israelisch-amerikanisches Komitee eingesetzt worden ist, um die Details von Annexionen auszuarbeiten, und auch wenn das strategische Umfeld alles andere als günstig ist: Noch gibt es Handlungsspielraum, um die Kosten-Nutzen-Rechnung der nächsten israelischen Regierung zu beeinflussen und sie davon abzuhalten, eine Verhandlungslösung dauerhaft zu verbauen, sowie zu verhindern, dass der Trump-Plan zum internationalen Referenzrahmen für künftige Lösungsansätze wird. Diesen Spielraum sollten Deutschland und seine europäischen Partner nutzen.
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hat bereits gewarnt, Annexionen würden von europäischer Seite nicht unangefochten hingenommen. Nun gilt es auszubuchstabieren, wie eine europäische Reaktion auf die De-jure-Annexionen aussehen würde. Hier gehen die Ansätze der Europäer bislang weit auseinander – von einer Anerkennung des Staates Palästina in den Grenzen von 1967 oder eine Sanktionierung Israels, etwa durch die Suspendierung des Assoziierungsabkommens, bis zu einem vorsichtigen Engagement mit der Trump-Vorlage.
Wichtig wäre erstens, sich schnell auf gemeinsame Grundlinien zu verständigen, statt bis zum Europäischen Rat am 26./27. März zu warten, und auf dieser Basis nicht nur aus Brüssel, sondern auch aus den Hauptstädten klare Signale zu senden. Dazu gehört, dass die Europäer einseitige Grenzziehungen nicht anerkennen und von Israel die Gewährung staatsbürgerlicher Rechte in annektierten Gebieten und in Gebieten unter dauerhafter Besatzung fordern. Dazu gehört auch, die Verpflichtung Israels zu bestätigen, in allen von ihm dauerhaft kontrollierten Gebieten die Lebensgrundlagen der Bevölkerung sicherzustellen – verbunden mit einem entsprechenden finanziellen Rückzug der Europäer. Außerdem müssten die EU-Mitgliedstaaten unmissverständlich klarmachen, dass De-jure-Annexionen die Beziehungen zwischen Israel und Europa empfindlich stören würden.
Solche Ankündigungen werden relativ wenig Einfluss entfalten, sollte sich in Israel nach den Wahlen am 2. März einmal mehr eine rechtsnationale Regierung unter Führung des Likud bilden. Sollte die nächste Koalition aber von dem gemäßigteren Benny Gantz geführt werden, wird es Anknüpfungspunkte für einen Dialog geben.
Zweitens gilt es zu verhindern, dass der Trump-Plan zum internationalen Referenzrahmen für künftige Verhandlungen wird. Daher müssen die Europäer alles unterlassen, was so verstanden werden könnte, als ob es dem Plan Legitimität verleiht – etwa, indem Gespräche über diese und andere Vorlagen vorgeschlagen werden.
Drittens dürfen die Europäer nicht den Eindruck erwecken, als ob sie Israel (oder irgendeinem anderen Akteur) einen Freifahrschein für Völkerrechtsverstöße ausstellten – wie es Deutschland mit seinem Brief an den internationalen Strafgerichtshof getan hat, der Israel vor einer Ermittlung vermuteter Kriegsverbrechen bewahren soll.
Im Mai 2019 ist das Abkommen über die Afrikanische Kontinentale Freihandelszone (African Continental Free Trade Area, AfCFTA) in Kraft getreten. Perspektivisch soll die AfCFTA die Grundlage für einen umfassenden afrikanischen Markt schaffen; zunächst setzt sie komplizierte, voraussichtlich lang andauernde Verhandlungen in Gang. An deren Ende wird zwar nicht vollständiger Freihandel in Afrika stehen, aber doch ein Zollabbau, der Handel und Produktion anregen sowie regionale Wertschöpfungsketten stärken könnte. Überlegungen, die Handelspolitik der Europäischen Union (EU) gegenüber Afrika anzupassen – und dass dies ein Thema für die deutsche Ratspräsidentschaft sein könnte –, sind allerdings verfrüht. Trotzdem sollten Deutschland und die EU die Errichtung der AfCFTA weiter begleiten, denn sie ist ein wichtiger politischer Prozess mit auf lange Sicht hohem wirtschaftlichem Potential für Afrika.
Infolge des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine seit 2014 wurde die Anfälligkeit der baltischen Staaten für Destabilisierung zu einem wichtigen Thema in den transatlantischen und europäischen Strukturen.
Nicht nur das Problem der militärischen Verwundbarkeit ist in diesem Zusammenhang wesentlich. Zahlreiche weitere Themen gerieten ins Blickfeld. Sie reichen von der Rolle der russischen und russischsprachigen Minderheiten über Energiesicherheit und wirtschaftliche Verflechtungen bis zu Desinformation und zur digitalen Sphäre.
Seit Mitte der 2010er Jahre haben die drei Länder ihre Resilienz gegenüber Destabilisierung spürbar verbessert, und zwar durch eigene Anstrengungen sowie die Unterstützung ihrer Partner in EU und Nato.
Nach wie vor bestehen aber offene Flanken. Das gilt sowohl für militärische Sicherheit als auch für Felder der »soft security«.
Für Deutschland heißt dies, seine Beziehungen zu Estland, Lettland und Litauen fortzuentwickeln und daran mitzuwirken, eine nachhaltige Resilienzpartnerschaft in EU und Nato aufzubauen.