Sonipat – Nach den schweren Unruhen im nordindischen Bundesstaat Haryana ist es in den meisten Gebieten in der Nacht wieder ruhig geworden. Ausgangssperren wurden wieder aufgehoben. Nur im Bezirk Bhiwani gab es noch vereinzelte Zusammenstösse.
Bei den schweren Unruhen im nordindischen Bundesstaat Haryana sind neuen Angaben zufolge mindestens 19 Menschen getötet worden. Seit Freitag wurden ausserdem mehr als 200 Menschen verletzt, wie ein örtlicher Regierungsvertreter am Montag mitteilte.
Im Zentrum der Auseinandersetzungen standen Befürchtungen der Kaste der Jat vor sozialer Benachteiligung. Besonders schwere Unruhen gab es in Rohtak und Jhajjar.
In Rohtak wurden nach Polizeiangaben Gebäude in Brand gesetzt, Geschäfte geplündert und Geldautomaten leergeräumt. Auch mehrere Bahnhöfe wurden niedergebrannt. Ein Teil der Protestierenden hatte auch die Wasserversorgung der indischen Hauptstadt Neu Delhi über den Haryana-Kanal lahmgelegt.
Die indische Zentralregierung entsandte Tausende Soldaten nach Haryana, um die Lage unter Kontrolle zu bringen. Bei Verhandlungen zwischen Kastenvertretern und der Regierung wurden den Jat schliesslich Quotenregelungen für staatliche Stellen zugesagt.
Die Quotenregelungen wurden in Indien eingeführt, um die traditionelle Benachteiligung vor allem der sogenannten Unberührbaren zu überwinden. Zum Teil rufen solche Regelungen aber Unzufriedenheit bei anderen Bevölkerungsgruppen wie den Jat hervor.
Zur Jat-Kaste gehören rund acht Millionen Menschen. Im Bundesstaat Haryana stellen die Jat fast ein Drittel der Bevölkerung.
Peking – Obwohl die Nachfrage nicht mithalten kann, bauen chinesische Unternehmen ihre Produktion massiv aus. Europäische Unternehmen betrachten die gewaltigen Überkapazitäten der chinesischen Industrie mit zunehmend grosser Sorge.
«Wir sind in einer viel schlechteren Position als zuvor», sagte Jörg Wuttke, Präsident der Europäischen Handelskammer in China am Montag bei der Vorlage einer neuen Studie zum Thema. Demnach sind die Überkapazitäten praktisch aller wichtigen Industrien Chinas in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Das bedeutet: Fabriken betreiben mehr Produktionsanlagen und beschäftigen viel mehr Personal, als eigentlich notwendig wäre.
Erst vergangene Woche hatten Tausende Stahlarbeiter in Brüssel demonstriert, weil sie ihre Arbeitsplätze durch die chinesischen Stahlexporte nach Europa bedroht sehen. Laut Wuttke werde sich die Situation wegen des wirtschaftlichen Abschwungs in China eher noch verschärfen.
Die Zentralregierung in Peking habe zwar schon vor Jahren damit begonnen, Massnahmen gegen die steigenden Überkapazitäten zu beschliessen. Viele Lokalregierungen würden sich jedoch weigern, die neue Regeln auch umzusetzen oder nach Wegen suchen, sie zu umgehen.
Provinzen und Städte, die von den betroffenen Industrien abhängig sind, wollen demnach um jeden Preis Fabrikschliessungen und Massenentlassung verhindern. Viele Staatsunternehmen könnten den Betrieb dabei nur noch mit Hilfe immer neuer Kredite aufrechterhalten. «Dieser Protektionismus muss enden», sagte Wuttke. «Je länger China warten, desto grösser wird das Problem.»
Laut der Studie der Europäischen Handelskammer, verschärft sich nicht nur die Situation in Chinas Stahlindustrie zunehmend. Die Überkapazitäten der chinesischen Zementindustrie legten so zwischen 2008 und 2014 von 450 Millionen auf 850 Millionen Tonnen zu.
Die Überkapazitäten der Öl-Raffinerien der zweitgrössten Volkswirtschaft haben sich im gleichen Zeitraum auf 230 Millionen Tonnen sogar mehr als verdreifacht. Auch in den Chemie-, Glas-, Papier, Aluminium- und Papierbranche wachsen die Produktionskapazitäten schneller als die Nachfrage.
Die Europäische Handelskammer hatte erstmals 2009 auf steigende Überkapazitäten in China hingewiesen. Mitverantwortlich für die Probleme war damals ein gewaltiges Konjunkturprogramm der Regierung. Um die Wirtschaft des Landes trotz der globalen Finanzkrise am Laufen zu halten, wurden vielerorts Milliarden in den Bau neuer Fabriken gesteckt, die bis heute nicht gebraucht werden.
Da Chinas Industriebetriebe in der Regel weit mehr Schadstoffe ausstossen als etwa die Konkurrenz in Europa, ist die überschüssige Produktion laut Experten nicht nur die grösste Gefahr für Chinas Wirtschaft, sondern bedroht auch Pekings Pläne, die Luft- und Umweltverschmutzung in weiten Teilen des Landes in den Griff zu kriegen.
Bürgerliche Politiker wollen den Familiennachzug im Asylbereich einschränken. Allerdings: Insgesamt ist der Zustrom in diesem Bereich relativ bescheiden.
Fast 40'000 Asylgesuche wurden letztes Jahr in der Schweiz eingereicht – und auch für dieses Jahr rechnet der Bund mit hohen Zahlen. Insbesondere um den Zustrom eritreischer Flüchtlinge gehen die Wogen hoch. Bürgerliche Politiker wollen den Flüchtlingszustrom senken – zum Beispiel über eine Beschränkung des Familiennachzugs.
So fordert der Kanton Luzern mit einer Standesinitiative, dass Dienstverweigerern – insbesondere aus Eritrea – nicht mehr der Flüchtlings-, sondern bloss der Schutzstatus zugesprochen wird. Damit soll auch das Recht auf Familiennachzug entfallen. Und die SVP möchte vorläufig Aufgenommenen das Recht auf Familiennachzug gleich gänzlich streichen.
2555 Kinder und 735 ErwachseneDoch wie gross ist die Problematik wirklich?
BLICK liegen die neusten Zahlen des Staatssekretariats für Migration (SEM) vor. Diese zeigen: Der Familiennachzug bei anerkannten Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommenen macht nur einen relativ kleinen Teil des Flüchtlingszustroms aus. Im Jahr 2015 profitierten insgesamt 3290 Personen von einer Familienzusammenführung. Dabei handelt es sich um 2555 Kinder (bis 17 Jahre) sowie 735 Erwachsene.
Allerdings haben sich die Zahlen seit 2010 verdoppelt. Damals wurden 1572 Familienmitglieder nachgezogen. «Die Anzahl Familiennachzüge korreliert direkt mit der absoluten Zahl der Asylgesuche und der Asylgewährungen», erklärt SEM-Sprecherin Léa Wertheimer den Anstieg.
Am meisten kommen aus EritreaIn den letzten sechs Jahren lag jeweils Eritrea als Herkunftsland an der Spitze. So auch im vergangenen Jahr mit 1276 Personen. Dahinter folgen Syrien mit 664 und Sri Lanka mit 545 Personen. Die Zahl der Syrer stieg in den letzten beiden Jahren markant an. Nicht ohne Grund, wie Wertheimer weiss: «Die Schweiz hat für Syrer in zwei Aktionen erleichterte Visa für Familienzusammenführungen erlassen.»
Was auffällt: Der Familiennachzug wird praktisch nur anerkannten Flüchtlingen gewährt. Sie machen mit 3218 Personen – und damit 98 Prozent – den Löwenanteil aus. Anerkannte Flüchtlinge haben nämlich grundsätzlich ein Anrecht auf einen sofortigen Nachzug von Ehe- und eingetragene Partnern sowie minderjährigen Kindern. «Sie werden als Flüchtlinge anerkannt und erhalten Asyl, wenn keine besonderen Umstände dagegen sprechen», so Wertheimer. Für hier geborene Flüchtlingskinder muss zudem jeweils ein spezielles Gesuch gestellt werden.
Tiefe Zahlen bei vorläufig AufgenommenenBei vorläufig Aufgenommenen profitierten nur gerade mal 72 Personen vom Familiennachzug. 2010 waren es sogar nur 6 Personen. Grund: Die Hürden sind hier viel höher. Für vorläufig Aufgenommene gilt nämlich eine Wartefrist von mindestens drei Jahren, bevor sie ein Gesuch für Familiennachzug stellen dürfen.
Voraussetzung ist zudem, dass die Personen zusammen wohnen, die Wohnung genügend gross ist und dass die Familie selber finanziell für sich aufkommen kann. Für Sozialhilfebezüger ist der Familiennachzug damit ausgeschlossen.
Verdoppelung seit 2010Wie sich die Zahlen in den letzten Jahren entwickelt haben, zeigt folgende Liste zu den Familienzusammenführungen im gesamten Asylbereich und in den jeweiligen Top-3-Herkunftsländern (in Klammer jeweils die Anzahl bei vorläufig Aufgenommenen):
2010: 1572 (6) – Eritrea 846 (0), Türkei 133 (0), Sri Lanka 98 (0)
2011: 1719 (12) – Eritrea 1051 (0), Türkei 81 (0), Somalia 78 (0)
2012: 1580 (13) – Eritrea 878 (2), Türkei 105 (0), Syrien 84 (0)
2013: 2337 (34) – Eritrea 1518 (13), Somalia 158 (2), Syrien und Türkei je 98 (0)
2014: 2928 (37) – Eritrea 1401 (7), Syrien 410 (1), Sri Lanka 240 (11)
2015: 3290 (72) – Eritrea 1276 (12), Syrien 664 (3), Sri Lanka 545 (11)
Da auch dieses Jahr mit einer hohen Anzahl von Asylgesuchen gerechnet wird, dürfte der Familiennachzug wieder in einem ähnlich hohen Bereich liegen. Wertheimer sagt aber: «Prognosen sind insgesamt schwierig, da die Lage sehr volatil ist.» Der Familiennachzug hänge eng mit der Zahl und der Zusammensetzung der Asylgesuche zusammen. «Wie sich diese künftig entwickeln, lässt sich heute nicht sagen.»
Kleiner Teil des Familiennachzug-KuchensAnzumerken bleibt auch noch, dass der Familiennachzug im Asylbereich vergleichsweise einen nur sehr bescheidenen Teil des ganzen Familiennachzug-Kuchens ausmacht: Die ständige ausländische Wohnbevölkerung wuchs aufgrund des Familiennachzugs im letzten Jahr um 46'607 Personen – wobei knapp 26'000 aus EU/Efta-Staaten stammen.